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beA II: Berufungseinlegung nur mit „Word-Dokument“, oder: Wenn der Hinweis des Gerichts verspätet ist

https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/8239.htm

Und dann habe ich als zweite Entscheidung hier noch ein Urteil des OLG Düsseldorf. Ergangen ist das Urteil in einer Patentstreitigkeit. Die Einzelheiten des Verfahrens tun hier für die „beA-Frage“ nichts zur Sache; die muss man auch nicht verstehen, man kann/muss ja nicht alles verstehen.

Nur kurz: Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin eines u.a. Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents. Wegen Verletzung dieses Schutzrechts hat sie die Beklagten auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch genommen. Diese Klage hat das LG abgewiesen.

Gegen das am 25.08.2022 zugestellte Urteil des LG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.09.2022, beim OLG am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt, wobei sie diese über das beA im Dateiformat .docx (Word-Datei) übermittelt hat. Auf einen Hinweisbeschluss des OLG-Senats vom 20.03.2023 hat sie mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufungsschrift vom 08.09.2022 nochmals im Dateiformat PDF eingereicht, wobei ihr Prozessbevollmächtigter versichert hat, dass die Berufungsschrift vom 08.09.2022 im Dateiformat .docx mit derjenigen im Dateiformat PDF inhaltlich übereinstimmt.

Das OLG hatte zunächst wohl in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen. Daran hat es dann aber im OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 15 U 99/22 – nicht festgehalten:

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Dabei kann dahinstehen, ob die am 08.09.2022 eingegangene Berufung aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 20.03.2023 (Bl. 127-130 eA), auf die Bezug genommen wird, zunächst nach § 130a ZPO i. V. m. § 2 ERRV wegen Nichteinhaltung der Form unzulässig gewesen ist, weil die ursprüngliche Übermittlung der Berufung nicht in dem zugelassenen Dateiformat PDF, sondern als Word-Datei erfolgt ist (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.08.2023 – I-6 U 184/22; Siegmund, NJW 2023, 1681 Rn. 35; Bader, NZA 2023, 403). Denn die Klägerin hat einen (etwaigen) Mangel jedenfalls i. S. v. § 130a Abs. 6 ZPO geheilt.

Nach § 130a Abs. 6 ZPO hat das Gericht, wenn sich ein elektronisches Dokument nicht zur Bearbeitung eignet, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und der geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (S. 1). Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (S. 2). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hier erfüllt, als sie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 20.03.2023 ihre Berufung noch am selben Tag im Dateiformat PDF hat einreichen lassen und ihr Prozessbevollmächtigter versichert hat, dass die nunmehr eingereichte Berufungsschrift im Dateiformat PDF mit der zuerst eingereichten Berufungsschrift vom 08.09.2022 im Dateiformat .docx inhaltlich übereinstimmt. Unschädlich ist, dass der gerichtliche Hinweis möglicherweise selbst nicht unverzüglich i. S. d. § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO erfolgt ist. Denn dies kann der nachreichenden Partei nicht zum Nachteil gereichen, indem durch den verspäteten Hinweis die Heilungsmöglichkeiten entfielen. Die betreffende Partei ist durch die (möglicherweise) verzögerte Handlung des Gerichts zwar nicht von ihrer Obliegenheit entbunden, nach dem erteilten Hinweis ihrerseits unverzüglich die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Heilung eines Formverstoßes zu ergreifen, was die Klägerin hier getan hat. Die Unverzüglichkeit des gerichtlichen Hinweises ist aber keine Voraussetzung für die Notwendigkeit der Fristwahrung der Partei nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO. Der Hinweis dient ausschließlich dazu, ein Handeln der Partei innerhalb der noch nicht abgelaufenen Frist oder aber nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO zu ermöglichen. Die Position der Gegenpartei ist insoweit nicht schutzbedürftig. Sie kann daher im Fall eines nicht mehr unverzüglichen Hinweises des Gerichts nicht darauf vertrauen, der Formfehler wirke sich zu ihren Gunsten aus (vgl. BAG NJW 2022, 1832 Rn. 28 zu § 130a Abs. 6 ZPO aF; BAG, NJW 2023, 623 Rn. 50 zu § 46c Abs. 6 ArbGG; BeckOK ZPO/von Selle, 49. Ed. Stand: 01.07.2023 ZPO § 130a Rn. 26.1).“

