Pflichtverteidigerbestellung „für den heutigen Termin“, oder: Alle Gebühren, auch die Nr. 4142 VV RVG

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Den Gebührenfreitag beginne ich heute mit dem LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.05.2024 – 2 Qs 12/24. Der Sachverhalt ist wie üblich: Der Rechtsanwalt wird dem Beschuldigten „für den heutigen Termin“ als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der macht dann später alle Gebühren geltend, also Grund-, Verfahrens-, Terminsgebühr und auch die Nr. 4142 VV RVG. Das LG setzt die dann im Beschwerdeverfahren fest:

„Die auf den Vorführtermin am 21.12.2022 beschränkte Beiordnung des Rechtsanwalts Pp. war – nach der seit dem 13.12.2019 geltenden Rechtslage – rechtswidrig, weil §§ 140 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 143 StPO eine Pflichtverteidigerbestellung für das gesamte Verfahren vorsehen, die mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder durch Aufhebung mit gesondertem Beschluss endet. Dabei sieht § 143 Abs. 2 Satz 4 StPO ausdrücklich für die Fälle des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor, dass eine Aufhebung erfolgen soll, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird – was hier nicht der Fall war. Auch war Rechtsanwalt Pp. nicht lediglich Terminsvertreter des verhinderten Rechtsanwalts Pp1. , was eine zeitlich befristete Bestellung gerechtfertigt hätte. Denn Rechtsanwalt Pp1. war in der Sache noch nicht tätig und vom Gericht zum Zeitpunkt des Vorführtermins am 21.12.2022 noch nicht beigeordnet worden, sodass der damalige Beschuldigte bei dem Vorführtermin am 21.12.2022 noch keinen (Pflicht-)Verteidiger hatte.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der in Bezug auf die zeitliche Begrenzung der Beiordnung rechtswidrige Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 21.12.2022, weil er nicht mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 142 Abs. 7 StPO angefochten worden ist, mit seinem rechtswidrigen Inhalt Bestand hatte, ändert dies nichts daran, dass Rechtsanwalt Pp. die Gebühren eines Pflichtverteidigers vollumfänglich geltend machen kann. Denn auch der Pflichtverteidiger, der nur für einen Tag bzw. Termin bestellt ist, ist für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut. Daher kommt auch im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als bloße Einzeltätigkeit nach der Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG nicht in Betracht (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 16. Juli 2021 – 21 Qs 53/21 –, juris, Rn. 45; a.A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.01.2023 – 4 Ws 13/23, juris, Rn 13 f.). Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie vorliegend – dem Beschuldigten zum Zeitpunkt des Vorführtermins noch kein anderer Pflichtverteidiger bestellt worden ist und daher der – nach den obigen Darlegungen wenn auch rechtswidrig – lediglich für den Vorführtermin bestellte Pflichtverteidiger nicht lediglich als Terminsvertreter eines verhinderten anderen Pflichtverteidigers agiert, sondern ihm vielmehr in diesem Verfahrensabschnitt die eigenverantwortliche, umfassende Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten obliegt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 -, juris, Rn. 9 ff. selbst für den Fall der Bestellung eines „weiteren“ Pflichtverteidigers „für den Termin zur Haftbefehlseröffnung“ bei Verhinderung eines zu diesem Zeitpunkt bereits bestellten anderen Pflichtverteidigers).

Rechtsanwalt Pp. stehen mithin im Hinblick auf seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten Pp. die in seinem Antrag vom 24.02.2023 geltend gemachte Grundgebühr mit Haftzuschlag (Vorbemerkung 4, Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4101 VV RVG in Höhe von 216,00 Euro, Verfahrensgebühr mit Haftzuschlag (Vorbemerkung 4 Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4105 VV RVG in Höhe von 177,00 Euro sowie Terminsgebühr mit Haftzuschlag (Vor-bemerkung 4 Ziffer 4 VV RVG) nach der Nr. 4103 VV RVG in Höhe von 183,00 Euro zu.

