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Wenn sich der Sachverständige und ein Mitarbeiter der Beklagten duzen, oder: Reicht das für eine Ablehnung?

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Dresden, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 W 587/21 – geht es noch einmal u, die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. dazu auch schon OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.08.2021 – 17 W 12/21 und dazu Ablehnung II: Tatsachen im Gutachten unvollständig, oder: Ist der Sachverständige deshalb befangen?).

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen einer Klage auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung. Das LG hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T. M. eingeholt und ihn in der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2021 angehört. Nach Abschluss der Anhörung wurde die mündliche Verhandlung kurzzeitig unterbrochen. In dieser Zeit unterhielt sich der Sachverständige mit dem Chefarzt der Beklagten. Nach Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung stellte der Kläger einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, weil er sich nach Eintritt in die Pause freundschaftlich mit Herrn Dr. S. per Du unterhalten habe.

Das LG hat den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde dagegen hatte keinen Erfolg:

„Ein Sachverständiger kann abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (vgl. Senat, Beschluss vom 12.12.2017 – 4 W 1113/16 – juris). Erforderlich sind objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (vgl. Senat, a.a.O.; vgl. BGH, Beschluss vom 11.04.2013 – VII ZB 32/12 – juris). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Allein die berufliche Bekanntschaft zwischen einem medizinischen Sachverständigen und einem oder mehreren Behandlern der Beklagten in einem Arzthaftungsverfahren vermag die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 18.04.2017 – 4 W 288/17 – juris). Ebenso wenig genügt eine persönliche Bekanntschaft. Entscheidend ist vor allem die Nähe der Beziehung (vgl. Senat, Beschluss vom 25.07.2019 – 4 W 610/19 – juris). Ein solches persönliches Näheverhältnis, dass aus Sicht einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit begründen könnte, ist hier aber nicht festzustellen.

Es kann unterstellt werden, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers den Sachverständigen und Herrn Dr. S. nach Rückkehr in den Gerichtssaal in freundschaftlich wirkender Pose dicht beieinander gestanden gesehen hat, wobei der eine zum Abschied kurz die Schulter des anderen berührt hat. Ein solches Beieinanderstehen mag aus der Sicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers freundschaftlich ausgesehen haben. Dies stellt jedoch ebenso wie das kurze Berühren der Schulter keine belastbare Tatsache dar, aus der auf ein enges Näheverhältnis geschlossen werden könnte.

Soweit die Rechtsreferendarin der Prozessbevollmächtigten des Klägers in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben hat, dass der Sachverständige seine mitgebrachten Unterlagen provokativ zugeklappt habe, als die Klägervertreterin mit der Befragung begonnen habe und der Tonfall ihr gegenüber auch deutlich härter und abweisender gewesen sei, wird dies schon durch die entgegenstehenden Beobachtungen der Mitglieder der Kammer des Landgerichts widerlegt. Ein abweisendes und hartes Auftreten gegenüber der Klägerseite durch den Sachverständigen konnte die Kammer nicht wahrnehmen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die bereits schriftsätzlich vorformulierten und durch die Kammer bereits gestellten Fragen mit verschiedenen Bezugnahmen und Umstellungen erneut gestellt. Mit zunehmender Dauer der Anhörung des Sachverständigen und der mehrfachen Wiederholung derselben Fragen habe der Sachverständige jedoch in zunehmendem Maße auf seine bereits getätigten Ausführungen verwiesen. Weder verächtliche Blicke noch Reaktionen konnte die Kammer wahrnehmen. Soweit die Rechtsreferendarin E. in ihrer eidesstattlichen Versicherung schilderte, dass sich der Sachverständige und der Chefarzt Dr. S. geduzt hätten und sie Sätze gehört habe wie: „Lass uns am Fenster reden.“, „Vor so etwas rufe ich immer telefonisch an, das gehört sich so unter Kollegen.“ und „Ich wünsche dir eine schöne Woche.“ steht dies im Widerspruch zu den übereinstimmenden Angaben des Prof. Dr. M. und des Dr. S., die erklärten, weder persönlich bekannt noch befreundet und auch nicht per Du zu sein. Eine irgendwie gearteten Arbeitsbeziehung wurde von dem Sachverständigen ebenfalls verneint. Herr Dr. S. erklärte, dass er den Sachverständigen lediglich gebeten habe, Grüße an einen bekannten Kollegen von ihm ausrichten zu lassen. Es besteht kein Anlass, den Angaben der Rechtsreferendarin E. mehr Glauben zu schenken als denen des Sachverständigen und des Arztes der Beklagten Dr. S. Unabhängig davon würde auch die Verwendung der Anrede „Du“ für sich genommen nicht den Schluss auf ein besonderes Näheverhältnis rechtfertigen, das aus Sicht einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit begründen könnte. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich auch nicht, in welchem Zusammenhang der Satz „Vor so etwas rufe ich immer telefonisch an, das gehört sich so unter Kollegen.“ gefallen sein soll. Eine Verfahrensbezogenheit der Aussage ist nicht ersichtlich.“