Die Berufung hatte dann aber in der Sache keinen Erfolg. Das wird die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten sicherlich nicht freuen. Der Prozessbevollmächtigte wird sich aber sicherlich – bei einem Gegenstandswert von 10.000.0000 EUR – darüber freuen, dass die Berufung nicht unzulässig war. Und seine Haftpflichtversicherung wahrscheinlich auch 🙂

Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Alkoholfahrt, oder: BAK 1,17 ‰ und fast ohne Ausfallerscheinungen

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Und die zweite Entscheidung kommt dann mit dem BayVGH, Beschl. v. 16.10.2023 – 11 CE 23.1306 – auch aus Bayern. Entschieden worden ist über die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach einer Alkoholfahrt mit einer BAK 1, 17 ‰ und nahezu keine Ausfallerscheinungen.

Folgender Sachverhalt:

„Die Antragsteller, dem das Landratsamt Regensburg am 7. August 2015 eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L erteilt hatte, begehrt nach deren Entziehung deren Neuerteilung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Am 18. Januar 2022 ging beim Landratsamt ein polizeiliches Schreiben ein, wonach gegen den Antragsteller wegen einer Trunkenheitsfahrt am 25. November 2021 ermittelt wurde. Bei einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle habe der Antragsteller auf Frage verneint, alkoholische Getränke konsumiert zu haben. Nach Feststellung von Alkoholgeruch habe ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest um 0:22 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l ergeben. Ein Drogenschnelltest sei negativ verlaufen. Eine freiwillige Blutentnahme um 0:50 Uhr habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 ‰ ergeben. Da die Polizeibeamten den Antragsteller ab Beginn der Verkehrskontrolle bis zur Blutentnahme beaufsichtigt hätten, sei ein Nachtrunk auszuschließen. Während der Nachfahrt bis zur Kontrollörtlichkeit hätten keine und während der polizeilichen Maßnahmen keine starken alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt werden können. Der Denkablauf, das Verhalten und die Aussprache des Antragstellers seien normal gewesen. Zudem habe er den Anweisungen und dem Gesprächsverlauf klar folgen können. Zusammenfassend habe er einen leicht alkoholisierten Eindruck auf die Beamten gemacht, der keinen Rückschluss auf die festgestellte Alkoholisierung erlaubt habe. Während der kompletten Sachbearbeitung habe er sich kooperativ und einsichtig verhalten. Der Gang (geradeaus) des Antragstellers war nach dem ärztlichen Bericht sicher; auch die Finger-Finger-Prüfung und die Finger-Nase-Prüfung habe er sicher absolviert. Die Sprache sei deutlich gewesen und seine Pupillen seien unauffällig gewesen. Eine Pupillen-Lichtreaktion habe nicht festgestellt werden können. Der Denkablauf des Antragstellers sei geordnet, sein Verhalten beherrscht sowie seine Stimmung unauffällig gewesen. Ein äußerlicher Anschein von Alkoholeinfluss sei leicht bemerkbar gewesen.

Das Amtsgericht Regensburg verurteilte den Antragsteller mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 4. Februar 2022, im Rechtsfolgenausspruch geändert durch Beschluss vom 2. März 2022, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und ordnete eine Sperrfrist von sieben Monaten an.

Am 23. Juni 2022 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B.

