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Vorsatz bei der Trunkenheitsfahrt, oder: So schwer ist das doch gar nicht

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Die zweite verkehrsrechtliche Entscheidung kommt dann vom OLG Karlsruhe. Das OLG behandelt im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.04.2019 – 2 Rv 4 Ss 105/19 – mal wieder den Dauerbrenner: Vorsatz bei der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB). .

„b) Jedoch vermögen die Darstellungen in den Urteilsgründen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Begehung der Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1 StGB) nicht zu tragen. Das Amtsgericht hat eine vorsätzliche Tatbegehung angenommen und dies im Kern auf die „einschlägigen Vorstrafen“ des Angeklagten sowie darauf gestützt hat, dass ihm wegen einer Trunkenheitsfahrt am 27.11.2015 die Fahrerlaubnis entzogen und erst drei Tage vor der hier in Rede stehenden Trunkenheitsfahrt wieder erteilt worden sei. Diese Würdigung erweist sich als unzureichend.

1) Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet. Die Feststellung der Fahruntüchtigkeit als innere Tatsache hat der Tatrichter auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Heranziehung und Würdigung aller Umstände zu treffen. Bei einem – wie hier – insoweit nicht geständigen Angeklagten müssen die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts verwendeten Beweisanzeichen lückenlos zusammengefügt und unter allen für ihre Beurteilung maßgebenden Gesichtspunkten gewürdigt werden. Nur so wird dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob der Beweis der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) schlüssig erbracht ist und alle gleich naheliegenden Deutungsmöglichkeiten für und gegen den Angeklagten geprüft worden sind (OLG Hamm, Beschluss vom 16.02.2012 – III-3 RVs 8/12 – juris Rn. 7 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.05.2010 – 5 Ss 198/10 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dabei kann nach wohl einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, auch bei deutlich die Grenze absoluter Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) übersteigenden BAK-Werten ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht allein hieraus auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden; einen Erfahrungssatz, dass ein Kraftfahrer ab einer bestimmten BAK seine Fahruntüchtigkeit erkennt, gibt es nicht (OLG Hamm aaO Rn. 8; OLG Stuttgart aaO Rn. 16; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 316 Rn. 46, jeweils m.w.N.). Bei der Beurteilung kommt es daher auf die Umstände des Einzelfalles an. Zu würdigen sind dabei insbesondere – soweit feststellbar – die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05.02.2013 – (2) 53 Ss 1/13 (4/13) -, juris Rn. 7; OLG Hamm aaO).

Dabei kann nach obergerichtlicher Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, zwar aus einer vorangehenden einschlägigen Bestrafung und der damit verbundenen Warnwirkung je nach den Umständen des Einzelfalles auf ein vorsätzliches Handeln des Täters bei der neuen Trunkenheitsfahrt geschlossen werden (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.07.1995 – 3 Ss 164/94, NStZ-RR 1996, 85; Fischer aaO Rn. 46). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der der früheren Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt in einem Mindestmaß mit dem aktuell zu beurteilenden vergleichbar ist. Nur in diesem Fall ist es denkbar und auch naheliegend, dass der Täter aus seiner früheren Bestrafung und dem darin liegenden Hinweis auf seine derzeitige Fahruntüchtigkeit vor der erneuten Trunkenheitsfahrt entsprechende Schlüsse gezogen hat, die den Vorwurf vorsätzlichen Handelns rechtfertigen. Es ist deshalb jedenfalls in der Regel unerlässlich, dass der einer einschlägigen Vorverurteilung zugrundeliegende Sachverhalt, aus dem auf die vorsätzliche Tatbegehung geschlossen werden soll, in den Urteilsgründen mitgeteilt wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26.09.2018 – 3 Ss 25/18, BeckRS 2018, 28087; Beschluss vom 10.07.1997 – 21 Ss 138/97, NZV 1998, 123; abweichend KG Berlin, Urteil vom 24.11.2014 – (3) 121 Ss 155/14 (115/14), NZV 2015, 403).

