Wochenspiegel für die 24. KW., das war Sylt, Sylt, Sylt, DSGVO, Videokamera und Parkverstoßtäter

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Ich schließe die Woche dann heute mit dem „normalen“ Programm. Erst jetzt mal den Wochenspiegel bringen, und zwar mit folgenden Hinweisen:

  1. LG München: BILD bzw. BILD Online durfte Sylt-Video und Standbilder nicht unverpixelt verbreiten und nicht identifizierend über beteiligte Person berichten
  2. Sylt – bald auch in Ihrer Stadt?

  3. OLG Frankfurt: Schadensersatzanspruch gegen Bank oder Sparkasse wegen unrichtiger Geldwäscheverdachtsmeldung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
  4. Grundgesetzänderung für Ehrenplatz beim CSD

  5. „Buyx faselt“ – Strafanzeige

  6. Fehlkonfiguration von Webservern – Wie kommt es zu Datenlecks?

  7. AG Gelnhausen: Unterlassungsanspruch gegen Nachbarn wegen möglicher Videoüberwachung durch schwenkbare Kamera
  8. Arbeitsrechtliche Stolpersteine: Die häufigsten Fehler bei Kündigungen – Teil 1

  9. Cookies und Datenschutz: Zwischen TDDDG und DSGVO

  10. und aus meinem Blog: OWi I: Halter nicht automatisch Parkverstoßtäter, oder: Das ist keine „Revolution“, sondern h.M.

Coronaschutz, Werkstattrisiko und Überwachung, oder: 33 EUR sind für Coronaschutzmaßnahmen genug

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Und dann eine Nachlese zu Coronaschutzmaßnahmen mit dem BGH, Urt. v. BGH, Urt. v. 23.o4.2024 – VI ZR 348/21.

Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren und hat die dafür angefallene Rechnung nach eigenen Angaben vollständig bezahlt. Das SV-Gutachten wie auch die Reparaturrechnung wiesen als ein Teil der Reparaturkosten sog. Corona-Schutzmaßnahmen in Höhe von 157,99 EUR brutto aus, über die Erstattungsfähigkeit die Parteien gestritten haben.

Das LG hat in der I. Instanz die Höhe der als erforderlich anzusetzenden Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen mit 33,16 EUR bemessen und ein Ausfall- bzw. Überwachungsverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung einer Werkstatt mit deutlich darüber liegenden Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen von 157 EUR bejaht. Dabei ist es davon ausgegangen, dass das Desinfizieren von Kontaktflächen innerhalb und außerhalb des Fahrzeuges keine besonderen Fähigkeiten voraussetzen würde und von Aushilfskräften erledigt werden könnte. Deshalb wurde für die Bestimmung der dabei anfallenden Aufwendungen der niedrigste Arbeitslohn in der betroffenen Fachwerkstatt angesetzt und als Zeiteinheit lediglich einen einzigen Arbeitswert (1 AW) bemessen. Diesem hinzu kam für den Materialeinsatz 1,16 EUR brutto für Desinfektionsmittel, Reinigungstücher und Einmalhandschuhe, woraus sich der Betrag in Höhe von  33,16 EUR ergeben hat.

Diese Höhe der als erstattungsfähig anzusetzenden Aufwendungen für Corona-Schutzmaßnahmen hat der BGH im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens bei der Bestimmung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO ausdrücklich gebilligt und zugleich darauf hingewiesen, dass in dem vorliegenden Fall zwar die Grundsätze des Werkstattrisikos eingreifen würden, in diesem Einzelfall aber dem Geschädigten sowohl ein Ausfall- als auch ein Überwachungsverschulden wegen der viel zu hoch angesetzten Desinfektionskosten durch die Werkstatt treffen würde.

Dazu passen etwa folgende Leitsätze:

1. Die Grundsätze des Werkstattrisikos können zu Gunsten des Geschädigten auch bei einer Reparatur eingreifen, wenn es um die Durchführung von Corona-Schutzmaßnahmen geht, die grundsätzlich eine erstattungsfähige zurechenbare Schadenspoistion darstellen.