Daraufhin forderte ihn das Landratsamt mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 gestützt auf § 20, § 22 i.V.m § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a Alt. 2 FeV auf, ein Gutachten zu seiner Fahreignung trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch und zu seinem Trennungsvermögen beizubringen. Bei ihm sei von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung auszugehen, da er mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 ‰ noch in der Lage gewesen sei, die medizinischen Tests größtenteils sicher zu absolvieren und ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Die fahrlässige Trunkenheitsfahrt vom 25. November 2021 habe sein Trennungsvermögen in Zweifel gezogen. Es sei von Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zu FeV auszugehen. Ob er den vorliegenden Alkoholmissbrauch inzwischen beendet und die Fahreignung bereits wiedererlangt habe (vgl. Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV), bedürfe der Überprüfung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung.

Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten ein Attest seines Hausarztes vom 19. Dezember 2022 übersenden, wonach er sich seit dem 28. Oktober 2020 regelmäßig, etwa vierteljährlich, bei diesem in Behandlung befindet und der Arzt in Zusammenschau des körperlichen Gesamtbilds, insbesondere des neurologischen Status, und der laborchemischen Diagnostik, insbesondere in Anbetracht normwertiger Transaminasen und eines unauffälligen (auch nicht grenzwertigen) CDT-Werts, einen chronischen Alkoholkonsum für ausgeschlossen hält. Hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeugs bestünden keine Einschränkungen. Beigefügt waren Laborbefunde vom 23. Dezember 2021 und vom 9. Juni, 4. August und 16. Dezember 2022.

Am 10. Mai 2023 ließ er beim Verwaltungsgericht Regensburg Untätigkeitsklage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L erheben und zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragen.

Über die Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat es mit Beschluss vom 7. Juli 2023 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe – ungeachtet der regelmäßigen Unzulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache – keinen vorläufig zu sichernden Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, da das Landratsamt zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert habe, das der Antragsteller nicht vorgelegt habe. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ordne die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn in der Vergangenheit die Fahrerlaubnis – auch durch strafgerichtliche Entscheidung – aus einem der unter den Buchst. a bis c genannten Gründe entzogen worden sei. Im Hinblick darauf habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit weniger als 1,6 ‰ die Gutachtensaufforderung nach Buchst. d aus systematischen Gründen nicht ausschließlich auf die strafgerichtliche Entscheidung gestützt werden könne. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV setze das Vorliegen von Zusatztatsachen voraus, die unter Berücksichtigung der Wertungen in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c geeignet seien, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Dies sei beim Antragsteller der Fall. Trotz seines verhältnismäßig hohen Blutalkoholgehalts seien bei ihm nach den polizeilichen Ermittlungsunterlagen während der Nachfahrt bis zur Kontrollörtlichkeit und während der polizeilichen Maßnahmen und nach dem ärztlichen Protokoll nahezu keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Der Denkablauf, das Verhalten und die Aussprache des Antragstellers seien als normal beschrieben worden. Korrespondierend sei im ärztlichen Protokoll vermerkt, dass der Gang (geradeaus), die Finger-Finger- und Finger-Nase-Prüfung sicher, die Sprache deutlich und die Pupillen unauffällig gewesen seien. Eine Pupillen-Lichtreaktion habe nicht festgestellt werden können. Der Denkablauf sei geordnet, sein Verhalten beherrscht und die Stimmung unauffällig gewesen, auch wenn der äußerliche Anschein eines Alkoholeinflusses leicht erkennbar gewesen sei. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sei in einem solchen Fall von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und der damit verbundenen Gefahr einer erneuten Trunkenheitsfahrt auszugehen. Dies gelte auch bei Berücksichtigung des ärztlichen Attests vom 19. Dezember 2022. Allein die vergleichsweise pauschale Verneinung eines chronischen Alkoholkonsums könne die durch die Zusatztatsachen hervorgerufenen Eignungszweifel nicht in gleichem Umfang entkräften wie ein Gutachten.

