Archiv der Kategorie: Verfassungsrecht

BVerfG II: Durchsuchung im KiPo-Verfahren, oder: Wenn die abgebildete Person „minderjährig“ wirkt

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Und im zweiten Posting dann ein BVerfG-Beschluss, der sich zu den Anforderungen an die Anordnung einer Durchsuchung in einem „KiPo-Verfahren“ äußert. Die Staatsanwaltschaft führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung und des Besitzes jugendpornographischer Inhalte. Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens war eine Meldung des National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) darüber, dass ein dem Beschwerdeführer zuzuordnendes Konto eines Messengerdienstes ein Video an mehrere andere Kontakte versandt habe. In dem 50-sekündigen Video ist eine männliche ejakulierende Person zu sehen. Nach Auffassung der Ermittlungsbehörden und der angegriffenen Entscheidungen ist die Person etwa 15 bis 17 Jahre alt.

Auf Grundlage dieses Videos erließ das AG einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnanschrift des Beschuldigten. Bei deren Durchführung stellten die Ermittlungsbehörden das Smartphone, den Laptop und das Tablet des Beschuldigten vorläufig sicher.

Dagegen dann die Rechtsmittel bei AG und LG, die keinen Erfolg haben. Beim BVerfG rügt der Beschuldigte dan u.a. eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG. Es fehle bereits ein auf konkreten Tatsachen beruhender Anfangsverdacht. Die im Video abgebildete Person sei geschlechtsreif. Ihre körperliche Entwicklung sei abgeschlossen und lasse nicht auf eine minderjährige Person schließen. Es sei unmöglich, einen Jugendlichen nur anhand von Bildmaterial von einem jungen Erwachsenen zu unterscheiden. Eine andere Betrachtung verbiete sich ohne weitere verdachtsbegründende Anknüpfungstatsachen, die hier nicht vorlägen.

Die Sache hatte beim BVerfG mit dem BVerfG, Beschl. v. 21.10.2024 – 1 BvR 2215/24 – keinen Erfolg:

„2. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung der gerügten Grundrechte nicht gemäß den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG aufgezeigt. Das gilt insbesondere für die gerügte Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer zeigt nicht substantiiert auf, wieso die Annahme des Amts- und Landgerichts, es habe ein Anfangsverdacht für die vorgeworfene Straftat vorgelegen, eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts darstellen soll. Denn der Beschwerdeführer geht von einem falschen verfassungsrechtlichen Maßstab für den erforderlichen Verdachtsgrad aus.

a) Das Gewicht des mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (vgl. BVerfGE 115, 166 <197 f.>; BVerfGK 2, 290 <295>; 5, 84 <88>). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen, sodass ihr Ergebnis nicht mehr verständlich ist und sich somit der Schluss auf Willkür aufdrängt (vgl. BVerfGE 59, 95 <97> m.w.N.; BVerfGK 18, 414 <418>). Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte der Beschwerdeführenden beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>; 115, 166 <199>; BVerfGK 5, 25 <30 f.>).

b) Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die angegriffenen Beschlüsse diesem Anforderungen nicht gerecht würden. Es begegnet insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass Amts- und Landgericht die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer im Besitz von zumindest jugendpornographischen Inhalten befunden und diese an mehrere Empfänger versandt hat, auf das versandte Video gestützt haben, weil auf sie die im Video abgebildete Person minderjährig wirkt. Das kann als zureichender tatsächlicher Anhaltspunkt für die Strafbarkeit des Besitzes und der Verbreitung auch von anderem jugend- oder kinderpornographischen Material genügen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 -, Rn. 22 und vom 15. August 2014 – 2 BvR 969/14 -, Rn. 40; dagegen aber wohl BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19 und 2 BvR 886/19 -, Rn. 29).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt allein die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass die im Video abgebildete Person tatsächlich volljährig sein könnte, nicht den Anfangsverdacht entfallen. In einem – wie hier – frühen Stadium der Ermittlungen ist es verfassungsrechtlich ausreichend, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in einem pornographischen Video abgebildete Person jünger als 18 Jahre alt ist; ein höherer Verdachtsgrad wie etwa eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit oder gar eine Schuldüberzeugung sind nicht erforderlich. Die Frage der Volljährigkeit ist letztlich eine Frage, die abschließend erst durch die weiteren Ermittlungen und das weitere Verfahren zu klären ist. Zwar können konkrete Anhaltspunkte für die Minderjährigkeit einer abgebildeten Person nicht in jedem Fall allein vorliegendem Bildmaterial entnommen werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19 und 2 BvR 886/19 -, Rn. 29). Vorliegend sind die Fachgerichte aber nachvollziehbar davon ausgegangen, dass das Video hinreichend aussagekräftig ist, um zur Einschätzung der Minderjährigkeit der abgebildeten Person zu gelangen; das Landgericht begründet dies insbesondere damit, dass das Gesicht der Person geradezu kindliche Züge aufweise.“

