Archiv der Kategorie: Urteil

Strafe I: Immer wieder Doppelverwertungsverbot, oder: Das Leid der Angehörigen bei einer Tötung

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Und heute dann Strafzumessung, und zwar einmal BGH und zweimal OLG.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 23.05.2023 – 2 StR 428/22. Das LG hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen die Revision. Der BGH hat wegen des Strafausspruchs „durchgreifende rechtliche Bedenken“. D.h.: Er hat aufgehoben:

„a) Soweit die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, des sich über einen langen, mehrere Stunden andauernden Tatzeitraums habe ihm – trotz seines eingeschränkten Konfliktbewältigungspotentials – zahlreiche Gelegenheiten geboten, von der Einwirkung auf seine Lebensgefährtin Abstand zu nehmen, besorgt der Senat, dass das Landgericht damit fehlerhaft dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt davon Abstand zu nehmen und damit vom Versuch der Tötung zurückzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 – 5 StR 467/19; ausf. mit weiteren Nachweisen zur Rspr. MK-Maier, StGB, 4. Aufl., § 46, Rn. 540). Das Landgericht beschränkt sich insoweit – wie die weitere Formulierung belegt, der Angeklagte habe sich über offenkundige, körperliche Ausfallerscheinungen hinweggesetzt, ohne sich hierdurch in seiner Tatbegehung beirren zu lassen – nicht lediglich darauf, das Tatunrecht in seiner konkreten Ausgestaltung in den Blick zu nehmen. Vielmehr würdigt es zu Lasten des zunächst mit Körperverletzungsvorsatz handelnden Angeklagten, dass dieser schließlich den Todeserfolg vorsätzlich herbeigeführt hat. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB.

b) Im Hinblick auf die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe seiner Tochter durch die Tat seine Mutter genommen, berücksichtigt es das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen. Dies stellt – wenn es sich nicht um besondere Auswirkungen der Tat handelt – keinen Strafschärfungsgrund dar (st. Rspr.; vgl. Senat, NJW 2017, 1253, 1255; zuletzt BGH, Urteil vom 4. April 2023 – 1 StR 488/22).

c) Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.“

StPO II: Grundloses Nichterscheinen des Zeugen, oder: Verletzung des Konfrontationsrechts?

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Und im zweiten Posting dann der BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 5 StR 126/23. Mit der Verfahrensrüge war vom Angeklagten gegen seine Verurteilung einer Verletzung des sog. Konfrontationsrecht geltend gemacht worden. Ohne Erfolg:

„Ergänzend dazu bemerkt der Senat:

Die Rüge einer Verletzung des Konfrontationsrechts ist jedenfalls unbegründet, weil – entgegen dem Revisionsvorbringen – die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung den Anforderungen entspricht, die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in solchen Konstellationen an die Beweiswürdigung gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16, NStZ 2018, 51, 52 f.). Danach gilt:

Allein das Fehlen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen eines Zeugen in der Hauptverhandlung lässt noch nicht auf ein gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK verstoßendes, unfaires Verfahren schließen (zu den Anforderungen vgl. EGMR Urteil vom 15. Dezember 2015 – 9154/10, EuGRZ 2016, 511, 520 ff.). Im Einzelfall kann eine Verurteilung auch dann konventionsrechtlich unbedenklich sein, wenn das einzige oder maßgebliche Beweismittel, auf dem sie beruht, die Aussage eines Zeugen darstellt, den der Angeklagte nicht befragen oder befragen lassen konnte. Von maßgeblicher Bedeutung ist, ob die unterbliebene Möglichkeit zur Befragung durch kompensierende Maßnahmen (zum Beispiel durch Anwesenheit des Verteidigers bei der Zeugenbefragung) ausgeglichen wurde. Ist dies nicht der Fall und die unterbliebene konfrontative Befragung des Zeugen der Justiz zurechenbar, kann eine Verurteilung auf die Angaben des Zeugen nur gestützt werden, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. In jedem Fall bedarf die Aussage eines Zeugen, den der Angeklagte nicht befragen (lassen) konnte, einer besonders sorgfältigen und kritischen Würdigung durch das Tatgericht (vgl. BGH, Urteile vom 4. Mai 2017 – 3 StR 323/16, NStZ 2018, 51, 53 mwN; vom 13. Januar 2022 – 3 StR 341/21, NStZ 2022, 496, 498 mwN).

