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Als zweite Entscheidung habe ich dann den OLG Hamm, Beschl. v. 18.03.2025 – 4 ORs 24/25 – zur Frage der Strafbarkeit heimlicher Bildaufnahmen.
Das AG hat den Angeklagten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt. Zur Sache hat das AGfolgende Feststellungen getroffen:
„Der Zeuge J. bewohnte bei dem Angeklagten ein Zimmer. Der Angeklagte stellte am 09.07.2023 heimlich eine Videokamera mit Bewegungsauslöser versteckt hinter einem Rollcontainer in dem Zimmer des Zeugen J. auf. Bei Bewegungen des Zeugen J. zeichnete die Kamera Videosequenzen auf. Der Zeuge J. entdeckte die Kamera zufällig am 10.07.2023 gegen 17.04 Uhr bei der Reinigung seines Zimmers.“
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das AG ferner auszugsweise Folgendes festgehalten:
„In der Hauptverhandlung wurden dann die Bilder Blatt 14 und Blatt 25 – 28 in Augenschein genommen. Auf Blatt 14 finden sich Abbildungen der Kamera. Auf Blatt 25 – 28 finden sich Aufnahmen, die von der Polizei nach Auswertung der SD Karte ausgedruckt wurden. Die Qualität dieser Bilder ist eher schlecht. Auf Blatt 28 unten kann man einen Arm erkennen, der offensichtlich beim Aufstellen der Digitalkamera aufgenommen wurde. Ferner findet sich auf Blatt 25 oben eine Aufnahme, auf der man sehen kann, wie jemand den Boden wischt. Weiter gibt es auf Blatt 26 oben auch eine Aufnahme des Fußbodens und von Schuhen. Blatt 27 oben zeigt eine Aufnahme einer Person. Man sieht lediglich die Oberschenkel, den unteren Bereich des Oberkörpers, eine Hand und ein Buch oder Heft das von dieser Hand gehalten wird. Die Person selbst ist bekleidet und nicht zu erkennen.
Im Auswertebericht der Polizei Blatt 16 – 17 ist zu entnehmen, dass sich auf der Kamera insgesamt 13 Videodateien befanden. Die ersten 4 Videos hätten gezeigt, wie die Kamera vorbereitet, geprüft und platziert worden sei. Sodann sei die Rückkehr des Zeugen am 10.07.2023 um 01.17 Uhr aufgenommen worden. Die Aufnahmen hätten jedoch kaum etwas erkennen lassen, da im Wesentlichen die Laufrolle eines Rollcontainers aufgenommen worden sei. Im Laufe des 10.07.2023 seien noch weitere Videos entstanden. Der Zeuge sei dabei jedoch jeweils beiläufig und bekleidet zu erkennen. Sodann sei schließlich zu sehen, wie der Zeuge mit einem Wischmob sein Zimmer reinige und den Container zur Seite schiebe. Hierbei habe er dann die Kamera entdeckt. Laut Zeitstempel sei die Kamera am 09.07.2023 um 23.18 Uhr in dem Zimmer des Zeugen platziert worden.“
Auf der Grundlage hat das AG eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) angenommen. Dem OLG reichen die Feststellungen nicht.
Auch hier beschränke ich mich auf die Leitsätze zu der Entscheidung, den Rest bitte selbst lesen:
1. Nicht jede heimliche Aufnahme einer Person in ihrer Wohnung (bzw. in dem im Übrigen von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfassten räumlichen Schutzbereich) führt per se zu einer Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Vielmehr bedarf es zusätzlich zu der Herstellung der Bildaufnahmen eines (Verletzungs-) Erfolges in Form einer „dadurch“ bewirkten „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person“. Insofern handelt es sich bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB um ein Erfolgsdelikt.
2. Zu orientieren ist der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ an dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Begriff der „Intimsphäre“, der vor allem, aber nicht nur die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität zuzuordnen sind und die grundsätzlich die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten umfasst, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, wie bspw. Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben sowie Nacktaufnahmen. Auf den Bereich der Sexualität und Nacktheit ist der Anwendungsbereich wiederum nicht zu beschränken. Auch bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben sind dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen, bspw. solche, die die wechselseitigen persönlichen Bindungen, Beziehungen und Verhältnisse innerhalb der Familie betreffen, darum unbeteiligten Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich sind und Schutz vor dem Einblick Außenstehender verdienen.
3. Situationen, die zwar der Privatsphäre zuzuordnen sind, aber ein „neutrales Verhalten“ zeigen, bedürfen hingegen des strafrechtlichen Schutzes typischerweise noch nicht. Die Herstellung einer Bildaufnahme von „neutralen“ Handlungen, wie dem Arbeiten, Kochen, Lesen, Fernsehen, Essen oder Schlafen in der Wohnung bewirkt demnach – wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – für sich genommen noch keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Opfers (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 01.10.2024 – 1 StR 299/24).