BVerfG II: Karlsruhe locuta, causa „Encro“ finita? oder: BVerfG segnet BGH-Rechtsprechung zu EncroChat ab

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Und dann als zweite Entscheidung vom BVerfG der BVerfG, Beschl. v. 01.11.2024 – 2 BvR 684/22 – mit dem das BVerfG zur EncroChat-Rechtsprechung des BGH Stellung nimmt und die abgesegnet hat.

Es ging um den BGH, Beschl. v. 02.03.2022 – 5 StR 457/21 – über den ich auch berichtet hatte (vgl. Außer der Reihe: Volltext zum 5. Ss des BGH zu Encro, oder: Daten sind verwertbar – mich wundert das nicht). Dagegen ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, die das BVerfG nun zurückgewiesen hat.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es sieht weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter; insoweit bitte selbst lesen. Im Übrigen führt es aus:

„3. Unabhängig davon weist die Kammer darauf hin, dass auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof festgestellten, im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wie dargelegt maßgeblichen Verfahrenstatsachen eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich ist. Insoweit sei insbesondere angemerkt:

a) Unmittelbare Prüfungsgegenstände der Verfassungsbeschwerde sind das Urteil des Landgerichts Hamburg und der Beschluss des Bundesgerichtshofs. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Verwertung der aus Frankreich zur Verfügung gestellten EncroChat-Daten, soweit sie den Beschwerdeführer betreffen. Die Frage der Verwertung von im Wege der Rechtshilfe erlangten Beweismitteln ist nach nationalem Recht zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u.a., C-511/18, C-512/18, C-520/18, EU:C:2020:791, Rn. 222; Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Das gilt auch für Erkenntnisse, die mittels einer EEA gewonnen wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Maßstab für die Prüfung sind damit in erster Linie die Grundrechte des Grundgesetzes. Denn die Anwendung innerstaatlichen Rechts, das unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist, prüft das Bundesverfassungsgericht primär am Maßstab dieser Vorschriften (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42 f.> – Recht auf Vergessen I).

b) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG scheidet aus.

aa) (1) Die Verwertung personenbezogener Informationen in einer gerichtlichen Entscheidung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (vgl. BVerfGE 34, 238 <245>; 80, 367 <376, 379 f.>; 106, 28 <39, 44>; 130, 1 <35>; BVerfGK 14, 20 <23>). Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als besondere Ausprägungen unter anderem das Recht am eigenen Wort, das Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>; 54, 148 <153 f.>; 106, 28 <39>; 118, 168 <183 ff.>; 130, 1 <35>). Abhängig von der Art der in der strafgerichtlichen Entscheidung verwerteten Informationen kann ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) oder in das Recht am eigenen Wort (durch die Wiedergabe einer Äußerung) vorliegen (vgl. BVerfGE 106, 28 <44>; 130, 1 <35>). Ist keine speziellere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, greift die Verwertung von personenbezogenen Informationen jedenfalls in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 80, 367 <373>; 113, 29 <45 f.>; 115, 166 <187 f.>; 115, 320 <341>).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nach Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Beschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind zum Schutz überwiegender Allgemeininteressen zulässig, wenn sie durch oder auf Grundlage eines Gesetzes, das Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung hinreichend klar umschreibt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, erfolgen (vgl. BVerfGE 65, 1 <44, 54>; 67, 100 <143>; 78, 77 <85>; 84, 239 <279 f.>; 92, 191 <197>; 115, 320 <344 f.>; 130, 1 <36>). Soweit Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung verwertet werden, ist eine Rechtfertigung des Eingriffs jedoch ausgeschlossen. Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegen einem aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden absoluten Beweisverwertungsverbot im Strafprozess (vgl. BVerfGE 109, 279 <324, 331 f.>; 120, 274 <337>).

