Wochenspiegel für die 9. KW., das war beA-App, Drohne, KI bei der StA, Geldwäsche und „berauschte RSV?“

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Und dann der Wochenspiegel für die 9. KW, die letzte Februarwoche mit folgenden Hinweisen:

  1. App, app and away?

  2. Der durchsichtige Versuch, Correctiv zu diskreditieren

  3. Berliner Staatsanwaltschaft prüft Einsatz von künstlicher Intelligenz

  4. BayVGH: Erhebung und Speicherung von Drohnenaufnahmen zu Durchführung der Beitrags- und Gebührenerhebung im Rahmen der Abwasserbeseitigung rechtswidrig
  5. Geldwäschepflichten für Fußballvereine und Spieleragenten

  6. Die Energiepreisbremsen: Jetzt wird abgerechnet – aber wie genau?

  7. OLG Köln: Cookie-Banner muss so gestaltet sein dass das Ablehnen genauso bequem wie das Akzeptieren ist – Schließen des Cookie-Banners mit „X“ ist keine wirksame Einwilligung
  8. AG München: Strafbarkeit des Abfangens von Schlüsselsignalen von geparkten Fahrzeugen mit einem Pandora Code-Grabber
  9. OLG Dresden: Anwalt darf Gläubigerdaten aus Insolvenzakte für eigene Akquisition verwenden = kein DSGVO-Verstoß

  10. und dann aus meinem Blog, ein Gebührenbeitrag ist selten, aber hier war es zu erwarten 🙂 „.. zitierten Entscheidungen .. nicht mehr anwendbar“, oder: „Was rauchen die bei der RSV“?

Rechtzeitiger Eingang von Rechtsmittel(Begründung)?, oder: Entscheidend ist der Eingang beim Gericht

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Und als zweite – überall geltende – Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 08.11.2023 – VIII ZB 59/23 – zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Falle der Nichtberücksichtigung einer zwar rechtzeitig bei Gericht eingegangenen, aber nicht zur Verfahrensakte gelangten Berufungsbegründungsschrift. Auch da ist das, was der BGH ausführt nicht  völlig neu. Ähnliches hat er schon im BGH, Beschl. v. 19.05.2022 – V ZB 66/21 – gesagt.

Folgender Sachverhalt: In einem mietrechtlichen Räumung- und Zahlungsverfahren hat das AG der Klage stattgegeben. Dagegen die Berufung des Beklagten. Das LG hat dann die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine Berufungsbegründung liege auch nach dem Verstreichen der – bis zum 19.06.2023 verlängerten – Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht nicht vor.

Dagegen diue Rechtsbeschwerde des Beklagten, die beim BGH Erfolg hatte:

„1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt – wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend gemacht hat – in entscheidungserheblicher Weise das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat gehörswidrig die von dem Beklagten innerhalb der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist eingereichte Berufungsbegründungsschrift nicht zur Kenntnis genommen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung des Beklagten nicht als unzulässig verworfen werden. Denn das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung die innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei ihm eingegangene Berufungsbegründungsschrift nicht berücksichtigt.

a) Ein Gericht verstößt gegen seine aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht, die Ausführungen eines Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, wenn es einen ordnungsgemäß bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an; das Gericht ist insgesamt für die Einhaltung des Gebots des rechtlichen Gehörs verantwortlich (vgl. BVerfGE 48, 394, 395 f.; 53, 219, 222 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 19. Mai 2022 – V ZB 66/21, NJW-RR 2022, 995 Rn. 8). Deshalb ändert es an der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nichts, wenn den erkennenden Richtern der Schriftsatz im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlag. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Schriftsatz den Richtern nach Eingang bei Gericht nur nicht vorgelegt wurde oder erst gar nicht zur Verfahrensakte gelangt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2022 – V ZB 66/21, aaO; vom 4. Juli 2018 – XII ZB 240/17, NJW 2018, 3786 Rn. 8 f. mwN).

b) Gemessen hieran hätte das Berufungsgericht, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, das Vorbringen des Beklagten in dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 16. Juni 2023 berücksichtigen müssen. Denn dieser ist am 19. Juni 2023 und damit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen.

