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Zu frühe Sechs-Monats-Haftprüfung beim OLG, oder: Begriff derselben Tat und „neue“ Vorwürfe

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Auf geht es in die 4. KW/2025, und zwar mit zwei Haftentscheidungen. Nichts Besonderes und nichts Neues, sondern nur „alte“ Probleme/Aussagen der entscheidenden OLG.

Zunächst stelle ich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.12.2024 – 2 Ws 153/24 (S) – vor. Ergangen ist er im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO. Das OLG äußert sich (noch einmal) zum Begriff derselben Tat, der ja für die Frage der Berechnung der Sechs-Monats-Frist von Bedeutung ist:

„Eine Entscheidung durch den Senat ist derzeit nicht veranlasst. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 15. November 2024 das Folgende ausgeführt:

„I.

Im Übrigen handelt es sich um andere Taten im Sinne des § 121 StPO, als die wegen der der Beschuldigte ursprünglich inhaftiert wurde. Der nun vollstreckte Haftbefehl betrifft nicht mehr dieselbe Tat wie der ursprüngliche Haftbefehl (siehe hierzu BGH NStZ-RR 2023, 349 m.w.Nachw.). Der Begriff derselben Tat im Sinne des § 121 StPO weicht vom prozessualen Tatbegriff im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO ab und ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Er erfasst alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt geworden sind und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. BGH Beschl. v. 02.06.2021 – AK 33/21, BeckRS 2021, 15386 Rn. 6 m.w.Nachw.). Dadurch wird eine sogenannte Reservehaltung von Tatvorwürfen vermieden, die darin bestünde, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordene Taten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen. Somit löst es keine neue Haftprüfungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 StPO aus, wenn ein neuer Haftbefehl lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt waren. Tragen dagegen die erst im laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt (BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 8, juris m. w. Nachw.). So liegt es hier jedenfalls bezüglicher der Taten Nr. 6, 8, 9, 12-17, 19-20 und 22-23 des Haftbefehls vom 5. November 2024.

…..

Für den Beginn der neuen Sechsmonatsfrist gemäß §§ 121, 122 StPO bezüglich dieser Taten ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. Entscheidend ist mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 16. Mai 2018 – 1 Ws 149/18 H -, Rn. 8), nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 8), insbesondere der Tag nach der Vernehmung des Zeugen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. März 2019 – 2 Ws 39 – 42/19 -, Rn. 8, juris).

1. Eine neue Sechsmonatsfrist läuft daher ab den 20. Juni 2024 jedenfalls im Hinblick auf die erst und nur durch Vernehmung der Zeugin … (Name 02) am 19. Juni 2024 (Bd. 111 BI. 466 ff. der Akte) ermittelten haftbefehlsgegenständlichen Vorwürfe schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176c StGB (Bd. IV BI. 832 der Akte), nämlich zwei Fälle des Vollzugs des Geschlechtsverkehrs an ihr durch den Beschuldigten in einem Auto im Wald (Tat Nr. 22 und 23). Diese tragen aufgrund der Tatschwere (§ 176a Abs. 2 StGB a. F. bzw. § 176c StGB) und der Gesamtschau der geschilderten Beweislage gegen den Beschuldigten und die Mitbeschuldigten allein den Vollzug des Haftbefehls. Bezüglich dieser Taten läuft die Sechsmonatsfrist daher erst am 20. Dezember 2024 ab.