Fristwahrung beim Schriftsatzversand über das beA, oder: Wenn die Eingangsbestätigung des Gerichts fehlt

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Im Kessel Buntes stelle ich dann heute zwei zivilverfahrensrechtliche Entscheidungen vor.

Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 94/21 – zur Fristwahrung bei Übermittlung des Schriftsatzes durch das beA. Es handelt sich um einen „Dieselfall“. Der Kläger nimmt den beklagten Kraftfahrzeughersteller wegen der Verwendung einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch. Das OLG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LG durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Der Vorsitzende des zuständigen OLG-Senats hat die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf Antrag des Klägers bis Donnerstag, 10.06.2021, einschließlich verlängert. Am Abend des 10.06.2021 versuchte der Prozessbevollmächtigte des Klägers um 21.33 Uhr, die Begründungsschrift über das beA an den BGH zu übermitteln. Im Übermittlungsprotokoll war der Status der Signaturprüfung mit „erfolgreich“ angegeben worden. In der Spalte „Meldungstext“ hieß es dagegen: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden.“ Der Sendestatus lautete „fehlerhaft“. Laut Prüfprotokoll vom 11.06.2021 (00.36 Uhr) ging das Dokument beim BGH am 11.06.2021 um 0.31 Uhr ein. Tatsächlich ist es dort aber nicht angekommen. Warum konnte nicht aufgeklärt werden. Der Kläger hat dann einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Den hat er damit begründet, dass sein Rechtsanwalt am Abend des 10.06.2021 habe davon ausgehen dürfen, dass die Übergabe erfolgreich gewesen sei. Das Protokoll von 21.33 Uhr habe den Eingang bestätigt. Der darin enthaltene Vermerk zur gescheiterten Übermittlung habe bisher nie der Weiterleitung entgegengestanden. Der Wiedereinsetzungsantrag hat der BGH zurückgewiesen:

„Der nach § 233 Satz 1, § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger ohne ihm zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten verhindert war, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Diese Frist lief am 10. Juni 2021, 24:00 Uhr, ab.

1. Die Begründungsschrift ist erst mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung am 14. Juni 2021 per beA bei Gericht eingegangen. Die vom klägerischen Prozessbevollmächtigten am Abend des 10. Juni 2021 über das beA versandte Begründungsschrift hingegen ist bei dem Bundesgerichtshof zu keinem Zeitpunkt eingegangen.

Nach § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument bei Gericht eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ein über das beA eingereichtes elektronisches Dokument ist wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem für dieses eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (im Folgenden: EGVP) gespeichert worden ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 Rn. 18, NJW 2021, 2201; Urteil vom 14. Mai 2020 – X ZR 119/18 Rn. 7 ff., WM 2021, 463).

Im vorliegenden Fall konnte die Begründungsschrift ausweislich des vorgelegten Übermittlungsprotokolls am 10. Juni 2021 nicht an den Intermediär des Gerichts übermittelt werden. Ein entsprechender Eingang fand nicht statt. Auch das Prüfprotokoll deutet jedenfalls nicht auf einen Eingang am 10. Juni 2021 hin.

