Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Dolmetscherkosten im Wiederaufnahmeverfahren?

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Im RVG-Rätsel dann heute eine Frage zu Dolmetscherkosten im Wiederaufnahmeverfahren, und zwar:

„Ich habe einen Mandanten beraten zu den Erfolgsaussichten eines Wiederaufnahmeverfahrens und ihm im Ergebnis von einem Wiederaufnahmeverfahren abgeraten, er ist dem Rat gefolgt. Ich habe mit dem Mandanten einen Dolmetscher benötigt und diesen auch (ohne vorherige Anträge diesbezüglich bei Gericht) beauftragt.

Die Richterin will mir die Dolmetscherkosten unter Verweis auf § 46 Abs. 3 RVG nicht erstatten, weil keine Feststellung nach § 364b Abs. 1 S. 2 StPO erfolgt sei, was stimmt. Ich ging davon aus, dass sich § 46 Abs. 3 RVG nicht auf Dolmetscherkosten bezieht, sondern Art. 6 Abs. 3e EMRK vorgeht. Gilt Art. 6 Abs. 3e EMRK auch im Verfahrensstadium der Vorbereitung bzw. Beratung für einen WIederaufnahmeantrag? Wie ist die Rechtslage, kann mir jemand helfen? Danke.“

Höhe privater SV-Kosten-Erstattung nach Einstellung, oder: Wenn es billiger nicht geht

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Und als zweite Entscheidung der AG Konstanz, Beschl. v. 22.05.2024 – OWi 52 Js 22028/22. In dem nimmt das AG u.a. zur Höhe der geltend gemachten Kosten Stellung:

„Die Kosten des Privatgutachtens sind vorliegend hingegen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach erstattungsfähig.

Die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach wurde von der Vertreterin der Staatskasse zugestanden.

Streitig ist die Höhe der Kosten des Gutachtens. Die Vertretein der Staatskasse sieht eine Erstattungsfähigkeit lediglich in den Grenzen des JVEG und beruft sich insoweit auf einen Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 09.05.2023.

In dem zitierten Fall wurde das Gutachten offenbar erst während des gerichtlichen Verfahrens von dem Betroffenen in Auftrag gegeben, ohne dass dem Gericht durch Anträge oder Anregungen Gelegenheit gegeben wurde, durch eigene Aufträge/Ermittlungen kostensparender zu agieren.

Vorliegend liegt der Fall jedoch so, dass das Gutachten bereits vor Übergang in das gerichtliche Verfahren vom Betroffenen in Auftrag gegeben wurde mit der Intention ein gerichtliches Verfahren gerade vermeiden zu können.

Nur wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Stundensatz abweichen, bedarf es einer besonderen Darlegung der Notwendigkeit (BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – VII ZB 74/06; OLG Köln, Beschluss vom 21.09.2015 – I – 17 W 64/15).

Nach der Anlage 1 (Ziff. 37) zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG beträgt der Stundensatz vorliegend 135,00 EUR, geltend gemacht wurden vorliegend 168,00 E, somit ca. 24 % mehr.

In Anbetracht dessen, dass es dem Betroffenen kaum möglich gewesen wäre, einen Sachverständigen zu finden der bereit gewesen wäre, für den im JVEG vorgesehenen Stundensatz zu arbeiten – der Betroffene hat sogar eine Erklärung des Sachverständigen zu dieser Problematik vorgelegt – erscheinen die in Ansatz gebrachten Kosten nicht unangemessen. Eine „ganz erhebliche Abweichung“ wird nicht gesehen.“

Wichtig in solchen Fällen auf jeden Fall: „der Betroffene hat sogar eine Erklärung des Sachverständigen zu dieser Problematik vorgelegt

Erstattung privater SV-Kosten nach Einstellung, oder: Beurteilung schwieriger technischer Fragen

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Und dann ist Gebühren- bzw. Kostentag. Heute dann mit zwei amtsgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen zur Erstattung der Auslagen für einen privaten Sachverständigen.

Die erste Entscheidung, die ich vorstelle, ist der AG Senftenberg, Beschl. v. 28.02.2024 – 50 OWi 1617 Js 22408/22. Das AG hat das Bußgeldverfahren eingestellt und die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt. Geltendgemacht werden dann auch (private) Sachverständigenkosten, die das AG festsetzt:

„Der Betroffene hat gemäß § 464 a Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG nur Anspruch auf Erstattung solcher Auslagen, die notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO waren. Nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung sind Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen in der Regel nicht notwendig, weil die Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind und der Betroffene jederzeit Beweisanträge stellen oder Beweisanregungen geben kann.

Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens sind jedoch unter anderem dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre. (LG Göttingen , Beschluss vom 04.07.2022, 1 Qs 13/22) Dieser Sachverhalt ist hier gegeben. Dies wird u.a. daran deutlich, dass das Amtsgericht nach dem Eingang des Verfahrens bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hat und aus der Akte keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, welche das Gericht an der Richtigkeit der Messdaten zweifeln lassen. Aus dem privaten Sachverständigengutachten vom 22.11.0222 ergibt sich jedoch, dass ein Defekt an der Messanlage nicht ausgeschlossen werden kann. Somit hatte der Betroffene durchaus eine Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten. Ohne einen konkreten Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. Zur Überprüfung dieses Sachverhalts war angesichts der technisch komplizierten Materie aber eben gerade die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig. (LG Oldenburg, Beschluss vom 28.03.2022 – 5 Qs 108/20)

Zur Begründung obiger Entscheidung wird diesbezüglich u.a. auch auf die Rechtsprechungen des Landgerichts Dessau-Roßlau , Beschluss vom 04.05.2023, 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23) und des Landgerichts Göttingen , Beschluss vom 04.07.2022, 1 Qs 13/22 sowie die Ausführungen des Herrn Rechtsanwalts pp. vom 29.08.2023 verwiesen.“

U-Haft III: Sechs-Monats-Haftprüfung durch das OLG, oder: Unzuverlässiger Sachverständiger der StA

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Und im dritten Posting dann der KG, Beschl. v. 23.04.2024 – – 3 Ws 12/24 HP – ergangen im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO. Das KG behandelt die Frage (vorwerfbarer) Verzögerungen des Verfahrens durch einen unzuverlässigen Sachverständigen. Das KG verneint eine durch die StA verursachte vorwerfbare Verzögerung und führt dazu aus:

„d) Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren unter Beachtung des in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebots geführt, insbesondere nach Bekanntwerden von psychischen Auffälligkeiten des Angeschuldigten noch am selben Tag die psychiatrische Begutachtung in die Wege geleitet. Zwar ist es wegen der Erstellung des (vorläufigen) psychiatrischen Gutachtens zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung gekommen, weil – für die Staatsanwaltschaft nicht vorhersehbar – der ursprünglich beauftragte Sachverständige Dr. X seine Zusage, das vorläufige Gutachten bis Ende Februar 2024 zu erstellen, nicht eingehalten und nach Ablauf der Frist erklärt hat, die Exploration erst Ende April vornehmen zu können, wodurch die Staatsanwaltschaft gezwungen gewesen ist, einen neuen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeschuldigten zu beauftragen. Die dadurch entstandene Verzögerung des Verfahrens ist der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO vorliegt, der die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt, indes nicht zuzurechnen.

aa) Wird durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, haben sie durch Auswahl eines zuverlässigen Sachverständigen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StPO), Fristsetzung zur Gutachtenerstattung (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO) und gegebenenfalls durch Vornahme von Zwangsmaßnahmen gegen einen Sachverständigen bei Ausbleiben des Gutachtens (§ 77 StPO) auf eine rechtzeitige Gutachtenerstellung hinzuwirken (vgl. BVerfG NStZ-RR 2021, 50; OLG Jena StraFo 1997, 318). Ist für das bisherige Ausbleiben des Sachverständigengutachtens ein Grund nicht ersichtlich und sind rechtzeitige und wirksame Kontrollen einer zügigen Gutachtenerstellung unterblieben, ist die damit verbundene Verfahrensverzögerung dem Staat zuzurechnen (vgl. OLG Jena a.a.O.). Sind die Strafverfolgungsbehörden diesen Auswahl- und Überwachungspflichten nachgekommen, konnte die Verzögerung aber gleichwohl nicht verhindert werden, ist sie dem Staat nicht zuzurechnen.