2. Eine neue Sechsmonatsfrist läuft zudem bezüglich der übrigen zum Gegenstand des erweiterten Haftbefehls gemachten Vorwürfe schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, die gegen den Beschuldigten erst erhoben werden konnten, nachdem er auf Foto- und Videoaufnahmen des Missbrauchs identifiziert werden konnte. Diese Aufnahmen befanden sich auf den am 21.Mai 2024 sichergestellten Datenträgern und gelangten erst durch Auswertungsbericht vom 25. September 2024 zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden. Es handelt sich dabei um Tat 6 (Nr. 12 auf BI. 47 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 8 (Nr. 7 BI. 181 f. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 13 (Nr. 8 BI. 38 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 14 (Nr. 7 BI. 37 des Sonderhefts Gutachten P- 2024-0326), Tat 15 (Nr. 6 BI. 36 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 16 (Nr. 3 BI. 34 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 17 (Nr. 2 BI. 34 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 19 (Nr. 11 BI. 39 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) und Tat 20 (Nr. 12 BI. 39 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) des Haftbefehls. Dabei kann es aufgrund der geschilderten Maßstäbe für den Beginn einer neuen Sechsmonatsfrist nicht allein auf den Tag nach der Vorlage des Auswertungsberichts am 25. September 2024 ankommen (BI. 1 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), da ansonsten die Ermittlungsbehörden willkürlich durch verzögerte Auswertung von Datenträgern Haftbefehle „auf Reserve“ generieren könnten. Für den Beginn einer neuen Sechsmonatsfrist ist im Falle von Taten, denen der Beschuldigte erst durch Auswertung von Datenträgern dringend verdächtig ist und die zum Gegenstand eines (erweiterten) Haftbefehls gemacht werden, entscheidend, wann frühestens mit der Auswertung der Datenträger zu rechnen wäre (vgl. OLG Jena Beschl. v. 16.11.201 O – 1 Ws 446/10 (32), BeckRS 2011, 15235) und sodann der Tag nach der Vorlage der Auswertung maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 24, juris). Vorliegend wurden die am 21. Mai 2024 sichergestellten Datenträger am 12. Juni 2024 dem externen IT-Forensiker überreicht und der Auftrag am 24. Juni 2024 erteilt (BI. 1 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326, siehe Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 31. Mai 2024, Bd. II BI. 314 der Akte).

Dieser Zeitraum hätte unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen und der möglichen Vorbereitung der Auswahl der Stelle, die die Auswertung der sichergestellten Datenträger vornehmen soll, auf eine Woche nach Ablauf des Tages des Erlasses und der Vollstreckung des ursprünglichen Haftbefehls am 22. Mai 2024 verkürzt werden können, indem der Auftrag am 30. Mai 2024 erteilt worden wäre. Die Auswertung selbst dauerte vom 24. Juni 2024 bis 25. September 2024, wobei nicht ersichtlich ist, dass die Auswertung in kürzerer Zeit möglich gewesen wäre. Die im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 21. Mai 2024 als Beweismittel sichergestellten über zwei Dutzend Datenträger (BI. 7 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) konnten trotz kostspieliger Beauftragung eines externen Gutachters (Bd. IV BI. 865 der Akte) erst am 23. Juli 2024 (BI. 1 ff. des Sonderheftes „vorläufige Auswertung“) und 5. September 2024 vorläufig ausgewertet werden und enthielten ca. 10.000 Dateien mutmaßlich kinderpornographischen Materials und Videoaufnahmen mutmaßlich schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen der Zeuginnen … (Name 02) sowie der … (Name 01) durch den Beschuldigten und die Mitbeschuldigten … (Name 03) und … (Name 04) (Bd. IV BI. 832 der Akte). Die Auswertung nahm 252 Arbeitsstunden in Anspruch (ca. 84 Stunden pro Monat, Bd. IV BI. 865 der Akte). In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind zur Berechnung neuer Sechsmonatsfristen Zeiträume von über drei Monaten von der Sicherstellung bis zur Auswertung von Datenträgern anerkannt (vgl. OLG Jena Beschl. v. 16.11.2010 – 1 Ws 446/10 (32), BeckRS 2011, 15235; BGH, Beschluss vom 20. September 2023 -AK 54/23 -, Rn. 24, juris). Das ohne erkennbaren Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz erstellte Gutachten über die forensische Auswertung der Datenträger vom 25. September 2024 fasst die Ergebnisse dahingehend zusammen, dass 2.728 Bilder und 71 Videos jugend- und kinderpornographischen Inhalts festgestellt werden konnten, die zu einem wesentlichen Anteil den schweren sexuellen Missbrauch der Geschädigten … (Name 02) und … (Name 01) zeigen würden (BI. 1 ff., 31 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) und jedenfalls die Taten Nr. 6, 8, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20 des Haftbefehls belegen, die sich ausschließlich aus dem Auswertebericht vom 25. September 2024 ergeben (BI. 31-50 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326).