2. Den klägerischen Prozessbevollmächtigten trifft hinsichtlich des nicht fristgerechten Eingangs der Begründungsschrift ein Verschulden, welches dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 Rn. 21 ff., NJW 2021, 2201; BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19, BAGE 167, 221, juris Rn. 20).

Gemessen daran hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen Kontrollpflichten nicht genügt. Er hätte bereits aufgrund des Übermittlungsprotokolls von 21:33 Uhr erkennen müssen, dass die Übermittlung „Fehlerhaft“ und eine Übermittlung an den Intermediär des Gerichts gescheitert war. Entgegen seiner Auffassung hat das Übermittlungsprotokoll von 21:33 Uhr den Eingang des Schriftsatzes gerade nicht bestätigt, sondern die Übermittlung ausdrücklich als „Fehlerhaft“ bezeichnet. Die Angabe „Erfolgreich“ betraf lediglich die Signaturprüfung, nicht jedoch den Versand. Auch ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor Fristablauf eine Eingangsbestätigung erhalten hat. Diese Umstände hätten ihn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt dazu veranlassen müssen, den Übermittlungsvorgang zu wiederholen, um einen noch fristgerechten Eingang der Begründungsschrift zu bewirken. Denn er hätte erkennen müssen, dass zumindest die Gefahr bestand, dass sein Schriftsatz nicht übermittelt worden war. Dass er nach der fehlgeschlagenen Übermittlung per beA noch einen weiteren Übermittlungsversuch innerhalb der noch laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unternommen hat, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

3. Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass das Verschulden des klägerischen Prozessbevollmächtigten ursächlich für die Fristversäumung war.

Liegt ein Verschulden im Sinne des § 233 Satz 1 ZPO vor, so kann Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass es sich nicht auf die Fristversäumung ausgewirkt hat. Nur wenn eine solche Auswirkung auszuschließen wäre, könnte trotz des Verschuldens Wiedereinsetzung gewährt werden. Besteht hingegen die Möglichkeit, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht, scheidet eine Wiedereinsetzung aus (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 – IX ZB 6/18 Rn. 16, WM 2019, 2181; Beschluss vom 21. September 2000 – IX ZB 67/00, NJW 2000, 3649, juris Rn. 6).

Hier steht gerade nicht fest, dass ein in Ansehung der gescheiterten Übermittlung gebotener erneuter Übermittlungsversuch per beA noch vor Fristablauf ebenfalls fehlgeschlagen wäre. Entsprechendes wird vom Kläger auch nicht behauptet. So trägt der klägerische Prozessbevollmächtigte selbst vor, dass die Ursache für das Scheitern seines (einzigen) Übertragungsversuchs am 10. Juni 2021 im Unklaren geblieben sei, in den folgenden Tagen jedoch Versendungen per beA in unregelmäßigen Zeitfenstern möglich gewesen seien. Einer dauerhaften Störung bei einem Versand aus dem beA an das EGVP jedenfalls bis 24:00 Uhr des 10. Juni 2021 steht auch die klägerseits vorgelegte Mitteilung der beA-Anwenderbetreuung vom 16. Juni 2021 entgegen, wonach es lediglich „in Einzelfällen“ zu Versandfehlern bei einem Versand aus dem beA an Empfänger in der Justiz gekommen sei.“

Corona II: Schließung eines Imbiss wegen Corona, oder: Entschädigung?

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Bei der zweiten Corona-Entscheidung, dem OLG Köln, Beschl. v. 20.09.2021 – 7 U 1/21 – handelt es sich um eine zivilrechtliche Entscheidung. Zivilrecht bringe ich zwar sonst nur im samstäglichen „Kessel Buntes“, ich stelle diese Entscheidung jedoch an einem Montag vor, weil es sich um die Thematik: Corona (und seine Folgen) handelt.

