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StPO III: Bindungswirkung an Geständnis I. Instanz, oder: Zumindest Fair-Trial beim Landgericht

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Und zum Tagesschluss etwas vom OLG Naumburg. Das hat im OLG Naumburg, Beschl. v. 24.09.2024 – 1 ORs 112/24 – zur „Bindungswirkung“ an ein erstinstanzliches Geständnis in den Verständigungsfällen Stellung genommen.

„Das AG hatte den Angeklagten, gestützt auf dessen geständige Einlassung, u.a. wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sich der Angeklagte mit zunächst unbeschränkter Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung gewendet. Im Berufungshauptverhandlungstermin beim LG beschränkte der Angeklagte seine Berufung ebenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch. Daraufhin änderte das LG unter Annahme einer beiderseitigen wirksamen Beschränkung der Berufung den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils ab und verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten. Diese hatte mit der Sachrüge Erfolg:

„Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils.

Die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch war nicht wirksam, so dass das Landgericht nicht über alle Teile des amtsgerichtlichen Urteils entschieden hat, die seiner Prüfungskompetenz unterlagen.

Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung hatte der Senat von Amts wegen im Freibeweis zu prüfen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. August 2022 – (3) 161 Ss 129/22 (44/22) – , Rn. 14; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 16. Juni 2021 – 206 StRR 226/21 – , Rn. 4, 8; OLG Celle, Beschluss vom 23. November 2020 – 3 Ss 48/20 – , Rn. 23; jeweils zitiert nach juris; Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Auflage, § 318 Rn. 11 m. w. N).

Aufgrund der substanziierten Angaben des Angeklagten in seiner Revisionsbegründungsschrift, denen die Staatsanwaltschaft nicht entgegengetreten ist, der mit der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Erklärung des erstinstanzlichen Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, die mit den Angaben des Angeklagten (jedenfalls soweit es die Absprache der Verhängung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung von Vorstrafen betrifft) in Einklang steht, sowie der im Protokoll festgehaltenen Vorgänge in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geht der Senat davon aus, dass vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine – wenn auch informelle und damit unzulässige – Verständigung jedenfalls dahingehend getroffen worden ist, dass für den Fall eines Geständnisses des Angeklagten unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Köthen vom 3. Mai 2023 und vorn 19. Oktober 2022 eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr und neun Monaten verhängt wird.

Die Staatsanwaltschaft war durch die vorangegangene Verständigung nicht an der Einlegung der Berufung gehindert (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 – 111-1 RVs 79/17 -, Rn. 16; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, vor § 312 Rn. 1e).

Jedoch hat die Staatsanwaltschaft ausweislich der Berufungsbegründung mit ihrer Berufung das Ziel verfolgt, die verhängten Einzelstrafen zu erhöhen und von der Gesamtstrafenbildung mit den erwähnten Strafen aus den vorangegangenen Urteilen abzusehen. Dieses verfolgte Ziel bedeutete für den Angeklagten in jedem Fall eine Überschreitung des Verständigungsstrafrahmens. Denn mit dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 3. Mai 2023 war unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Köthen vom 19. Oktober 2022 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt worden. Selbst bei Beibehaltung der erstinstanzlich verhängten beiden Einzelstrafen von vier und fünf Monaten hätte aus diesen zwingend eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen, mit der sich ohne die Bildung einer Gesamtstrafe mit den Strafen aus den genannten Vorverurteilungen die Gesamthöhe der Strafen gegenüber der nach dem Inhalt der Verständigung höchstmöglichen, aus allen Strafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe erhöht.