Mit Ausnahme der geschilderten Verzögerung von drei Wochen und vier Tagen hätten diese Taten, derer der Beschuldigte erst aufgrund der Auswertung der Datenträger in der Gesamtschau der Ermittlungsergebnisse (siehe unter 11.) dringend verdächtig ist, nicht früher als am 26. September 2024 zum Gegenstand des erweiterten Haftbefehls gemacht werden können. Maßgeblicher Zeitpunkt der neuen Sechsmonatsfrist ist hiernach der Tag nach der Vorlage der Auswertung, der 26. September 2024, unter Abzug von drei Wochen und vier Tagen, die die Auswertung vermeidbar verzögert worden ist. Jedenfalls hinsichtlich der Taten Nr. 6, 8, 13, 14, 15, 16, 17, 19 und 20, die angesichts der geschilderten Beweislage und der Schwere der Vorwürfe den derzeit vollstreckten Haftbefehl gegen den Beschuldigten alleine tragen, begann die neue Sechsmonatsfrist mithin am 1. September 2024 und endet am 1. März 2025.“

Diesen zutreffenden Erwägungen tritt der Senat bei.“

Wenn man es zweimal gelesen hat, versteht man es 🙂 .

 

U-Haft III: Sechs-Monats-Haftprüfung durch das OLG, oder: Unzuverlässiger Sachverständiger der StA

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Und im dritten Posting dann der KG, Beschl. v. 23.04.2024 – – 3 Ws 12/24 HP – ergangen im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO. Das KG behandelt die Frage (vorwerfbarer) Verzögerungen des Verfahrens durch einen unzuverlässigen Sachverständigen. Das KG verneint eine durch die StA verursachte vorwerfbare Verzögerung und führt dazu aus:

„d) Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren unter Beachtung des in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebots geführt, insbesondere nach Bekanntwerden von psychischen Auffälligkeiten des Angeschuldigten noch am selben Tag die psychiatrische Begutachtung in die Wege geleitet. Zwar ist es wegen der Erstellung des (vorläufigen) psychiatrischen Gutachtens zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung gekommen, weil – für die Staatsanwaltschaft nicht vorhersehbar – der ursprünglich beauftragte Sachverständige Dr. X seine Zusage, das vorläufige Gutachten bis Ende Februar 2024 zu erstellen, nicht eingehalten und nach Ablauf der Frist erklärt hat, die Exploration erst Ende April vornehmen zu können, wodurch die Staatsanwaltschaft gezwungen gewesen ist, einen neuen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeschuldigten zu beauftragen. Die dadurch entstandene Verzögerung des Verfahrens ist der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO vorliegt, der die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt, indes nicht zuzurechnen.

aa) Wird durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, haben sie durch Auswahl eines zuverlässigen Sachverständigen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StPO), Fristsetzung zur Gutachtenerstattung (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO) und gegebenenfalls durch Vornahme von Zwangsmaßnahmen gegen einen Sachverständigen bei Ausbleiben des Gutachtens (§ 77 StPO) auf eine rechtzeitige Gutachtenerstellung hinzuwirken (vgl. BVerfG NStZ-RR 2021, 50; OLG Jena StraFo 1997, 318). Ist für das bisherige Ausbleiben des Sachverständigengutachtens ein Grund nicht ersichtlich und sind rechtzeitige und wirksame Kontrollen einer zügigen Gutachtenerstellung unterblieben, ist die damit verbundene Verfahrensverzögerung dem Staat zuzurechnen (vgl. OLG Jena a.a.O.). Sind die Strafverfolgungsbehörden diesen Auswahl- und Überwachungspflichten nachgekommen, konnte die Verzögerung aber gleichwohl nicht verhindert werden, ist sie dem Staat nicht zuzurechnen.