Das OLG hat in dem Beschluss über einen von der Klägerin wegen der Schließung eines Gewerbebetriebes, und zwar eines Imbisses, auf Grundlage des § 9 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 geltend gemachten Entschädigungsanspruch über rund 20.000 EUR entschieden. Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung dagegen hatte beim OLG keinen Erfolg:

„Die Berufung der Kläger ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 04.08.2021 Bezug genommen, in dem der Senat wie folgt ausgeführt hat:

„Die zulässige Berufung hat offensichtlich keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der in § 9 Absatz 1 Satz 1 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 angeordneten Betriebsuntersagung von Imbissen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu den folgenden Erwägungen:

Das Landgericht hat einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG mit zutreffenden Erwägungen, denen auch die Berufung zustimmt, verneint. Nach § 56 Abs. 1 IfSG erhält lediglich eine Entschädigung in Geld, „wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet“. § 56 Abs. 1 IfSG setzt eine gezielt personenbezogene Untersagung der Erwerbstätigkeit oder Absonderung gerade wegen der Ansteckungs- bzw. Krankheitsverdächtigkeit (usw.) voraus (vgl. nur Kümper, DÖV, 2020, 904 (908)), die im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht gegeben ist.

2. Eine Entschädigung in analoger Anwendung von § 56 Abs. 1 IfSG kommt – wie das Landgericht zutreffend entschieden hat – ebenfalls nicht in Betracht. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor.

Ungeachtet der Frage, ob Eingriffe im Sinne von § 9 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 aus grundrechtlicher Sicht entschädigungspflichtig sein müssten (ablehnend BGHZ 55, 366; ebenfalls ablehnend mit weiteren Nachweisen Kümper, DÖV, 2020, 904 (906), Fn. 18) sah sich der Gesetzgeber des IfSG nicht dahingehend verpflichtet. Er wollte mit der früher in § 48 BSeuchG enthaltenen Entschädigungsregelung ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine Billigkeitsregelung treffen und nicht aus grundrechtlicher Gebundenheit die Betroffenen entschädigen, wie sich aus der folgenden Formulierung ergibt: „Die Vorschrift stellt eine Billigkeitsregelung dar. Sie bezweckt keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse Sicherung der von einem Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not.“ (BT-Drs. III/1888, S. 27). Dementsprechend gab es aus seiner Perspektive auch keinen Anlass, die an die Landesregierungen erteilte Verordnungsermächtigung in § 32 IfSG mit einer Entschädigungspflicht zu verknüpfen bzw. weitere Entschädigungsregelungen unmittelbar im IfSG vorzunehmen. Eine durch entsprechende Anwendung des § 56 IfSG zu schließende unbeabsichtigte Regelungslücke lag demnach nicht vor.

Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht zudem, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu der früher in § 48 BSeuchG enthaltenen Regelung (BT-Drs. III/1888, S. 27) eine Ausdehnung des Kreises entschädigungsberechtigten Personen (z.B. für Krankheitsverdächtige, Tuberkulosekranke, Nichtversicherte) zwar erwogen, aber als „nicht sachgerecht“ erachtet hat.

Ebenso hatte der Gesetzgeber im Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes (BT-Drs. 6/1568) zwar den Kreis der Entschädigungsberechtigten in § 51 BSeuchG erweitert. Er hatte aber auch hier nur punktuelle Entschädigungen vorgesehen.

In diese Linie fügt sich, dass der Gesetzgeber selbst bei Hinzufügung der weiteren Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 1 a IfSG im November 2020 die nur punktuellen Entschädigungsregelungen aufrechterhalten hat. Vor diesem Hintergrund kann von einer dem gesetzgeberischen Plan nicht entsprechenden Unvollständigkeit der Entschädigungsregelungen keine Rede sein (siehe auch Landgericht Stuttgart, Urteil vom 05.11.2020 – 7 O 109/20, Rn. 34 ff., juris; Landgericht Hannover, Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20, Rn. 49 ff.; juris).

Nicht zuletzt spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke der Umstand, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich aus Anlass der Corona-Pandemie mit § 28a IfSG eine spezialisierte Eingriffsermächtigung geschaffen hat, die ebenfalls zahlreiche Beschränkungen für Nichtstörer näher regelt, ohne für diesen Personenkreis zugleich Entschädigungsansprüche zu normieren. Dies verdeutlicht, dass das staatliche Regelungskonzept dahin geht, etwaige Belastungen durch die Inanspruchnahme von Nichtstörern durch generalisierte staatliche Unterstützungsmaßnahmen – und nicht durch individuelle Entschädigungsansprüche – sozial abzufedern. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ist angesichts dieses bewussten Festhaltens des Gesetzgebers an dem Konzept, in den §§ 56, 65 IfSG lediglich punktuelle Entschädigungsansprüche zu normieren, kein Raum.