Das erstinstanzlich aufgrund einer getroffenen Verständigung erfolgte Geständnis des Angeklagten darf in der Berufungsinstanz aber jedenfalls dann nicht verwertet werden, wenn – wie hier – das Berufungsgericht den Angeklagten zu einer Strafe über der erstinstanzlich vereinbarten Strafobergrenze verurteilten will. Denn der Schutz des Angeklagten, welcher in dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) manifestiert ist, verlangt, dass ein verständigungsbasiertes Geständnis bei einer fehlgeschlagenen Verständigung unverwertbar ist, weil er dieses im Vertrauen auf die Einhaltung der vereinbarten Strafobergrenze abgelegt hat (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 5 StR 484/20 BGHSt 66, 37-48, Rn. 20; OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 – 111-1 RVs 79/17 Rn. 19; OLG Naumburg, Urteil vom 16. März 2017 2 Rv 3/17 -, Rn. 7; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 111-4 RVs 60/10 -, Rn. 12; jeweils zitiert nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.).

Das Verbot, das Geständnis zu verwerten, führt hier dazu, dass Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch rechtlich und tatsächlich nicht mehr selbstständig beurteilt werden können (vgl. OLG Hamm a. a. O. Rn. 20; OLG Naumburg a. a. O. Rn. 8; KG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2020 – (4) 161 Ss 121/20 (166/20) – , Rn. 9; zitiert nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.). Dem fair-trial-Grundsatz widerspräche es, wenn Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter sich – sei es unter den Voraussetzungen des § 257c StPO oder im Rahmen einer unzulässigen informellen Absprache – auf einen bestimmten Strafrahmen verständigt hätten, der Angeklagte mit Rücksicht darauf ein Geständnis abgibt, das Gericht absprachegemäß verurteilt, die Staatsanwaltschaft sodann aber gegen das Urteil Rechtsmittel mit dem Ziel einer höheren Bestrafung einlegt, welche dann – letztlich auf der Grundlage des erstinstanzlichen Geständnisses – erfolgt (OLG Düsseldorf a. a. O.).

Wegen der fehlenden Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch war daher die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam.

Das Landgericht hätte daher nicht von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft ausgehen dürfen und das erstinstanzliche Urteil umfassend im Schuldspruch mit eigenen Feststellungen überprüfen müssen.

Daran ändert in der vorliegenden Konstellation auch nichts, dass es in der Berufungshauptverhandlung ebenfalls zu einer – diesmal formal ordnungsgemäßen -Verständigung der Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO gekommen ist. Diese Verständigung hatte zum Inhalt, dass bei Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen neun Monaten und einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verhängt wird, woraufhin der Angeklagte seine Berufung entsprechend beschränkt hat. Zu einem Geständnis, das zur Grundlage der Überprüfung des Schuldspruches hätte gemacht werden können, kam es aufgrund der Verständigung bereits nicht. Ferner hätte ein solches Geständnis aufgrund der vom Landgericht angenommen wirksamen Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch auch keine Bedeutung für die Entscheidungsfindung betreffend den Schuldspruch mehr entfalten können (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. Rn. 15). Nur wenn das Berufungsgericht den Schuldspruch auch tatsächlich überprüft, kann eine aufgrund der neu zu treffenden Verständigung abgegebene geständige Einlassung des Angeklagten Grundlage für eine Verurteilung sein (s. a. OLG Hamm a. a. O. Rn. 22).“

Im Ergebnis richtig. Bei der Begründung ist mir nicht so ganz klar, ob das OLG auf § 257c Abs. 4 und 5 StPO abstellt, zumindest „konkludent“ 🙂 . Das wäre m.E. aber nicht richtig. Denn die vom OLG entschiedene Frage ist (zunächst) keine Problematik des § 257c Abs. 4 und 5 StPO, der die Bindungswirkung bei einer formellen Absprache regelt. Denn eine formelle Absprache nach § 257c hat hier beim AG nicht vorgelegen. Im Übrigen wäre das LG aber auch an eine solche Absprache nicht gebunden gewesen, da die Bindungswirkung nur bei dem Gericht besteht, bei dem die Absprache zustande gekommen ist. Und das war das AG. Das OLG argumentiert hier daher ja auch mit dem fair-trial-Grundsatz, was letztlich nicht zu beanstanden ist, obwohl sich das OLG nicht mit der Frage der Bindungswirkung der informellen Absprache befasst.

Und zur Bindungswirkung kann man nachlesen <<Werbemodus an“ bei vgl. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, Rn 305 ff. m.w.N.).; das Werk kann man hier bestellen. <<Werbemodus aus>>.