bb) Diese Anforderungen hat die Staatsanwaltschaft erfüllt. Ein Verschulden der Staatsanwaltschaft bei der Auswahl des Sachverständige Dr. X ist nicht erkennbar. Den Sachakten sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dieser unzuverlässig ist, insbesondere Zusicherungen abredewidrig nicht einhalten wird. Zudem hat die Staatsanwaltschaft realistische Vorgaben bezüglich der Gutachtenerstellung gemacht, die mit dem Sachverständigen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesprochen und im förmlichen Auftragsschreiben der Staatsanwaltschaft textlich hervorgehoben worden sind. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen Dr. X noch vor Ablauf der Erstellungsfrist zweimal (mit E-Mail vom 11. Januar 2024 und postalischem Anschreiben vom 9. Februar 2024) auf die einzuhaltende Frist hingewiesen und um Mitteilung gebeten, sollte diese vom Sachverständigen nicht eingehalten werden. Erstmalig mit E-Mail vom 4. März 2024 hat Dr. X mitgeteilt, die Exploration erst Ende April 2024 vornehmen zu können. Dass die Staatsanwaltschaft keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld nach § 77 Abs. 2 StPO zu verhängen, erscheint sachgerecht. Ein Ordnungsgeld hätte wegen der nach § 77 Abs. 2 Satz 2 StPO zu setzenden Nachfrist allenfalls zu einer minimalen Zeitersparnis geführt. Zudem hätte das Risiko bestanden, dass bei fortdauernder Weigerung des Sachverständigen Dr. X gleichwohl ein neuer Sachverständiger, dann aber mit zusätzlichem Zeitverlust, hätte bestellt werden müssen. Dies wäre für den Fortgang des Verfahrens kontraproduktiv gewesen. Der neue Gutachtenauftrag wurde von der Staatsanwaltschaft unverzüglich nach Bekanntwerden der endgültigen Weigerung des alten Sachverständigen erteilt, wiederum unter angemessener Fristsetzung bis Mitte Mai 2024 und dem Hinweis, das Gutachten bis zum festgesetzten Zeitpunkt zu erstellen.

Die genannte Verzögerung hätte nicht dadurch verhindert werden können, dass die Staatsanwaltschaft, ohne die ursprünglich gesetzte Begutachtungsfrist abzuwarten, den Angeschuldigten ohne vorherige Begutachtung angeklagt hätte. Denn angesichts dessen, dass die Verteidigerin auf psychische Auffälligkeiten des Angeschuldigten hingewiesen hat und das Haftkrankenhaus mit Schreiben vom 12. Februar 2024 wegen des Verdachts einer paranoiden Schizophrenie nach ICD-10: F20.0 seine forensisch-psychiatrische Begutachtung angeregt hat, hatte die Staatsanwaltschaft zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB vorliegen, um dadurch zum einen zu klären, ob Anklage zu erheben oder eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren zu fertigen ist, und zum anderen, welches Gericht nach Maßgabe von §§ 24 Abs. 1, 74 Abs. 1 GVG sachlich zuständig ist.

Dass die Staatsanwaltschaft nunmehr, ohne den Eingang des schriftlichen Gutachtens abzuwarten, Anklage erhoben hat, steht dazu nicht im Widerspruch. Denn dem Zeitgewinn, der durch eine vorab erfolgte gutachterliche Klärung oben genannter Fragestellung erzielt worden wäre, ist durch die Weigerung des Dr. X, das Gutachten fristgerecht zu erstellen, die Wirkung genommen worden. ….

U-Haft III: Haftprüfung beim OLG, oder: Folgen einer verspäteten Vorlage

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Und als letzte Entscheidung dann noch ein Beschluss in Zusammenhnag mit der Haftprüfung beim OLG. Es geht um die Frage: Was ist, wenn die die Akten ( versehentlich) verspätet bei bereits laufender Hauptverhandlung dem OLG vorgelegt werden.