(2) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Beweisverwertung im Strafprozess ist § 261 StPO (vgl. BVerfGE 130, 1 <29 ff.>; so zuvor bereits ohne nähere Begründung BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats BVerfGK 17, 311 <314>). Für die Verwertung von Beweisen, die aus dem Ausland in ein deutsches Strafverfahren eingeführt wurden, gelten insoweit grundsätzlich keine Besonderheiten. Rechtmäßig erhobene oder in das Strafverfahren unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen eingeführte Informationen dürfen auf Grundlage des § 261 StPO grundsätzlich verwertet werden (vgl. BVerfGE 130, 1 <36 ff.>). Wurden Informationen rechtswidrig erlangt, besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz, wonach die Verwertung der gewonnenen Informationen stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 18, 193 <202 f.> m.w.N. zur ständigen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Welche Folgen ein Rechtsverstoß bei der Informationserhebung oder bei der Einführung von Informationen in ein Strafverfahren hat und ob aus dem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch die zuständigen Fachgerichte (vgl. BVerfGE 130, 1 <31>; BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; 14, 107 <111>; 18, 193 <203>). Die strafgerichtliche Praxis geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und dass die Frage nach dem Vorliegen eines Verwertungsverbots jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art der verletzten Vorschrift und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist (vgl. BVerfGK 14, 107 <111>; BGHSt 38, 214 <219 f.>; 44, 243 <249>; 51, 285 <289 f. Rn. 20>; vgl. auch Greven, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, vor § 94 Rn. 10 ff.). Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots stellt dabei eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 40, 211 <217>; 44, 243 <249>; 51, 285 <290 Rn. 20>).

Hiergegen ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 16, 22 <27>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. März 2000 – 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, Rn. 10 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2005 – 2 BvR 1502/04 -, Rn. 8). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbots eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind (vgl. BVerfGK 18, 193 <203>). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; stRspr). Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29 <61>; BVerfGK 18, 444 <449>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 1998 – 2 BvR 446/98 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, Rn. 26 f.). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238 <245 f.>; 80, 367 <374 f.>; 109, 279 <324>).

bb) Die Würdigung des Bundesgerichtshofs im angegriffenen Beschluss, wonach die EncroChat-Daten keinem aus einem Verfahrensfehler abgeleiteten Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung wurden im Urteil des Landgerichts nicht verwertet. Dass der Bundesgerichtshof die Verwertung der Informationen, deren Erhebung im Ausland den wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des deutschen und europäischen ordre public (vgl. Gleß/Wahl/Zimmermann, in: Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 73 IRG Rn. 1 ff. mit umfassenden weiteren Nachweisen) nicht widerspricht, vor dem Hintergrund der von ihm vorgenommenen Abwägung der widerstreitenden Interessen davon abhängig macht, ob die Voraussetzungen der – nicht unmittelbar anwendbaren – § 100e Abs. 6, § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe b StPO vorliegen, und dabei auf eine Betrachtung zum Verwertungszeitpunkt abstellt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Bundesgerichtshof unterschreitet damit das verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Gebotene jedenfalls nicht. Auch gegen die Annahme des Bundesgerichtshofs, die durch französische Behörden durchgeführte Beweiserhebung habe auch nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des nationalen und europäischen ordre public verstoßen, ist auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.“

Ich denke, damit dürfte die Diskussion um EncroChat und vergleichbare Messengerdienste allmählich zum Ende kommen. Besser wäre wahrscheinlich die Formulierung: „…. sollte….“.