StPO II: Versuch der Protokollberichtigung misslungen, oder: Hatte Angeklagte noch einmal das letzte Wort?

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Als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 14.08.2024 – 5 StR 206/24 -, der (auch) mit dem Dauerbrenner „letztes Wort“ zu tun. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.

Der Angeklagte macht mit seiner Revision geltend, dass das Schwurgericht, nachdem es vor Urteilsverkündung erneut in die Beweisaufnahme eingetreten war, ihm unter Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO nicht erneut das letzte Wort gewährt. In der Hauptverhandlung hatten nach Schluss der Beweisaufnahme die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidiger ihre Schlussanträge gestellt. Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Urteilsberatung trat die Strafkammer erneut in die Beweisaufnahme ein. Auf Frage des Vorsitzenden gab der Angeklagte dort eine Erklärung ab, wonach er auf die Herausgabe mehrerer sichergestellter Gegenstände verzichte. Sodann erhielten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger erneut das Wort; erstere hielt an ihrem gestellten Antrag fest, letzterer bezog sich auf seinen schon gehaltenen Schlussvortrag. Danach verkündete die Strafkammer ihr Urteil, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre.

Um das Letzte: „ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt worden wäre“ ist gestritten worden. Das Schwurgericht hat versucht, das Protokoll zu berichtigen. Aber: Soll ich sagen: Aller Anfang ist schwer? Egal, jedenfalls hat das nicht geklappt. Dazu der BGH:

„b) Nach Eingang der Revisionsbegründung, mit der unter Vortrag des vorgenannten Verfahrensablaufs die Verletzung von § 258 Abs. 2 StPO gerügt worden war, fanden folgende weitere Verfahrensschritte statt:

Es wurde ein vom Vorsitzenden der Strafkammer und der Protokollführerin unterzeichneter Vermerk zur Akte genommen, wonach das Protokoll der Hauptverhandlung vom 22. Dezember 2023 dahingehend berichtigt werde, dass an näher bezeichneter Stelle folgende Sätze einzufügen seien: „Der Angeklagte erhielt das Wort. Der Angeklagte hatte das letzte Wort.“ In einem weiteren Vermerk in der zugehörigen Verfügung wurde ausgeführt, dass sich „die Unterzeichner“ des Protokolls sicher seien, dass dem Angeklagten das letzte Wort nochmals erteilt worden sei; in der tagesaktuellen Mitschrift der Berichterstatterin sei dies sogar ausdrücklich aufgeführt. Diese Verfügung wurde allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Die Protokollführerin erklärte in einer dienstlichen Stellungnahme, dass dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden sei. In ihrer Revisionsgegenerklärung trat die Staatsanwaltschaft der „Auffassung der Unterzeichner“ des Protokolls bei und führte zur Begründung aus, dass bei unterbliebener Gewährung des letzten Wortes die Sitzungsvertreterin auf das Versäumnis hingewiesen hätte, was aber nicht geschehen sei.

Durch den Generalbundesanwalt wurden die Akten im Revisionsverfahren zur Durchführung eines Protokollberichtigungsverfahrens an das Landgericht zurückgegeben. Dabei wurde auf die hierfür in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) formulierten Grundsätze hingewiesen.

Der Vorsitzende der Strafkammer gab daraufhin erneut eine dienstliche Stellungnahme ab, in welcher er seine frühere Äußerung um den Hinweis ergänzte, dass sich die Erteilung des letzten Wortes auch aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft ergebe, welche von der Sitzungsvertreterin gefertigt worden sei. Zur beabsichtigten Protokollberichtigung erhielten der Verteidiger und der Angeklagte Gelegenheit zur Stellungnahme. Ersterer trat der Berichtigung entgegen, wobei er insbesondere darauf verwies, dass kein Verfahrensbeteiligter eine konkrete Erinnerung an die erneute Erteilung des letzten Wortes bekundet habe und auch der Inhalt der entsprechenden Ausführungen des Angeklagten nicht geschildert worden sei. Sodann verfügte der Vorsitzende erneut die genannte Protokollberichtigung, wobei er die bisherige Begründung wiederholte und um einen Satz ergänzte, wonach der Verteidiger nicht im Einzelnen dargelegt habe, weshalb er sich sicher sei, dass das ursprüngliche Protokoll richtig sei. Auch diese Verfügung wurde nur durch ihn unterschrieben. Die Protokollberichtigung wurde durch ihn und die Protokollführerin unterzeichnet.

c) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Durch das Protokoll der Hauptverhandlung, welches keine erneute Erteilung des letzten Wortes verzeichnet, wird der Verstoß des Landgerichts gegen § 258 Abs. 2 StPO bewiesen (negative Beweiskraft, § 274 StPO). Zu der durch den Vorsitzenden der Strafkammer intendierten Berichtigung des Protokolls ist es – auch wenn Verteidiger und Angeklagter nunmehr zur beabsichtigten Änderung angehört wurden – nicht gekommen, weil die für eine solche Maßnahme bestehenden weiteren Anforderungen nicht erfüllt worden sind. Eine nachträgliche Protokollberichtigung, mit der zum Nachteil des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen wird („Rügeverkümmerung“), setzt sichere Erinnerung beider Urkundspersonen voraus. Nehmen sie gemeinsam eine Protokollberichtigung vor, so haben sie ihre Entscheidung mit Gründen zu versehen. Darin sind die Tatsachen anzugeben, welche die Erinnerung der Urkundspersonen belegen. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06, BGHSt 51, 298).

Vorliegend verhält sich die Entscheidungsbegründung jedoch ebenso wenig wie die vorangegangenen dienstlichen Erklärungen dazu, auf welche Umstände die Urkundspersonen ihre sichere Erinnerung gründen. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür – wie seitens des Vorsitzenden geschehen – genügen kann, allein auf indizielles Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter zu verweisen (Mitschrift der Beisitzerin, Unterlassen einer Intervention durch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft). Denn jedenfalls ist für die Protokollführerin nicht ersichtlich, woran sie ihre sichere Erinnerung an die Gewährung des letzten Wortes festmacht.

Zudem ist nicht erkennbar, dass die Begründung der Berichtigungsentscheidung durch beide Urkundspersonen verantwortet worden wäre. Enthalten ist eine solche nur in der zugehörigen Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer, der diese allein unterschrieben hat. Zwar hat die auch für das Protokoll tätig gewesene Urkundsbeamtin die dort verfügten Maßnahmen abgezeichnet, damit aber nur deren Abarbeitung dokumentiert. Dagegen hat sie hierdurch nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Begründung – auch in Ansehung der Einwände des Verteidigers – als Protokollführerin inhaltlich zu eigen gemacht hätte (vgl. zur Notwendigkeit der Mitwirkung der protokollführenden Person BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 StR 197/21, NStZ-RR 2022, 286; Beschluss vom 27. April 2021 – 2 StR 1/21, NStZ-RR 2021, 254).

2. Das Urteil beruht im Schuldspruch nicht auf dem Verfahrensverstoß. Insoweit kann der Senat ausschließen, dass eine erneute Erteilung des letzten Wortes Auswirkungen auf den Schuldspruch gehabt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2022 – 5 StR 101/22; vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291). Dies folgt nicht allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem thematisch wie zeitlich eng begrenzten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme sein letztes Wort bereits wahrgenommen hatte, sondern vor allem daraus, dass sich das Landgericht auf eine dichte Beweislage sowie auf die Einlassung des Angeklagten stützen konnte, mit der dieser sich zwar teils auf Erinnerungslücken berufen, jedoch an keiner Stelle entgegen der Feststellungen geäußert hat.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch samt den zugehörigen Feststellungen, da der Angeklagte bei erneuter Erteilung des letzten Wortes möglicherweise Ausführungen gemacht hätte, die die Sanktionsentscheidung hätten beeinflussen können.“

StPO I: Beginn der 2-wöchigen Urteilsverkündungsfrist, oder: Das letzte Wort schließt die Hauptverhandlung