3. Auch einen Anspruch des Klägers nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, § 67 PolG NRW, § 39 Abs. 1 a) und b) OBG NRW, hat das Landgericht zutreffend verneint. Der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts ist wegen der Spezialität des besonderen Gefahrenabwehrrechts im IfSG ausgeschlossen. Ihrer Konzeption nach zielen diese Vorschriften auf die Entschädigung wegen Maßnahmen ab, die auf der Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts des Landes Nordrhein-Westfalen getroffen wurden. Sie enthalten keine vorweggenommene Regelung für noch gar nicht absehbar gewesene Maßnahmen aufgrund bundesrechtlich eingeräumter Verordnungskompetenz, insbesondere dann nicht, wenn das Bundesrecht selbst die Frage der Entschädigung abschließend regelt. Sähe man dies anders, könnte die Frage der Entschädigung eines Betroffenen bei inhaltsgleicher Maßnahmen auf derselben gesetzlichen Grundlage in Abhängigkeit vom Bundesland, dessen Gesundheitsministerium handelt, unterschiedlich zu beurteilen sein (vgl. so im Ansatz auch LG Hannover, NJW-RR 2020, 1226, Rn. 53 ff.). Es liegt fern, dass der Bundesgesetzgeber mit seiner Regelung in §§ 56, 65 IfSG eine solche Folge beabsichtigt hat.

4. Mit zutreffenden Erwägungen, die auch die Berufung nicht in Frage stellt, hat das Landgericht zudem einen Anspruch auf Entschädigung aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs verneint.

5. Ansprüche auf Entschädigung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Abs. 1 GG oder aus der Rechtsfigur des enteignungsgleichen Eingriffs bestehen ebenfalls nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht gegen die Verordnung vorgegangen ist. Dies hätte ihm oblegen, wollte er sich darauf berufen, die CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 sei rechtswidrig gewesen (§ 839 Abs. 3 BGB). Einen Schaden zu liquidieren ohne den schadensverursachenden Eingriff abzuwehren, kommt nicht in Betracht (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, S. 93 f.). Der Kläger hätte gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 109a JustG NRW im Eilrechtsschutz gegen die Verordnung vorgehen können.

6. Mit den nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts zum allgemeinen Aufopferungsanspruch besteht auch insofern kein Anspruch des Klägers auf Entschädigung.“

Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 06.08.2021 rechtfertigt nach der einstimmigen Auffassung des Senats keine andere Entscheidung, sondern gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

Die vom Kläger angestellten Billigkeitserwägungen ändern nichts daran, dass eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG mangels planwidriger Regelungslücke ausscheidet. Die im Zuge der Corona-Pandemie gezahlten Unterstützungsleistungen für Gewerbetreibende sind nicht auf eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auf eine Entscheidung der Exekutive zurückzuführen. Dementsprechend können daraus keine Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen in Bezug auf die Entschädigungsregelungen im IfSG getroffen werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach Beginn der Corona-Pandemie durch das Einfügen von § 28a IfSG, ohne dabei die Entschädigungsregelungen im IfSG zu ergänzen, zum Ausdruck gebracht, an der nur punktuellen Billigkeitsentschädigung (BT-Drs. III 1888, S. 27) festzuhalten.“

Wenn der Fahrzeugschlüssel sichtbar an einem Haken hängt, oder: Obliegenheitsverletzung?

