Archiv der Kategorie: Straßenverkehrsrecht

OWi II: Sichtbarkeitsgrundsatz beachtet oder verletzt?, oder: Es kommt auf den Einzelfall an

Bild von Felix Müller auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann ein schon etwas älterer Beschluss des OLG Frankfurt am Main. Es handelt sich um den OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 28.08.2023 – 3 ORbs 165/23.

Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung – Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 72 km/h auf der  A 3, geandet mit einer Geldbuße von 600,- EUR sowie einem Fahrverbot von drei Monaten – frei gesprochen.

Begründung: Die vor der Messstelle angebrachten Beschilderung bei km 151.250 verstoße gegen den Sicherbarkeitsgrundsatz, so dass sie als unwirksam zu betrachten sei. Insoweit hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Bis zur Messstelle bei km 151.990 hatte der Betroffene auf der A 3 folgende Verkehrszeichen zu passieren:

– Km 150,100 : Verkehrszeichen 274 mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h und ein sich unmittelbar darunter befindliches Zusatzzeichen im Sinne des § 39 Abs. 3 StVO (weißer Grund, schwarzer Rand, schwarze Schrift mit der Zeitangabe 22 bis 6 h, 1040-30 VZKat)

– Bei Km 151,200: an jeweils zwei Masten (links und rechts neben den drei Fahrspuren der Autobahn angebracht) senkrecht über-/untereinander zwei Verkehrszeichen (274) mit jeweils einem Zusatzeichen i.S.d. § 39 Abs. 3 StVO wie folgt angebracht:

— Ganz oben ist das Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit für alle drei Fahrspuren auf 120 km/h begrenzt. Darunter ein sich auf dieses Verkehrszeichen beziehendes Zusatzzeichen (weißer Grund, schwarzer Rand, schwarze Schrift mit der Zeitangabe 6 bis 22 h, 1040-30 VZKat).

— Darunter Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen drei Fahrspuren auf 100 km begrenzt, darunter erneut ein Zusatzzeichen, diesmal mit einer Zeitangabe 22-6 h (1040-30 VZKat).

Nach der Messstelle findet sich bei km 152.200 eine weitere Beschilderung mit dem Verkehrszeichen 274, welches die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen drei Fahrspuren auf 120 km/h begrenzt. Darunter befindet sich das Verkehrszeichen 278, welches die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h aufhebt mit dem darunter befindlichen Zusatzzeichen Zeitangabe 22-6 h (1040-30 VZKat).“

Das AG sieht diese auf einem Autobahnabschnitt von ca. 2.1 km mehrfach angeordneten unterschiedlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen als irreführend und mit einem „raschen und beiläufigen Blick“ nicht mehr als erfassbar an. Überdies ist es der Auffassung, dass diese Form der Beschilderung nicht mehr mit den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vereinbar ist.

Dagegen die Rechtsbeschwerde der GStA, die u.a. Folgendes ausgeführt hat:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu folgendes ausgeführt:

„Ziffer 11 a) der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO regelt, dass Häufungen von Verkehrszeichen zu vermeiden sind, weil die Bedeutung von Verkehrszeichen bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zweifelsfrei erfassbar sein muss. Am gleichen Pfosten oder sonst unmittelbar über- oder nebeneinander dürfen nicht mehr als drei Verkehrszeichen angebracht werden; bei Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr kann bei besonderem Bedarf abgewichen werden.