Das OLG Stuttgart sagt im OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.06.2020 – H 7 Ws 54/20: Dann haben wir damit nichts mehr zu tun:

„Der Haftprüfungstermin für den Angeklagten pp. wurde mit Blick auf eine Untersuchungshaftunterbrechung zunächst auf den 29. Mai 2020 berechnet. Da übersehen wurde, dass diese Unterbrechung nicht — wie ursprünglich vorgesehen -50 Tage, sondern lediglich 25 Tage angedauert hat, hätten die Akten am 4. Mai 2020 zur Haftprüfung vorgelegt werden müssen.

Die große Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart hat am 28. Mai 2020 die Hauptverhandlung begonnen. Sie hat, nachdem sie auf das Berechnungsversehen aufmerksam wurde, unter dem 2. Juni 2020 die Akten zur Durchführung des Haftprüfungsverfahrens gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt. Die Akten gingen am Nachmittag des 3. Juni 2020 beim Oberlandesgericht Stuttgart ein.

Eine Haftprüfungsentscheidung ist nicht mehr veranlasst. Der Senat sieht für eine solche Entscheidung keinen Raum mehr.

1. Zwar wird die vorliegende Konstellation vom Wortlaut der §§ 121, 122 StPO nicht erfasst; § 121 Abs. 3 S. 2 StPO regelt ausdrücklich nur den Fall, dass die Hauptverhandlung vor dem Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 121 Abs. 2 StPO begonnen hat. Die Bestimmung des § 121 Abs. 3 S. 2 StPO ist jedoch sinngemäß heranzuziehen. Danach endet die Prüfungskompetenz des Oberlandesgerichts im besonderen Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO grundsätzlich mit dem Beginn der Hauptverhandlung in der anhängigen Strafsache.

a) Die Rechtsprechung hat, soweit ersichtlich, den Fall einer verspäteten Aktenvorlage zur Haftprüfung infolge der versehentlich unzutreffend berechneten Sechsmonatsfrist des § 121 Abs. 1 StPO bisher nicht behandelt. Dennoch ist wiederholt klargestellt worden, dass für eine Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Fortdauer der Untersuchungshaft kein Raum mehr ist, wenn die Hauptverhandlung begonnen hat (BGH bei Schmidt, MDR 1988, 357 sowie OLG Hamm BeckRS 1998, 1490 für den Fall des Hauptverhandlungsbeginns noch vor Ablauf der dem Beschuldigten und Verteidiger eingeräumten Frist zur Stellungnahme zum Antrag auf Fortdauer der Untersuchungshaft), und die Regelung des § 121 Abs. 3 S. 2 StPO stets dann sinngemäß anzuwenden ist, wenn das Tatgericht die Hauptverhandlung begonnen hat, bevor das Oberlandesgericht über die Haftfortdauer entschieden hat bzw. entscheiden kann (OLG Düsseldorf NStZ 1992, 402; KG BeckRS 2006, 14719 und OLG Dresden NStZ 2004, 644 zur begonnenen Hauptverhandlung vor der Entscheidung des OLG, nachdem das Verfassungsgericht einen ergangenen Haftfortdauerbeschluss aufgehoben und das Haftprüfungsverfahren an das OLG zurückverwiesen hatte). Teile der Kommentarliteratur haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (KK -StPO/Schultheis, 8. Aufl., § 121 Rn 5; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl., § 121 Rn 31). Das OLG Hamm (BeckRS 2012, 17623) hat die Frage der Anwendung des § 121 Abs. 3 S. 2 StPO für den Fall der Aktenvorlage nach Ablauf der Sechsmonatsfrist offengelassen.

b) Der Senat teilt die Auffassung, dass nach dem Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 121, 122 StPO die Aufgabe des Oberlandesgerichts, die Fortdauer der Untersuchungshaft zu überprüfen bzw. gegebenenfalls anzuordnen, mit Beginn der Hauptverhandlung endet.