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Im zweiten „Kessel-Buntes-Posting“ geht es seit längerem mal wieder um eine versicherungsrechtliche Problematik. Die Klägerin betreibt eine Spedition und hat für einen Lkw sowie einen Anhänger jeweils eine Teilkaskoversicherung unter Vereinbarung eines Selbstbehaltes von 150,00 € abgeschlossen. Sie meldete am 29.01.2018 den Diebstahl der Zugmaschine und des Anhängers am 26.01.2018 um 23:10 Uhr. Die Beklagte hat am 14.12.2018 5.640,50 EUR und am 18.12.2018 28.175,00 EUR bezahlt. Der Klägerin genügt das nicht. Sie verlangt von der Beklagten den Wiederbeschaffungswert ihrer Fahrzeuge aus ihrer Teilkaskoversicherung.

Im Verfahren geht es u.a. um eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin betreffend die Aufbewahrung der Fahrzeugschlüssel. Dazu hat die Klägerin „behauptet, ihre Fahrer hätten den Lkw nebst Anhänger gegen 18:00 Uhr des 26.01.2018 auf dem Betriebshof der Klägerin abgestellt. Die Fahrer hätten die Anweisung, den Fahrzeugschlüssel in Briefkästen – die den jeweiligen Fahrzeugen zugeordnet seien – im Eingangsbereich der Fahreranmeldung nach der Fahrt einzuwerfen. Für den Fall eines Fahrerwechsels sollten die Fahrzeugschlüssel auf den Haken, der auf dem Briefkasten angebracht sei, eingehängt werden. Die Briefkästen seien nur über eine Glastür zu erreichen, die durch einen Code geöffnet werden könne. Der Zeuge S. habe auf Anweisung des Geschäftsführers F. K. das Gespann mit zwei Containern in der Zeit von 20:50 Uhr bis 21:10 Uhr neu beladen und wieder abgestellt. Er habe sich hierbei den Schlüssel in der firmeneigenen Werkstatt – die auch freitags bis 22:00 Uhr besetzt sei – geholt und ihn auch dort wieder abgegeben. Am 27.01.2018 habe sich Herr J. K. gegen 7:00 Uhr auf das Betriebsgelände begeben und den Lastzug nicht mehr auf dem Betriebshof aufgefunden. Anhand der Telematikaufzeichnung sei festgestellt worden, dass der Lastzug um 23:17 Uhr vom Betriebshof entfernt worden sei. Zuletzt sei ein GPS-Signal gegen 6:06 Uhr des 27.01.2018 gesendet worden, zu diesem Zeitpunkt habe sich der Lastzug bereits 486 km weit bewegt. Der Wiederbeschaffungswert der Zugmaschine, des Anhängers sowie der zwei Wechselkoffer betrage 84.150,00 €.“.

Das LG hatte der Klage in Höhe von 45.434,50 EUR stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Dagegen die Berufung der Beklagten. Dazu verhält sich der OLG Dresden, Beschl. v. 05.07.2021 – 4 U 428/21  – ein sog. Hinweisbeschluss. Danach hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Das OLG nimmt zu Verfahrensfragen – insoweit bitte den Volltext lesen – aber auch zur Frage einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin Stellung, die sie verneint:

„3. Eine Leistungskürzung wegen des grob fahrlässigen Herbeiführens eines Versicherungsfalles gemäß § 81 Abs. 2 VVG ist nicht gerechtfertigt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste (vgl. Senat, Urteil vom 04.09.2018 – 4 U 427/18 – juris). Als grob fahrlässig ist ein den Eintritt des Versicherungsfalles förderndes Verhalten dann zu werten, wenn sich schon bei einfachen und naheliegenden Überlegungen die erhöhte Schadenswahrscheinlichkeit und die Notwendigkeit, ein anderes als das geübte Verhalten in Betracht zu ziehen, aufdrängt (so Senat a.a.O.). Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Diebstahl eines Fahrzeuges gehört es, die Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass sie vor dem unbefugten Zugriff beliebiger Dritter geschützt sind (so Senat a.a.O.).