Auch Zusatzzeichen sind gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO Verkehrszeichen. Die Häufung bei der Verwendung von Verkehrs- und Zusatzzeichen ist bereits durch § 39 Abs. 3 S. StVO vorgegeben, wonach Zusatzschilder immer direkt unter dem Verkehrsschild, das sie betreffen, anzubringen sind. Für Zusatzzeichen wird Ziffer 11 a) der Verwaltungsvorschrift durch Ziffer 16 der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO zudem dahingehend konkretisiert, dass mehr als zwei Zusatzzeichen an einem Pfosten, auch zu verschiedenen Verkehrszeichen, nicht angebracht werden sollten und die Zuordnung der Zusatzzeichen zu den Verkehrszeichen eindeutig erkennbar sein muss. Damit geht auch der Verordnungsgeber davon aus, dass jedenfalls mindestens zwei Verkehrszeichen mit Jeweils zwei Zusatzzeichen versehen werden können. Dass Zusatzzeichcn nicht vollständig mit Verkehrszeichen gleichzusetzen sind, folgt auch aus Sinn und Zweck des Sichtbarkeitsgrundsatzes. Die Anforderungen an einen Kraftfahrer bei der Wahrnehmung von Schildern, die einen einheitlichen Regelungsgehalt haben, und darum handelt es sich grundsätzlich bei Verkehrszeichen in Verbindung mit Zusatzzeichen, sind schon wesentlich geringer, als bei Verkehrszeichen mit völlig unterschiedlichem Regelungsgehalt. Bei den hier zu beurteilenden zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen mit jeweils einem konstitutiven Zusatzzeichen handelt es sich um eine einheitliche, wenn auch etwas komplexere Regelung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, die anders gar nicht möglich war und nicht gegen die einschlägigen Vorgaben verstieß. Bei den durch Verwaltungsvorschrift getroffenen Vorgaben handelt es sich zwar nicht um Rechtsvorschriften, diese binden aber grundsätzlich die nachgeordneten Behörden und stellen für die gerichtliche Entscheidung eine Auslegungshilfe dar (BVerwG, Urteil vom 13.03.2008, 3 C 18/07).

Inwieweit den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes genügt wurde, ist letztlich von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016, 3 C 10/15; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.11.2021, 2 Ss OWi 646/21). Hier ließ die konkret angestrebte Verkehrsregelung, nämlich unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen für unterschiedliche Tageszeiten, keine andere Beschilderungsmöglichkeit zu. Dies erkennt auch das Amtsgericht, das argumentiert, zwar sei die an der Messstelle geltende Beschilderung „für sich alleine genommen noch vereinbar mit dem Grundsatz der Sichtbarkeit“ (UA S. 3), so dass es sich nicht um eine unnötige Häufung von Verkehrsschildern an einem einzelnen Mast, sondern eine solche bezogen auf den gegenständlichen Streckenabschnitt handele (UA S. 6). Es bestehe nämlich für den Verkehrsteilnehmer nicht die Möglichkeit, die Bedeutung der Verkehrszeichen in der aufeinanderfolgenden Reihenfolge zu erfassen, diese führten vielmehr zu „Verwirrung“ (UA S. 6).

Diese Argumentation ist nicht haltbar. Denn die angebliche Häufung von Verkehrszeichen sieht das Amtsgericht darin, dass ca. 1.1 km vor der hier maßgeblichen Geschwindigkeitsbegrenzung bereits eine Geschwindigkeitsbeschränkung (nur) für die Nachtzeit erfolgt war und etwa einen weiteren Kilometer nach der hier geltenden Anordnung weitere Regelungen erfolgten (UA S. 3, 4, 6). Hierbei verkennt das Amtsgericht, dass der Betroffene an der Messstelle von der späteren Beschilderung gar nicht verwirrt gewesen sein konnte, weil er sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wahrgenommen hatte. Die spätere Beschilderung ist damit für den hier zu beurteilenden Sachverhalt völlig unbeachtlich. Für den Betroffenen gab es lediglich die erste Beschränkung auf 120 km/h für die Nachtzeit und sodann die der [xxx]Messung zugrundeliegende Beschränkung mit unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten für die Tag- und die Nachtzeit.