Für den rechtzeitigen Eingang einer Berufungsbegründungsschrift ist allein entscheidend, dass diese vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist an das zur Entscheidung berufene Gericht gelangt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Juni 2003 – VIII ZB 126/02, NJW 2003, 3418 unter II 2; vom 17. März 2009 – VIII ZB 66/08, juris Rn. 5; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 19. März 2018 – 1 BvR 2313/17, juris Rn. 12 mwN [zum rechtzeitigen Eingang einer Duplik im Klageverfahren]; zum Eingang elektronischer Dokumente – wie hier – vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. August 2020 – VI ZB 79/19, NJW-RR 2020, 1519 Rn. 7; vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 18 mwN; vom 30. November 2022 – IV ZB 17/22, NJW-RR 2023, 351 Rn. 8; zum Prüfvermerk siehe BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2022 – XII ZB 304/21, juris Rn. 7; vom 30. November 2022 – IV ZB 10/22, juris Rn. 9; jurisPK-ERV/H. Müller, 2. Aufl., §130a ZPO Rn. 329; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 20. Aufl., § 130a Rn. 11).

Ausgehend hiervon hat der Beklagte nach dem auf die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge hin zu beachtenden Sachverhalt (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO; siehe auch Senatsbeschluss vom 5. Juli 2022 – VIII ZB 33/21, NJW-RR 2022, 1436 Rn. 20 mwN) die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Juni 2023 (wirksam) verlängert worden. Die – von dem Beklagtenvertreter per beA übersandte (vgl. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) – Berufungsbegründungsschrift ist ausweislich des in den Gerichtsakten befindlichen und von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Prüfvermerks an diesem Tag („Eingangszeitpunkt: 19.06.2023, 16:27:17″) und damit rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen. Dass das elektronische Dokument – offenbar infolge eines gerichtsinternen Versehens – erst am 19. Juli 2023 zur Gerichtsakte gelangt ist, ist dagegen für die Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht von Bedeutung und steht aus den vorgenannten Gründen auch der Annahme eines Gehörsverstoßes nicht entgegen.

c) Der angefochtene Beschluss beruht auf diesem Gehörsverstoß (vgl. zu diesem Erfordernis Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2021 – VIII ZB 68/20, juris Rn. 39 mwN). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Kenntnisnahme des Inhalts der Berufungsbegründungsschrift von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen wäre.“

Man muss wissen, wer das Rechtsmittel eingelegt hat, oder: Kann man den Rechtsmittelführer ermitteln?

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Und heute im „Kessel Buntes“ zwei verfahrensrechtliche Entscheidungen des BGH. Bei aus Zivilverfahren, aber die vom BGh aufgestellten Grundsätze gelten auch für andere Verfahren, also ggf. im Straf- oder Bußgeldverfahren.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 24.01.2024, XII ZB 39/23. In ihm geht es um die Frage, dass bei einem Rechtsmittelerkennbar sein muss, wer es eingelegt hat. Das, was der BGH in der Entscheidung sagt, ist nicht ganz neu. Ähnliches hat er schon mal 2020 im BGH, Beschl. v. 12.02.2020 – XII ZB 475/19 ausgeführt.

Ergangen ist die Entscheidung in einem familiengerichtlichen Verfahren. Es geht um die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs, in dem sich der Kindesvater verpflichtet hatte, für seine Kinder Unterhalt zu Händen der Kindesmutter zu zahlen. Zunächst richtete sich der Antrag nur gegen Kindesmutter. Nach einem rechtlichen Hinweis wird auf die Kinder umgestellt. Da zwischen den Beteiligten u.a. auch streitig war, ob das angerufene AG international zuständig ist, hat sich dieses mit Zwischenbeschluss für international und örtlich zuständig erklärt. Im Rubrum dieses Beschlusses sind nur die vier Kinder als Antragsgegner aufgeführt.

Gegen diesen Beschluss hat die Kindesmutter, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Beschwerde eingelegt. In dem Beschwerdeschriftsatz wird als Beschwerdeführerin allein die Kindesmutter benannt und die Beschwerde ausdrücklich „namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin“ eingelegt. Mit der nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde eingegangenen Beschwerdebegründung, in der nunmehr die Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, als „Antragsgegner und Beschwerdeführer“ bezeichnet werden, wenden sich diese gegen die vom Amtsgericht angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.

Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richten sich die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner und der Kindesmutter. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO) verworfen:

„2. Dies hält sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

a) Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen der Rechtsmittelführer erkennbar ist oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar wird. Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Beschwerdeschrift zu stellenden Anforderung dient – sowohl für das Beschwerdegericht als auch im Interesse der Beteiligten – dem geregelten Ablauf des Verfahrens und der Rechtssicherheit (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19FamRZ 2020, 778 Rn. 11 mwN). Denn bei der Beschwerde, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein (vgl. BGH Beschluss vom 18. April 2000 – VI ZB 1/00NJW-RR 2000, 1371, 1372 mwN zu § 518 Abs. 2 ZPO aF).

Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelführers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Beschwerdeschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausschließt. Daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Beschwerdeführer sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19FamRZ 2020, 778 Rn. 11 mwN).

b) Gemessen hieran bestehen bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass mit der Beschwerdeschrift allein die Kindesmutter Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegt hat.