bb) Diese Anforderungen hat die Staatsanwaltschaft erfüllt. Ein Verschulden der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl des Sachverständige Dr. X ist nicht erkennbar. Den Sachakten sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dieser unzuverlässig ist, insbesondere Zusicherungen abredewidrig nicht einhalten wird. Zudem hat die Staatsanwaltschaft realistische Vorgaben bezüglich der Gutachtenerstellung gemacht, die mit dem Sachverständigen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesprochen und im förmlichen Auftragsschreiben der Staatsanwaltschaft textlich hervorgehoben worden sind. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen Dr. X noch vor Ablauf der Erstellungsfrist zweimal (mit E-Mail vom 11. Januar 2024 und postalischem Anschreiben vom 9. Februar 2024) auf die einzuhaltende Frist hingewiesen und um Mitteilung gebeten, sollte diese vom Sachverständigen nicht eingehalten werden. Erstmalig mit E-Mail vom 4. März 2024 hat Dr. X mitgeteilt, die Exploration erst Ende April 2024 vornehmen zu können. Dass die Staatsanwaltschaft keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld nach § 77 Abs. 2 StPO zu verhängen, erscheint sachgerecht. Ein Ordnungsgeld hätte wegen der nach § 77 Abs. 2 Satz 2 StPO zu setzenden Nachfrist allenfalls zu einer minimalen Zeitersparnis geführt. Zudem hätte das Risiko bestanden, dass bei fortdauernder Weigerung des Sachverständigen Dr. X gleichwohl ein neuer Sachverständiger, dann aber mit zusätzlichem Zeitverlust, hätte bestellt werden müssen. Dies wäre für den Fortgang des Verfahrens kontraproduktiv gewesen. Der neue Gutachtenauftrag wurde von der Staatsanwaltschaft unverzüglich nach Bekanntwerden der endgültigen Weigerung des alten Sachverständigen erteilt, wiederum unter angemessener Fristsetzung bis Mitte Mai 2024 und dem Hinweis, das Gutachten bis zum festgesetzten Zeitpunkt zu erstellen.

Die genannte Verzögerung hätte nicht dadurch verhindert werden können, dass die Staatsanwaltschaft, ohne die ursprünglich gesetzte Begutachtungsfrist abzuwarten, den Angeschuldigten ohne vorherige Begutachtung angeklagt hätte. Denn angesichts dessen, dass die Verteidigerin auf psychische Auffälligkeiten des Angeschuldigten hingewiesen hat und das Haftkrankenhaus mit Schreiben vom 12. Februar 2024 wegen des Verdachts einer paranoiden Schizophrenie nach ICD-10: F20.0 seine forensisch-psychiatrische Begutachtung angeregt hat, hatte die Staatsanwaltschaft zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB vorliegen, um dadurch zum einen zu klären, ob Anklage zu erheben oder eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren zu fertigen ist, und zum anderen, welches Gericht nach Maßgabe von §§ 24 Abs. 1, 74 Abs. 1 GVG sachlich zuständig ist.

Dass die Staatsanwaltschaft nunmehr, ohne den Eingang des schriftlichen Gutachtens abzuwarten, Anklage erhoben hat, steht dazu nicht im Widerspruch. Denn dem Zeitgewinn, der durch eine vorab erfolgte gutachterliche Klärung oben genannter Fragestellung erzielt worden wäre, ist durch die Weigerung des Dr. X, das Gutachten fristgerecht zu erstellen, die Wirkung genommen worden. ….

U-Haft II: Haftgrund der Wiederholungsgefahr, oder: Maßgeblich ist das konkrete Erscheinungsbild der Tat

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Und im zweiten Posting geht es dann auch um den Haftgrund. Das LG Wiesbaden hat im LG Wiesbaden, Beschl. v. 15.05.2024 – 1 Qs 37/24 – den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, von dem das AG ausgegangen war verneint. Dem Beschuldigten wird in dem Verfahren gewerbsmäßiger Bandendiebstahl in 17 Fällen vorgeworfen. Das reichte dem LG nicht für den Haftgrund nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO:

„Auch die Voraussetzungen des Haftgrunds der Wiederholungsgefahr nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO liegen nicht vor.

Die Wiederholungsgefahr i.S. dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat im Sinne des §§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO begangen zu haben. Bereits diese Voraussetzung ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Allerdings stellt der Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandendiebstahls unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds gemäß dem §§ 243 Abt 1 S. 2 Nr. 3, 244a Abs. 1 StGB in jedem einzelnen der Fälle eine Anlasstat nach dem Katalog des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO dar, die grundsätzlich geeignet ist, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu begründen. Bereits gemäß der angedrohten Freiheitsstrafe des § 244a Abs. 1 StGB ist hierbei auch von einer Straferwartung für jedenfalls einem Teil der verwirklichten Straftaten von über einem Jahr auszugehen (ausreichend: vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 Ws 161/10), wobei dahingestellt bleiben kann, ob nicht ohnehin auf die zu erwartende Gesamtfreiheitsstrafe maßgeblich abzustellen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 —3 Ws 161/10).

Allerdings beeinträchtigt der gegebene dringende Tatverdacht die Rechtsordnung nicht schwerwiegend, so dass auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO ausgeschlossen ist.