2) Vorliegend hat sich das Amtsgericht bei der Darstellung der „einschlägigen Vorstrafen“ darauf beschränkt, die – ersichtlich dem Bundeszentralregisterauszug entnommenen – Daten zweier Urteile festzustellen, wonach der Angeklagte am „17.12.2005“ (offenkundig gemeint war insoweit wohl der 17.12.2015) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu 60,- Euro verurteilt und eine Sperre für die Fahrerlaubniserteilung bis zum 16.12.2016 verhängt wurde und am 21.08.2017 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 50,- Euro verurteilt wurde. Diese bezüglich des Urteils vom 17.12.2015 noch um Angaben des Angeklagten ergänzten Ausführungen – so gab der Angeklagte offenbar an, seine Blutalkoholkonzentration habe bei der damaligen Trunkenheitsfahrt „mehr als zwei Promille Alkohol betragen“ – genügen jedenfalls vorliegend nicht.

Es erschließt sich schon nicht, aus welchem Grunde das Amtsgericht „insbesondere aufgrund seiner einschlägigen Vorstrafen“, also aufgrund von mehreren vorangegangenen Straftaten davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte vorsätzlich handelte. Sollten die ausgesprochen knapp gehaltenen Ausführungen des Amtsgerichts – was naheliegt – dahingehend zu verstehen sein, dass mit einer der „einschlägigen Vorstrafen“ die Verurteilung vom 21.08.2017 gemeint gewesen ist, lässt sich mit Blick darauf, dass der Angeklagte dortmals wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, nicht aber wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt wurde aus, nichts dafür herleiten, inwieweit er hieraus überhaupt Lehren für zukünftiges Trink- und Fahrverhalten hätte ziehen müssen.

Ob und inwieweit die mit Urteil vom 17.12.2015 geahndete Trunkenheitsfahrt und die verfahrensgegenständliche Sache tatsächlich vergleichbar waren, lässt sich anhand der äußerst knappen und nur nach der Erinnerung des Angeklagten referierten Darstellung zur damaligen Trunkenheitsfahrt nicht erkennen. Schon mit Blick darauf, dass sich der Angeklagte an einen mutmaßlich deutlich höheren Promillewerte erinnerte (“über zwei Promille“), versteht es sich jedenfalls nicht von selbst, inwieweit er aus der damaligen Fahrt Rückschlüsse auf seine Fahruntüchtigkeit bei der verfahrensgegenständlichen Trunkenheitsfahrt gezogen haben muss.
Zu eingehenderer Erörterung der Schuldform bestand auch im Hinblick darauf Anlass, dass nach den Ausführungen des Amtsgerichts bei der Abnahme der Blutprobe bei den entsprechenden Tests keine besonderen (alkoholtypischen) Ausfallerscheinungen zu bemerken gewesen waren, sondern vielmehr der Angeklagte „nicht merkbar“ unter Alkoholeinfluss stand, was es zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen lässt, dass für den Angeklagten selbst die alkoholische Beeinflussung weniger spürbar war und er sich deshalb für fahrtüchtig gehalten haben könnte (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 27.02.2008 – 2 Ss 23/08, NZV 2008, 304).

Soweit das Amtsgericht ergänzend darauf abgehoben hat, dass der Angeklagte nach Entzug der Fahrerlaubnis in der Zwischenzeit „sogar wegen einer MPU längere Zeit abstinent“ gelebt habe, begegnet dies vorliegend ebenfalls Bedenken. Das Amtsgericht teilt nicht mit, aus welchem Grunde das wegen einer anstehenden medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) abstinent geführte Leben des Angeklagten Rückschlüsse auf sein subjektives Vorstellungsbild zu seiner Fahr(un)tüchtigkeit zulassen soll. Dies versteht sich – jedenfalls ohne jegliche nähere Erörterung – auch nicht von selbst. Denn der Umstand, dass der Angeklagte in dem Wissen einer anstehenden MPU abstinent gelebt hat, lässt naheliegende Rückschlüsse zunächst nur auf seine Fähigkeit, auf Alkoholkonsum verzichten zu können, zu, nicht aber darauf, von welchen Auswirkungen des Alkoholkonsums auf seine Fahrtüchtigkeit er selbst im Einzelnen ausging.

