Im zweiten Posting geht es um den AG Tiergarten, Beschl. v. 17.03.2025 – 288 OWi 11 56/24 – und in ihm noch einmal um die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG. Ja, schon 🙂 .
Das AG hat das Verfahren gegen die Betroffene nach § 206a StPO i.V.m. §46 OWiG wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses eingestellt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt. Mit seinem Kostenfestset-zungsantrag hat der – nicht in Berlin ansässige – Verteidiger u.a. auch die Erstattung der Akten-übersendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer beantragt.
Der Rechtspfleger hat diese nicht festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Aktenver-sendungspauschale gehöre nur dann zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen der Be-troffenen, wenn die Hinzuziehung dieses Rechtsanwaltes zu einer zweckentsprechenden Ver-teidigung notwendig gewesen sein. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, denn die Betroffene habe ihren Wohnsitz in Berlin und es sei ihr daher zuzumuten gewesen und auch naheliegen-der, einen ortsansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes entstandenen Mehrkosten habe sie daher selbst zu tragen. Dazu gehöre auch die Aktenversendungspauschale, da diese einem Berliner Verteidiger nicht erstat-tet werde. Die Akteneinsicht sei jederzeit an Behördenstelle möglich und eine Versendung der Akte entsprechend nicht erforderlich. Die Aktenversendung stelle vielmehr einen Service der Behörde dar, so dass Kostenschuldner der Rechtsanwalt sei (§ 28 GKG).
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verteidigers, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Diese hatte dann aber beim Gericht Erfolg.:
„Gemessen daran ist die durch den Verteidiger geltend gemachte Aktenversendungspauschale als Auslage auch notwendig und daher erstattungsfähig.
Denn der auswärtige Verteidiger kann das Recht auf Akteneinsicht vernünftigerweise und sachdienlich nur durch Übersendung der Gerichtsakte ausüben. Bei persönlicher Abholung der Akte entstünde ein Anspruch auf Vergütung der Reisekosten, welche in aller Regel höher als die Akten-versendungspauschale ausfielen. In diesem Fall ist die Aktenübersendung die für den Mandanten kostengünstigste Maßnahme zur Durchführung der Akteneinsicht mit der Folge, dass die Kosten für die Aktenübersendung eine notwendige Auslage darstellen.
Eine Kostenerstattung kann hier auch nicht mit dem Argument ausgeschlossen werden, die Betroffene hätte einen ortsansässigen Verteidiger beauftragen können, der seinerseits in der Lage gewesen wäre, die Akte abzuholen, so dass eine Versendung nicht notwendig und daher nicht erstattungsfähig gewesen wäre. Denn auch bei einem ortsansässigen Rechtsanwalt kann sich die Aktenversendungspauschale als notwendig erweisen, wenn es ihm wegen der Entfernung zum Gericht nicht ohne weiteres zumutbar ist, dieses wegen jeder Akteneinsicht persönlich aufzusuchen oder einen Boten zu schicken (AG Tiergarten, Beschluss vom 13.12.2018, 229 Ds 1 89/15; AG Köln, Beschluss vom ü8.06.2018, 707 Ds 101/15; AG Tiergarten, Beschluss vom 10.12.2024, 350 Gs 464/24). Das Kriterium der Ortsansässigkeit hat in einer Großstadt wie Berlin und angesichts der teilweise erheblichen Entfernungen zum Gericht auch für formal ortsansässige Rechtsanwälte kaum Trennschärfe (vgl. auch AG Tiergarten, Beschl. v. 10.12.2024, a.a.O.). Die Verweisung auf die hypothetische Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes verfängt daher nicht.“
Das AG Tiergarten bestätigt mit der Entscheidung seine Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Aktenversendungspauschale auch für den ortsansässigen Verteidiger (vgl. dazu schon AG Tiergarten, Beschl. v. 10.12.2024 – 350 Gs 464/24 m.w.N.). Hier hatten wir es allerdings mit dem Sonderfall zu tun, dass es sich zwar um einen nicht ortsansässigen Verteidiger gehandelt hat, der Erstattung aber entgegen gehalten werden sollte, dass die Auslage deshalb nicht notwendig gewesen wäre, weil die Betroffene einen ortsansässigen Rechtsanwalt hätte beauftragen können, dem die Auslage dann nicht zu erstatten gewesen wäre; Stichwort: Versendung ist Serviceleistung der Justiz. Dem hat das AG erneut zur Recht eine Absage erteilt.
In dem Zusammenhang fragt man sich angesichts der Vielzahl der Entscheidungen, die sich mit der Aktenversendungspauschale befassen (müssen), ob Rechtspfleger eigentlich nichts oder zu wenig zu tun haben und daher diese Fragen immer wieder zum Spruch stellen. Die häufige lange Dauer von Kostenfestsetzungsverfahren dürfte eher für das Gegenteil sprechen.