Im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Person ist ein strenger Maßstab an das Bestehen des Haftgrunds anzulegen und auch bei der Prüfung, ob weitere schwerwiegende Straftaten zu erwarten sind, sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 35,185). Da jede Straftat die Rechtsordnung beeinträchtigt und die in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO genannten Katalogtaten bereits abstrakt-generell schwerwiegender Natur sind, kann die Auslegung des Merkmals der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung nur dahingehend erfolgen, dass einschränkend erforderlich ist, dass die jeweilige Anlasstat auch im Einzelfall schwer wiegt (KHK zur StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a Rn. 14a). Diese muss daher in ihrer konkreten Gestalt, insbesondere nach Art und Ausmaß des angerichteten Schadens, einen hohen Unrechtsgehalt aufweisen, so dass in einer Gesamtschau wenigstens eine Einordnung in dem Bereich der „oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität“ zu erfolgen hat (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.09.2016 — 1 Ws 126/16; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 W s 161 /10; OLG Braunschweig, Beschluss vom 07.11.2011 — Ws 316/11). Dabei ist auf die einzelne Tat und nicht auf die Gesamtheit aller Taten abzustellen (OLG Frankfurt a.M., a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24.11.2009 — 1 W s 126 /09; MüKo, StPO, 2. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 40), da durch leichtere Übergriffe in der Regel keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung im Sinne der Störung des allgemeinen Rechtsfriedens eintritt.

Maßgeblich für die Beurteilung im Rahmen des konkreten Erscheinungsbildes der Tat sind insbesondere Art und Umfang des jeweils angerichteten Einzelschadens, wobei bei der jeweiligen Einzeltat ein Schaden von mindestens 2000 € erreicht sein muss (MüKo, a.a.O., Rn. 26; KK zur StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 14a; für gewerbsmäßigen Betrug: OLG Naumburg, Beschluss vom 26.07.2011 — 1 Ws 616 /11; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.07.2017- 2 Ws 110/17; vgl. a. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 Ws 161/10). Vorliegend wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in 17 Fällen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Beträge zwischen 10 E und 1100 E widerrechtlich entwendet zu haben. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung kann hiernach nicht begründet werden,

Selbst wenn jedoch entgegen der hier vertretenen Auffassung das Vorliegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung bei fortgesetzten Taten auch anhand des Gesamtschadens zu bestimmen sein sollte, kann dieser auch bei tatmehrheitlich begangenen Serientaten nur bei einem sehr hohem (weit Überdurchschnittlichem) Gesamtunrecht Berücksichtigung finden (KK, StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 14a; LG Freiburg, Beschluss vom 24.04.2015-2 Qs 47/15). Auch ein solches vermag die Kammer bei einem Gesamtschaden von 7802,36 € nicht zu erkennen.

Schließlich genügen keine besonderen Umstände in Tat oder der Lebensumstände des Beschuldigten dem Tatbestandmerkmal einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung“. So ist bereits zweifelhaft, ob solche Umstände überhaupt geeignet sind, eine solch schwerwiegende Beeinträchtigung i.S.d. Norm zu begründen. Selbst wenn dies aber bejaht werden sollte, müssten die Umstände in ihrer Schwere einen Grad erreichen, die eine Einordnung in den „oberen Bereich der mittelschweren Kriminalität“ begründen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

So wird dem Beschuldigten vorgeworfen, zusammen mit seinen Brüdern Tankstellen und Verkaufsläden aufgesucht zu haben, wobei einer der Beschuldigten das Verkaufspersonal abgelenkt haben soll, während die übrigen Beschuldigten überwiegend E-Shishas, zum Teil auch elektronische Geräte widerrechtlich entwendeten. Hierbei handelt es sich um Ladendiebstähle, die angesichts der einfachen Ausführung und des begrenzten Schadens weder ein gesteigertes Handlungs- noch ein gesteigertes Erfolgsunrecht erkennen lassen. Allein eine gewerbsmäßige, bandenmäßige Begehung auch in 17 zeitnahen Einzelfellen genügt nicht, hier eine abweichende Bewertung und die Annahme einer Einordnung der vorgeworfenen Taten in den oberen Bereich der mittelschweren Kriminalität zu begründen. Gleiches gilt erst recht für die persönlichen Urnstände des Beschuldigten, nach welchem dieser derzeit arbeitslos ist und nach Haftentlassung in sein gewohntes Umfeld zurückkehrt. Hieraus eine besondere, schwerwiegende Beeinträchtigung i.S.d. § 112a StPO zu rechtfertigen, ist nach Ansicht der • Kammer ausgeschlossen.

Auch wird das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung durch die vorgeworfenen Taten nicht über das Maß der den vorgeworfenen Delikten immanenten Unrechtsgehalt hinaus beeinträchtigt.“