Die Klägerin hat ihre Sorgfaltspflichten nicht verletzt, indem sie die Fahrzeugschlüssel im Bereich der Anmeldung der Fahrer hinter einer Glastür in den Fahrzeugen zugeordneten Briefkasten oder auf Haken auf den Briefkasten verwahrt hat. Die Glastür ermöglicht zwar einen Blick in das Innere, so dass auch für dritte Personen der Ort der Schlüsselverwahrung ohne weiteres erkennbar ist. Allerdings befindet sich die Anmeldung der Fahrer auf dem umfriedeten Betriebsgelände der Klägerin, so dass ein zufälliges Vorbeikommen von Passanten und dritten Personen sehr unwahrscheinlich ist und die Glastür darüber hinaus auch für einen potentiellen Dieb die Gefahr des Entdecktwerdens mit sich bringt. Zudem ist die Glastür nur durch einen Zahlencode, einem Transponder oder mit einem Schlüssel zu öffnen. Damit ist die Glastür hinreichend vor unbefugtem Eindringen Dritter gesichert. Soweit die Beklagte geltend macht, es sei nicht ersichtlich, dass der Zahlencode regelmäßig geändert wurde, um sicherzustellen, dass ehemalige Mitarbeiter der Klägerin keinen Zutritt erhalten, so kann offenbleiben, wie oft der Zahlencode geändert wurde. Die regelmäßige Änderung des Zahlencodes mag die Sicherheit erhöhen, jedoch wäre das Unterlassen der Klägerin insoweit als allenfalls leicht fahrlässig anzusehen. Ersichtlich erfolgt die Behauptung zudem „ins Blaue hinein“.

Keinen Sorgfaltsverstoß stellt es dar, dass an den Briefkästen, die jeweils einem Fahrzeug zugeordnet waren und für die der jeweilige Fahrer einen Briefkastenschlüssel besaß, noch ein Haken angebracht war, an den der Fahrzeugschlüssel angehängt werden konnte, wenn ein Tausch der Fahrzeuge beabsichtigt war. Für diese Verfahrensweise bestand ein praktisches Bedürfnis, denn hätte der jeweilige Fahrer den Fahrzeugschlüssel stets in den Briefkasten geworfen, so hätte der nächste Fahrer, der nicht über den Briefkastenschlüssel verfügt, keinen Zugriff auf den Fahrzeugschlüssel gehabt.

Die Klägerin hat auch das Offenstehen des Rolltores nachvollziehbar erklärt, denn das Tor ist wochentags von 6:00 bis 22:00 Uhr, an Freitagen jedoch bis 24:00 Uhr geöffnet, um u. a. Kunden zu der auf dem Gelände befindlichen Lkw-Waschstraße den Zugang zu ermöglichen. Darüber hinaus wird den zurückkehrenden Fahrzeugen die Einfahrt ermöglicht. Selbst wenn man die Schließung des Rolltores an Freitagen erst um 24:00 Uhr statt um 22:00 Uhr als sorgfaltswidrig ansehen sollte, handelt es sich hier allenfalls um eine leichte Fahrlässigkeit.

Das Landgericht musste aus der Aussage des Zeugen S., dass er den Originalschlüssel nicht am Haken des Briefkastens vorgefunden und dies dem Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt habe, keinen Sorgfaltsverstoß entnehmen. Denn aus diesem Umstand musste der Geschäftsführer der Klägerin nicht auf die Entwendung des Schlüssels schließen. Der Fahrzeugschlüssel hätte sich auch im Briefkasten befinden können.“

Zweite Fristverlängerung gibt es nur mit Zustimmung des Gegners, oder: Vorsicht!

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Im „Kessel Buntes“ köchelt heute zunächst dann ein BGH-Beschluss betreffend eine Fristenfrage. Ergangen ist der BGH, Beschl. v. 25.08.2021 – XII ZB 172/20 – in einer Familiensache. Er gitl aber ggf. auch in anderen Verfahren.

