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U-Haft II: Haftgrund der Wiederholungsgefahr, oder: Maßgeblich ist das konkrete Erscheinungsbild der Tat

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Und im zweiten Posting geht es dann auch um den Haftgrund. Das LG Wiesbaden hat im LG Wiesbaden, Beschl. v. 15.05.2024 – 1 Qs 37/24 – den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, von dem das AG ausgegangen war verneint. Dem Beschuldigten wird in dem Verfahren gewerbsmäßiger Bandendiebstahl in 17 Fällen vorgeworfen. Das reichte dem LG nicht für den Haftgrund nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO:

„Auch die Voraussetzungen des Haftgrunds der Wiederholungsgefahr nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO liegen nicht vor.

Die Wiederholungsgefahr i.S. dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat im Sinne des §§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO begangen zu haben. Bereits diese Voraussetzung ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Allerdings stellt der Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandendiebstahls unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds gemäß dem §§ 243 Abt 1 S. 2 Nr. 3, 244a Abs. 1 StGB in jedem einzelnen der Fälle eine Anlasstat nach dem Katalog des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO dar, die grundsätzlich geeignet ist, den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu begründen. Bereits gemäß der angedrohten Freiheitsstrafe des § 244a Abs. 1 StGB ist hierbei auch von einer Straferwartung für jedenfalls einem Teil der verwirklichten Straftaten von über einem Jahr auszugehen (ausreichend: vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 Ws 161/10), wobei dahingestellt bleiben kann, ob nicht ohnehin auf die zu erwartende Gesamtfreiheitsstrafe maßgeblich abzustellen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 —3 Ws 161/10).

Allerdings beeinträchtigt der gegebene dringende Tatverdacht die Rechtsordnung nicht schwerwiegend, so dass auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO ausgeschlossen ist.

Im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Person ist ein strenger Maßstab an das Bestehen des Haftgrunds anzulegen und auch bei der Prüfung, ob weitere schwerwiegende Straftaten zu erwarten sind, sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 35,185). Da jede Straftat die Rechtsordnung beeinträchtigt und die in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO genannten Katalogtaten bereits abstrakt-generell schwerwiegender Natur sind, kann die Auslegung des Merkmals der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung nur dahingehend erfolgen, dass einschränkend erforderlich ist, dass die jeweilige Anlasstat auch im Einzelfall schwer wiegt (KHK zur StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a Rn. 14a). Diese muss daher in ihrer konkreten Gestalt, insbesondere nach Art und Ausmaß des angerichteten Schadens, einen hohen Unrechtsgehalt aufweisen, so dass in einer Gesamtschau wenigstens eine Einordnung in dem Bereich der „oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität“ zu erfolgen hat (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.09.2016 — 1 Ws 126/16; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 W s 161 /10; OLG Braunschweig, Beschluss vom 07.11.2011 — Ws 316/11). Dabei ist auf die einzelne Tat und nicht auf die Gesamtheit aller Taten abzustellen (OLG Frankfurt a.M., a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24.11.2009 — 1 W s 126 /09; MüKo, StPO, 2. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 40), da durch leichtere Übergriffe in der Regel keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung im Sinne der Störung des allgemeinen Rechtsfriedens eintritt.

Maßgeblich für die Beurteilung im Rahmen des konkreten Erscheinungsbildes der Tat sind insbesondere Art und Umfang des jeweils angerichteten Einzelschadens, wobei bei der jeweiligen Einzeltat ein Schaden von mindestens 2000 € erreicht sein muss (MüKo, a.a.O., Rn. 26; KK zur StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 14a; für gewerbsmäßigen Betrug: OLG Naumburg, Beschluss vom 26.07.2011 — 1 Ws 616 /11; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.07.2017- 2 Ws 110/17; vgl. a. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2010 — 3 Ws 161/10). Vorliegend wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in 17 Fällen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande Beträge zwischen 10 E und 1100 E widerrechtlich entwendet zu haben. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung kann hiernach nicht begründet werden,