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Und auf geht es. Heute mit StPO-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 30.09.2024 – 1 StR 334/24 – zum Schluss der Hauptverhandlung. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren, in dem der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist. Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte geltend gemacht, die Zweiwochenfrist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO – die sog. Urteilsverkündungsfrist – sei überschritten worden. Ohne Erfolg:

„Die Verfahrensrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Angeklagte den Inhalt des vorletzten Verhandlungstages (17. November 2023) nicht vollständig mitteilt. Daraus hätte sich ergeben, dass der Vorsitzende dem Angeklagten am 17. November 2023 noch nicht das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 zweiter Halbsatz, Abs. 3 StPO) gewährt hatte. Solange war die Verhandlung aber noch nicht im Sinne des § 268 Abs. 3 Satz 1 StPO geschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2014 – 3 StR 130/14 Rn. 2 f.; vom 12. März 2014 – 1 StR 605/13 Rn. 6 und vom 20. Juni 2007 – 1 StR 58/07 Rn. 2 f.; Urteile vom 30. Mai 2007 – 2 StR 22/07, BGHR StPO § 268 Abs. 3 Verkündung 5 Rn. 3 und vom 12. November 1986 – 3 StR 260/86 Rn. 13); damit galt die Dreiwochenfrist des § 229 Abs. 1 StPO.“

Wiedereinsetzung II: Ausbleiben des Betroffenen, oder: Darf der Betroffene seinem Verteidiger vertrauen?

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Die zweite Entscheidung stammt aus einem OWi-Verfahren. Es ist (fast) ein Klassiker. Es geht nämlich um die Frage, ob ein Mandant auf die Auskunft seines Verteidigers, ein Termin werde nicht stattfinden, vertrauen darf.

Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid ergangen. Der Verteidiger legte dagegen form- und fristgerecht Einspruch ein. Das Amtsgericht bestimmte darauf am Termin zur Hauptverhandlung auf den 06.06.2024, wobei das persönliche Erscheinen der Betroffenen angeordnet wurde.  Am 04.06.2024 beantragte der Verteidiger, den Hauptverhandlungstermin zu verlegen, da er wegen einer Lendenwirbelfraktur, die am 21. beziehungsweise am 24.05.2024 festgestellt worden sei, nicht reisefähig sei. Ab Mitte Juli d. J. könne er wieder Hauptverhandlungstermine wahrnehmen. Das AG forderte vom Verteidiger ein ärztliches Attest an (sic!).

Am 05. Juni 2024 lehnte das AG dann den Verlegungsantrag ab, da eine Arbeits- und/oder Reiseunfähigkeit (des Verteidigers) nicht ärztlich attestiert worden sei. Das AG verwarf in der Hauptverhandlung vom 06.06.2024 den Einspruch, da weder die Betroffene noch der Verteidiger erschienen waren.

Dagegen beantragte der Verteidiger die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das AG hat den Wiedereinsetzungsantrag verworfen.Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte beim LG Stuttgart mit dem LG Stuttgart, Beschl. v. 20.9.2024 – 17 Qs 46/24 – Erfolg:

„2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

a) Soweit der Verteidiger den Wiedereinsetzungsantrag mit seiner eigenen Erkrankung be-gründet, kommt es darauf nicht an. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut (§ 74 Abs. 2 OWIG) ist allein maßgeblich, ob der Betroffene – nicht sein Verteidiger – genügend entschuldigt war. Eine Erkrankung des Verteidigers vermag einen solchen Entschuldigungsgrund mithin grundsätzlich nicht darzustellen. Ob das Amtsgericht dem Verlegungsantrag hätte stattgeben müssen beziehungsweise ob die Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs unter diesen Umständen vorgelegen haben, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsmittels.

b) Der Wiedereinsetzungsantrag war jedoch begründet, weil der Verteidiger schlüssig dargelegt und durch seine anwaltliche Versicherung glaubhaftgemacht hat, dass er der Betroffenen – über ihren Ehemann – mitgeteilt habe, dass „der Termin deshalb [wegen seiner Verhinderung] nicht stattfinden könne“.