Dagegen die Beschwerde des Antragstellers, die keinen Erfolg hatte. Denn:

Hat der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt eine BAK von unter 1,6 Promille, aber mindestens 1,1 Promille (hier: 1,17 Promille), ist von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und einer damit verbundenen Gefahr für eine erneute Trunkenheitsfahrt auszugehen, wenn der Betroffene nahezu keine alkoholtypischen Ausfallerscheinungen gezeigt hat. Fehlende Ausfallerscheinungen sind dann als „zusätzliche Tatsache“ im Sinne von §?13 S.?1 Nr.?2 Lit. a 2. Alt. FeV zu deuten, die auf Alkoholmissbrauch hindeuten, sodass eine MPU anzufordern ist.

Fahreignung wieder da nach Genuss harter Drogen?, oder: Anforderungen an positive Prognose

entnommen wikimedia.org
Author Orlan

Und heute dann am „Vorabend“ des 2. Advents noch der Kessel Buntes, und zwar mit zwei verkehrsverwaltungsrechtlichen Entscheidungen aus Bayern.

Als erste gibt es hier den BayVGH, Beschl. v. 05.10.2023 – 11 CS 23.1413. Ergangen ist er in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO mit folgendem Sachverhalt:

„….. Im Januar 2023 erhielt das Landratsamt Kulmbach (Fahrerlaubnisbehörde) Kenntnis von Ermittlungen der Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth gegen die Antragstellerin wegen eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz. In dem Schlussvermerk der Polizei heißt es, die Antragstellerin habe mit der anderweitig verfolgten T Diskotheken und Raves besucht, bei denen Betäubungsmittel konsumiert würden. T habe in der Beschuldigtenvernehmung angegeben, in zwei Fällen je 1 g Amphetamin an die Antragstellerin abgegeben und einmal zusammen mit dieser einen Lieferanten aufgesucht zu haben, wo die Antragstellerin 1 g Amphetamin erworben habe. Aus dem Chatverlauf zwischen der Antragstellerin und T ergebe sich u.a. Folgendes: „Anfrage und Bestellung 1 g Amphetamin am 16.11.2022; Sprachnachrichten – Technoclub nur, wenn sie was einwirft; Anfrage BtM am 11.11.2022; 21.10.2022 – Anfrage nach Feenstaub/Amphetamin.“ Das Amtsgericht Kulmbach stellte das Strafverfahren, soweit aus den Akten ersichtlich, gegen eine Arbeitsauflage ein.

Nach einem Aktenvermerk sprach die Antragstellerin vom 3. März 2023 auf Aufforderung des Landratsamts dort zusammen mit ihrer Mutter vor und bestätigte dabei den Erwerb von Betäubungsmitteln.

Nach Anordnung durch das Landratsamt legte die Antragstellerin ein ärztliches Gutachten der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 25. Mai 2023 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, die Antragstellerin nehme aktuell keine Betäubungsmittel ein, die die Fahreignung in Frage stellten. Ihren Angaben nach liege jedoch ein Probierkonsum mit Amphetamin im September 2022 vor. Die Antragstellerin habe angegeben, eine ihrer Freundinnen habe Beziehungen zu diesem Milieu gehabt, sie habe das mal probieren wollen. Im September 2022 habe sie zwei Mal Amphetamin in geringen Mengen geschnupft. Sie habe jedoch keine Wirkung verspürt und daher wieder Abstand davon genommen. Weiter heißt es, nach dem Ergebnis der Haarprobe könne Drogenabstinenz für einen Zeitraum von 6 Monaten als belegt angesehen werden.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2023 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgelds auf, ihren Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Die Antragstellerin sei wegen des zumindest zweimaligen Konsums von Amphetamin, den sie dem ärztlichen Gutachter gegenüber eingeräumt habe, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Am 17. Juli 2023 ließ die Antragstellerin Klage erheben und gleichzeitig einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 1. August 2023 ablehnte. Bei summarischer Prüfung erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig. Bereits der einmalige Konsum harter Drogen schließe im Regelfall die Kraftfahreignung aus. Von einem solchen sei hier auszugehen. Die Antragstellerin müsse sich an ihrer Aussage, Amphetamin eingenommen zu haben, festhalten lassen. Sie habe die Fahreignung auch nicht wiedererlangt, da zwischen dem Betäubungsmittelkonsum im September 2022 und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung keine einjährige Abstinenz i.S.d. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV liege.“