Auch wenn 1.1 km zuvor lediglich eine Beschränkung für die Nachtzeit erfolgt war, tagsüber also keine Geschwindigkeitsbegrenzung galt, hatte der Betroffene jedenfalls ab km 151.250 Anlass, seine gefahrene Geschwindigkeit zu reduzieren, weil ihm auch bei einem beiläufigen Blick erkennbar war, dass nun eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h galt. Unter Zugrundelegung der Argumentation des Amtsgerichts könnte sich ein Verkehrsteilnehmer ansonsten jedes Mal, wenn nach einer Strecke ohne Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Anordnung erfolgt, auf den angeblichen „Gewöhnungseffekt“ (UA S. 4) berufen und behaupten, es sei ihm nicht gelungen, die neue „Information hinreichend schnell und zutreffend zu verarbeiten“ (UA S. 4). Hier lässt das Amtsgericht vor allem außer Acht, dass ein Kraftfahrer so zu fahren hat, dass er Verkehrszeichen jederzeit wahrnehmen und beachten kann, was auch und insbesondere für geschwindigkeitsbeschränkende Verkehrszeichen, bei denen es sich auf einer Autobahn weder um seltene noch überraschende Anordnungen handelt, gilt. Da sich die Messstelle erst 700 m nach der Anordnung befand, hatte der Betroffene auch ausreichend Zeit, seine Geschwindigkeit zu reduzieren, zumal eine Geschwindigkeitsbegrenzung von dem entsprechenden Schild an zu beachten ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.01.2001, 2 Ws (B) 582/00 OWiG, juris).

Ob und welche Angaben zur Sache der Betroffene in der Hauptverhandlung gemacht hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen, die ausschließlich auf die vermeintliche Unwirksamkeit der getroffenen Anordnung abstellen, nicht. Jedenfalls kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, den Sinngehalt dieser Schilder überhaupt nicht erfasst zu haben. Selbst, wenn die konkrete Zeitregelung für ihn – möglicherweise aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit – nicht unmittelbar erkennbar gewesen sein sollte, musste er doch wahrgenommen haben, dass die Schilder Höchstgeschwindigkeiten von 100 bzw. 120 km/h für verschiedene Zeiten anordneten und deshalb eine Verringerung der gefahrenen Geschwindigkeit von 192 km/h jedenfalls auf 120 km/h erforderten.

Dass das Messprotokoll nicht sämtliche an der Messstelle gültigen Verkehrszeichen aufführt (UA S. 2 f.), beeinträchtigt weder die Gültigkeit der Anordnung noch die Richtigkeit der Messung. Denn es wurde der Messung und dem Protokoll jedenfalls die zum Tatzeitpunkt gültige Geschwindigkeitsbegrenzung zugrunde gelegt, bei der es sich im Übrigen auch um die dem Betroffenen günstigere handelt.

Soweit der erkennende Richter auf die seiner Meinung nach fehlende Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der Anordnungen in ihrer Gesamtheit bezogen auf den Streckenabschnitt von km 150.100 bis km 152.200 abstellt (UA S. 6), verkennt es seinen Prüfungsmaßstab und ist diese Argumentation unbeachtlich.“

Diesen ausführlichen und überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ergänzend merkt er lediglich an, dass auch die weitere Argumentation des Amtsgerichts, die vermeintliche Häufung der von der Messstelle km 151.990 erfassten Geschwindigkeitsverstöße sei auf eine „Irreführung“ der Verkehrsteilnehmer durch eine „nicht ordnungsgemäße“ Beschilderung zurückzuführen, die Entscheidung nicht trägt. Hierbei handelt es sich um eine nicht tatsachenbelegte Vermutung, kann der Anstieg von Geschwindigkeitsverstößen auch gänzlich andere Ursachen haben. Ausweislich der für den Senat durch die wirksame Bezugnahme auf das Lichtbild Bl. 9 zugänglichen Inaugenscheinnahme des maßgeblichen Streckenabschnitts mit Beschilderung handelt es sich um eine gerade übersichtliche Passage, bei der die deutlich sichtbaren, nach Tages-/Nachtzeit gestaffelten und in ihrer Bedeutung ohne weiteres erfassbaren Geschwindigkeitsbegrenzungen von Autofahrern erfahrungsgemäß auch mangels Regelakzeptanz schlichtweg um des eigenen schnellen Fortkommens ignoriert werden können.“

OWi I: Halter nicht automatisch Parkverstoßtäter, oder: Das ist keine „Revolution“, sondern h.M.