Die Auskunft eines Verteidigers an einen Betroffenen, der Termin könne nicht stattfinden, ist – soweit keine besonderen Umstände vorliegen – geeignet, bei dem Betroffenen ein Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Auskunft zu begründen und schließt eine schuldhafte Säumnis im Termin aus (vgl. Senge in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage, § 74 Rn. 33).

Anhaltspunkte, dass seitens der Betroffenen Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft ihres Verteidigers angebracht waren (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 9. Mai 2012 – 3 Ws 260/12, Beck LSK 2012, 360619), sind dabei nicht ersichtlich. Liegen – aus Laiensicht – keine Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit oder einen Irrtum des Verteidigers vor, darf er den Worten seines Verteidigers vertrauen, ohne dies hinterfragen zu müssen.

Soweit das OLG Brandenburg (Beschluss vom 27. September 2022 – 1 OLG 53 Ss-Owi 378/22) im Falle einer falschen Anweisung durch den Verteidiger, einem Termin fernzubleiben, mangels Entscheidungskompetenz des Verteidigers keine entschuldigende Wirkung zumisst, kommt es hierauf im hiesigen Fall nicht an, da sich der Verteidiger keine solche Entscheidungskompetenz zugesprochen hat, sondern bei lebensnaher Betrachtung für einen Laien den Anschein erweckt hat, der Termin sei oder werde (sicher) durch das Gericht aufgehoben.

Soweit das Amtsgericht darauf abstellt, der Verteidiger habe nicht dargelegt, die Betroffene auf eine bereits erfolgte Terminsaufhebung hingewiesen zu haben, ist solcher Vortrag nicht zwingend notwendig. Tatsächlich impliziert die Aussage des Verteidigers „der Termin könne nicht stattfinden“, dass die Terminsaufhebung durch das Gericht unvermeidlich sei beziehungsweise sicher erfolgen werde.

Im übrigen sind die Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu überspannen, wenn es – wie hier – um einen erstmaligen Zugang zu Gericht geht.“

Befangen II: „Alter Wein in neuen Schläuchen“, oder: Bereits beschiedener Vortrag führt zur Unzulässigkeit

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Im zweiten Posting komme ich dann noch einmal auf den BGH, Beschl. v. 26.06.2024 – StB 35/24 – zurück. Über den hatte ich schon einmal wegen der vom BGH in der Entscheidung angesprochenen Pflichtverteidigungsfrage berichtet (vgl. Pflichti I: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, oder: Voraussetzungen für einen Sicherungsverteidiger).

Hier geht es jetzt um ein Ablehungsgesuch des Angeklagten. Dem wird der Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemacht. Ein erstes Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 01.03.2024 anlässlich der Zwölfmonatshaftprüfung durch den BGH (AK 23/24) hatte der Angeklagte damit begründet, ihm sei in zwei vorangegangenen Haftfortdauerentscheidungen des Senats zu Unrecht angelastet worden, er habe die Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Zahlung von 50.000 EUR fördern wollen oder gefördert. Dieses Gesuch hat der BGH durch Beschluss vom 18.03.2024 als unbegründet zurückgewiesen.

Nun hat er im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidudng des OLG Frankfurt am Main, die Bestellung seines Pflichtverteidigers wegen eines zerstörten Vertrauensverhältnisse aufzuheben, den VorRiBGH sowie zwei RiBGH wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er erneut ausgeführt, im Beschluss des BGH vom 20.03.2024 über die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer (AK 23/24) werde ihm zu Unrecht angelastet, er habe die Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Zahlung von 50.000 EUR fördern wollen. Dass der Senat seine früheren Haftentscheidungen nicht korrigieren wolle, rechtfertige bei dem ihm die Besorgnis der Befangenheit der Richter.

Der BGH hat die Ablehnungsgesuche als unzulässig verworfen.

