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Ablehnung II, oder: Das Gericht hat ein „Heimspiel“ und „Dreck am Stecken“

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Die zweite „Ablehnungsentscheidung“ kommt vom 2. Strafsenat des BGH. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 10.01.2018 – 2 StR 76/17. Es geht in ihm um eine Äußerung des Vorsitzenden einer Strafkammer in der Hauptverhandlung. Und zwar:

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der frühere Mitangeklagte W. ein Unternehmen, das Kunden größere Darlehen ohne Kreditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darlehen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte W. weder die Absicht noch eine Möglichkeit dazu, entsprechende Darlehen zu gewähren. Es ging ihm nur darum, im Rahmen eines Schneeballsystems eine sogenannte Bearbeitungsgebühr zu kassieren. Der Angeklagte, der früher selbst von W. betrogen worden war, und der frühere Mitangeklagte N. unterstützten die betrügerischen Machenschaften insbesondere dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschung solche Kunden hinhielten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten. Bisweilen kam es dazu, dass der Angeklagte Telefongespräche führte, die von anwesenden Kunden mitgehört werden konnten. Dabei wurde ihnen mitunter ein „Theaterstück“ eines Gesprächs mit einem angeblich angerufenen „Banker G. “ über ausstehende Darlehenszahlungen vorgespielt. W. spielte dabei die Rolle des angeblich zur bevorzugten Behandlung des das Telefonat mithörenden Darlehenskunden bereiten Bankiers.

II.

Die Revision ist im Wesentlichen bereits aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur eine Verfahrensrüge. Damit macht der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit der Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs des Angeklagten gegen den Vorsitzenden der Strafkammer als unzulässig wegen Verspätung im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO geltend.

1. Dem lag Folgendes zugrunde:

Am ersten Verhandlungstag hatte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger geäußert, der Angeklagte könne ein Geständnis ablegen. Aufgrund des Zeitablaufs könne die Strafe dann etwas geringer als im ersten Urteil ausfallen. Falls kein Geständnis abgelegt werde, könne das Gericht das erste Urteil praktisch „abschreiben“. Daraufhin hatte der Verteidiger auf seine Ausführungen zur Sachrüge gegen das erste Urteil verwiesen. Der Vorsitzende hatte erwidert, der Angeklagte könne auch freigesprochen werden. Die Hauptverhandlung könnte dann sieben Tage oder länger andauern. Das Gericht habe ein „Heimspiel“. Der Verteidiger hatte dazu bemerkt, dass der Angeklagte kein Geständnis ablegen werde.

Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 16. März 2016, vernahm das Gericht unter anderem den Zeugen F. Nach der Entlassung dieses Zeugen erklärte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat.“ Der Verteidiger erwiderte, er selbst könne kein Geständnis ablegen, weil er beim Tatgeschehen nicht anwesend gewesen sei. Dazu bemerkte der Vorsitzende, er könne sich doch nur an ihn, den Verteidiger, wenden, weil der Angeklagte sich nicht zur Sache äußere.“

Darauf stützt der Angeklagte dann später ein Ablehnungsgesuch, das keinen Erfolg hat. Es wird als verspätet zurückgewiesen.Der BGh lässt die Frage, ob das Ablehnungsgesuch noch gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unverzüglich angebracht worden ist, offen und entscheidet in der Sache:

„c) Der Senat kann danach offen lassen, ob das Ablehnungsgesuch tatsächlich verspätet war. Ist keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren festzustellen, hat das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162; Senat, Beschluss vom 27. August 2008 – 2 StR 261/08, NStZ 2009, 223, 224; Beschluss vom 12. Dezember 2008 – 2 StR 479/08, NStZ-RR 2009, 142; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 338 Rn. 28). Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Richterablehnung durch den Beschwerdeführer jedenfalls unbegründet ist und deshalb nicht mit Unrecht verworfen wurde. Der Hinweis des abgelehnten Vorsitzenden an den Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat“, rechtfertigte im Ergebnis nicht die Besorgnis, er stehe dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber.

aa) …..

bb) Gemessen hieran erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegründet.

Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden begründet unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Zwar hat der Vorsitzende mit seiner an den Verteidiger adressierten Bemerkung dem Angeklagten nahe gelegt, ein Geständnis abzulegen. Der diese Anregung erläuternde Hinweis, „das mit dem Banker G. mache nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken“ habe, nahm ersichtlich auf die nach Aktenlage bestehende Beweislage Bezug und erscheint – ungeachtet der unangemessen anmutenden Wortwahl – vor dem Hintergrund des Verfahrensstands noch als nachvollziehbar; der Angeklagte war in einem ersten Durchgang – maßgeblich auf der Grundlage der Angaben des Zeugen W. , der die Taten sowie die Beteiligung des Angeklagten an ihnen einschließlich des vom Vorsitzenden angesprochenen „Theaterstücks“ geschildert hatte – als Mittäter verurteilt worden.

Vor diesem Hintergrund war die Äußerung des Vorsitzenden als eine vorläufige Bewertung der Beweislage zu verstehen und deutete weder für sich genommen noch im Hinblick auf die vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden auf eine Vorfestlegung hin.

Eine vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage durch einen Richter ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591 mwN). Liegt eine erdrückende Beweislage vor, kann der Richter darauf und auf die verbleibenden Möglichkeiten einer sinnvollen Strafmaßverteidigung hinweisen, ohne seine Pflicht zur Neutralität und Objektivität zu verletzen. Nur in diesem Sinn sind die beanstandeten Bemerkungen hier auch in der Gesamtschau zu verstehen. Ein Hinweis auf das aktuelle Vorliegen einer erdrückenden Beweislage lässt schließlich nicht besorgen, dass andere Verteidigungsmittel als ein Geständnis nicht mehr berücksichtigt werden würden, wenn sie später vorgebracht würden; dass dies geschehen sei, hat die Revision im Übrigen nicht behauptet.“

Na ja, für mich nicht unbedingt zwingend/überzeugend. Wenn man den Kontext und den Gesamtzusammenhang sieht, liegt m.E. die Besorgnis der Befangenheit nicht fern.

Kurzer Hinweis: Die Ausführungen des BGH zur „Unverzüglichekti“ sollte man beachten. Folge: Mit einem Ablehungsantrag nicht (zu) lange zögern.

Ablehnung I: Vorbefassung, oder: Wenn der Richter in einem abgetrennten Verfahren auch tätig war…

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Heute sollen Ablehnungsfragen im Mittelpunkt der Postings stehen. Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 10.01.2018 – 1 StR 571/17, über den ich schon einmal berichtet habe (vgl. BVV I: Raum-/Hintergrundgespräch bei der TKÜ, oder: Natürlich verwertbar). Heute dann also noch einmal, und zwar wegen der Ablehnungsproblematik.

Gerügt worden ist ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO. Begründet worden war das Ablehnungsgesuch mit so.g „Vorbefassung“ der abgelehnten Richter in Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Das Verfahren war nämlich ursprünglich außer gegen den Angeklagten auch gegen zwei mittlerweile rechtskräftig Verurteilte geführt worden. Am dritten Hauptverhandlungstag (06.03.2017) war dieses Verfahren nach einem entsprechenden Antrag des Angeklagten gegen ihn abgetrennt und ausgesetzt worden. Das LG verurteilte anschließend unter Mitwirkung der beiden im hiesigen Verfahren abgelehnten Richter die im Ausgangsverfahren verbliebenen (damaligen) Angeklagten teils ausschließlich, teils auch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen. In dem Urteil vom 06.03.2017 sind einzelne von der Revision mitgeteilte Passagen enthalten, die sich auf die Rolle des hiesigen Angeklagten als Haupttäter im Hinblick auf die Strafbarkeit seiner früheren Mitangeklagten beziehen.

Der Angeklagte dringt mit seiner Verfahrensrüge nicht durch. Die scheitert nach Auffassung des BGH schon an nicht ausreichendem Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO):

„b) Die Revision trägt keine Tatsachen vor, bei deren Vorliegen die Besorgnis der Befangenheit gegen die die beiden abgelehnten Richter begründet wäre.

aa) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters, soweit sie nicht gesetzliche Ausschlussgründe erfüllt, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters i.S.v. 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 19 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN). Das gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch ergeht, zu dem sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).

Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN; siehe auch Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 24 sowie Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 222).

bb) Da nach der Angriffsrichtung der Rüge die Befangenheit der beiden abgelehnten Berufsrichter ausschließlich aus der behaupteten Festlegung auf die Täterschaft des Angeklagten in dem gegen die beiden früheren Mitangeklagten ergangenen Urteil vom 6. März 2017 abgeleitet wird, hängt der Erfolg der Rüge nach den vorgenannten Maßstäben allein vom Vorliegen „besonderer Umstände“ ab. Denn die Beteiligung an dem vorangegangenen Urteil als solche ist aus den dargelegten normativen Erwägungen von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

An dem gebotenen Vortrag von Tatsachen, die „besondere Umstände“ in dem vorgenannten Sinne enthalten, mangelt es jedoch. Tatsächliches Geschehen, das außerhalb des Urteils gegen die früheren Mitangeklagten selbst derartige Umstände enthält, teilt die Revision nicht mit. Aus der Begründung des genannten Urteils werden lediglich solche Passagen vorgetragen, die von vornherein keine die Besorgnis der Befangenheit aufgrund Vorbefassung ausnahmsweise stützenden „besonderen Umstände“ ergeben. Die zitierten Urteilspartien (S. 16 und 17 der Revisionsbegründungsschrift vom 11. September 2017) beinhalten ausschließlich für die Begründung der Schuldsprüche gegen die früheren Mitangeklagten wegen Beilhilfe zu Haupttaten des Angeklagten erforderliche Feststellungen. Das ist jedoch stets zur Begründung von Befangenheit ungeeignet (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 f. und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221). Umstände, die als unnötige oder unsachliche Werturteile gedeutet werden könnten, enthält der Revisionsvortrag nicht.

Im Übrigen genügt in Konstellationen wie der vorliegenden eine lediglich auszugsweise Wiedergabe eines in einem anderen Verfahren ergangenen Urteils regelmäßig den Anforderrungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die sonstigen Urteilspartien Inhalte aufweisen können, die für die Beurteilung des Vorliegens „besonderer Umstände“ zu berücksichtigen wären.“

„durch die Diskussion mit seinem impertinenten Vater“, oder: Die „Gesamtschau reicht für Besorgnis der Befangenheit

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So ganz häufig sind ja Entscheidungen des BGH zur Besorgnis der Befangenheit nicht. Und wenn der BGH entscheidet, haben die in der Instanz gestellten Ablehnungsanträge meist Erfolg. Der BGH scheint, was die Fragen des § 24 StPO angeht, dann doch etwas sensibler als die Tatgerichte zu sein. Ein „schönes“ Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 28.02.2018 – 2 StR 234/16. Ergangen ist er auf die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des LG Frankfurt/Main. Das LG hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und Besitz von Munition, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Außerdem hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Also schon ein richtiger Hammer.

Aber: Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO – Mitwirkung eines abgelehnten Richters – Erfolg. Dazu stellt der BGH – man muss etwas weiter ausholen – Folgendes fest:

„1. a) Den abgeurteilten Taten war eine „Vortat“ vorausgegangen:

Der aus Afghanistan stammende Angeklagte war am 11. November 2007 in einen Streit mit seinem Landsmann P. um die Nutzung eines Fahrzeugstellplatzes geraten. Sie hatten ein Treffen vereinbart und waren jeweils davon ausgegangen, dass es zu einer Auseinandersetzung kommen würde. P. hatte deshalb seinen Schwager A. mitgenommen; beide hatten sich mit Schlagwerkzeugen und zumindest einem Messer bewaffnet. Der Angeklagte hatte seinen Sohn Y. S. , einen Boxsportler, sowie seinen Bruder A. S. , der „stark sehbehindert und kriegsversehrt“ war, zum Tatort mitgebracht. Dort war es zu Tätlichkeiten gekommen, bei denen A. S. durch einen Messerstich tödlich verletzt worden war und der Angeklagte sowie sein Sohn Stichverletzungen davongetragen hatten. P. und A. waren deshalb strafrechtlich verfolgt worden. Der Angeklagte hatte widersprüchliche Zeugenaussagen gemacht und auf das Aussageverhalten seines Sohnes Einfluss genommen. Auch deshalb waren P. und A. vom Landgericht – unter Mitwirkung des im vorliegenden Verfahren abgelehnten Vorsitzenden – durch Urteil vom 9. September 2008 freigesprochen worden, weil Notwehr oder Nothilfe nicht ausgeschlossen werden konnte.