2. Der Geschädigte muss dessen ungeachtet den Nachweis führen, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist und bei der Beauftragung- und Überwachung des Reparaturbetriebes den Interessen des Schädigers an der Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat.

3. Deshalb trifft den Geschädigten die Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der von der Werkstatt geforderten bzw. später berechneten Preise, wobei insbesondere bei Kosten des alltäglichen Lebens wie etwa bei Corona-Schutzmaßnahmen während der Pandemie ohne weiteres vom Geschädigten selber gut beurteilt werden können.

4. Ein solches Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden ist zu bejahen und der in Rechnung gestellte Betrag für Corona-Schutzmaßnahmen nicht als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen, wenn für diese Tätigkeit 157,99 EUR abgerechnet werden.

5. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens bei einer Schadenschätzung nach § 287 ZPO Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen mit 33,18 EUR als erforderlich erachtet.  

Entscheidungen/Nachlese/Neues aus dem Bundesrat, oder: Kinderporno, KCanG und Video in der ZPO

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Und dann hier mal wieder etwas aus Berlin, und zwar zur gestrigen Bundesratssitzung. Ich will auf drei Punkte aus der umfangreichen Tagesordnung hinweisen. Quelle sind die PM des Bundesrates.

Zunächst: Der Bundesrat hat die Strafmaß-Änderung bei Kinderpornographie gebilligt. Angepasst wird die Mindeststrafe, „um mehr Flexibilität in der Strafverfolgung zu ermöglichen und das Strafmaß besser der Schwere des individuellen Falls anzupassen. Für das Verbreiten kinderpornographischer Inhalte ist nun eine Mindeststrafe von sechs Monaten, für den Besitz und Abruf von drei Monaten Freiheitsstrafe vorgesehen. Die Höchststrafe von zehn Jahren bleibt unangetastet. Dazu gehört diese: Beschlussdrucksache: Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte.

Und dann: Der Bundesrat hat Änderungen am Konsumcannabisgesetz gebilligt, die den Länder u.a. mehr Flexibilität im Umgang mit Großanbauflächen für Cannabis zu erhalten. Das Gesetz soll es den Behörden ermöglichen, Anbauvereinigungen die erforderliche Erlaubnis zu verweigern, wenn sich deren Anbauflächen im gleichen Gebäude oder Objekt wie Anbauflächen anderer Vereinigungen oder in unmittelbarer Nähe zu solchen befinden. So sollen kommerzielle „Plantagen“ für Cannabis ausgeschlossen werden, da diese dem Zweck des Eigenanbaus zum Eigenkonsum durch die aktive Mitarbeit der Mitglieder einer Anbauvereinigung entgegenstünden. Dazu gehört Beschlussdrucksache: Gesetz zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes.

Und: Hinzuweisen ist noch auf den Beschluss, wonach – nach der Einigung im Vermittlungssausschuss –  gegen den weiteren Ausbau der Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und an den Fachgerichtsbarkeiten kein Einspruch eingelegt werden soll. Das betrifft aber nur die Zivilgerichtsbarkeit. Die Entscheidung zum Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz hat man am 12.06.2024 vertagt

 

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Gebühren für den Vergleich beim TOA?

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Und dann hier die Gebührenfrage, und zwar:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

auch ich habe da mal eine Frage zur privilegierten Nebenklage und Täter-Opfer-Ausgleich.

Der Verteidiger und ich als Nebenkläger, haben uns über einen Täter-Opfer-Ausgleich außerhalb der Hauptverhandlung besprochen und in der HV einen Vergleich gerichtlich protokollieren lassen.

Ich habe keinen Adhäsionsantrag gestellt, es wurde kein Adhäsionsverfahren durchgeführt. Und ich habe für meine Mandantin auch keinen PKH-Antrag gestellt.

Eine Erstreckung auf den TOA hatte ich nicht beantragt.