BVerfG I: Keine Vorlage zum BVerfG in KiPo-Verfahren, oder: Recht auf den gesetzlichen Richter

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Zum Start in die 50 KW. – ja, das Jahr ist bald rum – gibt es heute zwei Entscheidungen vom BVerfG.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 10.09.2024 – 2 BvR 618/24. Mit ihm hat das BVerfG vorab zu einer Verfassungsbeschwerde gegen den BayObLG, Beschl. v. 14.03.2024 – 206 StRR 87/24 – Stellung genommen. In diesem Beschluss hatte das BayObLG den Strafrahmen aus § 184b Abs. 3 StGB in der bis zum 27.06.2024 geltenden Fassung für verfassungswidrig erachtet, auf eine Vorlage an das BVerfG jedoch verzichtet hat, weil es davon ausgegangen ist, dass das Tatgericht auch unter Zugrundelegung des Strafrahmens der alten Fassung des Gesetzes, nämlich, § 184b Abs. 3 StGB in der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung, die eine niedrigere Mindeststrafe vorsah, zu demselben Strafausspruch gelangt wäre.

Das BVerfG sieht darin möglicherweise eine Verletzung der Rechts auf den gesetzlichen Richter und hat die Vollstreckung aus dem LG-Urteil ausgesetzt:

„b) Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet. Nach derzeitigem Stand ist zumindest offen, ob das Bayerische Oberste Landesgericht das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch die Entscheidung, auf eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu verzichten, verletzte.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann auch das Unterlassen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen (vgl. BVerfGE 138, 64 <87 f. Rn. 71>). Nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen ist jedoch als solcher Verstoß zu bewerten (vgl. BVerfGE 3, 359 <364 f.>; 13, 132 <144>; 29, 166 <172 f.>; 67, 90 <95>; 76, 93 <96 f.>; 87, 282 <284 f.>). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die – fehlerhafte – Auslegung und Anwendung einfachen Rechts willkürlich (vgl. BVerfGE 3, 359 <364 f.>; 87, 282 <284 f.>; stRspr) oder offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 58, 1 <45>; 82, 286 <299>).

bb) Es erscheint nach vorläufiger Bewertung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zumindest möglich, dass die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, auf eine Vorlage des § 184b Abs. 3 StGB alte Fassung nach Art. 100 Abs. 1 GG zu verzichten, an diesem Maßstab gemessen, nicht tragfähig ist.

Das Bayerische Oberste Landesgericht war davon überzeugt, dass der gesetzlich angeordnete Strafrahmen, den auch das Landgericht zur Anwendung brachte, verfassungswidrig sei. Es ging jedoch davon aus, dass eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG entbehrlich sei, da das Landgericht auch unter Zugrundelegung des Strafrahmens der alten Fassung des Gesetzes (§ 184b Abs. 3 StGB in der Fassung des Sechzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 30. November 2020 <BGBl I S. 2600>, die bis zum 30. Juni 2021 in Kraft war), die eine niedrigere Mindeststrafe vorsah, zum selben Strafausspruch gekommen wäre.

Diese Auffassung begegnet schwerwiegenden Bedenken, die eingehender Prüfung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bedürfen. Der gesetzliche Strafrahmen ist Grundlage und Ausgangspunkt der Strafzumessung (vgl. von Heintschel-Heinegg, in: ders./Kudlich, BeckOK StGB, § 46 Rn. 10 <Aug. 2024>). Der Strafrahmen bringt die gesetzgeberische Wertung, wie schwer das Unrecht der Tat zu bemessen ist, zum Ausdruck. Das Ergebnis der nach § 46 Abs. 2 StGB vorzunehmende Abwägung ist notwendigerweise abhängig von dem konkret anwendbaren Strafrahmen. Es erscheint nach vorläufiger Bewertung fernliegend, dass die Anwendung eines anderen Strafrahmens zum exakt gleichen Strafausspruch führt.

Dies gilt auch im vorliegenden Zusammenhang. Das Landgericht ging in seiner Strafzumessungsentscheidung ausdrücklich davon aus, dass es nicht bei der Mindeststrafe bleiben könne, sondern dass die Strafe diese zu überschreiten habe. Die für den Strafausspruch maßgebliche Erwägung knüpft damit an die konkret angedrohte Mindeststrafe an. Angesichts dessen spricht viel dafür, dass, wäre die ältere Fassung der Strafnorm zur Anwendung gekommen, die eine Geldstrafe beziehungsweise eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsah, auch eine andere Strafe festgesetzt worden wäre.