Darüber hinaus kann er auch eine 1,0 Verfahrensgebühr nach der Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 166,00 Euro beanspruchen. Nach dem Inhalt des gegen den damaligen Beschuldigten Pp. erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 16.12.2022 soll der damalige Beschuldigte zusammen mit seiner Frau pp. durch die gegenständliche Betrugstat insgesamt 1.790,00 Euro (600 Euro + 400 Euro + 790 Euro) vereinnahmt haben. Hin-sichtlich jenes Gesamtbetrages kam bereits zum damaligen Zeitpunkt eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB als Tatertrag in Betracht. Rechtsanwalt Pp. hat den damaligen Beschuldigten nach den Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 24.02.2023 bereits vor dem Vorführtermin unter anderem auch hinsichtlich der drohenden Einziehung beraten. Durch jene beratende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren hinsichtlich der in Betracht kommenden Einziehung ist die 1,0 Verfahrensgebühr nach der Nr. 4142 VV RVG bereits angefallen (vgl. Knaudt, in: BeckOK zum RVG, Stand: 01.03.2024, RVG VV 4142, Rn. 9 f.). Die Bemessung der Gebührenhöhe richtet sich nach § 13 Abs. 1 RVG. Der Gegenstandswert hinsichtlich der Einziehung beläuft sich auf 1.790,00 Euro, womit nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 RVG eine Gebühr in Höhe von 166,00 Euro (49,00 Euro + 39,00 Euro + 39,00 Euro + 39,00 Euro) entstanden ist.
Schließlich steht Rechtsanwalt Pp. auch das in seinem Antrag geltend gemachte Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise von nicht mehr als vier Stunden nach der Nr. 7005 Ziffer 1.) VV RVG in Höhe von 30,00 Euro zu.

Hingegen kann Rechtsanwalt Pp. die ebenfalls geltend gemachte Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach der Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro vorliegend nicht beanspruchen. Voraussetzung für die Festsetzung der Pauschale ist, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall ist. Dies ist vom Rechtsanwalt im Rahmen der Vergütungsfestsetzung – zum Beispiel durch Vorlage eines entsprechenden Schreibens – nachzuweisen. Soweit die Entgelte lediglich im Rahmen der Geltendmachung der Vergütung entstehen, können sie nicht abgerechnet werden (vgl. LG Frankenthal, Beschluss vom 27. April 2023 – 1 Qs 76/23 –, juris, Rn. 14; K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, in: BeckOK zum RVG, Stand: 01.03.2024, RVG VV 7002, Rn. 2 f.). Da sich weder aus dem Vorbringen von Rechtsanwalt Pp. im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch aus der Akte im Übrigen ergibt, dass Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich angefallen sind, war die Pauschale nach der Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro nicht festzusetzen.“

M.E. zutreffend, und zwar auch wegen der Nr. 4142 VV RVG. Bedenken habe ich wegen der Nr. 7002 VV RVG. Die dürfte allein schon durch den Anruf beim Pflichtverteidiger entstanden sein.

Das LG hat die weitere Beschwerde zum OLG zugelassen. Ich bin gespannt, was das OLG Koblenz dazu sagt.

OWi III: Überschreitung der Unterbrechungsfrist, oder: Vortrag zum „Ausnahmefall“

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas zur Rechtsbeschwerde, und zwar der KG, Beschl. v. 23.4.2024 – 3 ORbs 62/24 – 162 Ss 123/23. Es geht um eine Verfahrensrüge wegen  Überschreitung der Unterbrechungsfrist nach § 229 StPO. Der Betroffene hatte geltend gemacht, das Amtsgericht habe gegen §§ 71 Abs. 1, 229 Abs. 1 StPO dadurch verstoßen, dass es einen außerhalb der zulässigen Frist liegenden Fortsetzungstermin anberaumt und durchgeführt habe.