Bild von WikiImages auf Pixabay

Heute dann noch einmal OWi-Entscheidungen. Grund ist der BVerfG, Beschl. v. 17.05.2024 – 2 BvR 1457/23 -, der seit gestern ja über die Ticker läuft und heute dann auch in der Tagespresse angekommen ist.

Folgender, alltäglicher, Sachverhalt: Gegen den Betroffenen wird wegen eines Parkverstoßes eine Geldbuße in Höhe von 30 EUR festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein.  In der darauf stattfindenden Hauptverhandlung schweigt der Betroffene. Das AG verurteilt ihn. Im Urteil wird ausgeführt, der Betroffene habe geschwiegen. Die Feststellungen zur Person basierten auf den Angaben im Bußgeldbescheid, die der Betroffene bestätigt habe, und auf der verlesenen Auskunft des Fahreignungsregisters. Die Feststellungen zur Sache beruhten auf den verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, den Lichtbildern sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei.

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der damit begründet worden ist, dass der Rückschluss auf den Betroffenen als Nutzer des Fahrzeugs allein aus der Haltereigenschaft fehlerhaft sei, hat das OLG Köln mit Beschl. v. 12.9.2023 – III-1 ORbs 292/23 – als unbegründet verworfen. Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„1. Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

a) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den konkreten Fall sind zwar Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt jedoch unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; stRspr). Ein solcher Verstoß gegen das Willkürverbot liegt bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 74, 102 <127>; 83, 82 <84>; 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr). Dieser Maßstab gilt auch für die verfassungsrechtliche Überprüfung der von den Fachgerichten vorgenommenen Beweiswürdigung und der von ihnen getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. BVerfGE 4, 294 <297>; 96, 189 <203>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. März 2023 – 1 BvR 1620/22 -, Rn. 10 m.w.N.).

b) Gemessen daran verstößt das Amtsgericht mit der angegriffenen Entscheidung gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Willkürverbot. Das angegriffene Urteil enthält keinerlei Ansätze sachgerechter Feststellungen und Erwägungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers, auf die bei einer Verurteilung nicht verzichtet werden kann.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 13 Variante 3 StVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über Parkscheiben nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 StVO verstößt. Das Amtsgericht hat seine Feststellungen zur Sache allein auf die verlesenen Angaben im Bußgeldbescheid, auf Lichtbilder des Fahrzeugs sowie auf den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer der Halter des in Rede stehenden Fahrzeugs sei. Damit hat das Amtsgericht zu dem Verkehrsverstoß, der dem Beschwerdeführer angelastet wird, in seiner Person weder ein aktives Tun noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt. Die Angaben im Bußgeldbescheid – wie auch die Lichtbilder, die allein das Fahrzeug des Beschwerdeführers zeigen – haben bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer das Fahrzeug bei der bestimmten Fahrt auch tatsächlich geführt hat, keinerlei Aussagekraft. Der Beschwerdeführer hat zu dem ihn betreffenden ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorwurf geschwiegen. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Halter des in Rede stehenden Pkws ist, darf bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens nicht auf dessen Täterschaft geschlossen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 – 2 BvR 843/93 -, juris, Rn. 12; BGHSt 25, 365 <367 ff.>; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 20. November 1973 – 2 Ss OWi 1374/73 -, NJW 1974, S. 249; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2020 – IV-2 RBs 1/20 -, juris, Rn. 5 ff.; Fromm, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, § 61 OWiG Rn. 1; Tiemann, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 261 StPO Rn. 57).“