Selbst wenn jedoch entgegen der hier vertretenen Auffassung das Vorliegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung bei fortgesetzten Taten auch anhand des Gesamtschadens zu bestimmen sein sollte, kann dieser auch bei tatmehrheitlich begangenen Serientaten nur bei einem sehr hohem (weit Überdurchschnittlichem) Gesamtunrecht Berücksichtigung finden (KK, StPO, 9. Aufl. 2023, zu § 112a, Rn. 14a; LG Freiburg, Beschluss vom 24.04.2015-2 Qs 47/15). Auch ein solches vermag die Kammer bei einem Gesamtschaden von 7802,36 € nicht zu erkennen.

Schließlich genügen keine besonderen Umstände in Tat oder der Lebensumstände des Beschuldigten dem Tatbestandmerkmal einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung“. So ist bereits zweifelhaft, ob solche Umstände überhaupt geeignet sind, eine solch schwerwiegende Beeinträchtigung i.S.d. Norm zu begründen. Selbst wenn dies aber bejaht werden sollte, müssten die Umstände in ihrer Schwere einen Grad erreichen, die eine Einordnung in den „oberen Bereich der mittelschweren Kriminalität“ begründen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

So wird dem Beschuldigten vorgeworfen, zusammen mit seinen Brüdern Tankstellen und Verkaufsläden aufgesucht zu haben, wobei einer der Beschuldigten das Verkaufspersonal abgelenkt haben soll, während die übrigen Beschuldigten überwiegend E-Shishas, zum Teil auch elektronische Geräte widerrechtlich entwendeten. Hierbei handelt es sich um Ladendiebstähle, die angesichts der einfachen Ausführung und des begrenzten Schadens weder ein gesteigertes Handlungs- noch ein gesteigertes Erfolgsunrecht erkennen lassen. Allein eine gewerbsmäßige, bandenmäßige Begehung auch in 17 zeitnahen Einzelfellen genügt nicht, hier eine abweichende Bewertung und die Annahme einer Einordnung der vorgeworfenen Taten in den oberen Bereich der mittelschweren Kriminalität zu begründen. Gleiches gilt erst recht für die persönlichen Urnstände des Beschuldigten, nach welchem dieser derzeit arbeitslos ist und nach Haftentlassung in sein gewohntes Umfeld zurückkehrt. Hieraus eine besondere, schwerwiegende Beeinträchtigung i.S.d. § 112a StPO zu rechtfertigen, ist nach Ansicht der • Kammer ausgeschlossen.

Auch wird das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung durch die vorgeworfenen Taten nicht über das Maß der den vorgeworfenen Delikten immanenten Unrechtsgehalt hinaus beeinträchtigt.“

U-Haft I: Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, oder: Charakter des vorgeworfenen Delikts reicht nicht

entnommen der Homepage der Kanzlei Hoenig, Berlin

Und heute dann einige Haftentscheidungen.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 16.05.2024 – III-1 Ws 192/24 – zu den Haftgründen Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr. Das OLG hat einen gegenden Beschuldigetn wegen   Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt erlassenen Haftbefehl auf die weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten außer Vollzug gesetzt.

Zu dem Haftgrund der Verdunkelungefahr führt das OLG aus:

„3. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr im Sinne des § 112 Abs, 2 Nr. 3 StPO ist nicht gegeben. Die Annahme dieses Haftgrundes setzt ein Verhalten des Beschuldigten voraus, das den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden wird. Dabei muss das Einwirken des Beschuldigten aktiv erfolgen, das bloße Bestreiten oder das Verweigern einer Einlassung reicht nicht aus. Die „Verdunkelungsgefahr‘ muss aufgrund bestimmter Tatsachen begründet sein. Diese müssen jedoch nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, die bloße Möglichkeit verdunkelnder Handlungen genügt andererseits nicht. Ebenso reicht es allein nicht aus, dass noch weitere umfangreiche Ermittlungen erforderlich sind. Die „bestimmten Tatsachen“ können sich aus dem Verhalten, den Beziehungen und den Lebensumständen des Beschuldigten ergeben (vgl, Senat, Beschluss vom 27.01.2014 – III-1 Ws 14/14 -; OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2010 – 2 Ws 347/09 juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12.01.2004 – 2 Ws 326/03 -, juris; OLG Düsseldorf, StV 1997, 534; OLG München, StV 1996, 439; OLG Köln, StV 1992, 383; (KG Berlin, Beschluss vom 30.04,2019 — (4) 161 HEs 22/19 (10 – 11/19) —, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 26 ff., m.w.N.).