Entschieden hat der BGH zu einem Fristverlängerungsantrag. Der beklagte Ehemann war In einem Scheidungsverfahren vom AG am 30.10.2019 zur Zahlung von 238.000 EUR Zugewinn verurteilt worden. Dagegen wurde am 05.11.2019 rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Zugleich wurde beantragt, die Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat bis zum 05.02.2020 zu verlängern. Das OLG hat die Frist verlängert. Später ist dann erneut Fristverlängerung um einen Monat beantragt worden. Das hat das OLg wegen fehlender Zustimmung der klagenden Ehefrrau als Beschwerdegegnerin abgelehnt. Dagegen das Rechtsmittel des Beklagten, der Imeinte für eine zweite Fristverlängerung sei nur einer Anhörung, nicht aber einer Zustimmung des Beschwerdegegners erforderlich. Die Beschwerdebegründung ist dann am 25.02.2020 beim OLG eingegangen. Das OLG hat die Beschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist verworfen. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatt dann beim BGH keinen Erfolg:

„Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Ein Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Begründung des Oberlandesgerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

1. Dies gilt zunächst hinsichtlich der vom Oberlandesgericht zutreffend angenommenen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Diese richtete sich in der vorliegenden Familienstreitsache (§ 112 Nr. 2 FamFG) nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Die Frist betrug danach zwei Monate, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe am 5. November 2019, und ist von der Senatsvorsitzenden des Oberlandesgerichts bis zum 5. Februar 2020 verlängert worden. Die bereits verlängerte Frist konnte durch die erst am 25. Februar 2020 eingegangene Beschwerdebegründung nicht mehr gewahrt werden. Die Rechtsbeschwerde stellt dies nicht in Frage.

2. Auch im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 233 ZPO liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war dem Antragsgegner keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das gilt unabhängig davon, dass der Antragsgegner diesbezüglich keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat und für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine hinreichende Grundlage bestand. Denn die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist war jedenfalls nicht unverschuldet. Der Antragsgegner muss sich das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 85 Abs. 2 ZPO).

a) Da gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht zulässig ist, hätte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners grundsätzlich nur dann eine weitere Verlängerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde eine erbetene Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilen (vgl. BGH Beschluss vom 4. März 2004 – IX ZB 121/03FamRZ 2004, 867).

Im vorliegenden Fall bestand für ein entsprechendes Vertrauen keine Grundlage. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat bis zur Einreichung des zweiten Fristverlängerungsantrags nicht um eine Zustimmung der Antragstellerin nachgesucht, sondern dies erst am 6. Februar 2020, mithin nach Fristablauf, nachgeholt. In seinem Schriftsatz vom 24. Februar 2020 hat er zudem rechtsirrig die Auffassung vertreten, dass § 225 Abs. 2 ZPO anwendbar und eine Zustimmung nicht erforderlich sei.

Selbst wenn man in diesem Schriftsatz, wie von der Rechtsbeschwerde vertreten, einen konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung erblicken würde, wäre damit jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Fristversäumung unverschuldet war. Da der Verfahrensbevollmächtigte sich darin allein auf ein Vertrauen in eine Fristverlängerung ohne Zustimmung der Antragsgegnerin gemäß § 225 Abs. 2 ZPO berufen hat, unterlag er vielmehr einem vermeidbaren Rechtsirrtum.

b) Auf einen – von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten – Verstoß des Gerichts gegen eine Hinweispflicht hat sich der Antragsgegner weder im Schriftsatz vom 24. Februar 2020 noch in der Beschwerdebegründung vom 25. Februar 2020 berufen. Zur erforderlichen Glaubhaftmachung gehört hingegen, dass die Partei vorträgt, wie sie sich auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts verhalten hätte. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts den Verfahrensbevollmächtigten darum gebeten hat, eine Zustimmung der Gegenseite vorzulegen, ohne dass er dieses rechtzeitig nachgeholt hat.

Überdies traf das Oberlandesgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keine Hinweispflicht hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses für eine über einen Monat hinausgehende Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist (vgl. BGH Beschluss vom 22. März 2005 – XI ZB 36/04FamRZ 2005, 1082, 1083). Es bestand schon keine zweifelhafte Rechtslage, vielmehr handelt es sich bei § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um geläufige Normen des Beschwerdeverfahrens in Familienstreitsachen, deren Anwendung im vorliegenden Fall keine Zweifelsfragen aufwirft. Über die Voraussetzungen der Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist musste der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners sich deshalb in eigener Verantwortung informieren.

Aufgrund des dem Antragsgegner zuzurechnenden Verschuldens seines Verfahrensbevollmächtigten kam somit eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist nicht in Betracht.“