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BGH: Nochmals Absprache/Verständigung – Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt

Ich hatte ja im Blogbeitrag vom 03.05.2010 bereits auf eine Entscheidung des BGH im Zusammenhang mit der Absprache/Verständigung hingewiesen. In der Entscheidung spielte das Protokoll der HV eine Rolle.

Welche große Bedeutung dem Protokoll der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Absprache zukommt, ergibt sich auch aus einem weiteren Beschluss des BGH (Beschl. v. 31.03.2010 – 2 StR 31/10). Dort hatte der Verteidiger behauptet, dass ein vom Angeklagten erklärter Rechtsmittelverzicht wegen der Neuregelung in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei. Der BGH weist darauf hin, dass hinsichtlich der Behauptung des Verteidigers, dem Urteil liege eine Verständigung zu Grunde, durch die Sitzungsniederschrift das Gegenteil bewiesen sei. Der nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat, gehöre zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO (zur revisionsrechtlichen Bedeutung des „Negativattests“ gem. § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO siehe BT-Drs. 16/11736; S. 13). Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls sei nur der Nachweis der Fälschung zulässig (§ 274 Satz 2 StPO).

Es ist also darauf zu achten, dass alle mit der Verständigung, insbesondere deren Zustandekommen, in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt.

BGH: Inhalt der Verständigung/Absprache muss nicht ins Protokoll; aber: Vorsicht – Verfahrensrüge gewünscht

Nach Inkrafttreten der neuen Regelungen zur Verständigung in § 257c StPO und die diese Regelung flankierenden Vorschriften werden jetzt die ersten Entscheidungen des BGH zur Neuregelung veröffentlicht.

Der 3. Strafsenat des BGH hatte sich in einem Beschl. v. 13.01.2010 – 3 StR 528/09 – mit der Frage der Dokumentation der Verständigung in den Urteilsgründen zu befassen. Er hat die vom LG vorgenommene Bezugnahme „wegen der Einzelheiten auf das Verhandlungsprotokoll“ aus revisionsrechtlicher Sicht nicht beanstandet. Der durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 (BGBl I 2353) eingefügte § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO erfordere lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung I.S. des § 257c StPO vorausgegangen sei. Die Angabe des Inhalts der Verständigung sei nicht erforderlich. Insoweit finde die notwendige Dokumentation in der Sitzungsniederschrift statt (§ 273 Abs. 1a StPO).

Von Bedeutung ist im Beschl. v. 13.01.2010 über die Frage des notwendigen Protokollinhalts hinaus, dass der BGH in der Entscheidung ausdrücklich darauf hinweist, dass (allein) die Sitzungsniederschrift ggf. die Grundlage für die Prüfung ist, ob das Verfahren nach § 257c StPO eingehalten worden ist. In dem Zusammenhang stellt der BGH ausdrücklich darauf ab, dass vom Revisionsgericht die Einhaltung des Verfahrens nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund einer Verfahrensrüge unter erforderlichem Tatsachenvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO!!) vorzunehmen ist.

Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Was sind neue Tatsachen i.S. von § 66b Abs. 2 StGB??? Der BGH gibt die Antwort

Der BGH hat mit Urteil vom heutigen Tag in 3 StR 372/09 zum Begriff der „neuen Tatsache“ i.S. von § 66b Abs. 2 StGB Stellung genommen und ein Urteil des LG München I bestätigt (vgl. dazu die PM des BGH). „Neu“ sind danach Tatsachen dann nicht, wenn sie bereits bei der Anlassverurteilung erkennbar oder – wie im entschiedenen Fall– sogar schon bekannt waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts sind Tatsachen insbesondere dann nicht „neu“, wenn der Hang und die Gefährlichkeit aufgrund bereits damals bekannter und unverändert gebliebener Tatsachen lediglich anders bewertet werden. Das ist hier der Fall. Deshalb muss die auf gleicher Tatsachengrundlage bloß veränderte Bewertung von Hang und Gefährlichkeit als neue Tatsache ausscheiden. Andere „neu“ bekannt gewordene Tatsachen, insbesondere während des Strafvollzugs, auf welche die Gefährlichkeit gestützt werden könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

Die Entscheidung ist m.E. nicht nur für die SV von Interesse, sondern auch für die Absprache. Denn auch da erlauben nur „neue Tatsachen“ nach § 257c Abs. 4 S. 1 StPO; dass sich das Gericht von der Bindungswirkung der Absprache löst.

BGH: Säge mir doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze, oder: Verständigung schließt Rechtsmittel nicht aus

Etwas versteckt am Ende einer Entscheidung, die eine andere, zwar auch interessante Problematik zu § 231c StPO behandelt, findet sich in dem BGH-Beschl. v. 06.08.2009, 3 StR 547/08 ein Hinweis, der für das Verhätnis der neuen Regelungen zur Absprache/Verständigung (§ 257c StPO) zum allgemeinen Rechtsmittelrecht von Bedeutung ist. Der BGH führt aus:

„Die Rüge scheitert zuletzt auch nicht daran, dass der Angeklagte am 42. Hauptverhandlungstag im Anschluss  an eine Höchststrafenzusage der Strafkammer den Tatvorwurf eingeräumt hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2353), das – entgegen früheren Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren  (vgl. § 337 Abs. 3 StPO-Diskussionsentwurf BMJ, Stand: 22. März 2006; ebenso Gesetzesantrag Niedersachsen BR Drucks. 235/06) – nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht .“

Also: Unzulässig ist nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO (nur) der Rechtsmittelverzicht in einer Absprache. Darüber hinaus können aber auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil die allgemeinen Rechtsmittel (Revision oder Berufung) eingelegt werden. Nur: Wer wird das tun? 🙂

Zur Absprache siehe auch den Überblick bei Burhoff, Auch im Verkehrsrecht Gesetzliche Neuregelungen durch Abspracheregelung und 2. OpferRRG haben Auswirkungen und das E-Book Burhoff/Stephan: Gesetzliche Neuregelungen der StPO 2009.

Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren tritt am 04.08.2009 in Kraft

Heute ist im BGBl., S. 2353 das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren in Kraft getreten. Damit sind ab morgen (vgl. Art. 3 des Gesetzes) die neuen Vorschriften der §§ 160a, 202a, 212 und vor allem die der §§ 257b und 257c in Kraft. Es wird interessant werden zusehen, wie die Praxis mit der Neuregelung umgeht.