Angesichts der dargestellten zwischenzeitlich einhelligen Auffassung in Literatur und fachgerichtlicher Rechtsprechung zum unzureichenden Beweiswert der Haltereigenschaft als solcher ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei sachgerechter Verfahrensweise und bei Zugrundelegung sachgerechter Erwägungen zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre.“

Ich kann die Aufregung nicht so ganz verstehen. Die „Bild“ meinte gestern, titeln zu müssen: „Neuer-Richter-Beschluss: Knöllchen-Revolution für alle Autorfahrer“. Geht es noch oder: Kann man mal bitte einen Gang zurückschalten. Denn was ist an dem Beschluss bzw. der Aussage des BVerfG „neu“ und was ist bitte die „Revolution“? „Revolution“ ist „ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt.“ Das sehe ich nun wirklich nicht. Das BVerfG rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot, nämlich das Abweichen von einer h.M., wonach allein die Haltereigenschaft nicht ausreicht, um die Täterschaft zu begründen. Das ist, wie die zitierte Rechtsprechung zeigt, nun wirklich nicht, neu. Also warum die Welle?

Ich kenne genügend andere Stellen, an denen das BVerfG eine „Revolution“ hätte beginnen können. Ich sage nur „Messverfahren“.

 

 

OWI III: Beschluss ohne Gründe im Beschlussverfahren, oder: Nachholung der Begründung

© Gerhard Seybert – Fotolia.com

Und im dritten Posting dann noch etwas Verfahrensrechtliches, nämlich etwas zum Beschlussverfahren (§ 72 OWiG). Entschieden hat das OLG Oldenburg über einen AG-Beschluss im Verfahren nach § 72 OWiG, der keine Gründe hatte. Das OLG hat im OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.11.2023 – 2 ORbs 194/23  – aufgehoben:

„Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1200,- € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monat gegen ihn festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Der Beschluss der dem Betroffenen am 29.8.2023 zugestellt worden ist, hat keine Gründe aufgewiesen. Gemäß § 72 Abs. 6 Satz 2 OWiG kann das Amtsgericht nur dann von eigenen Ausführungen in den Gründen seines Beschlusses absehen und auf den Inhalt des Bußgeldbescheides verweisen, wenn gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG die am Verfahren Beteiligten auf eine Begründung verzichtet haben. Ein solcher Verzicht ist zwar durch den Verteidiger erklärt worden. Allerdings wären die Gründe nach Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG auch in diesem Fall nachzuholen gewesen, was nicht geschehen ist.

Die fehlenden Gründe sind vom Senat bei erhobener Sachrüge zu berücksichtigen; einer Verfahrensrüge bedarf es insoweit nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9.5.2019, 4 RBs 144/19; KG, Beschluss vom 16.1.2019, 3 Ws(B) 312/18; BayObLG, Beschluss vom 25.9.2019, 202 ObOwi 1845/19, jew. juris).

Es fehlt mithin an einer tragfähigen Grundlage, die es dem Rechtsbeschwerdegericht ermöglicht, den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch zu überprüfen, so dass der Beschluss keinen Bestand haben kann. Anders wäre es bei einer hier nicht gegebenen Zulassungsrechtsbeschwerde.“

OWi I. Messprotokoll ohne eigenhändige Unterschrift, oder: Standardisiertes Messverfahren?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann auf in einen OWi-Tag, den ich mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.05.2024 – 1 (Ss) OWi Ws 12/24 – eröffne. Es geht u.a. um die Verlesung eines Messprotokolls ohne Unterschrift.

Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine Geldbuße in Höhe von 150 EUR festgesetzt. Dabei stützt sich das AG auf die Annahme einer mittels standardisiertem Messverfahren festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung.