Gegen den VG-Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die keinen Erfolg hatte. Denn:

Materiell-rechtlich verlangt die Wiedererlangung der Fahreignung nach dem Konsum harter Drogen – also der Nachweis, dass kein Konsum mehr besteht – eine Abstinenz über einen ausreichend langen Zeitraum sowie einen motivational gefestigten Verhaltens- und Einstellungswandel. Für eine positive Verkehrsprognose ist wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält.

Die Einzelheiten in dem umfangreich begründeten Beschluss bitte selbst nachlesen.

Amphetaminkonsum oder Medikamenteneinnahme?, oder: Untersuchung der Blutprobe erforderlich

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Und dann hier noch der VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.09.2023 – 6 L 2377/23 – zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums. Die Verwaltungsbehörde hat die Fahrerlaubnis entzogen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antrag des Betroffenen nach § 80 Abs. 5 VwGO hatte keinen Erfolg. Das VG führt u.a. aus:

„Ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auch materiell rechtmäßig ist, vermag das Gericht nach summarischer Prüfung nach Aktenlage nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu beurteilen.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Maßgeblich für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 C 25.04 -, juris, Rn. 16, und vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 – 19 A 2549/99 -, juris, Rn. 12, sowie vom 6. Juli 2012 – 16 A 1928/11 -, n.v., S. 2 des Beschlussabdrucks.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt ein Fahrerlaubnisinhaber insbesondere dann als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV in Verbindung mit Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV ist die Eignung bzw. die bedingte Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs regelmäßig ausgeschlossen bei Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG, ausgenommen Cannabis. Wegen ihres hohen Suchtpotenzials und der Schwierigkeit, ihre Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit einzuschätzen, rechtfertigt bereits ein einmaliger Konsum von sog. harten Drogen im Sinne des BtMG – zu denen Amphetamin zählt – im Regelfall die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss des Betäubungsmittels auch ein Kraftfahrzeug geführt wurde.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 9/18 -, juris, Rn. 30; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 – juris, Rn. 5, und vom 23. Juli 2015 – 16 B 656/15 -, juris, Rn. 5, jeweils m.w.N. zu der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Obergerichte anderer Bundesländer.

Entscheidend für die Verneinung der Kraftfahreignung ist demnach allein, ob feststeht, dass der Kläger jedenfalls einmal Amphetamin konsumiert hat, was einen willentlichen Konsum voraussetzt.

Laut des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. vom 00. Mai 2023 fiel die dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommene Blutprobe positiv auf Amphetamin (338 ng/ml) aus. Die Gutachterin Univ.-Prof. Dr. X. -U. kommt in ihrer Beurteilung weiter zu dem Ergebnis, dass damit der Nachweis eines Konsums von Amphetamin (z.B. Pep) geführt wurde. Auch der am 00. Februar 2023 durchgeführte Drogenvortest verlief positiv auf Amphetamin/Metamphetamin.

Es ist angesichts der beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Aktenlage allerdings nicht hinreichend sicher, dass der Befund nicht – wie vom Antragsteller vorgetragen – auf einer bestimmungsgemäßen, nach ärztlicher Verordnung erfolgten Einnahme des Medikaments F. 00 mg Hartkapseln beruht. In einem solchen Fall würde sich die Frage der Kraftfahreignung nicht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, sondern nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV richten. Bei einer ordnungsgemäßen Dauerbehandlung mit einem betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel i.S.v. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV entfällt die Kraftfahreignung „nur“ bei einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß. Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung dürfte wiederum lediglich durch die Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären sein.

