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Skimming: Noch Vorbereitung oder schon Versuch?

Neue Techniken 🙂 führen zu neuen Problemen, wie die Rechtsprechung damit umgehen soll/kann. So auch beim sog. Skimming. Da spielt insbesondere die Abgrenzung „noch Vorbereitungshandlung/schon Versuch“ eine Rolle. Zu der Frage äußert sich dann noch einmal der BGH, Beschl. v. 15.03.2011 – 3 StR 15/11:

„a) Ein derartiges unmittelbares Ansetzen liegt nur bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409, 410).

b) Danach ist das Stadium des Versuchs des gewerbs- und bandenmäßigen Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion jedenfalls dann erreicht, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt. Das bloße Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, durch diese Daten zu erlangen, die später zur Herstellung von Kartendubletten verwendet werden sollen, stellt demgegenüber lediglich eine Vorbereitungshandlung zur Fälschung von Zahlungskarten dar (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 – 2 StR 439/09, NJW 2010, 623; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 336/10, NStZ 2011, 89; Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 419/10). Da die Angeklagten in den fraglichen Fällen durch das Skimming jeweils keine Daten erlangten, kann dahinstehen, ob ein Versuch des gewerbs- und bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten auch dann zu bejahen ist, wenn der Täter im Rahmen des bandenmäßig eingespielten Systems die von ihm ausgespähten Daten innerhalb der Bandenstruktur zur baldigen Verwendung beim Herstellen falscher Zahlungskarten weitergibt (so BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10).“

Verbotenes Rennen: Veranstalter oder Teilnehmer?

Rennen im Straßenverkehr sind nach § 29 StVO verboten. Für die Ahndung einer „Teilnahme“ ist von Bedeutung, ob der Verkehrsteilnehmer „Veranstalter“ oder „Teilnehmer“ ist.

Damit setzt sich das OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.11.2010 – 3(4)SsBs 559/10 AK 203/10 auseinander und grenzt wie folgt ab: Das bloße Geben eines Startsignals und Markieren einer Ziellinie für illegales Autorennen rechtfertiget keine Verurteilung wegen Veranstaltens eines Rennens. Eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Veranstaltens eines nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennens ist danach rechtsfehlerhaft, wenn die Feststellungen insoweit nur ergeben, dass der Betroffene mit Hand- und Hupzeichen das Startsignal für ein solches Rennen gegeben hat und die Ziellinie mit Hilfe seiner Fahrzeugscheinwerfer markiert hat. Veranstalter ist nur derjenige, der die Veranstaltung vorbereitet, organisiert oder eigenverantwortlich ins Werk setzt. Tätigkeiten ausschließlich im Stadium der Durchführung genügen dafür jedenfalls nicht. Ist es zudem nicht fern liegend, dass sich ohne die Notwendigkeit relevanter Vorbereitungen im Rahmen einer Szene spontan derartige Rennen entwickeln können, sodass eine Person als Koordinator nicht notwendig ist, scheidet eine Veranstaltereigenschaft auch aus diesem Grund aus. Die Möglichkeit der Ahndung wegen vorsätzlicher Beteiligung an der Teilnahme an einem Kraftfahrzeugrennen bleibt davon aber unberührt.

Also: Hier nur Teilnehmer.

Wann bzw. wie lange ist eine Befragung eigentlich (noch) eine „informatorische Befragung“?

Jeder Verteidiger kennt das Problem: Der Mandant hat bei der Polizei gequasselt und sich – mehr oder weniger – um Kopf und Kragen geredet. Nun soll/will er schweigen. Da stellt sich dann die Frage, wie halte ich sein ihm schadendes Quasseln aus dem Verfahren raus. Das geht ggf., wenn der Mandant vor dem Quasseln nicht belehrt worden ist (§ 136 StPO lässt grüßen), aber hätte belehrt werden müssen. Dann können die Angaben gegenüber den Polizeibeamten nicht in das Verfahren eingeführt werden.

Es spitzt sich also auf die Frage zu: Belehrung ja oder nein? Dazu sind schon umfangreiche Abhandlungen geschrieben worden: In dem Zusammenhang spielt eben auch der Begriff der informatorischen Befragung eine Rolle. Denn so lange es sich (noch) darum handelt, muss nicht belehrt werden. Dazu verhält sich jetzt auch noch einmal der Beschl. des OLG Zweibrücken v. 16.08.2010 – 1 SsBS 2/10, über den wir schon in anderem Zusammenhang berichtet hatten (vgl. hier, aber auch hier).