Ohne Erfolg:

„1. Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe gegen §§ 71 Abs. 1, 229 Abs. 1 StPO dadurch verstoßen, dass es einen außerhalb der zulässigen Frist liegenden Fortsetzungstermin anberaumt und durchgeführt habe, ist nicht in nach §§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotener Weise ausgeführt.

Die Fristüberschreitung ist kein absoluter Rechtsbeschwerdegrund, so dass die Rechtsbeschwerde im Grundsatz dartun muss, dass das Urteil darauf beruht. Da dies dem Rechtsbeschwerdeführer meist kaum möglich ist, hat sich in der Rechtsprechung die Bewertung durchgesetzt, dass das Urteil in der Regel auf dem Verfahrensmangel beruhen wird (vgl. BGHSt 23, 224; NStZ-RR 2020, 285). Allerdings ist anerkannt, dass „in besonders gelagerten Ausnahmefällen“ der Verstoß ohne Bedeutung sein kann (vgl. BGHSt 23, 224). Ein solcher ist vom BGH angenommen worden, als die Verhandlung bei der Fristüberschreitung bereits ein Jahr angedauert hatte, die Beweisaufnahme abgeschlossen war, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung die Schlussvorträge gehalten hatten und sich die Kammer ausschließlich mit dem Stoff dieses Strafverfahrens befasst hatte (vgl. BGH a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall kann aber auch bei entgegengesetzter Sachlage gegeben sein, wenn nämlich der Sachverhalt einfach gelagert ist, die Beweislage klar ist und die Hauptverhandlung kurz war (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 229 Rn. 16).

Aus der Anerkennung von Ausnahmefällen leitet sich für die Rechtsbeschwerde das Erfordernis ab, dass die Verfahrensrüge in tatsächlicher Hinsicht dartun muss, dass ein solcher nicht vorgelegen hat. Derartige Ausführungen fehlen hier. Zwar trägt die Rechts-beschwerde im Schriftsatz vom 22. April 2024 noch zum Verfahrensgang und zum Prozessstoff vor. Diese Ausführungen erfolgten aber nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist. Unbeschadet der Frage, ob sie der Verfahrensrüge zur Zulässigkeit oder gar zum Erfolg verhelfen hätten können, sind sie unbeachtlich. „

Muss man im Strafverfahren dann auch wohl drauf achten.

OWi II: Sichtbarkeitsgrundsatz beachtet oder verletzt?, oder: Es kommt auf den Einzelfall an

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Und als zweite Entscheidung dann ein schon etwas älterer Beschluss des OLG Frankfurt am Main. Es handelt sich um den OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 28.08.2023 – 3 ORbs 165/23.

Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung – Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 72 km/h auf der  A 3, geandet mit einer Geldbuße von 600,- EUR sowie einem Fahrverbot von drei Monaten – frei gesprochen.

Begründung: Die vor der Messstelle angebrachten Beschilderung bei km 151.250 verstoße gegen den Sicherbarkeitsgrundsatz, so dass sie als unwirksam zu betrachten sei. Insoweit hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Bis zur Messstelle bei km 151.990 hatte der Betroffene auf der A 3 folgende Verkehrszeichen zu passieren:

– Km 150,100 : Verkehrszeichen 274 mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h und ein sich unmittelbar darunter befindliches Zusatzzeichen im Sinne des § 39 Abs. 3 StVO (weißer Grund, schwarzer Rand, schwarze Schrift mit der Zeitangabe 22 bis 6 h, 1040-30 VZKat)

– Bei Km 151,200: an jeweils zwei Masten (links und rechts neben den drei Fahrspuren der Autobahn angebracht) senkrecht über-/untereinander zwei Verkehrszeichen (274) mit jeweils einem Zusatzeichen i.S.d. § 39 Abs. 3 StVO wie folgt angebracht:

— Ganz oben ist das Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit für alle drei Fahrspuren auf 120 km/h begrenzt. Darunter ein sich auf dieses Verkehrszeichen beziehendes Zusatzzeichen (weißer Grund, schwarzer Rand, schwarze Schrift mit der Zeitangabe 6 bis 22 h, 1040-30 VZKat).