Die Familie des Angeklagten ging von dessen Mitverschulden am Tod seines Bruders aus. Er versuchte sich zu entlasten, indem er P. und A. die ganze Schuld zuschob. Solange sich diese in Untersuchungshaft befanden, „stützte dies die Darstellung des Angeklagten.“ Dieses Bild änderte sich durch die Freisprechung von P. und A. und deren Entlassung aus der Untersuchungshaft. Danach geriet der Angeklagte zunehmend in Misskredit.

b) Durch Urteil des Senats vom 17. Juni 2009 – 2 StR 105/09 – wurde das freisprechende Urteil wegen Rechtsfehlern in der Beweiswürdigung aufgehoben. Die Sache wurde an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese war überlastet, weshalb die neue Hauptverhandlung erst am 9. Dezember 2014 begann.

c) Vor diesem Hintergrund beschloss der Angeklagte, „Selbstjustiz“ zu üben, um sich in seinem sozialen Umfeld in ein besseres Licht zu rücken. Er beschaffte sich eine Selbstladepistole nebst Munition; außerdem verfügte er über ein Jagdmesser. Er wollte P. und A. am zweiten Verhandlungstag vor dem Gebäude des Landgerichts abpassen und dort töten. „Für eine Begehung der Tat vor dem Gerichtsgebäude sprach zuletzt, dass die Tat hierdurch noch den Charakter einer öffentlichen Hinrichtung erhielt.“ Die Tötung sollte ihn „retrospektiv wieder ins Recht setzen.“

Die erneute Hauptverhandlung gegen P. und A. begann am 22. Januar 2014. Dem als Zeugen geladenen Angeklagten wurde mitgeteilt, dass er am nächsten Verhandlungstag, dem 24. Januar 2014, nicht erscheinen müsse. P. und A. kamen an jenem Tag gegen 8.45 Uhr vor dem Gerichtsgebäude an und rechneten nicht mit einem Angriff auf ihr Leben. Der Angeklagte hielt sich unter einer Vielzahl von wartenden Besuchern verborgen. Dann gab er in rascher Folge Schüsse auf P. ab, der zu Boden ging. Der Angeklagte verfolgte den fliehenden A. in den Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes, wo er diesen mit Schüssen und Messerstichen tötete, um danach den schwerverletzten P. mit Messerstichen zu töten.

2. Darin hat das Landgericht einen Heimtückemord in zwei Fällen gesehen. Es ist auch von einer Tötung aus niedrigen Beweggründen ausgegangen. „Selbstjustiz“ könne „nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist.“ Jedoch sei bei einer Gesamtbetrachtung, auch mit Blick auf das „Gewicht und nähere Umstände der Vortat“, davon auszugehen, dass die Beweggründe des Angeklagten auf tiefster Stufe stünden. „Auch die Umstände der justiziellen Aufarbeitung“ sprächen „entschieden gegen den Angeklagten.“ Er aber habe „der Justiz die Behandlung der Sache durch seine Tat ganz bewusst aus der Hand“ genommen.

II.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 2 StPO ist mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO).

1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:

a) Zu Beginn der Hauptverhandlung lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Dies stützte er auf dessen frühere Mitwirkung an dem Freispruch von P. und A. , weiterhin auf Rechtsfehler in jenem Urteil und dem zugrunde liegenden Verfahren, außerdem auf eine mittelbare Verursachung des Tatentschlusses des Angeklagten durch den Freispruch, ferner auf Bemerkungen des Vorsitzenden in einem anderen Verfahren über „Selbstjustiz“ sowie vor allem auf abwertende Bemerkungen über seine Persönlichkeit im freisprechenden Urteil vom 9. September 2008.

Dabei ging es im Einzelnen um Folgendes:

Bei der Urteilsbegründung in einer anderen Strafsache hatte der abgelehnte Vorsitzende kurz nach der Tat des Angeklagten unter anderem geäußert: „Selbstjustiz ist durch die Tat vom vergangenen Freitag nicht salonfähig geworden und wem das nicht passt, der soll dahin gehen, wo das anders ist.“ Diese Äußerung wurde in einem Zeitungsartikel der F. unter der Überschrift „Formen der Selbstjustiz“ zitiert.