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde verworfen. Ein Zulassungsgrund i.S.d. § 80 Abs. 1 OWiG liegt nach Auffassung des OLG nicht vor. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen einer vom Verteidiger des Betroffenen ausdrücklich geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) sei nicht geboten. Dazu führt das OLG u.a. aus:

„Soweit die Verteidigung vorbringt, das Messprotokoll enthalte keine Angaben zur Eichung des Messgerätes, ist dies, wie bereits dargelegt, unzutreffend.

Auch darin, dass die bei der Verfahrensakte befindliche Ausfertigung des Messprotokolls elektronisch erstellt wurde und keine eigenhändigen Unterschriften der mit Namenswiedergabe benannten Messbeamten trägt, liegt keine durchgreifende Abweichung von der Betriebsanleitung oder sonstigen, gar gesetzlichen Vorgaben, die die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens und der damit verbundenen Beweis- und Darlegungserleichterungen hätte entfallen lassen oder zur Vernehmung der Messbeamten hätte Anlass geben können.

Der Senat vermag dem mit der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen Inhalt der Betriebsanleitung bereits nicht sicher zu entnehmen, dass die danach zwingenden Angaben nicht bloß die in dem in der Betriebsanleitung abgedruckten Muster enthaltenen inhaltlichen Daten und Informationen umfassen. Zweifel daran, dass allein der Darstellung eines mit „Unterschrift“ unterschriebenen Platzhalters im Musterprotokoll der Betriebsanleitung zu entnehmen ist, dass die Betriebsanleitung zwingend eine eigenhändige Unterschrift auch bei elektronischer Erstellung des Messprotokolls fordert, sind bereits deshalb veranlasst, weil die Form des Protokolls ausweislich des von der Verteidigung zitierten Inhalts der Betriebsanleitung ausdrücklich freigestellt ist. Im Übrigen stellen Abweichungen von Vorgaben der Betriebsanleitung des Geräteherstellers das Vorliegen eines sog. standardisierten Messverfahrens jedenfalls dann nicht in Frage, wenn die Möglichkeit einer fehlerhaften Messung ausgeschlossen ist (vgl. BayObLG NZV 2023, 271). Inwieweit die elektronische Erstellung eines Messprotokolls ohne eigenhändige Unterzeichnung durch die Messbeamten die Korrektheit der Messung berühren soll, ist nicht ersichtlich.

Auch die für den hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung des Messbeamten maßgebliche Eignung des Messprotokolls zu seiner eine solche Vernehmung ersetzenden Verlesung ist allein dadurch, dass das Messprotokoll nicht unterschrieben, sondern elektronisch mit Wiedergabe der Namen der zuständigen Messbeamten erstellt ist, nicht in Zweifel gezogen. Ein Messprotokoll stellt eine Erklärung über eine Ermittlungshandlung dar, die gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden kann (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 OWi 6 SsRs 27/18 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Eine besondere (Unterschrifts-)Form erfordert § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 330/18 –, juris). Da aufgrund der Namenswiedergabe der zuständigen Messbeamten in dem elektronisch erstellten Protokoll erkennbar ist, auf wessen Erkenntnissen und Auswertungen die in dem Protokoll niedergelegten Daten und Erkenntnisse beruhen, bestehen keine Zweifel an der Urheberschaft und der Authentizität.  Beweis-, Garantie- und Identifizierungsfunktion sind insoweit gewahrt, dass erkennbar ist, dass es sich um ein von dem nach der inneren Organisation der Behörde zuständigen Amtswalter mit Wissen und Wollen in den Rechtsverkehr gebrachtes Dokument handelt.