— Darunter Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen drei Fahrspuren auf 100 km begrenzt, darunter erneut ein Zusatzzeichen, diesmal mit einer Zeitangabe 22-6 h (1040-30 VZKat).

Nach der Messstelle findet sich bei km 152.200 eine weitere Beschilderung mit dem Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen drei Fahrspuren auf 120 km/h begrenzt. Darunter befindet sich das Verkehrszeichen 278, welches die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h aufhebt mit dem darunter befindlichen Zusatzzeichen Zeitangabe 22-6 h (1040-30 VZKat).“

Das AG sieht diese auf einem Autobahnabschnitt von ca. 2.1 km mehrfach angeordneten unterschiedlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen als irreführend und mit einem „raschen und beiläufigen Blick“ nicht mehr als erfassbar an. Überdies ist es der Auffassung, dass diese Form der Beschilderung nicht mehr mit den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vereinbar ist.

Dagegen die Rechtsbeschwerde der GStA, die u.a. Folgendes ausgeführt hat:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu folgendes ausgeführt:

„Ziffer 11 a) der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO regelt, dass Häufungen von Verkehrszeichen zu vermeiden sind, weil die Bedeutung von Verkehrszeichen bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zweifelsfrei erfassbar sein muss. Am gleichen Pfosten oder sonst unmittelbar über- oder nebeneinander dürfen nicht mehr als drei Verkehrszeichen angebracht werden; bei Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr kann bei besonderem Bedarf abgewichen werden.

Auch Zusatzzeichen sind gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO Verkehrszeichen. Die Häufung bei der Verwendung von Verkehrs- und Zusatzzeichen ist bereits durch § 39 Abs. 3 S. StVO vorgegeben, wonach Zusatzschilder immer direkt unter dem Verkehrsschild, das sie betreffen, anzubringen sind. Für Zusatzzeichen wird Ziffer 11 a) der Verwaltungsvorschrift durch Ziffer 16 der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO zudem dahingehend konkretisiert, dass mehr als zwei Zusatzzeichen an einem Pfosten, auch zu verschiedenen Verkehrszeichen, nicht angebracht werden sollten und die Zuordnung der Zusatzzeichen zu den Verkehrszeichen eindeutig erkennbar sein muss. Damit geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass jedenfalls mindestens zwei Verkehrszeichen mit Jeweils zwei Zusatzzeichen versehen werden können. Dass Zusatzzeichcn nicht vollständig mit Verkehrszeichen gleichzusetzen sind, folgt auch aus Sinn und Zweck des Sichtbarkeitsgrundsatzes. Die Anforderungen an einen Kraftfahrer bei der Wahrnehmung von Schildern, die einen einheitlichen Regelungsgehalt haben, und darum handelt es sich grundsätzlich bei Verkehrszeichen in Verbindung mit Zusatzzeichen, sind schon wesentlich geringer, als bei Verkehrszeichen mit völlig unterschiedlichem Regelungsgehalt. Bei den hier zu beurteilenden zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen mit jeweils einem konstitutiven Zusatzzeichen handelt es sich um eine einheitliche, wenn auch etwas komplexere Regelung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, die anders gar nicht möglich war und nicht gegen die einschlägigen Vorgaben verstieß. Bei den durch Verwaltungsvorschrift getroffenen Vorgaben handelt es sich zwar nicht um Rechtsvorschriften, diese binden aber grundsätzlich die nachgeordneten Behörden und stellen für die gerichtliche Entscheidung eine Auslegungshilfe dar (BVerwG, Urteil vom 13.03.2008, 3 C 18/07).