2. Aus den dargelegten Gründen konnte die Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr keinen Bestand haben. Das Urteil ist daher wegen des aufgezeigten Mangels nach § 353 StPO mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bad Säckingen zurückzuverweisen. Ausgenommen von der Aufhebung sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, da sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind und daher bestehen bleiben können. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen, bleiben insoweit möglich.“

Auch zu der Problematik ist im Grunde genommen alles gesagt – mehrfach. Daher verwundert es, dass die OLG es immer wieder wiederholen müssen. Aber: Verwundert es wirklich?

(Isolierte) Fahrerlaubnissperre, oder: Ein Bisschen begründen sollte man schon

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Heute dann gleich noch einmal ein Verkehrsrechtstag. Und den eröffne ich – wie gestern – auch mit einer BGH-Entscheidung, nämlich dem BGH, Beschl. v.  27.03.2019 4 StR 360/18. Das LG hatte gegen den Angeklagten eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt.

Der BGH beanstandet die „Begründung“:

„b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69a Abs. 1 Satz 3 StGB. Die Strafkammer hat zur Begründung der angeordneten zweijährigen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis lediglich angeführt, der Angeklagte habe sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gezeigt, dass er tateinheitlich in zwei Fällen am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen zu sein. Diese Begründung reicht zum Beleg der Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht aus. Soll gegen den Täter wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat – wie es bei dem vom Angeklagten verwirklichten vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG der Fall ist – die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet werden, muss das Tatgericht eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. November 2017 – 4 StR 427/17, StV 2018, 414, 415; vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 487/14, juris Rn. 3; vom 17. Mai 2000 – 3 StR 167/00, NStZ-RR 2000, 297, 298); eine solche einzelfallbezogene Begründung der fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr lässt das angefochtene Urteil vermissen.“

Für mich einer dieser „Kopfschüttelentscheidungen“. Man muss ja – auch nach der Rechtsprechung des BGH – in diesen Fällen nicht viel schreiben, aber etwas mehr als den Gesetzestext dann vielleicht doch. Das sollte eine Strafkammer wissen.

Straßenverkehrsgefährdung, oder: Der BGH und die zwei Schritte

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Heute am Dienstag dann mal – seit längerem mal wieder – drei verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 4 StR 86/19, den man auch überschreiben könnte mit: Der BGH und die zwei Schritte. Denn es geht mal wieder um die Frage, wie bei der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) die Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert festgestellt werden kann/muss.

Auszugehen war von folgendem Tatgeschehen:

„Mit dem am Schlüsselbund befindlichen Fahrzeugschlüssel öffnete er das Fahrzeug der Zeugin, einen Peugeot 206, und startete den Motor. Bei dem Versuch, das Fahrzeug vorwärts auszuparken, stieß der Angeklagte aufgrund seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit gegen den davor geparkten PKW, streifte diesen und beschädigte dessen Stoßstange hinten rechts. Der weiter in Fahrtrichtung vorwärtsfahrende Angeklagte stieß sodann nach wenigen Metern wiederum aufgrund seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit mit der Fahrzeugfront gegen einen auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite geparkten VW T5. Auch an diesem Fahrzeug entstand Sachschaden. Das vom Angeklagten gefahrene Fahrzeug der Zeugin D. wurde vorn und hinten an den Stoßstangen beschädigt. Seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit und die dadurch gegebene Gefahr eines Verkehrsunfalls hätte der Angeklagte bei gehöriger Sorgfalt erkennen und verhindern können; auch war ihm bewusst, dass er sich nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befand.“

Das LG hat das als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gewertet. Anders der BGH:

2. Die Annahme fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Auch in der vom Landgericht herangezogenen Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315c Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 1 a StGB setzt der Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs – von der hier nicht gegebenen Alternative der konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen abgesehen – die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert voraus. Hierbei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats von folgenden Grundsätzen auszugehen:

§ 315c StGB setzt voraus, dass einer fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat. Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert gehandelt hat, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der allein maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert und die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289, und vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5 zur Wertgrenze von 750 Euro; LG Heilbronn, Beschluss vom 14. August 2017 – 8 Qs 39/17, NZV 2018, 197; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).