In dem Urteil, mit dem P. und A. freigesprochen worden waren, hatte die Schwurgerichtskammer unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden zu der Zeugenaussage des Angeklagten angemerkt: „Den Angaben von H. S. kann nicht gefolgt werden, weil diese ebenfalls teilweise widerlegt und im Übrigen widersprüchlich sind … .“ Im Zusammenhang mit der Zeugenaussage seines Sohnes wurde angemerkt: „Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Erinnerung des Y. S. – ohne böse Absicht – durch die Diskussion mit seinem impertinenten Vater so verfremdet hat, dass er die Ereignisse nicht mehr so wiedergeben kann, wie sie tatsächlich geschehen sind.“

Außerdem hatte das Urteil auf das Verhalten des Angeklagten in einem früheren Gerichtsverfahren wie folgt verwiesen: „Dass H. S. andere zu falschen Aussagen zu bestimmen versucht, ist diesem ebenfalls nicht persönlichkeitsfremd. Er hatte nämlich bereits 2003 vor dem Frankfurter Amtsgericht einen gedungenen Zeugen für sich falsch aussagen lassen.“ Das in Bezug genommene Urteil des Amtsgerichts hatte die Zeugenaussage eines Verwandten des Angeklagten infrage gestellt und dazu bemerkt: „Es drängt sich daher der zwingende Verdacht auf, dass es sich hier um einen Zeugen handelt, der die Unwahrheit vor Gericht gesagt hat.“

b) Der abgelehnte Vorsitzende erklärte dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch, dass die Äußerungen im freisprechenden Urteil zugunsten von P. und A. nicht mit der Absicht einer Herabsetzung des Angeklagten verbunden gewesen seien. Seine in der Zeitung – für sich genommen zutreffend – zitierte Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Sie sei auf das damalige Verfahren bezogen gewesen und habe nichts mit einer ethnopolitischen Einstellung zu tun. Da es hiernach um eine „bloße Vorbefassung“ mit der Sache gehe, habe er von einer Anzeige nach § 30 StPO abgesehen.

c) Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch als unbegründet verworfen.

Dem BGH reicht es. Er bejaht die Besorgnis der Befangenheit – mehr muss nicht vorliegen! Denn: Erforderlich ist eine Gesamtschau aller vom Angeklagten vorgetragenen Umstände. Die Aspekte seien zwar nicht isoliert, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet, die Richterablehnung zu rechtfertigen. Dem kann/ist m.E. nichts hinzuzufügen.

„Wie bescheuert darf man als Vorsitzende Richterin am BFH sein?“, oder: Aber so was von befangen…

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Starten wir in die Woche mit dem BGH, Beschl. v. 17.01.2018 – RiZ 2/16. Ja, das Aktenzeichen ist so richtig, denn es handelt sich um einen Beschluss, der in einem Prüfungsverfahren nach § 62 DRiG ergangen ist. Also etwas ungewöhnlich. Es ist aber auch ein „ungeöhnlicher“ Beschluss. Er gehört für mich in die Kategorie: Soll ich lachen, soll ich weinen, oder zu den Beschlüssen, bei denen man sich beim Lesen fragt: Wie bescheuert muss mal eigentlich sein, wenn man sich als Richter so verhält, wie es hier eine Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof (!), also keine Anfängerin, getan hat?

In dem beim BGH als Dienstgericht des Bundes anhängigen Prüfungsverfahren – man erfährt leider nicht worum es in dem Verfahren geht – gibt es gegen diese Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof – der BGH „anonymisiert“ mit Prof. Dr. J. – ein Ablehnungsgesuch der Antragstellerin des Verfahrens. Die wird wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und die Antragstellerin beruf s ich auf das Zeugnis der abgelehnten Richterin berufen. Die nimt zum Ablehnungsgesuch Stellung. Den letzten Absatz ihrer Äußerung hat sie mit dem Satz eingeleitet, die Antragstellerin sei ihr „schon aus dem Studium“ bekannt, „wo sie stets in der ersten Reihe“ gesessen habe. Die Antragstellerin hat dann ihr Ablehnungsgesuch ergänzend auf die Ausführungen der abgelehnten Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme gestützt.

Und – ich denke – es überrascht nicht: Das Ablehungsgesuch hat Erfolg:

„II.
Das Ablehnungsgesuch gegen Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof Prof. Dr. J. , über das der Senat unter Beteiligung ihres ersten Vertreters entscheidet (BVerwG, Beschluss vom 24. März 2017 – 2 WD 13/16, juris Rn. 4), ist begründet.