Inwieweit den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes genügt wurde, ist letztlich von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016, 3 C 10/15; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.11.2021, 2 Ss OWi 646/21). Hier ließ die konkret angestrebte Verkehrsregelung, nämlich unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen für unterschiedliche Tageszeiten, keine andere Beschilderungsmöglichkeit zu. Dies erkennt auch das Amtsgericht, das argumentiert, zwar sei die an der Messstelle geltende Beschilderung „für sich alleine genommen noch vereinbar mit dem Grundsatz der Sichtbarkeit“ (UA S. 3), so dass es sich nicht um eine unnötige Häufung von Verkehrsschildern an einem einzelnen Mast, sondern eine solche bezogen auf den gegenständlichen Streckenabschnitt handele (UA S. 6). Es bestehe nämlich für den Verkehrsteilnehmer nicht die Möglichkeit, die Bedeutung der Verkehrszeichen in der aufeinanderfolgenden Reihenfolge zu erfassen, diese führten vielmehr zu „Verwirrung“ (UA S. 6).

Diese Argumentation ist nicht haltbar. Denn die angebliche Häufung von Verkehrszeichen sieht das Amtsgericht darin, dass ca. 1.1 km vor der hier maßgeblichen Geschwindigkeitsbegrenzung bereits eine Geschwindigkeitsbeschränkung (nur) für die Nachtzeit erfolgt war und etwa einen weiteren Kilometer nach der hier geltenden Anordnung weitere Regelungen erfolgten (UA S. 3, 4, 6). Hierbei verkennt das Amtsgericht, dass der Betroffene an der Messstelle von der späteren Beschilderung gar nicht verwirrt gewesen sein konnte, weil er sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wahrgenommen hatte. Die spätere Beschilderung ist damit für den hier zu beurteilenden Sachverhalt völlig unbeachtlich. Für den Betroffenen gab es lediglich die erste Beschränkung auf 120 km/h für die Nachtzeit und sodann die der [xxx]Messung zugrundeliegende Beschränkung mit unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten für die Tag- und die Nachtzeit.

Auch wenn 1.1 km zuvor lediglich eine Beschränkung für die Nachtzeit erfolgt war, tagsüber also keine Geschwindigkeitsbegrenzung galt, hatte der Betroffene jedenfalls ab km 151.250 Anlass, seine gefahrene Geschwindigkeit zu reduzieren, weil ihm auch bei einem beiläufigen Blick erkennbar war, dass nun eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h galt. Unter Zugrundelegung der Argumentation des Amtsgerichts könnte sich ein Verkehrsteilnehmer ansonsten jedes Mal, wenn nach einer Strecke ohne Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Anordnung erfolgt, auf den angeblichen „Gewöhnungseffekt“ (UA S. 4) berufen und behaupten, es sei ihm nicht gelungen, die neue „Information hinreichend schnell und zutreffend zu verarbeiten“ (UA S. 4). Hier lässt das Amtsgericht vor allem außer Acht, dass ein Kraftfahrer so zu fahren hat, dass er Verkehrszeichen jederzeit wahrnehmen und beachten kann, was auch und insbesondere für geschwindigkeitsbeschränkende Verkehrszeichen, bei denen es sich auf einer Autobahn weder um seltene noch überraschende Anordnungen handelt, gilt. Da sich die Messstelle erst 700 m nach der Anordnung befand, hatte der Betroffene auch ausreichend Zeit, seine Geschwindigkeit zu reduzieren, zumal eine Geschwindigkeitsbegrenzung von dem entsprechenden Schild an zu beachten ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.01.2001, 2 Ws (B) 582/00 OWiG, juris).

Ob und welche Angaben zur Sache der Betroffene in der Hauptverhandlung gemacht hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen, die ausschließlich auf die vermeintliche Unwirksamkeit der getroffenen Anordnung abstellen, nicht. Jedenfalls kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, den Sinngehalt dieser Schilder überhaupt nicht erfasst zu haben. Selbst, wenn die konkrete Zeitregelung für ihn – möglicherweise aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit – nicht unmittelbar erkennbar gewesen sein sollte, musste er doch wahrgenommen haben, dass die Schilder Höchstgeschwindigkeiten von 100 bzw. 120 km/h für verschiedene Zeiten anordneten und deshalb eine Verringerung der gefahrenen Geschwindigkeit von 192 km/h jedenfalls auf 120 km/h erforderten.