Dem genügen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht. Das Landgericht beschränkt sich in den Feststellungen darauf mitzuteilen, dass an den Fahrzeugen „Sachschaden“ entstanden ist. In der Beweiswürdigung wird hierzu noch ergänzt, dass die Strafkammer zugunsten des Angeklagten von einem Schaden „von unter 1.000 € an allen 3 Fahrzeugen zusammen ausgeht“ (UA 68). Damit ist zum einen nicht sicher festgestellt, dass der (Gefährdungs-)Schaden die Wertgrenze von 750 Euro sicher erreicht oder überschreitet. Hinzu kommt, dass das Landgericht hier auch das vom Angeklagten gefahrene, der Zeugin D. gehörende Fahrzeug einbezogen hat; nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bleibt hingegen der (Gefährdungs-)Schaden an dem vom Täter gefahrenen Fahrzeug auch dann außer Betracht, wenn es ihm nicht gehört (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 13. Mai 1985 – 4 StR 90/85, DAR 1985, 387).“

Wie gesagt: Verkehrsrechtlicher Dauerbrenner….

Strafzumessung III: Die kurzfristige Freiheitsstrafe, oder: Eine besondere Begründung ist „unerlässlich“

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Die dritte Strafzumessungsentscheidung kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2019 – III – 1 RVs 14/19 – vom OLG Hamm. Er behandelt ebenfalls eine Dauerproblematik, nämlich die Urteilgründe bei Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB), und zwar wie folgt:

Aus der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung der kurzen Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle ergeben sich besondere Anforderungen an die Begründung der Sanktionsentscheidung im tatgerichtlichen Urteil (vgl. KG StV 2004, 383). Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bedarf einer Begründung, die sich gesondert und eingehend mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinandersetzen muss. Sie muss auch erkennen lassen, dass das Gericht sich der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes bewusst gewesen ist und die besondere Härte der kurzen Freiheitsstrafe im Vergleich zur Geldstrafe in seine Erwägungen einbezogen hat. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat danach regelmäßig nur dann Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (OLG Hamm, Beschluss vorn 18.11.2002 – 2 Ss 768/02 – m.w.N.: BGH StV 1994, 370) Damit die Anwendung des § 47 StGB auf Rechtsfehler geprüft werden kann, bedarf es einer eingehenden und nachprüfbaren Begründung (OLG Köln NJW 1981. 5411; vgl. auch Dahs/Dahs, Die Revision im Strafrecht, 7. Auf! Rn 446). Das Urteil muss dazu eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit umfassende Begründung dafür enthalten, warum eine kurzzeitige Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Formelhafte Wendungen genügen nicht. Der Tatrichter hat vielmehr für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, welche besonderen Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Angeklagten die Verhängung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich gemacht haben (zum Ganzen OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2018 – 111-5 RVs 129/17 -).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht ansatzweise gerecht.

Zur Begründung der Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe hat das Amtsgericht lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt. Einzelfallbezogene Erwägungen fehlen völlig. Es kommt daher schon nicht mehr darauf an, dass das Tatgericht im Falle einer Gesamtstrafe für jede einzelne Tat gesondert darlegen muss, warum in dem konkreten Fall die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich ist (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 47, Rn. 3, 4), was hier ebenfalls unterblieben ist.“

Strafzumessung II: Minder schwerer Fall und vertypte Strafmilderungsgründe, oder: Richtige Strafrahmenwahl?