Zum Sachverhalt heißt es da:

Nach den in erster Instanz getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene am Donnerstag, den 20. November 2008 gegen 14.30 Uhr mit dem Pkw von Speyer nach Germersheim, wo er auf der Polizeiinspektion einen Bekannten abholen wollte. Der auf der Dienststelle anwesende Polizeibeamte B. gewann den Eindruck, der Betroffene stehe unter Drogeneinfluss. Auf seine Frage, wie er nach Germers­heim gekommen sei, erklärte der Betroffene, er sei mit dem Auto gefahren. Daraufhin belehrte der Polizeibeamte den Betroffenen als Beschuldigten und setzte die Befra­gung fort, wobei sich der Betroffene in Widersprüche verwickelte.

Der Verteidiger hatte geltend gemacht, dass der Betroffene vor der Frage, wie er nach Germersheim gekommen sei, hätte belehrt werden müsse. Das OLG sagt:

„Es begründet keine Verletzung des Verfahrensrechts, dass das Amtsgericht auch die vor der Beschuldigtenbelehrung gefallene Äußerung des Betroffenen verwertet hat, er sei mit dem Auto nach Germersheim gefahren. Seit einer Grundsatz­entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1992 ist zwar anerkannt, dass der Verstoß gegen die Belehrungspflicht bei der ersten Vernehmung des Beschuldig­ten durch die Polizei (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO; hier i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) grundsätzlich ein Verwertungsverbot nach sich zieht (BGH NJW 1992, 1463 = BGHSt 38, 214; vgl. a. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 136 Rn. 20). Dabei wird aber davon ausgegangen, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet mit der Folge einer entsprechenden Beleh­rungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Verdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob dieser sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Gren­zen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende ohne Beschuldigtenbelehrung vernommen wird (BGH NJW 1992, 1463, 1466; NJW 2007, 2706, 2707 f.; Meyer-Goßner a.a.O. Einl. Rn. 77.)

Diese Grenze der sog. informellen Befragung erachtet der Senat als hier noch nicht überschritten. Der Tatbestand der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG setzt einer­seits einen durch den Genuss von Drogen geschaffenen körperlichen Zustand vor­aus, und andererseits, dass in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt wird. Die Wahr­nehmungen des Polizeibeamten deuteten zunächst nur auf den Einfluss von Drogen hin. Der Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs wurde erst durch die Antwort hergestellt, die der Betroffene auf die an ihn gestellte erste Frage gegeben hatte. Die Wertung des Beamten, der erst hierdurch den zur Belehrungspflicht füh­renden Verdachtsgrad als erfüllt erachtete, ist nicht zu beanstanden.“

Na, ich weiß nicht. Noch kein bestimmter Tatverdacht? Da steht ein offenbar erkennbar unter Drogeneinfluss stehender Betroffener und die Polizei fragt, wie biste hierher gekommen? Erst die Antwort auf die Frage, bringt dann den Tatverdacht? M.E. nein, die Frage zielt doch gerade auf den Umstand des Fahrens. Denn was sollte es sonst die Polizei interessieren, wie ein Betroffener von A nach B gekommen ist.

In die Diskussion passt dann dann auch die Entscheidung des KG v. 05.06.2009 – 2 Ss 131/09. Dieses sagt:

„Hinsichtlich des geltend gemachten Verwertungsverbots ist darauf hinzuweisen, dass sich die Ermächtigung zur Durchführung der verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle aus § 36 Abs. 5 Satz 1 StVO ergibt. Die im Rahmen einer solchen Kontrolle durchgeführte informatorische Befragung des Betroffenen – um nichts anderes handelt es sich bei der allgemeinen Frage nach Alkohol- und/oder Drogenkonsum – zwingt noch nicht zu einer Belehrung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 136 StPO. Die so gewonnene Information über den Drogenkonsum des Betroffenen am Vortag, andere Informationen sind ausweislich der Urteilsgründe und der Rüge des Betroffenen im vorliegenden Verfahren weder unmittelbar noch mittelbar verwertet worden, ist daher verwertbar (vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 343). Einer zusätzlichen späteren qualifizierten Belehrung (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 136a Rdn. 30) bedurfte es folglich nicht.“

Na ja, kann man so sehen, allerdings passt der Hinweis auf die Entscheidung des BayObLG nicht. Denn da handelte es sich zwar auch um eine verdachtsunabhängige Verkehrs-Alkoholkontrolle durch die Polizei in einem Fahrzeug. Es war dann aber Alkoholgeruch festgestellt worden., Damit haben wir m.E. einen Tatverdacht, oder?