Zunächst zeigt die Bestimmung des § 121 Abs. 3 S. 2 StPO, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass eine besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht mit dem Beginn der Hauptverhandlung für deren Dauer entbehrlich ist (OLG Oldenburg WW 1965, 2120). Dies gilt umso mehr, als er die Vorschrift trotz mehrerer Neufassungen unverändert gelassen hat, obwohl die Rechtsprechung die zeitliche Begrenzung der Überwachungspflicht mehrfach bekräftigt hatte (OLG Düsseldorf aa0).

Zudem kann sich die Prüfung des Oberlandesgerichts im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO allein auf die Frage erstrecken, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft gerechtfertigt ist, nicht aber darauf, ob in der Vergangenheit erlittene Untersuchungshaft gerechtfertigt war. Eine Entscheidung des Senats trotz begonnener Hauptverhandlung ließe die aktuellen Haftverhältnisse und den Fortgang des Strafverfahrens außer Acht (KG aaO mwN).

c) Hinzu kommt, dass mit dem Hauptverhandlungsbeginn eine sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fehlt. Diese lebt auch nicht wieder auf, weil eine rechtzeitige Haftprüfung versehentlich unterblieb (ebenso Keller NStZ 1992, 604). Demgemäß ist eine Entscheidung im Haftprüfungsverfahren auch dann nicht mehr veranlasst, wenn die Untersuchungshaft vor Erlass eines auf Freiheitsentziehung lautenden Urteils bereits länger als sechs Monate vollzogen worden ist (OLG Köln, Beschl. v. 18.02.1977 – HEs 11/77, juris).

Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Prüfung einer in der Vergangenheit vollzogenen Untersuchungshaft gibt es nicht. Sie folgt weder aus gesetzlichen Regelungen noch aus Bedürfnissen des Angeklagten oder der Rechtspraxis. Vielmehr besteht nach dem gesetzlichen Zuständigkeitsgefüge für die Prüfung der Untersuchungshaftvoraussetzungen bei laufender Hauptverhandlung allein eine Zuständigkeit des Tatgerichts. Das Tatgericht hat diese Prüfung ständig und von Amts wegen durchzuführen (§ 120 StPO) und dabei auch — und unabhängig von § 121 StPO — zu überwachen, ob Verletzungen des Beschleunigungsgebots dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft entgegenstehen (vgl. nur Schmitt aaO § 120 Rn. 3 mwN). Zudem kann sich ein Angeklagter gegen die Untersuchungshaft jederzeit und ohne Rechtsverlust im Wege der Haftprüfung und der Haftbeschwerde wenden und eine hierauf ergehende Entscheidung anfechten.

Würde die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO im Falle einer versehentlich verspäteten Vorlage bei bereits laufender Hauptverhandlung bejaht, könnte der Senat keine Entscheidung zur Fortdauer der Untersuchungshaft treffen, sondern lediglich eine Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft für einen beschränkten und in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vom Ablauf der Sechsmonatsfrist bis zum Hauptverhandlungsbeginn. Eine solche sich auf einen zurückliegenden Verfahrensabschnitt beziehende Feststellung sehen §§ 121, 122 StPO im Haftprüfungsverfahren aber nicht vor. Ein Angeklagter kann sie gegebenenfalls mit einer erfolgreichen Haftprüfung oder Haftbeschwerde erreichen. Überdies bestünde die Gefahr, dass es zu divergierenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Tatgerichts über die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft kommen könnte.

2. Ob eine fehlende Prüfungskompetenz des Oberlandesgerichts auch in dem Ausnahmefall anzunehmen ist, in dem das Tatgericht die Aktenvorlage bewusst unterlässt bzw. „eigenmächtig“ schon mit der Hauptverhandlung begonnen hat (zu dieser Konstellation Münchener Kommentar StPO/Böhm 1. Aufl., § 121 Rn 108), kann offenbleiben. Für eine solche Fallgestaltung fehlt jeder Anhaltspunkt. Vielmehr folgt aus dem Vorlagebericht der Strafkammervorsitzenden nicht nur, dass alles Notwendige zur Einhaltung des Beschleunigungsgebots getan wurde, sondern auch, dass die verspätete Vorlage allein auf einem Versehen bei der Haftzeitberechnung beruht, das auch von der Staatsanwaltschaft und den beiden Verteidigern bis zum Hauptverhandlungsbeginn nicht bemerkt worden ist.“