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In der zweiten Entscheidung des Tages, dem BGH, Beschl. v. 26.02.2019 – 1 StR 14/19, muss der BGH mal wieder zur korrekten Prüfungsreihenfolge beim Zusammentreffen von minder schwerem Fall und gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründen unter Berücksichtigung des § 50 StGB Stellung nehmen. Dazu muss er sich ja häufiger äußern. Und er gibt hier mal wieder einen kleinen Grundkurs.

Das LG hat den Angeklagten u. a. wegen versuchten Totschlags verurteilt. Bei der Strafrahmenwahl hat es zunächst die Annahme eines minder schweren Falles allein aufgrund der allgemeinen Strafmilderungsgründe verneint, anschließend zu­gleich die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe des Versuchs und der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit eingestellt, sodann unter Annahme beider Strafmilderungsgründe einen minder schweren Fall bejaht und im An­schluss daran für jeden Strafmilderungsgrund gesondert prüft, ob diese überhaupt die fakultative Strafrahmenverschiebung eröffnen, und dies sodann im Rahmen ihrer Ermessensausübung jeweils verneint.

Der BGH hat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und insoweit zurückverwiesen:

3. Hinsichtlich der Prüfungsreihenfolge beim minder schweren Fall weist der Senat auf Folgendes hin:

Es verfehlt die Prüfungsreihenfolge, wenn die Strafkammer – wie vorliegend geschehen – zunächst die Annahme eines minder schweren Falles allein aufgrund der allgemeinen Strafmilderungsgründe verneint, anschließend zugleich die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe des Versuchs und der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit einstellt, sodann unter Annahme beider Strafmilderungsgründe einen minder schweren Fall bejaht und im Anschluss daran für jeden Strafmilderungsgrund (entgegen § 50 StGB) gesondert prüft, ob diese überhaupt die fakultative Strafrahmenverschiebung eröffnen, und dies sodann im Rahmen ihrer Ermessensausübung jeweils verneint (hier: für § 21 StGB im Hinblick auf das Wissen des nur aus Luxus und Langeweile Alkohol konsumierenden Angeklagten um seine Neigung, in alkoholisiertem Zustand erhebliche Gewalttaten zu begehen; für § 23 StGB im Hinblick auf die Nähe zur Tatvollendung, weil es dem Opfer nur aufgrund seiner außergewöhnlichen Reaktionsfähigkeit gelungen war, den auf den Bauch geführten Messerstich des heranstürmenden Angeklagten abzuwehren [UA S. 5, 27]).

Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falls tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2017 – 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524; vom 7. März 2017 – 2 StR 567/16, Rn. 6 und vom 13. Oktober 2016 – 3 StR 248/16, Rn. 5, jeweils mwN). Bei Vorliegen eines zweiten gesetzlich vertypten Milderungsgrundes ist entsprechend zu verfahren und, soweit das Vorliegen eines minder schweren Falles bei Annahme nur eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes abzulehnen ist, der zweite vertypte Strafmilderungsgrund in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105 und vom 16. November 2017 – 2 StR 404/17, Rn. 2). Begründet erst das Hinzunehmen eines oder eines weiteren vertypten Strafmilderungsgrundes den minder schweren Fall, sind die vertypten Milderungsgründe für eine weitere Strafrahmenverschiebung verbraucht (§ 50 StGB; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27. Juli 1987 – 3 StR 308/87, NStZ 1987, 504).

Versagt der Tatrichter dagegen dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung aufgrund seines Ermessens gemäß § 21 StGB, obwohl eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit vorliegt, ist allerdings die Verminderung der Schuld infolge der verringerten Steuerungsfähigkeit nur bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu berücksichtigen (Eschelbach in BeckOK StGB, 41. Ed., § 21 Rn. 35). Entsprechendes gilt für § 23 StGB. Spiegelbildlich ist die verminderte Schuld im Rahmen der Prüfung des minder schweren Falles nur noch als allgemeiner Strafmilderungsgesichtspunkt und nicht mehr mit dem entsprechenden Gewicht als vertypter Strafmilderungsgrund einzustellen.“