Eine fachgesetzliche Regelung, die darüber hinaus eine eigenhändige Unterzeichnung verlangt, ist nicht ersichtlich. Ein Unterschrifterfordernis folgt insbesondere nicht aus dem Verwaltungsverfahrensrecht. Anderes folgt im vorliegenden Verfahren auch nicht daraus, dass das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ein Unterschrifterfordernis aus dem hessischen Verwaltungsverfahrensrecht abgeleitet und angenommen hat, dass Messprotokolle, die entgegen § 37 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG nicht vom Messbeamten eigenhändig unterzeichnet sind, nicht geeignet sein sollen, die Vernehmung des Messbeamten zum Beweis der Tatsache eines den Vorgaben des Gesetzes, der Betriebsanleitung und den Verwendungsvorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entsprechenden Messvorgangs durch Verlesung des Messprotokolls zu ersetzen, ohne den Anspruch eines die fehlende Unterzeichnung rügenden Betroffenen auf rechtliches Gehör zu verletzten (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20. Dezember 2023 – 3 Orbs 289/23 –). Dem hessischen Landesrecht kommt keine Bedeutung für den vorliegenden Fall zu, weshalb weder der Einzelrichter zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung des § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG, noch der Senat zu einer Vorlage gem. § 121 GVG gehalten war.

Dabei kann dahinstehen, ob einem Messprotokoll inhaltlich überhaupt eine Regelungswirkung innewohnt und damit dem Grunde nach Verwaltungsaktcharakter zukommt (vgl. kritisch Kreiner, jurisPR-StrafR 6/2024 Anm. 3). Stellt sich die Erstellung des Messprotokolls bereits als Tätigkeit der Verwaltungsbehörde zur Ahndung und Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 35 OWiG dar, handelt es sich nicht um die verwaltungsmäßige Ausführung von Bundes- und Landesgesetzen, sondern um die Anwendung des Gesetzes auf einen „Unrechts- oder Pflichtwidrigkeitstatbestand“ (vgl. BVerfGE 4, 74, 92?f.; KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl. 2018, OWiG § 2 Rn. 5). Diese ist dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze von vornherein entzogen. In Übereinstimmung damit nimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG ebenso wie es § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG auch für den Bereich des Bundesrechts anordnet, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, mithin die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden nach § 35 OWiG deklaratorisch von der Anwendung des Saarländischen Verwaltungsverfahrensgesetzes aus; es gilt allein die Verfahrensordnung des Ordnungwidrigkeitengesetzes und der Strafprozessordnung (vgl. zum Bundesrecht Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 2 Rn. 78). Für diese gilt aber, wie bereits dargelegt, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei der Verlesung von Erklärungen über eine Ermittlungshandlung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO kein Unterschriftserfordernis (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 330/18 –, juris). Ist die Erstellung des Messprotokolls hingegen noch als Teil präventiv-polizeilicher Verkehrsüberwachung einzuordnen (zur Zuordnung der Einrichtung von Geschwindigkeitsmessstellen als Teil präventiv-polizeilicher Verkehrsüberwachung vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Februar 1992 – 2 Ws (B) 91/92 OWiG –, juris; OLG Stuttgart, NZV 1990, 439) und damit dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes bzw. des Landes unterworfen (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 2 Rn. 80 und 113), bedürfte ein solcher Verwaltungsakt nach hier maßgeblichem Landesrecht, für dessen Inhalt und Auslegung dem hessischen Landesrecht ebenfalls keine Bedeutung zukommt, einer eigenhändigen Unterschrift des Messbeamten gleichfalls nicht. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 SVwVfG muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Damit steht die bloße Namenswiedergabe, die typischerweise im Computerausdruck erfolgt und nicht mit Beglaubigungsvermerk oder Dienstsiegel versehen werden muss, der Unterschrift gleich, sofern das Fachrecht, was hier nicht der Fall ist, nicht ausdrücklich eine Unterschrift verlangt (vgl. U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 37 Rn. 104; Tiedemann, BeckOK VwVfG, 62. Ed. Stand 01.10.2023, § 37 Rn. 48). Einer elektronischen Signatur bedarf es gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 SVwVfG nur, wenn für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet wird. Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform besteht für ein im Ordnungswidrigkeitenverfahren erstelltes Messprotokoll nicht.

