Und dann heute ein paar StPO- Entscheidungen, und zwar zum elektronischen Dokument und was damit so zusammenhängt.
Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 24.09.2025 – 5 StR 250/25, der sich zu der Frage äußert, ob eine als elektronisches Dokument übermittelte Anklageschrift nach § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein muss. Der BGG sagt in seinem für BGHSt vorgesehenen beschluss: Nein:
„1. Die dem Landgericht als elektronisches Dokument übermittelte Anklageschrift, die von dem sie verantwortenden Staatsanwalt durch Hinzufügung seines Namens einfach elektronisch signiert wurde, genügt der Form des § 32b Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Vorschrift gilt für als elektronische Dokumente erstellte Anklageschriften. Einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO bedarf es nicht. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 StPO und aus Sinn und Zweck der Regelung; die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützt dieses Ergebnis.
a) Nach dem Wortlaut des mit Wirkung zum 1. Juli 2021 neu gefassten § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO bedürfen zu unterschreibende oder zu unterzeichnende elektronisch erstellte Dokumente einer qualifizierten elektronischen Signatur. Solche Unterschriftserfordernisse sieht die Strafprozessordnung allerdings nur für Urteile (§ 275 Abs. 2 StPO) und für gerichtliche Protokolle (§ 168 Satz 4 und § 271 Abs. 1 StPO) vor. Die Vorschriften der § 199 Abs. 2, § 200 StPO, in denen die gesetzlichen Anforderungen für die Erhebung der Anklage und die Abfassung von Anklageschriften normiert sind, enthalten eine dahingehende Regelung nicht.
b) Auch aus dem Gesetzeszweck folgt, dass eine elektronisch erstellte und entsprechend übermittelte Anklageschrift lediglich mit einer einfachen elektronischen Signatur im Sinne des § 32b Abs. 1 Satz 1 StPO versehen sein muss.
Sinn und Zweck des § 32b Abs. 1 StPO ist es, die Authentizität und Integrität der von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten selbst erstellten Dokumente in ausreichender Weise sicherzustellen (BT-Drucks. 18/9416, S. 48). Gleichzeitig soll das Strafverfahren weiter an die sich ständig wandelnden gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen angepasst und dafür Sorge getragen werden, dass die Strafrechtspflege ihre wesentlichen verfassungsrechtlichen Aufgaben erfüllen kann (BT-Drucks. 19/27654, S. 1). Wie der Gesetzgeber aufgezeigt hat, sollen die im Anwendungsbereich des § 32b Abs. 1 StPO geltenden Formerfordernisse an die mit der fortschreitenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs verbundenen technischen Möglichkeiten angepasst werden. Daher sind die für die Papieraktenführung entwickelten Grundsätze zu nicht unterschriebenen Anklageschriften – soweit darin eine Unterschrift als grundsätzliches Formerfordernis angesprochen wird (vgl. hierzu RG, Urteil vom 18. Februar 1905 – 5620/04, RGSt 37, 407, 408; LR-StPO/Stuckenberg, 27. Aufl., § 200 Rn. 78 und 96; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 200 Rn. 38; MüKo-StPO/Wenske, 2. Aufl., § 200 Rn. 124; im Ergebnis offen gelassen von BGH, Beschlüsse vom 27. April 2020 – 5 StR 117/20; vom 5. Dezember 2017 – 4 StR 323/17, NStZ 2018, 538 jeweils mwN; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. August 1993 – 1 Ws 676/93, MDR 1994, 85; vgl. auch Kulhanek, NJW 2025, 2515, 2516 und LG Würzburg, Beschluss vom 24. April 2025 – 6 Qs 67/25 Rn. 25 ff.) – nur eingeschränkt übertragbar (OLG Dresden, Beschluss vom 9. April 2025 – 6 Ws 8/25, NJ 2025, 362, 365 f.; LG Würzburg aaO Rn. 32).
Der Grad der Formstrenge ist danach zu bemessen, was nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 1963 – 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, 288, 292; BGH, Beschluss vom 30. April 1979 – GmS-OBG 1/78, BGHZ 75, 340, 348). Hinsichtlich der Gewährleistung der Integrität und Authentizität von Dokumenten ist der Gesetzgeber zuletzt davon ausgegangen, dass diese bei elektronischer Aktenführung auf anderem Wege und häufig zuverlässiger sichergestellt werden kann als durch das Pendant zur eigenhändigen Unterschrift, weil die nachträgliche Veränderung von Dokumenten bei elektronischer Datenverarbeitung – auch ohne eine qualifizierte elektronische Signatur – bereits anhand der Metadaten überprüft werden kann (BT-Drucks. 19/27654, S. 55).
Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, an die in § 32b Abs. 1 StPO geregelte justizinterne Kommunikation der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte untereinander höhere Anforderungen zu stellen als an die Kommunikation von justizfremden Verfahrensbeteiligten oder Dritten mit diesen Einrichtungen. Diesen Personen lässt die Vorschrift des § 32a Abs. 3 StPO – die in Anlehnung an § 130a Abs. 3 ZPO für den Zivilprozess geschaffen (BT-Drucks. 18/9416, S. 45) und vom Gesetzgeber explizit unverändert gelassen wurde (BT-Drucks. 19/27654, S. 56) – bei Einreichung von elektronischen Dokumenten an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte die Wahl, ob das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder von ihr (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 StPO eingereicht wird.
Da Strafverfolgungsbehörden und Gerichte über sichere Übermittlungswege kommunizieren (vgl. § 32 Abs. 3 StPO iVm § 4 StrAktÜbV für die Übermittlung elektronisch geführter Strafverfahrensakten; § 32d Abs. 5 StPO iVm § 5 DokErstÜbV für die Erstellung und Übermittlung elektronischer Dokumente; BT-Drucks. 19/27654, S. 56) und die tatsächliche Einhaltung der Authentizität der Dokumente innerhalb der Staatsanwaltschaften durch behördenintern geregelte Verfahrensabläufe sichergestellt wird (vgl. hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 9. April 2025 – 6 Ws 8/25, NJ 2025, 362, 365; LG Würzburg, Beschluss vom 24. April 2025 – 6 Qs 67/25 Rn. 28; BayObLG, Beschluss vom 1. Juli 2025 – 202 StRR 39/25, NJW 2025, 2570), bedarf es einer über die gesetzliche Regelung des § 32b Abs. 1 Satz 1 StPO hinausgehenden qualifizierten elektronischen Signatur nach § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO nicht. Zudem ist die Herkunft eines elektronisch auf einem sicheren Übermittlungsweg übersandten Dokuments in der Regel besser nachvollziehbar, als wenn es auf dem Postweg übersandt wird (BT-Drucks. 19/27654, S. 55).
c) Die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung der Vorschrift stützt dieses Ergebnis.
….“