Derartige eine „Verdunkelungsgefahr“ begründende Umstände liegen hier nicht vor. Sofern das Amtsgericht auf das besonders hohe Eigeninteresse des Beschuldigten an der Beseitigung der ihn belastenden Beweismittel und seinen beachtlichen Wissensvorsprung abgestellt hat, handelt es sich schon nicht um ein Verhalten des Beschuldigten. Darüber hinaus hat das Amtsgericht für die Annahme einer Verdunkelungsgefahr auf das von einem hohen Maß an Eigennutz und krimineller Energie getragene Verhalten des Beschuldigten in den letzten Jahren bzw. das aus der Akte ersichtliche geschäftliche Handeln des Beschuldigten abgestellt, das deutlich auf Verschleierung und Entziehung schließen lasse. Auch das Landgericht hat den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr damit begründet, die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten seien gerade dadurch geprägt, dass er eine Vielzahl von Arbeitnehmern nicht zur Sozialversicherung angemeldet haben und diesen — nach Abhebung nicht aufgliederbarer Barbeträge in erheblicher Höhe — die Löhne bar ausgezahlt haben soll, um die Nachvollziehbarkeit zu verhindern. Dieses im großen Stil und über mehrere Jahre betriebene Geschäftsmodell sei gerade darauf angelegt, staatliche Stellen durch fehlende Transparenz und fehlende Unterlagen an der Geltendmachung. bestehender Ansprüche zu hindern. Aufgrund dieser verschleiernden Handlungen bei der Tatbegehung erscheine es sehr wahrscheinlich, dass der Beschuldigte auch in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Handlungen der in § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO beschriebenen Art vornehmer) werde, um die Wahrheitsermittlung zu erschweren.

Amtsgericht und Landgericht haben die Verdunkelungsgefahr damit letztlich aus dem Charakter des dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikts hergeleitet. Denn das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt geht regelmäßig damit einher, das strafbare Handeln gegenüber den staatlichen Stellen zu verschleiern. Auch sind Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt regelmäßig von einem eigennützigen Gewinnstreben getragen. Aus der Eigenart und der gewählten Begehungsweise des Delikts allein lässt sich jedoch im Allgemeinen die Verdunkelungsgefahr nicht ableiten. Hinzu kommen müssen für deren Annahme vielmehr noch weitere – hier nicht feststellbare – Umstände, aus denen auf die Gefahr der negativen, nämlich verdunkelnden Einflussnahme geschlossen werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14,01.2010 – 2 Ws 347/09 juris; OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.2002 – 2 Ws 27/02 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 18,12.1998 – 2 AR 144/98 (K) – 4 Ws 264/98 -, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.10.2006 – 1 Ws 87/06 -, Rn.128, juris, m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 25.01.1996 – 2 Ws 37/96 -, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.02.2022 1 HEs 509/21 -, beck-online). Ginge man davon aus, dass bestimmte – auf Verschleierung und Manipulation angelegte – Delikte, wie z.B. Betrug und/oder Steuerhinterziehung allein wegen ihres Charakters die Verdunkelungsgefahr begründen, wäre bei diesen Delikten mit der Bejahung des dringenden Tatverdachts zugleich immer auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr indiziert. Eine solche Sicht widerspricht aber der gesetzlichen Regelung, nach der der Erlass eines Haftbefehls eben nicht nur vom Vorliegen des dringenden Tatverdachts abhängt, sondern als weitere Voraussetzung das Vorliegen eines Haftgrundes als eigenständige ‚Voraussetzung geprüft und bejaht werden muss (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in dem Beschluss des Landgerichts Siegen zitierten Entscheidung des KG Berlin (Beschluss vom 30.04.2019 — (4) 161 HEs 22/19 (10 – 11/19) juris). Dort wird u.a. erwähnt, Verdunkelungsgefahr könne auch „durch die Deliktsnatur und die Umstände der verfolgten Tat nahegelegt werden, etwa Mitgliedschaft in kriminellen oder terroristischen Vereinigungen, Taten der organisierten Kriminalität oder auf Irreführung und Verschleierung angelegte Taten“. Dass das KG meint, allein aus der Deliktsnatur könne auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden, lässt sich daraus nicht entnehmen, zumal für die in der dortigen Entscheidung angenommene Verdunkelungsgefahr eine Gesamtschau von Tatsachen bedeutsam war. Der Deliktsnatur kam dabei keine erkennbare Bedeutung zu.