Die spezifisch landesrechtlich bestimmte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. kann in beiden Fällen keine rechtserhebliche Divergenz begründen. ….“

Den Rest dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen.

VR III: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter (in Berlin), oder: Keine Entziehung der Fahrerlaubnis bei 2,02 o/oo?

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Und dann zum Tagesschluss noch etwas vom AG Tiergarten, und zwar eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scotter. Ist ja an sich nichts Besonderes, hier haben wir es aber mit einer recht großzügigen Entscheidung des AG zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu tun.

In dem AG Tiergarten, Urt. v. 25.04.2024 – 318 Cs 31/24 – stellt das AG eine Trunkenheitsfahrt des nicht vorbelasteten Angeklagten abends um 22.27 Uhr mit einem Blutalkoholwert zur Tatzeit von 2,02 Promille. Der Angeklagte fuhr infolge der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nicht in gerader Fahrlinie, sondern in Schlangenlinien. Das AG führt zur Strafzumessung und zur Entziehung der Fahreralubnis aus:

„Bei der Strafzumessung ist das Gericht vom gesetzlichen Rahmen des § 316 Abs. 1 und 2 StGB ausgegangen, welcher Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vorsieht. Innerhalb des so ermittelten Strafrahmens war bei der konkreten Strafzumessung gemäß § 46 StGB zugunsten des Angeklagten zu werten, dass er sich hinsichtlich seines Fehlverhaltens einsichtig und reuig zeigte und seit dem Tattag – nachgewiesen durch Laboruntersuchungen – keinen Alkohol mehr konsumiert. Das zum Tatzeitpunkt geführte Kraftfahrzeug war ein Elektrokleinstfahrzeug, von dem für andere Verkehrsteilnehmer im Vergleich z.B. mit einem Pkw deutlich geringere Gefahren ausgehen. Zudem ist der Angeklagte bisher strafrechtlich unvorbelastet gewesen.

Zu seinen Lasten war indes der mit 2,02 Promille Alkohol im Vollblut nicht nur unerheblich über dem Grenzwert der Rechtsprechung zur absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1 Promille Alkohol im Vollblut liegende Grad der Alkoholisierung zu werten, der deutlich über das für den Tatbestand erforderliche Mindestmaß hinausgeht. Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Strafzumessungserwägungen hat das Gericht unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung auf eine Geldstrafe von 30 (dreißig) Tagessätzen zu je 30,00 (dreißig) Euro erkannt, die ausreichend, jedoch auch zwingend notwendig erscheint, um das begangene Unrecht tat- und schuldangemessen zu bestrafen und allen Strafzwecken zu genügen.

Zwar liegt durch die Tat ein Regelfall für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor (§ 69 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB). Gleichwohl konnte aufgrund der Gesamtumstände, der zuvor genannten Strafzumessungsgesichtspunkte und des vom Gericht von dem Angeklagten im Termin gewonnenen Eindrucks von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB abgesehen werden und es genügte die Anordnung eines Fahrverbotes gemäß § 44 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte hat die Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen. Das Gericht hat es unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten, der Tatumstände sowie unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgesichtspunkte“— insbesondere dessen, dass der Angeklagte sich während des gesamten Verfahrens sehr kooperativ zeigte und erstmalig vor Gericht stand — auch unter Berücksichtigung des Nachtatverhaltens des Angeklagten (dokumentierter Verzicht auf den Konsum von Alkohol) als erforderlich aber auch ausreichend erachtet, ein Fahrverbot gemäß § 44 Abs. 1 StGB von vier Monaten anzuordnen.“

Nun ja. M.E. Glück gehabt. Das Urteil ist rechtskräftig. Wäre die StA in die Revision gegangen, hätte das m.E. beim KG nicht „gehalten“. Allein schon wegen der der 2,02 Promille.