Verteidiger aufgepasst bei den Rechtsmittelkosten, oder: Entscheidend ist, was hinten raus kommt

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Ich komme dann noch einmal auf die gestrige „Lasange-Entscheidung“ des OLG Celle zurück, also auf den OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 (dazu Sonntagsfahrverbot, oder: Ist „Fertiglasagne“ ein „frisches Fleicherzeugnis“?). Der enthält nämlich auch eine ganz interessante kostenrechtliche Aussage.

Das Verfahren war insgesamt drei mal beim OLG. Zweimal hatte die betroffene Verfallsbeteiligte mit seinen Rechtsbeschwerden Erfolg, und zwar sind zwei vorangegangene Urteile des AG jeweils auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten hin wegen Rechtsfehlern im Zusammenhang mit dem Einsatz eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung aufgehoben worden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22. Juli 2015 – 1 Ss (OWi) 118/15, NStZ 2015, 720;  OLG Celle, Beschluss vom 4. April 2016 – 1 Ss (OWi) 54/16, StV 2016, 806). Die dritte Entscheidung des AG hat nun (endlich) gehalten. In der letzten Kostenentscheidung hat das AG „die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren“ der Verfallsbeteiligten auferlegt. Hiergegen hat die sich mit der Kostenbeschwerde gewandt. Und: Kein Erfolg. Das OLG hat im OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen:

„Die notwendigen Auslagen der Verfallsbeteiligten in den vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren beziehungsweise Rechtsgängen sind entgegen der Rechtsauffassung der Verfallsbeteiligten nicht deshalb der Staatskasse aufzuerlegen, weil die vorangegangenen Rechtsbeschwerden jeweils zur Aufhebung der angefochtenen Urteile wegen durchgreifender Rechtsfehler und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht geführt haben. Von vornherein rechtlich nicht in Betracht kommt eine von der Verfallsbeteiligten erstrebte teilweise Auferlegung ihrer Auslagen auf Dritte (Dolmetscher), welche die Verfallsbeteiligte wegen fehlerhaften Agierens im Verfahren für die Aufhebung der vorangegangenen Urteile in vorliegender Sache auf ihre Rechtsbeschwerden hin verantwortlich macht.

Kostenrechtlich kommt es allein darauf an, ob ein Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg hat. Abzustellen ist mithin nicht auf die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern das letztendliche Verfahrensergebnis (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 4 StR 143/05, NStZ-RR 2006, 32; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 – 3 StR 387/98, NStZ-RR 1999, 63; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 465 Rn. 3, § 473 Rn. 7 m.w.N.). Insofern hat die Verfallsbeteiligte zwar einen Teilerfolg erzielt, als der Verfallsbetrag gegenüber dem im ersten amtsrichterlichen Urteil festgesetzten Betrag reduziert worden ist, weil nunmehr nicht der gesamte Nettofrachterlös, sondern allein der auf die Fahrtstrecke in Deutschland bezogene Anteil für verfallen erklärt worden ist. Indes sind in Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO gleichwohl – wie dies das Amtsgericht im angefochtenen Urteil getan hat – die gesamten Verfahrenskosten der Verfallsbeteiligten aufzuerlegen, weil dies nicht unbillig ist. Denn das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführerin lässt erkennen, dass sie auch dann Rechtsbeschwerde eingelegt hätte, wenn schon im ersten amtsgerichtlichen Urteil ein Verfall in der Höhe angeordnet worden wäre, wie dies nunmehr der Fall ist. Denn die Verfallsbeteiligte hat durchgängig die Rechtsauffassung vertreten, dass eine Verfallsanordnung nicht statthaft sei, weil die verfahrensgegenständliche Fahrt ihrer Auffassung nach keinen Verstoß gegen das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO darstellte (vgl. insofern Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 473 Rn. 26 m.w.N.).