Diesen strengen Anforderungen ist die Strafkammer gerecht geworden, indem sie die Angaben der den Angeklagten maßgeblich belastenden Zeugin kritisch gewürdigt und eine Glaubhaftigkeits- und Glaubwürdigkeitsanalyse vorgenommen hat. Dabei hat sie die Aussage bestätigende andere Beweismittel (insbesondere Tatortbefunde und die Angaben von Polizeibeamten, die die Zeugin letztlich aus der Tatsituation befreiten) in den Blick genommen und in einer Gesamtwürdigung mit der Einlassung des Angeklagten abgeglichen, die sie indes – ohne Rechtsfehler – als in wesentlichen Teilen unplausibel, im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen stehend, lebensfern und an die jeweilige Verfahrenslage angepasst gewertet hat.“

StPO I: Divergierende Urkundenübersetzungen, oder: Gibt es einen Erfahrungssatz „Weglaufen“?

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Und heute am Dienstag dann StPO-Entscheidungen. Alle Entscheidungen, die ich vorstellen werde, stammen vom BGH.

Ich beginne – zum Warmwerden – mit zwei „kleineren“ Entscheidungen des BGH, und zwar:

„Zwar kann es grundsätzlich einen Erörterungsmangel darstellen, wenn unterschiedliche Übersetzungen derselben Kommunikation als Urkunden in die Beweisaufnahme eingeführt werden und sich das Tatgericht mit erheblichen Abweichungen der verschiedenen Übersetzungen nicht befasst. Insoweit geht es der Sache nach nicht um allgemeine Zweifel an der Richtigkeit einer Übersetzung (s. dazu BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 3 StR 339/18, NStZ-RR 2019, 57), sondern um die fehlende Auseinandersetzung mit erhobenen Beweisen. Allerdings kann die Verfahrensrüge nach § 261 StPO („Inbegriffsrüge“), mit der die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung wegen der nicht erschöpfenden Würdigung des Beweismaterials gerügt wird, der Revision nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sich mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen eine Erörterung aufdrängen musste (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21, StV 2023, 293 Rn. 50 mwN). Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben. Insbesondere wird aus beiden Übersetzungen des – für die Beweiswürdigung nicht allein maßgeblichen – Gesprächs ohne weiteres deutlich, dass sich die Männerstimme im Hintergrund ebenso wie die Gesprächspartnerin im Zusammenhang mit den Taliban ersichtlich ablehnend äußert.“

Das Landgericht hat zur Widerlegung der vom Angeklagten behaupteten Notwehrlage in der Beweiswürdigung unter anderem ausgeführt, es entspreche „allgemeiner Lebenserfahrung“, dass ein zuvor Angegriffener froh sei, wenn sein Widersacher weglaufe und ihm so kein weiterer Übergriff drohe. Aus dem von Zeugen beobachteten Verfolgen des Opfers durch den Angeklagten hat es anschließend gefolgert, dass dies gegen den vom Angeklagten behaupteten vorherigen Angriff des Verletzten spreche.

Zwar bestehen Bedenken gegen einen etwaigen Erfahrungssatz dieser Art. Der Senat schließt angesichts der übrigen rechtsfehlerfreien Erwägungen des Landgerichts aber aus, dass die Ablehnung der Notwehrlage auf der bezeichneten Wendung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).“

Verkehrsrecht III: Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Dichtes Auffahren des Hintermannes

Und als dritte Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 02.08.2023 – 3 ORbs 158/23 – 122 Ss 71/23. Am Aktenzeichen erkennt man, dass die Entscheidung ein OWi-Verfahren betrifft.

Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Polizei Berlin hat mit Bußgeldbescheid v gegen den Betroffenen wegen einer innerörtlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 38 km/h (erlaubt: 50 km/h) eine Geldbuße von 260 Euro verhängt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Dagegen der Einspruch. Das AG hat dann in seinem Urteil nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/ für erwiesen angesehen. In der Beweiswürdigung heißt es insoweit:

„Auf dem Tatvideo ist zu erkennen, dass der Betroffene zunächst gleichbleibend mit einer Geschwindigkeit von etwa 75 Stundenkilometern auf der äußerst rechten Fahrspur fährt, als ein in der mittleren Fahrspur fahrendes Klein-fahrzeug in dem Moment in die rechte Fahrspur wechseln wollte, als sich der Betroffene mit seinem Fahrzeug auf Höhe dieses Fahrzeugs befand, musste das Kleinfahrzeug ruckartig in die mittlere Fahrspur zurücklenken und der Betroffene sein Fahrzeug kurz abbremsen. Dabei ist zu erkennen, dass das messende Polizeifahrzeug so dicht auf den vom Betroffenen geführten PKW auffährt, dass zwar noch das Kennzeichen zu erkennen ist, nicht jedoch der untere hintere Karosserieabschluss des Fahrzeugs des Betroffenen. Nach einem Abbremsen beschleunigte der Betroffene dann das Fahrzeug und fährt über die mittlere in die äußerst linke Fahrspur ein, wobei er das Fahrzeug stark beschleunigt. Ebenfalls ist auf dem Tatvideo zu erkennen, dass die Beschleunigung vom Messwert 1.540 bis 1.600 Meter andauert und der Betroffene sodann die von ihm gefahrene Geschwindigkeit verringert, ohne das Fahrzeug abzubremsen. Während des Spurwechsels von der äußerst rechten in die äußerst linke Fahrspur und eine kurze Fahrtstrecke auf der äußerst linken Fahrspur verringert sich der Abstand des hinterherfahrenden Fahrzeugs nicht. Erst als der Betroffene das Fahrzeug ohne Abbremsung des Fahrzeugs die Geschwindigkeit verringert und schließlich in die äußerste rechte Fahrbahn wechselt, wird der Abstand zum Polizeifahrzeug deutlich größer.“