Das Landgericht setzte sich allerdings auch mit den damals noch nicht umgesetzten Plänen zu einer Änderung des Strafrahmens auseinander. Das Bayerische Oberste Landesgericht entnimmt dem, im Anschluss an die Generalstaatsanwaltschaft München, dass das Landgericht auch im Falle einer geringeren Mindeststrafe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten gekommen wäre. Ob die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts die Schlussfolgerungen des Oberlandesgerichts zu tragen vermögen, bedarf eingehender Prüfung im Hauptsacheverfahren.

3. Aufgrund der damit eröffneten Folgenabwägung ist die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe geboten. Der Vollzug der Freiheitsstrafe bringt einen endgültigen Rechtsverlust mit sich und stellt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Erwiese sich das Begehren des Beschwerdeführers im Hauptsacheverfahren hingegen als unbegründet, so wären die durch eine vorübergehende Aussetzung der Vollstreckung hervorgerufenen Folgen gering. Sie treten hinter dem Aussetzungsinteresse des Beschwerdeführers zurück. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Vollstreckung der Strafe in Zukunft vereiteln könnte.“

StPO II: Zulässige Beschlagnahme eines Briefes?, oder: Potenzielle Beweisbedeutung

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Und dann vom BGH der BGH, Beschl. v. 29.05.2024 – StB 24/24 -zur Beweisbedeutung in Zusammenhang mit der Beschlagnahme.

Gegen den Beschuldigten ist Anklage u.a. wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erhoben worden. Das OLG hat einen Brief an den Angeklagten gemäß §§ 94, 96 StPO beschlagnahmt, weil das Schreiben als Beweismittel von Bedeutung sein könnte. Der Staatsschutzsenat hat angeordnet, dass eine beglaubigte Ablichtung zu den Akten genommen und das Original in den Postweg gegeben wird. Gegen den Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde. Die hatte keinen Erfolg:

„Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 Variante 6, § 306 Abs. 1 und 2 StPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine richterliche Beschlagnahme gemäß §§ 94, 98 StPO liegen vor. Dem Inhalt des Briefes kommt insgesamt eine potenzielle Beweisbedeutung zu.

1. Ein Gegenstand hat dann potenzielle Bedeutung als Beweismittel, wenn die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, ihn im Verfahren zu Untersuchungszwecken in irgendeiner Weise zu verwenden (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2018 – StB 13/18, StV 2021, 558 Rn. 6; vom 11. Januar 2024 – StB 75/23, NStZ-RR 2024, 82). Diese Voraussetzungen liegen aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung vor, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. In dem beschlagnahmten Brief identifizierte die Verfasserin den Angeklagten auf einem in einem Presseartikel veröffentlichten Bild als Teilnehmer eines Treffens mit weiteren mutmaßlichen Mitgliedern der Vereinigung am 9. September 2022 in der Nähe von K. Das Schreiben könnte somit als Indiz zu der Überzeugung beitragen, dass der Angeklagte bei dieser Zusammenkunft anwesend war. Der Brief hat auch im Übrigen Beweisbedeutung. Denn aus seinem Inhalt wird ersichtlich, dass die Verfasserin dem Angeklagten besonders nahesteht und es deshalb gerade ihr möglich ist, ihn zu identifizieren. Das aus dem Schreiben ersichtliche Näheverhältnis zwischen beiden ist daher ebenfalls relevant (zu den Unterschieden zwischen einem wissenschaftlichen Einzelvergleich anthropologisch-morphologischer Merkmale und einem laienhaften Wiedererkennen vgl. BGH, Urteile vom 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 19 mwN; vom 7. Februar 2022 – 5 StR 542/20 u.a., juris Rn. 89; Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NStZ 2024, 312 Rn. 85).

2. Die Beschlagnahmeanordnung entspricht zudem unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Angeklagten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme ist mit Blick auf die weiteren in der Anklageschrift genannten Beweismittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich. Insbesondere stellt die Fertigung einer Ablichtung des Schreibens ein milderes Mittel als die Beschlagnahme des Originaldokuments dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2008 – 2 BvR 2016/06, NJW 2009, 281, 282; BGH, Beschluss vom 9. Januar 1989 – StB 49/88 u.a., BGHR StPO § 94 Verhältnismäßigkeit 1). Zudem steht der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. September 1991 – 2 BvR 279/90, NJW 1992, 551, 552). Entgegen dem Beschwerdevorbringen begründet ferner die unterbliebene Schwärzung der weiteren Passagen nicht die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche teilweise Unkenntlichmachung aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten sein kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 5. Dezember 1977 – 1 Ws 1309/77, NJW 1978, 601), kann hier dahinstehen. Denn das aus dem gesamten Inhalt des Briefes erkennbare Näheverhältnis zwischen der Verfasserin und dem Angeklagten hat, wie oben dargelegt, Beweisbedeutung.