Die von der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten verfasste Beschwerdeschrift enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerde für die Antragsgegner eingelegt werden sollte. In ihr wird ausdrücklich die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zudem wird dort ausgeführt, dass „namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin“ die Beschwerde eingelegt werde. Weitere Umstände, die zu einer Auslegung der Beschwerdeschrift führen können, dass das Rechtsmittel durch die Antragsgegner eingelegt werden sollte, ergaben sich für das Beschwerdegericht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde war der Beschwerdeschrift keine Abschrift des angegriffenen Zwischenbeschlusses beigefügt. Die Verfahrensakte wurde dem Beschwerdegericht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übersandt. Daher konnten bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung keine Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde allein von der Kindesmutter eingelegt wurde.

Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Kammergerichts (NJW-RR 2004, 331) die Auffassung vertritt, es greife im Streitfall die Zweifelsregelung, wonach die von einem gesetzlichen Vertreter eingelegte Beschwerde, wenn er selbst nicht beschwerdebefugt sei, im Zweifel als Rechtsmittel des Vertretenen anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, war in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall die Person des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht bezeichnet und musste daher durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als Beschwerdeführerin genannt, so dass gerade kein Zweifelsfall und daher auch kein Anlass zur Anwendung dieser Zweifelsregelung besteht.

c) Soweit sich die Antragsgegner erstmals in der Beschwerdebegründung selbst gegen den Zwischenbeschluss wenden, erfolgte dies weder fristgerecht noch gegenüber dem zutreffenden Adressaten iSd § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdefrist auch für die Antragsgegner bereits abgelaufen, zudem war der Schriftsatz nicht an das Amtsgericht, dessen Zwischenbeschluss angefochten werden soll, sondern an das Beschwerdegericht gerichtet und auch nur dort eingegangen.

d) Nach alldem ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Beschwerde der Kindesmutter wegen fehlender Beschwerdebefugnis und die Beschwerden der Antragsgegner wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist verworfen hat.“

Wie gesagt: Die Ausführungen gelten nicht nur für das Zivilverfahren, sondern eben auch für alle anderen Verfahrensarten. Ohne Kenntnis, wer Rechtsmittelführer ist, klappt es nicht. das bedeutet: Als Rechtsanwalt achte ist darauf, dass bei einem Rechtsmittel – egal in welchem Verfahren – immer erkennbar ist, wer Rechtsmittelführer ist. Man sollte sich nicht auf das „dünne Eis“ der Auslegung begeben.

Ich habe da mal eine Frage: Gilt die Beiordnung für die Vernehmung im Hauptverfahren fort?

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Und dann noch die Gebührenfrage, heute mal wieder aus der FB-Gruppe, und zwar:

„Nebenklage/ Beistand.

Meine Mandantin wurde von ihrem Vater sexuell missbraucht bzw. sexuell belästigt. Ich wurde nach § 406 h StPO beigeordnet und habe Mandantin zur richterlichen Vernehmung begleitet.

Meine Frage jetzt: gilt die Beiordnung im Hauptverfahren fort oder muss da Beiordnung als NK Beistand nochmal beantragt werden? Sind jetzt schon Grundgebühr, Gebühr für vorbereitendes Verfahren und richterliche Vernehmung angefallen?“

„.. zitierten Entscheidungen .. nicht mehr anwendbar“, oder: „Was rauchen die bei der RSV“?

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Und bevor es nachher noch die neue Gebührenfrage gibt, hier ein „Nachbericht“, und zwar:

Ich hatte vor ein paar Wochen gefragt. Ich habe da mal eine Frage: Sind auch Gebühren im Bußgeldverfahren entstanden? Da ging es um die Problematik, ob dem Verteidiger nach Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft und Abgabe an die Verwaltungsbehörde wegen einer möglichen OWi-Angelegenheit für den Verteidiger nach Einstellung des OWi-Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG für den Verteidiger auch (noch) die Nrn. 5103, 5115 VV RVG entstanden sind. Die RSV – ich hatte offen gelassen, welche – hatte das abgelehnt.

Ich hatte dem Kollegen die Frage beantwortet und hatte sie unter Hinweis auf u.a. Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 5115 VV RVG Rn. 10 bejaht (vgl. hier: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Sind auch Gebühren im Bußgeldverfahren entstanden?). Im Kommentar ist einiges an Rechtsprechung zitiert, wer will, kann das nachlesen.