Auf die Ablehnung eines Richters im Prüfungsverfahren sind nach § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO die §§ 41 bis 49 ZPO entsprechend anzuwenden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach § 42 Abs. 2 ZPO die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Ein solcher Grund ist gegeben, wenn aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2015 – RiZ(R) 1/15, – RiZ(R) 2/15 und – RiZ(R) 3/15, jeweils juris Rn. 3 mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, einem Verfahrensbeteiligten Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10, vom 20. August 2014 – AnwZ 3/13, NJW-RR 2014, 1469 Rn. 5 und vom 18. Dezember 2014 – V ZR 84/14, NJW-RR 2015, 445 Rn. 5; BVerfGE 108, 122, 126/129).

Danach liegt ein Ablehnungsgrund vor. Die dienstliche Stellungnahme, die eine mit den bis dahin vorgetragenen Ablehnungsgründen nicht in Zusammenhang stehende wertende Schilderung von Jahrzehnte zurückliegenden Vorgängen enthält, gibt aus Sicht der Antragstellerin – mehr ist für den Erfolg des Ablehnungsgesuchs nicht erforderlich – Anlass zu begründeten Zweifeln an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin.“

Erfrischend kurz. Aber mehr braucht der BGH nun wirklich nicht zu schreiben. Jedes weitere Wort wäre bei dieser an der Stelle völlig unnötigen – noch nicht mal witzigen – Bemerkung – zu viel gewesen. Das Ablehnungsgesuch ist nämlich so was begründet.

Man fragt sich dann allerdings, was das soll. Entweder ist die abgelehnte Richterin wikrlich „bescheuert“ oder hat kein Feeling“, beides wäre fatal, denn immerhin ist sie Vorsitzende Richterin am BFH. Da sollte man wissen, dass man sich so nicht äußert. Oder, was auch sein kann, aber auch nicht darf: Sie hat einen Weg gesucht, sich selbst aus dem Verfahren herauszuschießen. Nun, den hat sie gefunden.

Gutachten in einem anderen Prozess, oder: Wann ist der Sachverständige – im Zivilverfahren – befangen?

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Zivilprozessrecht habe ich bisher im Blog wenig gemacht, was damit zu tun hat, dass die m.E. geeigneten Entscheidungen fehlen und ich da noch weniger Ahnung habe als im „materiellen“ Zivilrecht. Da halte ich mich dann lieber bedeckt. Jetzt habe ich aber vom Kollegen Nugel aus Essen einen Beschluss bekommen, der ganz gut passt. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 05.02.2018 – 9 W 4/18 -, in dem das OLG zu Ablehnungsfragen Stellung genommen hat. Der Kläger, der von der Beklagten Versicherungsschutz für die durch einen Verkehrsunfall vom 7.10.2013 in Köln verursachten Schäden an seinem versicherten PKW verlangt, wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des LG, mit dem sein Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Dem jetzigen Verfahren ging ein anderer Rechtsstreit des Klägers vor dem LG Köln voraus, in welchem der Sachverständige ein Gutachten zum Unfallhergang erstellt hatte. Das LG hat die Erhebung des Beweises angeordnet über die Frage der Kompatibilität der Schäden betreffend den streitgegenständlichen Unfall durch Verwertung dieses Gutachtens des Sachverständigen  sowie durch dessen Anhörung vor der Kammer. Mit Beschluss vom 27.11.2017 ordnete das Landgericht die Verwertung dieses Gutachtens gem. § 411a ZPO an. Das LG hat den Antrag abgelehnt. Das OLG folgt dem und sagt: Unzulässig, aber auch unbegründet. Dazu dann folgende Leitsätze:

  • Die zweiwöchige Frist für einen Ablehnungsantrag gegen einen Sachverständigen beginnt bereits, wenn die Ernennung auch nur formlos mitgeteilt wurde.

 

  • Der Sachverständige überschreitet nicht seinen Gutachterauftrag, wenn er den Hergang eines Verkehrsunfalls aufklären soll und zu diesem Zweck auch überprüft, ob die geltend gemachten Schäden der Fahrzeuge zueinander kompatibel sind.

 

  • Selbst wenn ein Sachverständiger seinen Gutachterauftrag überschreitet, vermag allein dieser Umstand nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sondern es muss hinzutreten, dass er aus Sicht einer Partei damit den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt.

Zumindest die Ausführungen zur Begründetheit kann man auch mal im Strafverfahren gebrauchen.