„1. a) Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet; ein solcher Fall steht dem gänzlichen Fehlen einer Begründung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleich (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 2019 – 2 BvR 910/10, juris Rn. 10; vom 27. April 2007 – 2 BvR 1674/06, BVerfGK 11, 62, 73; BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 2023 – StB 30/23, juris Rn. 9 mwN; vom 24. Februar 2022 – RiZ 2/16, juris Rn. 2 ff.; vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 15; vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, NStZ 2014, 725, 726 f.; vom 15. November 2012 – 3 StR 239/12, juris Rn. 5; vom 1. Februar 2005 – 4 StR 486/04, NStZ-RR 2005, 173, 174).

Bei der Prüfung, ob die für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegebene Begründung in dem genannten Sinne völlig ungeeignet ist, muss allerdings Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in den Blick genommen werden, weil von der richterlichen Beurteilung des Ablehnungsgesuchs als zulässig oder unzulässig die Zusammensetzung der Richterbank abhängt: Während im Regelfall des Verfahrens nach § 27 StPO der abgelehnte Richter nicht mitwirkt (§ 27 Abs. 1 aE StPO), scheidet er im Fall der Verwerfung als unzulässig nicht aus (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Vorschrift des § 26a StPO ist deshalb eng auszulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01, NJW 2005, 3410, 3412; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, NStZ 2014, 725, 726 f.). Eine Begründung ist danach insbesondere dann nicht völlig ungeeignet, wenn der abgelehnte Richter zur Prüfung des Ablehnungsgesuchs sein eigenes Verhalten beurteilen und somit eine Entscheidung in eigener Sache treffen muss (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 – 3 StR 429/05, NStZ 2006, 644, 645 mwN; vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, NStZ 2014, 725, 726 f.).

b) Ungeachtet dessen, ob oder gegebenenfalls inwieweit es zutrifft, dass der Angeklagte nicht an den Planungen zur Erstürmung des Reichstagsgebäudes beteiligt war (vgl. Beschluss des Senats vom 20. März 2024 – AK 23/24), liegt gemessen an den obigen Maßstäben eine völlig ungeeignete Begründung des Ablehnungsgesuchs vor. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, er halte die Haftfortdauerentscheidungen des Senats für falsch, an denen die abgelehnten Mitglieder mitgewirkt haben. Dieser Einwand ist – auch bei Anlegen eines strengen Maßstabes und zugleich wohlwollender Auslegung des Vorbringens des Beschwerdeführers – zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs im vorliegenden Verfahren offensichtlich ungeeignet. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich der Beschwerdeführer der Sache nach allein gegen die von den abgelehnten Richtern in den Entscheidungen vorgenommene Bewertung der Ermittlungsergebnisse und des hierauf beruhenden dringenden Tatverdachts wendet. Damit liefe das Verfahren der Richterablehnung der Sache nach auf eine Fehlerkontrolle hinaus, wozu es indes nicht dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2019 – 2 BvR 910/10, juris Rn. 15; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2022 – RiZ 2/16, juris Rn. 10 mwN).

2. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer lediglich ein im wesentlichen gleichlautendes Vorbringen wiederholt hat, über das der Senat in dem Verfahren AK 23/24 mit Beschluss vom 18. März 2024 bereits in der Sache entschieden hatte. Bringt ein Ablehnungsgesuch bereits beschiedenen Vortrag erneut vor, ist es schon aus diesem Grund offensichtlich unzulässig. Die Entscheidung hängt dann nur noch von einer formalen Prüfung ab, die kein erneutes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Oktober 2021 – 1 BvR 854/21, BVerfGE 159, 147, 148; vom 20. Dezember 2021 – 1 BvR 1170/21, juris Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2022 – RiZ 2/16, juris Rn. 7; vom 25. Juni 2020 – 4 StR 654/19, juris Rn. 2; vom 9. Juli 2015 – 1 StR 7/15, juris Rn. 12).

3. Einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter hat es bei dem Vorgehen nach § 26a StPO nicht bedurft. Denn sie sind gemäß § 26a Abs. 2 Satz 1 StPO bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2019 – 2 BvR 910/10, juris Rn. 16 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 26 Rn. 14).“