Das Medikament F., das der Antragsteller nach eigenen Angaben zur Behandlung seiner XXX-Erkrankung einnimmt, enthält den Wirkstoff Lisdexamphetamin. Bei einer Einnahme kann es bei Tests auf Drogengebrauch – wie auch in der vom Antragsteller eingereichten ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie I2. vom 00. August 2023 attestiert – zu falsch positiven Ergebnissen kommen.

Vgl. auch die entsprechende Angabe im Beipackzettel des Medikaments F. Hartkapseln, abrufbar unter https://www.takeda-produkte.de/system/files/produkt-info/gebrauchsinformation-elvanse-20-mg30-mg40-mg50-mg60-mg70-mg-hartkapseln.pdf, S. 4.

Eine Analyse der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe mittels eines gaschromatographischen Untersuchungsverfahrens wurde bislang nicht durchgeführt. Nach der Beurteilung der Gutachterin Univ.-Prof. Dr. S. -U. im toxikologischen Gutachten vom 00. Mai 2023 sowie nach telefonischer Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. am 00. September 2023 gegenüber dem Antragsgegner (vgl. Bl. 31 VV) könnte bei einer solchen Untersuchung festgestellt werden, ob die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration an Amphetamin auf der Einnahme des Medikaments F. oder (zusätzlich) auf einem sonstigen Amphetaminkonsum beruht.

Vgl. bezüglich der bei einer ADHS-Erkrankung ebenfalls eingesetzten Medikamente Ritalin und Medikinet dazu, dass bei einer gaschromatischen Untersuchung des Blutes eindeutig zwischen Amphetamin und dem in diesen Medikamenten enthaltenen Wirkstoff Methylphenidat unterschieden werden kann, nur OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2019 – 16 B 730/19 -, n.v., S. 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2019 – 6 L 2821/19 -, juris, Rn. 7 f. jeweils m.w.N.

Nach alledem vermag das Gericht ohne eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren in Gestalt einer gaschromatographischen Untersuchung der dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommen und laut des toxikologischen Gutachtens vom 00. Mai 2023 noch bis Mai 2025 beim V. E. lagernden Blutprobe nicht ausreichend zuverlässig zu beurteilen, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entziehung kraftfahrungeeignet und ihm daher (zwingend) die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

b) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht hinreichend sicher abschätzen, kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris, Rn. 23 ff.

Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus…..“

Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs, oder: Mitwirkungsobliegenheit eines Kaufmanns

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Und dann im „Kessel Buntes“ heute zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Hier kommr dann zunächst das OVG Münster, Beschl. v. 06.10.2023 – 8 B 960/23 – zur Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs und zur Mitwirkungsobliegenheit eines Kaufmanns.

Das OVG Münster hat die Beschwerde gegen einen Beschluss des VG Köln zurückgewiesen und damit die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs bestätigt. Der Beschluss hat folgende Leitsätze:

    1. Die Feststellung des verantwortlichen Fahrers ist i. S. d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist.
    2. Die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters beschränkt sich auf Angaben dazu, wer das Fahrzeug an dem betreffenden Tag geführt hat oder jedenfalls, welcher Personenkreis zur Nutzung des Fahrzeugs berechtigt war. Dazu bedarf es nicht der Prüfung durch den Fahrzeughalter, ob der Verkehrsverstoß durch die vorliegenden Beweismittel hinreichend dokumentiert ist und, sofern der Fahrzeugführer diesen bestreiten sollte, in einem nachfolgenden Bußgeldverfahren nachweisbar sein würde.
    3. Ob eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vorliegt, ist von der Verwaltungsbehörde und entsprechend dem Verwaltungsgericht in dem gegen die Fahrtenbuchanordnung gerichteten Verfahren zu prüfen. Wenn eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt wird, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.
    4. Gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren kann sich der Adressat der Fahrtenbuchanordnung nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.