Dass das Messprotokoll nicht sämtliche an der Messstelle gültigen Verkehrszeichen aufführt (UA S. 2 f.), beeinträchtigt weder die Gültigkeit der Anordnung noch die Richtigkeit der Messung. Denn es wurde der Messung und dem Protokoll jedenfalls die zum Tatzeitpunkt gültige Geschwindigkeitsbegrenzung zugrunde gelegt, bei der es sich im Übrigen auch um die dem Betroffenen günstigere handelt.

Soweit der erkennende Richter auf die seiner Meinung nach fehlende Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der Anordnungen in ihrer Gesamtheit bezogen auf den Streckenabschnitt von km 150.100 bis km 152.200 abstellt (UA S. 6), verkennt es seinen Prüfungsmaßstab und ist diese Argumentation unbeachtlich.“

Diesen ausführlichen und überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ergänzend merkt er lediglich an, dass auch die weitere Argumentation des Amtsgerichts, die vermeintliche Häufung der von der Messstelle km 151.990 erfassten Geschwindigkeitsverstöße sei auf eine „Irreführung“ der Verkehrsteilnehmer durch eine „nicht ordnungsgemäße“ Beschilderung zurückzuführen, die Entscheidung nicht trägt. Hierbei handelt es sich um eine nicht tatsachenbelegte Vermutung, kann der Anstieg von Geschwindigkeitsverstößen auch gänzlich andere Ursachen haben. Ausweislich der für den Senat durch die wirksame Bezugnahme auf das Lichtbild Bl. 9 zugänglichen Inaugenscheinnahme des maßgeblichen Streckenabschnitts mit Beschilderung handelt es sich um eine gerade übersichtliche Passage, bei der die deutlich sichtbaren, nach Tages-/Nachtzeit gestaffelten und in ihrer Bedeutung ohne weiteres erfassbaren Geschwindigkeitsbegrenzungen von Autofahrern erfahrungsgemäß auch mangels Regelakzeptanz schlichtweg um des eigenen schnellen Fortkommens ignoriert werden können.“

OWi I: Halter nicht automatisch Parkverstoßtäter, oder: Das ist keine „Revolution“, sondern h.M.

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Heute dann noch einmal OWi-Entscheidungen. Grund ist der BVerfG, Beschl. v. 17.05.2024 – 2 BvR 1457/23 -, der seit gestern ja über die Ticker läuft und heute dann auch in der Tagespresse angekommen ist.

Folgender, alltäglicher, Sachverhalt: Gegen den Betroffenen wird wegen eines Parkverstoßes eine Geldbuße in Höhe von 30 EUR festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein.  In der darauf stattfindenden Hauptverhandlung schweigt der Betroffene. Das AG verurteilt ihn. Im Urteil wird ausgeführt, der Betroffene habe geschwiegen. Die Feststellungen zur Person basierten auf den Angaben im Bußgeldbescheid, die der Betroffene bestätigt habe, und auf der verlesenen Auskunft des Fahreignungsregisters. Die Feststellungen zur Sache beruhten auf den verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, den Lichtbildern sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei.

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der damit begründet worden ist, dass der Rückschluss auf den Betroffenen als Nutzer des Fahrzeugs allein aus der Haltereigenschaft fehlerhaft sei, hat das OLG Köln mit Beschl. v. 12.9.2023 – III-1 ORbs 292/23 – als unbegründet verworfen. Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„1. Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

a) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den konkreten Fall sind zwar Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt jedoch unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; stRspr). Ein solcher Verstoß gegen das Willkürverbot liegt bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 74, 102 <127>; 83, 82 <84>; 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr). Dieser Maßstab gilt auch für die verfassungsrechtliche Überprüfung der von den Fachgerichten vorgenommenen Beweiswürdigung und der von ihnen getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. BVerfGE 4, 294 <297>; 96, 189 <203>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. März 2023 – 1 BvR 1620/22 -, Rn. 10 m.w.N.).