Die Beschlagnahmeanordnung verletzt den Angeklagten überdies nicht in seinem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf Wahrung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1973 – 2 BvR 701/72, BVerfGE 35, 35, 39 f.). Denn der Inhalt des Briefes geht nicht über allgemeine Zuneigungsbekundungen hinaus und berührt weder die Intimsphäre des Angeklagten noch der Verfasserin.“

StPO I: BVerfG nochmals zur „Umgrenzungsfunktion“, oder: Wie oft muss sich das BVerfG dazu noch äußern?

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Und in die 34. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Zwangsmaßnahmen, und zwar einmal von ganz oben – also BVerfG – und einmal „nur“ von oben, also BGH.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 27.06.2024 – 1 BvR 1194/23. Es geht mal wieder um die nicht ausreichende Umgrenzung eines Durchsuchungsbeschlusses. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei. Im November 2022 hatte der Marktleiter eines Baumarkts der Polizei mitgeteilt, dass in letzter Zeit häufiger hochwertige Baumarktartikel gestohlen worden seien. Bei Recherchen im Internet sei er auf einen eBay-Account gestoßen, auf dem u.a. die entwendeten Gegenstände angeboten worden seien. Die Polizei konnte den eBay-Account dem Beschulidgetn zuordnen. In den Wochen vor Einleitung der Ermittlungen waren über diesen Account 69 zum Großteil neuwertige und originalverpackte Baumarktartikel zum Kauf angeboten worden. Eine Liste aller inserierten Artikel wurde zu den Akten genommen.

Am 18.01.2023 ordnete das AG „wegen Hehlerei“ die Durchsuchung der Person, der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung habe insbesondere den Zweck, als Beweismittel „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ aufzufinden. Die Beschlagnahme dieser Beweismittel wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, über eBay-Kleinanzeigen unter seinem Account „diverse Artikel“ zum Verkauf anzubieten, die zuvor in dem näher benannten Baumarkt entwendet worden seien. Der Tatverdacht beruhe auf den Online-Ermittlungen der Polizei und der Auskunft des Marktleiters des Baumarktes. Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung seien, führen werde. Es folgte eine kurze Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung.

Die Durchsuchung wurde am 26.01.2023 vollzogen. Der Beschuldigte legte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein, die vom LG verworfen wurde.

Dagegen dann noch die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte. Nach dem üblichen „allgemeinen Vorspann“ führt das BVerfG zur Sache aus:

„b) Danach genügt der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den an seine Umgrenzung zu stellenden Anforderungen nicht. Seine Formulierung ist nicht dazu geeignet, sicherzustellen, dass der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht des Beschwerdeführers messbar und kontrollierbar blieb.