Nun informiert mich der Kollege über den weiteren „Verfahrensgang“:

„Hallo Herr Kollege Burhoff,

heute bekam ich weitere Nachricht von der pp.. Diese zahlt die VG nach Nr. 5103 VV RVG, nicht aber die Gebühr Nr. 5115 VV RVG und erläutert dies wie folgt:

“Seit der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 01.08.2013 handelt es sich nach § 17 Nr. 10 b) RVG bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem sich nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens anschließenden Bußgeldverfahren um verschiedene Angelegenheiten. Damit die Zusatzgebühr gem. Nr. 5115 VV verdient werden kann, ist somit eine gesonderte Mitwirkungshandlung i.S.d. Nr. 5115 VV erforderlich. Die von Burhoff zitierten Entscheidungen sind vorliegend nicht mehr anwendbar. Dies gilt auch für die Entscheidung des BGH vom 18.09.2008. Durch eine Mitwirkungshandlung im Strafverfahren können daher nicht zwei Zusatzgebühren verdient werden. Es muss eine im Bußgeldverfahren gesonderte Mitwirkungshandlung erbracht werden, die jedoch nicht erfolgt ist.”

Soll man dem noch außergerichtlich etwas Neues entgegensetzen? Nachweise für die Auffassung der pp. werden nicht genannt.“

Nachdem ich mich dann etwas beruhigt hatte, über so viel Blödsinn, habe ich dem Kollegen geantwortet:

„Moin,

Blödsinn.

Natürlich ist die Rechtsprechung noch anwendbar und es wird auch so verfahren. Vgl. nur: AG Dresden, Beschl. v. 09.03.2022 – 217 OWi 635 Js 16243/21 = AGS 2022, 262. Ich gehe davon aus, dass man bei der pp. die AGS kennt. Ob man sie liest, weiß ich nicht. Ich glaube, eher nicht

Ehrlich: Mir sind die Argumente der pp. zu dumm, um darauf zu antworten. Ich würde an sich gern einen Blogbeitrag daraus machen, lasse es aber oder ggf. ohne Nennung der RSV. Ich habe kein Bock auf möglichen Schriftwechsel.

Bloggen könnte ich aber dazu?“

Der Kollege hat das Bloggen „gestattet“, was ich dann hiermit tue. Ich frage mich: Was rauchen die bei der RSV?  Warum soll die Rechtsprechung nicht mehr anwendbar sein? Auf die Idee ist bisher – bis auf die RSV – offenbar noch niemand gekommen, das AG Leipzig wendet sie ja auch grundsätzlich an, auch wenn es zum falschen Ergebnis kommt. Aber die RSV betreibt dann Rechtsschöpfung, wobei mir nicht so ganz klar ist, warum man die Nr. 5103 VV RVG bejaht, die Nr. 5115 VV RVG hingegen nicht.

Die von Burhoff zitierten Entscheidungen sind vorliegend nicht mehr anwendbar.“ ist natürlich ein unheimlich starkes Argument, oder? Nein, es ist nichts anderes als eine Behauptung, die durch nichts untermauert wird. Sicherlich nicht durch: „Dies gilt auch für die Entscheidung des BGH vom 18.09.2008. Durch eine Mitwirkungshandlung im Strafverfahren können daher nicht zwei Zusatzgebühren verdient werden. Es muss eine im Bußgeldverfahren gesonderte Mitwirkungshandlung erbracht werden, die jedoch nicht erfolgt ist.“ Warum sollte durch die Einführung des § 17 Nr. 10b RVG die Rechtsprechung des BGH zur „Fortwirkung“ hinfällig geworden sein? Es wäre schön, wenn man dazu mal etwas gehört/gelesen hätte. So hat man den Eindruck, dass der Sachbearbeiter, nachdem er aus seinem Ablehnungsrausch erwacht ist, nach dem Motto verfahren ist: Es kann nicht sein, was nicht sein soll bzw., was wir nicht wollen.

Mich macht ein solches Verhalten ärgerlich, und zwar ziemlich, wie man wahrscheinlich merkt. „RSV“ = Rechtsschutzversicherung? Dass ich nicht lache.

Ich bin übrigens im Nachgang zu den beiden o.a. Postings gefragt worden, warum ich die RSV nicht nenne. Nein, ich tue es nicht, und zwar auch jetzt nicht nach der vom Kollegen mitgeteilten dummen Erwiderung. Ich habe keinen Bock und keine Zeit für lange Diskussionen mit irgendwelchen Vertretern der Versicherung, die ob der Prangewirkung pp. Widerruf verlangen oder mehr. Brauche ich nicht.

Und abschließend einen Rat an (die) RSV: Einfach mal überlegen, bevor man berechtigte Ansprüche der Kunden – um die geht es – ablehnt und nicht einfach nach abenteuerlichen – falschen – Begründungen suchen, mit denen man sich und anderen das Leben schwer macht.