b) Gemessen daran verstößt das Amtsgericht mit der angegriffenen Entscheidung gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Willkürverbot. Das angegriffene Urteil enthält keinerlei Ansätze sachgerechter Feststellungen und Erwägungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers, auf die bei einer Verurteilung nicht verzichtet werden kann.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 13 Variante 3 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über Parkscheiben nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 StVO verstößt. Das Amtsgericht hat seine Feststellungen zur Sache allein auf die verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, auf Lichtbilder des Fahrzeugs sowie auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer der Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei. Damit hat das Amtsgericht zu dem Verkehrsverstoß, der dem Beschwerdeführer angelastet wird, in seiner Person weder ein aktives Tun noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt. Die Angaben im Bußgeldbescheid – wie auch die Lichtbilder, die allein das Fahrzeug des Beschwerdeführers zeigen – haben bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer das Fahrzeug bei der bestimmten Fahrt auch tatsächlich geführt hat, keinerlei Aussagekraft. Der Beschwerdeführer hat zu dem ihn betreffenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorwurf geschwiegen. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Pkws ist, darf bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens nicht auf dessen Täterschaft geschlossen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 – 2 BvR 843/93 -, juris, Rn. 12; BGHSt 25, 365 <367 ff.>; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 20. November 1973 – 2 Ss OWi 1374/73 -, NJW 1974, S. 249; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2020 – IV-2 RBs 1/20 -, juris, Rn. 5 ff.; Fromm, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, § 61 OWiG Rn. 1; Tiemann, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 261 StPO Rn. 57).“

Angesichts der dargestellten zwischenzeitlich einhelligen Auffassung in Literatur und fachgerichtlicher Rechtsprechung zum unzureichenden Beweiswert der Haltereigenschaft als solcher ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei sachgerechter Verfahrensweise und bei Zugrundelegung sachgerechter Erwägungen zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre.“

Ich kann die Aufregung nicht so ganz verstehen. Die „Bild“ meinte gestern, titeln zu müssen: „Neuer-Richter-Beschluss: Knöllchen-Revolution für alle Autorfahrer“. Geht es noch oder: Kann man mal bitte einen Gang zurückschalten. Denn was ist an dem Beschluss bzw. der Aussage des BVerfG „neu“ und was ist bitte die „Revolution“? „Revolution“ ist „ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt.“ Das sehe ich nun wirklich nicht. Das BVerfG rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot, nämlich das Abweichen von einer h.M., wonach allein die Haltereigenschaft nicht ausreicht, um die Täterschaft zu begründen. Das ist, wie die zitierte Rechtsprechung zeigt, nun wirklich nicht, neu. Also warum die Welle?

Ich kenne genügend andere Stellen, an denen das BVerfG eine „Revolution“ hätte beginnen können. Ich sage nur „Messverfahren“.

 

 

VR III: Nochmals unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, oder: Unfall mit dem rollenden Einkaufswagen?

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Und dann noch etwas vom OLG Naumburg. Das hat im OLG Naumburg, Beschl. v. 06.05.2024 – 1 ORs 38/24 – zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) Stellung genommen.

Zugrunde liegt ein „Klassiker“, nämlich ein „Unfall“ auf einem Supermarktparkplatz, an dem ein rollender Einkaufwagen „beteiligt“ war.

AG und LG haben den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des LG im Berufungsurteil stellte der Angeklagte am Tattag seinen Pkw auf dem Parkplatz eines Supermarktes ab. Anschließend holte er einen Einkaufswagen und begab sich zurück zu seinem Fahrzeug. Da sich dort der Hund des Angeklagten losmachte, ließ der Angeklagte den Griff des Einkaufswagens los, um den Hund wieder anzuleinen. Der Einkaufswagen geriet daraufhin auf dem leicht abschüssigen Parkplatz ins Rollen, drehte sich einmal um die Achse und stieß mit dem Griff voran gegen den Pkw des Geschädigten, an dem eine Schramme und eine deutlich sichtbare Eindellung entstanden. Obwohl der Angeklagte den Anstoß bemerkte, begab er sich den Markt, um einzukaufen.