Der Durchsuchungsbeschluss benennt die gesuchten Beweismittel für sich genommen nicht hinreichend konkret (aa). Eine hinreichende Umgrenzung der gesuchten Beweismittel kann auch der weitere Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses nicht leisten, weil er keine für eine hinreichende Umgrenzung ausreichend konkreten Angaben zum tatsächlichen oder rechtlichen Tatvorwurf einschließlich der konkreten vorgeworfenen Vortaten (bb) und insbesondere keinerlei Angaben zum Tatzeitraum (cc) enthält; ebenso fehlen für eine hinreichende Umgrenzung ausreichende Angaben zu Indizien, die den Tatvorwurf trügen (dd). Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab (ee). Eine nähere Beschreibung der gesuchten Beweismittel wäre dem Amtsgericht schließlich auch nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen (ff).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss enthält für sich genommen keine hinreichend konkret umgrenzte Angabe der gesuchten Beweismittel. Diese gibt der Beschluss lediglich mit „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ an. Dies allein genügt nicht, um dem Beschwerdeführer als Betroffenen und den Ermittlungspersonen präzise aufzuzeigen, wonach gesucht werden sollte. Denn insbesondere die Umschreibung als „sonstige entwendete Baumarktartikel“ ist erheblich zu weit, um die Durchsuchung eines Privathaushalts hinreichend mess- und kontrollierbar zu begrenzen. Umfasst sind ausdrücklich alle Artikel aus dem Sortiment eines Baumarktes. Darunter können eine Vielzahl von Gegenständen in diversen Stückelungen und sehr unterschiedlichen Preiskategorien fallen. Baumärkte verkaufen ein sehr breites und vielfältiges Sortiment. Darüber hinaus lässt die Umschreibung der gesuchten Beweismittel nicht erkennen, ob nur Baumarktartikel gesucht werden, die in einer bestimmten Art und Weise verpackt sind (etwa originalverpackt), einen bestimmten Zustand (etwa neuwertig) aufweisen, einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Größe haben oder in einer bestimmten Anzahl aufgefunden werden. Eine solche Umgrenzung wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil zu erwarten ist, dass sich in einem durchschnittlichen Privathaushalt eine Vielzahl von alltäglich genutzten Gegenständen befindet, die im Sortiment eines Baumarktes enthalten sein können und daher von der Beschreibung der gesuchten Beweismittel im Durchsuchungsbeschluss erfasst wären.

bb) Auch die im Durchsuchungsbeschluss enthaltenen Angaben zum Tatvorwurf, dem ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt oder den für eine Hehlerei erforderlichen Vortaten können die Mängel der Umgrenzung nicht hinreichend kompensieren, um Umfang und Tiefe der Durchsuchung mess- und kontrollierbar zu gestalten. Der Durchsuchungsbeschluss erwähnt weder § 259 Abs. 1 StGB, noch wird die dortige Beschreibung des Straftatbestands der Hehlerei wörtlich zitiert oder wenigstens paraphrasiert. Die einzige Erwähnung der „Hehlerei“ findet sich im Rubrum des Durchsuchungsbeschlusses. Darüber hinaus fehlen Angaben über die konkret entwendeten oder zum Verkauf angebotenen Gegenstände, die möglichen Täter, den möglichen Ablauf und die Anzahl etwaiger Vortaten. Statt einer auf Grundlage der vorhandenen Inserate-Liste oder der Zeugenaussage des Marktleiters formulierten Beschreibung der im Baumarkt entwendeten oder vom Account des Beschwerdeführers aus verkauften Gegenstände spricht der Durchsuchungsbeschluss nur von „diverse[n] Artikeln“. Auch der subjektive Tatbestand (Wissen und Wollen des Verkaufens gestohlener Gegenstände) ist nicht im Ansatz beschrieben. Dem konkreten Tatvorwurf im Durchsuchungsbeschluss lässt sich mangels subjektiven Tatbestands weder eine Verwirklichung eines Strafgesetzes noch eine Vollendung der Tat („zum Verkauf anzubieten“) entnehmen.

cc) Eine hinreichende Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen zeitlichen Eingrenzung des Tatvorwurfs, da eine solche fehlt. Die Formulierung des Tatvorwurfs im Präsens mag darauf hindeuten, dass dem Beschwerdeführer eine noch andauernde Handlung vorgeworfen wird. Das hilft aber über die mangelnde Eingrenzung nicht hinweg, weil nicht erkennbar ist, seit wann das vorgeworfene Handeln andauert (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Die vorgeworfenen Taten sind auch keine Dauerdelikte, so dass es auf ihren Beginn nicht ankäme (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 1872/05 -, Rn. 11). Vielmehr werden dem Beschwerdeführer mehrere einzelne, aber nicht weiter konkretisierte Hehlereitaten vorgeworfen. Es ist aus dem Durchsuchungsbeschluss nicht einmal erkennbar, ob die vorgeworfenen Taten möglicherweise bereits verjährt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Das gilt insbesondere insofern, als die Wertung, ab welchem Zeitpunkt Taten in der Vergangenheit möglicherweise verjährt sind, mangels Angaben dazu, ob dem Beschwerdeführer versuchte oder vollendete Delikte als Täter oder Teilnehmer vorgeworfen werden, für Beschwerdeführer und Ermittlungspersonen auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses nicht möglich ist; selbst aus einer angenommenen zeitlichen Beschränkung des Tatvorwurfs auf nichtverjährte Taten könnte sich daher keine mess- und kontrollierbare Begrenzung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 25).