Wie bereits in der Vergangenheit unbeanstandet, habe ich danach einen Gebührenfestsetzungsantrag auch zum TOA (Nr. 4143 VV RVG) gestellt.

Der Rechtspfleger will nun ablehnen. da meinerseits kein PKH-Antrag gestellt worden war und sich meine Tätigkeit auch nicht auf den TOA erstreckt und bittet um Stellungnahme.
Bisher hatte ich da keine Schwierigkeiten … Was ist nun richtig?“

Terminsvertreter des Pflichtverteidigers für einen Tag, oder: OLG Hamm ändert LG Essen unrichtig ab

daumen

Und dann noch nochmal etwas zu den Gebühren des Terminsvertreters des Pflichtverteidiger. Folgender Sachverhalt in Kürze: Die Kollegin ist durch Beschluss der Vorsitzenden einer großen Strafkammer des LG Essen vom 03.03.2022 in einem dort anhängigen Strafverfahren gegen u.a. den Angeklagten als Terminsvertreterin für den Pflichtverteidiger dieses Angeklagten, Rechtsanwalt R. für den ersten Hauptverhandlungstag beigeordnet worden. Der erste Hauptverhandlungstermin fand am 07.03.2022 statt und dauerte dreißig Minuten, es wurde im Wesentlichen die Anklageschrift verlesen. Eine Einlassung des Angeklagten erfolgte zunächst nicht.

Die Kollegin hat dann beantragt, ihre Gebühren festzusetzen. Sie hat Festsetzung der Grundgebühr Nr. 4101, VV RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV RVG, der Terminsgebühr Nr. 4115 VV RVG, der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG sowie von Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgelder sowie USt beantragt.

Das LG hat die dann auch festgesetzt im LG Essen, Beschl. v. 06.07.2023 – 27 KLs 43/21, der folgenden Leitsatz hat:

    1. Der nur für einen Termin als Terminsvertreter beigeordnete Rechtsanwalt rechnet nach Teil Abschnitt 1 VV RVG ab.
    2. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühr, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände.

Es kommt dann natürlich das, was zu erwarten war, nämlich das Rechtsmittel des Bezirksrevisors. Und dann kommt das OLG Hamm in seiner überbordenden Weisheit und hebt im OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2024 – III-5 Ws 273/23 – die Entscheidung des LG auf und sagt:

Für den „Terminsvertreter“ des Pflichtverteidigers entsteht nur die Terminsgebühr. Grund-, Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale entstehen nicht.

Ich fasse die Begründung des Beschlusses des Einzelrichters (!) mal zusammen. Sie lautet. Vertretung ist bei der Pflichtverteidigung zulässig und der Vertreter verdient dann nur die Terminsgebühr. Wer mehr von der falschen Begründung lesen will, der mag das im verlinkten Volltext tun.

Anzumerken ist dazu Folgendes:

Der Entscheidung ist zu widersprechen.

1. Zu widersprechen ist schon der Auffassung des Einzelrichters, dass wegen der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm eine Übertragung auf den und durch den Senat nicht erforderlich sei. Es ist ja schön, wenn das OLG die Frage offenbar schon häufiger entschieden hat. Nur: Die Beschlüsse sind alle unveröffentlicht, hängen also irgendwo beim OLG Hamm im „stillen Kämmerlein“. Man fragt sich., warum man diese Entscheidungen in einer Frage, die ja nun die Rechtsprechung schon seit langem immer wieder beschäftigt nicht, nicht nach außen kund tut. Vielleicht waren die Beschlüsse ja überzeugend, jedenfalls hätten sie zur Diskussion beitragen könne?