Dagegen die Rechtsbeschwerder der Amtsanwaltschaft, die beim KG Erfolg hatte:

„1. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils enthalten keinerlei Ausführungen zur inneren Tatseite. Ob sich dies im hier gegebenen Fall einer innerorts fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits als durchgreifender und zur Aufhebung des Urteils führender Rechtsfehler erweist, kann offenbleiben. Denn auch die Beweiswürdigung ist unzureichend.

2. So stehen die Feststellungen im Widerspruch zu den erhobenen Beweisen. Während es bei den Feststellungen heißt, der Betroffene habe die zulässige Geschwindigkeit „um 25 Stundenkilometer“ überschritten, heißt es bei der Beweiswürdigung, der Betroffene habe, ausgehend von einer Geschwindigkeit von 75 km/h, noch „weiter beschleunigt“ (UA S. 3). Bei den Feststellungen, jedenfalls aber bei der Beweis-würdigung, müsste sich somit der über 75 km/h liegende Wert finden, den das Amtsgericht für objektiv erwiesen erachtet. Dies gilt auch für den Fall, dass das Amtsgericht diesen Wert für „nicht vorwerfbar“ (UA S. 4) hält. Denn nur, wenn die vom Betroffenen tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mitgeteilt wird, kann das Rechtsbeschwerdegericht die Würdigung des Tatrichters überprüfen, ob der Wert auch „vorwerfbar“ ist.

3. Auch bleibt gänzlich unklar, auf welcher Grundlage das Amtsgericht zum Ergebnis gekommen ist, dass der Betroffene die zulässige Geschwindigkeit um – nur – 25 km/h überschritten hat. Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, dass der Betroffene von einem Polizeifahrzeug verfolgt worden ist; offenbar ist die Geschwindigkeit also durch Nachfahren bestimmt worden.

a) Das Amtsgericht teilt nicht mit und nimmt für seine schriftlichen Urteilsgründe da-mit nicht in Anspruch, dass die Geschwindigkeit durch ein zugelassenes und geeichtes Messgerät bestimmt worden ist. Dem Urteil ist weder die Bezeichnung eines bestimmten Messverfahrens zu entnehmen noch die Veranschlagung eines bei diesem Messverfahren angezeigten Toleranzabzugs. Die Beweiswürdigung kann damit auch die Vereinfachungen, die für standardisierte Messverfahren gelten (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2023 – 2 BvR 1167/20 – [juris]), nicht beanspruchen. Die Beweise müssen somit in einer Weise dargelegt und gewürdigt werden, die es dem Rechtsbeschwerdegericht erlaubt, die Überzeugungsbildung des Tatgerichts nachvollziehen (vgl. Senat DAR 2015, 99). Dies ist hier nicht geschehen.

b) Die Beweiswürdigung enthält schon keine Angaben zur Messstrecke. Zwar ist der rechtlichen Würdigung zu entnehmen, dass es eine „Gesamtmessstrecke von ca. 1.600 Metern“ (UA S. 4) gegeben habe. Allerdings enthält das Urteil keine konsistenten Angaben zu dem vom verfolgenden Polizeifahrzeug während des gesamten Messvorgangs eingehaltenen Abstand (vgl. zum sog. Verfolgungsabstand grundlegend Senat DAR 2015, 99). Die Beweiswürdigung enthält lediglich eine kurze Sequenz dazu, dass das Polizeifahrzeug einmal dicht aufgefahren sei und dass sich der Abstand später „nicht verringert“ habe (UA S. 3). Zur Höhe des festgestellten Bruttowerts, also dem auf dem Tachometer des Polizeifahrzeugs abgelesenen Wert, verhält sich das Urteil ebenso wenig wie zum abgezogenen Toleranzwert. Auch ver-schweigt das Urteil, ob der Tacho des verfolgenden Fahrzeugs geeicht war, was in aller Regel von Bedeutung für den zu veranschlagenden Toleranzabzug ist. Die An-forderungen an einen durch Nachfahren gewonnen Nachweis der Geschwindigkeit verfehlt das Urteil damit auf ganzer Linie.