dd) Soweit der Durchsuchungsbeschluss einige wenige Indizien (den Namen des verwendeten Accounts, Name und Anschrift des Baumarktes) nennt, können diese hier von vornherein keine mess- und kontrollierbare Umgrenzung der Durchsuchung leisten.

ee) Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab. Weder die inhaltliche, zeitliche oder rechtliche Umschreibung des Tatvorwurfs und der Vortaten noch die Benennung der Beweismittel zeigt klar auf, welche Baumarktartikel gesucht werden sollen. Dadurch war es dem Beschwerdeführer auch praktisch nicht möglich, durch die Herausgabe von Gegenständen die Durchsuchung abzuwenden. Denn weder der Beschwerdeführer noch die Ermittlungspersonen hätten abschätzen können, welche Gegenstände der Beschwerdeführer freiwillig herausgeben müsste, um weitere Durchsuchungshandlungen abzuwenden.

ff) Die Anforderungen an eine Umgrenzung der gesuchten Beweismittel waren hier auch nicht deshalb abgesenkt, weil dem Amtsgericht eine nähere Beschreibung nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151>). So gab es zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses zahlreiche Anhaltspunkte in den Akten, deren Aufnahme in den Durchsuchungsbeschluss den äußeren Rahmen der Durchsuchung hätten begrenzen können – ohne dass die Aufnahme dieser einzelnen Punkte für sich genommen verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre. Hervorzuheben ist hier insbesondere die praktisch übliche und im Regelfall unerlässliche (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2004 – 2 BvR 2105/03 -, Rn. 11) Nennung des groben Tatzeitraums, die vorliegend eine deutliche Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ermöglicht hätte. Die hier fehlende zeitliche Eingrenzung ist nicht mit typischerweise fehlenden Details aufgrund des frühen Stadiums der Ermittlungen zu erklären. Vielmehr hatte die Polizei eine konkrete Auflistung von 69 verdächtigen Verkaufsanzeigen mit Erstellungsdatum zur Akte genommen. Auch die Angaben des Marktleiters als Zeugen, dass es „in den vergangenen Wochen vermehrt zu Diebstählen gekommen sei“, machen jedenfalls eine grobe Eingrenzung des Zeitraums sowohl der Vortaten als auch der konkret vorgeworfenen Hehlereitaten möglich. Auch durch eine bloß beispielhafte Nennung einiger der Artikel aus den 69 dokumentierten Inseraten sowie insbesondere durch eine ausdrückliche Beschränkung auf neuwertige oder originalverpackte Ware hätte sich die Durchsuchung bedeutend besser messen und kontrollieren lassen.

c) Der Beschluss des Landgerichts konnte diesen Mangel nicht heilen. Zwar kann das Beschwerdegericht einzelne Inhalte eines Durchsuchungsbeschlusses ergänzen oder bewerten, die zu einer hinreichenden Umgrenzung beitragen können. Das gilt insbesondere für die Begründung der Annahme eines Tatverdachts, wenn die für die Begründung verwendeten Indizien bereits bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorlagen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 19 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2010 – 2 BvR 2561/08 -, Rn. 29), oder für Darlegungen zur Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 18). Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können aber, wenn die Durchsuchung – wie hier – bereits stattgefunden hat, im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>). Auch kann eine Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme, die durch die Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses präventiv erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr herbeigeführt werden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 29 m.w.N.).

Dies hat das Landgericht verkannt. Die Zurückweisung der Beschwerde verletzt daher den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. auch Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1324/15 -, Rn. 30, und vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 25, 30).“

Man fragt sich: Wie oft muss sich das BVerfG zu den Fragen denn noch äußern? Das haben wir doch schon alles so oder ähnlich gelesen. Für mich sind solche Entscheidungen von AG eine Unverschämtheit. immerhin geht es um die Unverletztlichkeit der Wohnung. Da wäre ein wenig Sorgfalt und Mühe wohl angebracht.