Zu einer Übertragung auf den Senat hätte m.E. auf vor allem deshalb Anlass bestanden, weil die Frage, ob der Terminsvertreter des Pflichtverteidigers nur die Terminsgebühr verdient oder auch die Grund- und Verfahrensgebühr ja inzwischen von zahlreichen Gerichten anders gesehen wird als vom OLG Hamm (vgl. nur OLG Bamberg, NStZ-RR 2011, 223 [Ls.]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2024 – 1 Ws 13/24 (S), AGS 2024, 171; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2008 – 1 Ws 318/08; OLG Jena, JurBüro 2011, 478; Beschl. v. 14.4.2021 – (S) AR 62/20, AGS 2021, 394 = JurBüro 2021, 576; OLG Karlsruhe, StraFo 2008, 349 = NJW 2008, 2935 = RVGreport 2009, 19 = StRR 2009, 119; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159; OLG Köln, RVGreport 2010, 462 = AGS 2011, 286; OLG München, NStZ-RR 2009, 32 = StRR 2009, 120 = RVGreport 2009, 227; OLG München, RVGreport 2016, 145 = AGS 2014, 174 = Rpfleger 2014, 445; OLG Nürnberg, RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29; OLG Schleswig SchlHA 2010, 269 [Dö/Dr]). Insbesondere die gut begründete Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 9.2.203 (a.a.O.) hätte dem OLG Hamm Anlass sein sollen, sich noch einmal näher mit der streitigen Frage auseinander zu setzen. Aber die wird noch nicht einmal erwähnt. Das lässt – zumindest bei mir – den Eindruck entstehen, es hier mit einer Entscheidung zu tun zu haben, die in die Rubrik: „Das haben wir immer schon so gemacht.“ einzuordnen ist.

2. In der Sache ist dem OLG ebenfalls zu widersprechen. Die Entscheidung steht und fällt mit der Frage, ob die Ansicht des OLG, eine „Vertretung“ i.e.S. des Pflichtverteidigers sei zulässig. Das ist m.E. nicht der Fall. Denn die Beiordnung des Pflichtverteidigers ist auf seine Person beschränkt; sie ist höchst persönlich (so auch Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 142 Rn 15; Hillenbrand in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 3636 f., jeweils m.w.N.; BGHSt 59, 284 = NJW 2014, 3320 m. Anm. Barton StRR 2015, 62; BGH NStZ 2012, 276; OLG Saarbrücken, RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117). Soweit einige Gerichte (OLG Celle RVGreport 2009, 226; OLG Koblenz JurBüro 2013, 84 = RVGreport 2013, 17; LG Potsdam JurBüro 2011, 417 = AGS 2012, 65; LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.6.2014 – 2 KLs 2/13) anderer Ansicht sind, ist das m.E. seit BGHSt 59, 284 nicht mehr haltbar.

3. Im Übrigen: Zu der Frage, dass nicht nur die Terminsgebühr, sondern auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr anfallen, ist schon viel geschrieben worden. Das muss man hier nicht wiederholen. Ich verweise dazu auf den o.a. Beschluss des OLG Karlsruhe und auf Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 2101 ff.). In dem Zusammenhang liegt der Hinweis des OLG auf die (geringe) Dauer des Hauptverhandlungstermins an dieser Stelle neben der Sache.

Zu der Frage, warum die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG nicht entstanden ist, enthält der Beschluss des OLG kein Wort der Begründung. Die dürfte hier aber entstanden sein, da sich aus dem Beschluss ergibt, dass die Pflichtverteidigerin auch telefoniert hat. Das reicht aber für das Entstehen der Nr. 7002 VV RVG aus (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 7002 VV Rn 1 m.w.N.).

4. Für den Verteidiger lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass er in diesen Fällen sehr sorgfältig prüfen sollte/muss, welche Entscheidungen ergehen. Ggf. muss gegen einen Beschluss, der einen Antrag nicht voll ausschöpft, so wie hier, da Bestellung als „weiterer Pflichtverteidiger„ beantragt war, sofortige Beschwerde (§ 142 Abs. 7 StPO) eingelegt oder auf Klarstellung gedrängt werden, dass man nicht von einer Vertretung i.e.S. (vgl. auch § 5 RVG) ausgeht.“