4. Fehl geht auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung dargestellte Überlegung, eine – möglicherweise tatsächlich festgestellte, aber im Urteil nicht belegte – Geschwindigkeitsüberschreitung von 38 km/h sei dem Betroffenen „nicht vorzuwerfen“, weil „diese lediglich über eine Geschwindigkeit [gemeint offenbar: Strecke] von nicht einmal 200 Metern bei einer Gesamtmessstrecke von ca. 1600 Metern andauerte“ und der Betroffene sich bedrängt gefühlt habe (UA S. 5). Möchte das Amtsgericht hier andeuten, der Betroffene sei mit der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 38 km/h wegen dichten Auffahrens des nachfolgenden Polizeifahr-zeugs gerechtfertigt oder entschuldigt, so hat es nicht nur das äußere Geschehen aufzuklären und darzustellen, sondern auch die subjektive Seite mitzuteilen und zu erörtern. Denn einen Rechtssatz, eine Annäherung des nachfolgenden Fahrzeugs erlaube eine – zumal drastische – Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, gibt es nicht. Hält das Amtsgericht eine Geschwindigkeitsüberschreitung gleich-wohl für „nicht vorwerfbar“, so hat es die konkreten Umstände in tatsächlicher Hin-sicht darzustellen und in rechtlicher Hinsicht einzuordnen. Dies gilt umso mehr, als hier wohl die Überschreitung um 25 km/h für „vorwerfbar“ gehalten wird, nicht aber die überschießenden 13 km/h. Im Übrigen lassen weder die Feststellungen noch die Beweiswürdigung einen örtlichen, zeitlichen oder gar inneren Zusammenhang zwischen einem „dichten“ Auffahren des Polizeifahrzeugs und der erheblichen Geschwindigkeit des Betroffenen erkennen.“

Und dann – unschön für den Betroffenen – noch:

„5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zu neuer Ver-handlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Informatorisch teilt der Senat mit, dass die Messung hier offenbar mit einem als standardisiert anerkannten Messverfahren (ProVida mit Auswertung durch ViDistA, vgl. Senat VRR 2022, Nr. 3 [Volltext bei juris]) vorgenommen wurde und die festgestellte Durchschnittsgeschwindigkeit über 271 Meter 88 km/h betrug. Bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% kommt, sofern nicht besondere Umstände eine ab-weichende Wertung veranlassen, regelmäßig nur Vorsatz in Betracht (ständige Rspr. des Senats, vgl. zuletzt VRR 2019, Nr. 8 [Volltext bei juris] m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 2/2020 Anm. 5).“

Verkehrsrecht I: Lebenslange Fahrerlaubnissperre, oder: Erforderlichkeit einer eingehenden Begründung

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Und heute dann drei verkehrsrechtliche Entscheidungen.

Ich mache den Opener mit dem BGH, Beschl. v. 18.07.2023 – 4 StR 42/23. Das LG hatte gegen den Angeklagten eine lebenslange Sperre für die (Wieder)Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Dem BGH hat das nicht gefallen:

„Die Anordnung einer lebenslangen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Eine solche bedarf stets besonders sorgfältiger Prüfung und erschöpfender Begründung. Sie setzt voraus, dass eine Sperre von fünf Jahren zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Bei charakterlichen Mängeln – wie vorliegend – kommt sie in der Regel nur bei Fällen schwerster Verkehrskriminalität in Betracht; so z.B. bei chronischer Trunkenheitsdelinquenz und sonsti-ger auf fest verwurzeltem Hang beruhender Verkehrsdelinquenz, bei mehreren Vorstrafen und mehrfacher Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1961 – 4 StR 546/60, BGHSt 15, 393, 398; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 5 RVs 176/18, SVR 2019, 268, 269 f.; OLG Köln, Be-schluss vom 18. Mai 2001 – Ss 102/01, NJW 2001, 3491, 3492; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 69a Rn. 22 a).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn sie lassen schon nicht erkennen, ob sich das Landgericht der vorgenannten besonderen Begründungserfordernisse, die an die Verhängung einer lebenslangen Sperre gestellt werden, bewusst war. Auch fehlt eine solche eingehende Begründung. Das Urteil erschöpft sich in der Ausführung, dass wegen der seit Jahren eingeschliffenen und einer therapeutischen Einwirkung kaum zugänglichen dissozialen Einstellungs- und Verhaltensmuster des Angeklagten – auch in der anstehenden mehrjährigen Haftzeit – das Ende seiner fehlenden Eignung innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist einer zeitigen Sperre von fünf Jahren nicht ab-sehbar und somit nicht zu erwarten sei, dass die Anordnung der gesetzlichen Höchstfrist zur Abwehr der von ihm drohenden Gefahren ausreichen werde. Indes hätte es angesichts fehlender erheblicher Vorverurteilungen des vergleichs-weise jungen Angeklagten wegen Verkehrsdelikten sowie mangels wiederholter Entziehungen der Fahrerlaubnis insoweit näherer Ausführungen bedurft.“