Eine Anwendung des § 21 GKG ist nicht veranlasst; hinzu kommt, dass § 21 GKG eine Auflegung von notwendigen Auslagen eines Verfahrensbeteiligten auf die Staatskasse ohnehin nicht zulässt (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 24. Mai 2000 – 1 StR 80/00, NStZ 2000, 499; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 465 Rn. 11 m.w.N.).“

Entscheidend ist also, was hinten raus kommt. Das muss man als Verteidiger immer auch im Auge behalten, wenn es um die Beratung/Frage geht: Rechtsmittel ja oder nein.

„Schneckenpost“ bei StA und AG ==> Aufhebung des Haftbefehls

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Und dann noch einmal „Schneckenpost“ (vgl. heute schon den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.02.2016 – Ss 9/2016 (8/16) und dazu: Akte drei Jahre „außer Kontrolle“ – wenigstens Strafrabatt). Dieses Mal in einer Haftsache, bei denen ja der Beschleunigungsgrundsatz besondere Bedeutung hat. „Gehakt“ hat es bei der Staatsanwaltschaft und dann auch beim AG im Hinblick auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 64 StGB. Das OLG sieht dann im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO Verzögerungen, die zur Aufhebung des Haftbefehls im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.10.2015 – 2 Ws 491/15  – führen:

„c) Das demnach gemäß § 246a Abs. 1 Satz 2 StPO erforderliche Sachverständigengutachten hätte daher bereits im Ermittlungsverfahren eingeholt werden müssen, nachdem spätestens aufgrund der Einlassung des Angeklagten am 30.6.2015 hierzu Anlass bestanden hat. Ein Gutachten ist stets zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzuholen. Zudem ist es geboten, auf eine zeitnahe Erstellung des Gutachtens hinzuwirken. Hängt die Anklageerhebung nicht vom Ergebnis des Gutachtens ab, muss dessen Eingang nicht abgewartet werden; vielmehr kann der Beschleunigungsgrundsatz in diesen Fällen sogar gebieten, die Anklage bereits vor Eingang des Gutachtens zu erheben (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.4.2015, 1 Ws 7/15; OLG Hamm, Beschluss vom 9.9.2002, 2 BL 90/02).

Erteilt die Staatsanwaltschaft im Laufe des Ermittlungsverfahrens keinen Auftrag zur Begutachtung des Angeklagten, obwohl diese nach Aktenlage geboten ist, wird dem Beschleunigungsgrundsatz nicht genügt (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.4.2015, 1 Ws 7/15; OLG Hamm, Beschluss vom 9.9.2002, 2 BL 90/02 und Beschluss vom 28.10.1991, 2 BL 349/91; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.7.2009, 1 Ws 337/09 [zum Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit]).

Auf dieses Versäumnis der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren käme es nur dann nicht an, wenn es durch eine spätere beschleunigte Bearbeitung ausgeglichen worden wäre und daher nicht mehr ins Gewicht fiele.

Dies wäre vorliegend zu bejahen gewesen, wenn der Vorsitzende des Schöffengerichts unverzüglich nach Eingang der Akten ein Sachverständigengutachten zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Auftrag gegeben hätte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9.9.2002, 2 BL 90/02 und Beschluss vom 28.10.1991, 2 BL 349/91). Hierzu hat das Schöffengericht bisher aber keine Veranlassung gesehen, so dass sich das Versäumnis der Staatsanwaltschaft beim Gericht fortgesetzt hat. Der Senat schließt aus, dass bis zum Hauptverhandlungstermin am 3.11.2015 oder in diesem ein Sachverständigengutachten zu den Voraussetzungen des § 64 StGB unter Beachtung des § 246a Abs. 3 StPO erstellt werden kann, zumal die gebotene Beiziehung von Vorstrafakten nicht ersichtlich ist. Ein – bei rechtzeitiger Beauftragung eines Sachverständigen voraussichtlich möglicher – Abschluss des Verfahrens beim Schöffengericht am 3.11.2015 wäre daher nur unter Verstoß gegen § 246a StPO möglich.“