Gegen dieses Urteil wendete sich der Angeklagte mit seiner Revision, die mit der Verfahrensrüge hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte. Im Übrigen hat das OLG die Revision als unbegründet verworfen.

Im Rahmen der Verfahrensrüge beanstandet das OLG, dass nicht ersichtlich, sei worauf das LG seine Überzeugung hinsichtlich der Höhe der durch die verursachten Beschädigungen am Pkw des Geschädigten Reparaturkosten in Höhe von 1.041,89 EUR stütze. Die Angabe eines bis auf den Cent exakten Betrags legt nahe, dass dieser einer Reparaturkostenrechnung, einem Kostenvoranschlag oder einer ähnlichen Urkunde entnommen worden sei. Derartiges ist in der Hauptverhandlung jedoch nicht verlesen worden. Die entsprechende Angabe kann auch nicht im Wege eines Vorhalts durch die Aussage eines Zeugen oder Sachverständigen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein, da weder Zeugen noch Sachverständige vernommen worden seien. Nach den Umständen des Falls erscheine es auch ausgeschlossen, dass die Angabe zur Höhe der Reparaturkosten im Wege eines Vorhaltes an den insoweit nicht sachkundigen und in keinem näheren Verhältnis zum Geschädigten stehenden Angeklagten eingeführt worden sei. Die in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden verhielten sich ebenfalls nicht zu der Höhe der Reparaturkosten. Auch das in der Berufungshauptverhandlung verlesene Urteil des AG könne die getroffenen Feststellungen nicht begründen, weil dessen Verlesung nicht Teil der Beweisaufnahme, sondern wesentlicher Bestandteil der Berichterstattung nach § 324 StPO sei – dazu vgl. KG, Beschl. v. 4.3.2020 – (2) 121 Ss 32/20 (10/20).

Im Übrigen hat das OLG die Revision verworfen. Insoweit stelle ich hier nur die Leitsätze ein, da die Fragen m.E. in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die das OLg auch zitiert, ausreichend ausgekaut sind. Also:

  1. Ein allgemein zugänglicher privater Parkplatz gehört zum räumlichen Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs.
  2. Nicht jeder Unfall ist schon deshalb ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 StGB, weil er sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Vielmehr setzt die Annahme eines „Verkehrsunfalls“ nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus. In dem „Verkehrsunfall” müssen sich gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben.
  3. Der erforderliche straßenverkehrsspezifische Zusammenhang isz auch dann gegeben ist, wenn sich die Gefahr verwirklicht hat, die dadurch entsteht, dass sich ein Fußgänger auf einem Supermarktparkplatz im räumlichen Bereich der dort abgestellten Kraftfahrzeuge bewegt, etwa um zu seinem Fahrzeug zu gelangen.

Die Entscheidung ist zutreffend. Sie fasst die ständige Rechtsprechung der Obergerichte zum Begriff des „Unfalls im Straßenverkehr“ in § 142 StGB zutreffend zusammen. Man fragt sich allerdings, was das OLG bewogen hat, so ausführlich dazu auszuführen. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der Rechtsprechung zwar vor einigen Jahren kontrovers diskutiert worden, der Streit dürfte sich inzwischen aber erledigt haben, da von der h.M. abweichende Rechtsprechung in den letzten Jahren nicht mehr bekannt geworden ist. Aber vielleicht wollte das OLD zu der Frage auch mal etwas gesagt haben, nachdem der Verteidiger die Frage noch einmal thematisiert hatte. Jedenfalls wird der Stand der Rechtsprechung schön dargestellt, so dass die Entscheidung für die Praxis brauchbar ist, auch wenn das OLG zum Schuldspruch für den Angeklagten nachteilig entschieden hat.