Überdies ist der Haftbeschwerde darin zuzustimmen ist, dass es mit dem Vorwurf eines deutlich auf Verschleierung von Schwarzlohnzahlungen angelegten Verhaltens nur schwer in Einklang zu bringen ist, dass der Beschuldigte regelmäßig auffällig hohe Barbeträge von dem Geschäftskonto der Pp.GmbH abgehoben und hierbei als Verwendungszweck oftmals Bezeichnungen wie „Löhne“ oder „Gehälter“ verwendet hat. Sofern das Landgericht demgegenüber unter Hinweis auf die nicht aufgliederbaren Barabhebungen im fünf- und sechsstelligen Bereich ausführt, das Geschäftsmodell sei gerade darauf angelegt, staatliche Stellen durch fehlende Transparenz und fehlende Unterlagen an der Geltendmachung bestehender Ansprüche zu hindern, bleibt hierbei unberücksichtigt, dass nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand noch keine Erkenntnisse über die Buch- und Beleglage der Pp.GmbH im Tatzeitraum vorliegen. Ob sich daraus konkrete Anhaltspunkte für eine (systematische) Verschleierung von Sachverhalten durch den Beschuldigten ergeben, ist derzeit noch ungewiss.“

StPO I: Encrochat-/ANOM-/SkyECC-Daten und KCanG, oder: OLG Stuttgart/LG Saarbrücken ggf. unverwertbar

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Heute gibt es hier dann einen StPO-Tag, und zwar mit einer Entscheidung zu EncroChat bzw. zur Frage der Verwertbarkeit von Encrochat-/ANOM-/SkyECC-Chats-Daten nach Inkrafttreten des KCanG, sowie einem zur Durchsuchung und dann als letztes etwas zum letzten Wort..

Ich beginne mit den Encrochat-/ANOM-/SkyECC-Chats-Daten Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor, allerdings nur jeweils kurz mit den entscheidenden Passagen der Entscheidungen, denn die allgemeinen Fragen der Vewertung dieser Daten waren ja schon oft genug Gegenstand der Berichterstattung.

Bei der ersten Entscheidung handelt es sich um den OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.04.2024 – H 4 Ws 123/24. Ergangen ist die Entscheidung in einem Haftprüfungsverfahren. Gegenstand des Verfahrens sind Vorwürfe des Verstoßes gegen das BtMG. Das OLG hat wegen eines Teils der Vorwürfe den dringen Tatverdacht auf der Grundlage von ANOM-Daten bejaht, wegen eines anderen Teils führt es aus:

„Es kann deshalb dahinstehen und bleibt dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorbehalten, ob ein dringender Tatverdacht auch bezüglich der im Haftbefehl unter Ziff. I.1, 3 und 5 bezeichneten Tatvorwürfe gegeben ist. Für die Prüfung der Verwertbarkeit der aufgrund des ANOM-Chatverkehrs gewonnenen Daten ist auf den Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen; es kommt mithin insoweit nicht auf die Rekonstruktion der Verdachtslage im (hypothetischen) Anordnungszeitpunkt, sondern auf die Informationslage im Verwendungszeitpunkt an (BGH a.a.O., Rn. 70). Nach vorläufiger Wertung liegt eine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO in der seit dem 1. April 2024 gültigen Fassung, der nur Straftaten gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 3 oder Nr. 4 Konsumcannabisgesetz (KCanG) erfasst, nicht vor. Eine Verwendung der zulässig erlangten Beweise als Zufallserkenntnisse zum Nachweis von mit Katalogtaten in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtaten ist nur zulässig, wenn zwischen diesen Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB bzw. Tatidentität im Sinne des § 264 StPO gegeben ist (BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, juris Rn. 27 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 30. August 1978 – 3 StR 255/78, NJW 1979, 990; BGH, Urteil vom 22. Dezember 1981 – 5 StR 540/81, NStZ 1982, 125; BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, juris Rn. 7 f.).“

Und dann der LG Saarbrücken, Beschl. v. 03.06.2024 – 4 KLs 28 Js 140/23 (16/24). Ergangen ist der Beschluss in einen Verfahren wegen BtM-Handels. Die Strafkammer hat mit dem Beschluss einen Antrag der Staatsanwaltschaft, auf Verlesung von in einem Beweisantrag näher bezeichneten SkyECC-Chats abgelehnt (und den Angeklagten anschließend frei gesprochen:

„So liegt der Fall hier: Die Anklageschrift bezieht sich lediglich auf Taten des Handeltreibens mit Cannabis. Das Handeltreiben mit Cannabis ist nach der am 1. April 2024 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) nicht mehr als Katalogtat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG einzuordnen, sondern als Handeltreiben mit Cannabis in den besonders schweren Fällen der Gewerbsmäßigkeit und der nicht geringen Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG. Dies stellt jedoch keine Katalogtat des § 100b Abs 2 StPO dar, da lediglich die in § 34 Abs. 4 Nr. 1, 3 und 4 KCanG aufgeführten Taten in die Aufzählung der Katalogtaten aufgenommen wurden (vgl. § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO; so auch KG Berlin, Beschluss v. 30.04.2024, 5 Ws 67/24).“

Zwang II: Gewinnbringender Anbau von BtM, oder: Fluchtgefahr beim Plantagenanbau

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Über den KG, Beschl. v. 30.04.2024 – 5 Ws 67/24 – hatte ich ja schon im Hinblick auf die Ausführungen zum Handeltreiben mit Cannabis und den Auswirkungen des neuen CannabisG/KCanG berichtet (vgl. hier: KCanG I: Handel mit „nicht geringer Menge“ strafbar?, oder: Einmal hopp, einmal topp zum neuen KCanG).

Das KG macht in dem Beschluss auch Ausführungen zu Haftfragen. Zunächst geht es um die Reichweite des Prüfungsumfangs bei der Haftbeschwerde der StA. Dazu der Leitsatz des KG, und zwar:

Auf eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls richtet, unterliegt nicht nur der angefochtene Haftverschonungsbeschluss, sondern auch der zugrunde liegende Haftbefehl der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht.

Und dann sagt das KG auch etwas zur Fluchtgefahr, nämlich:

„b) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Diese ist gegeben, wenn bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich – zumindest für eine gewisse Zeit – dem Strafverfahren entziehen, als für die Erwartung, er werde sich dem Verfahren zur Verfügung halten (vgl. KG, Beschluss vom 3. November 2011 – 4 Ws 96/11 –, juris Rn. 4). Das ist vorliegend der Fall.

aa) Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer mehrjährigen und nicht mehr aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe zu rechnen, die ihm einen erheblichen Fluchtanreiz bietet. Der nach der gesetzlichen Neuregelung für den verbleibenden Tatvorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) eröffnete Strafrahmen sieht Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.

Tragfähige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines minder schweren Falles sind auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Verteidigung mit Schriftsatz vom 15. April 2024 nicht ersichtlich. Der Vortrag, dass der plantagenmäßige Anbau von Cannabis zukünftig genehmigungsfähig sei, rechtfertigt schon mit Blick darauf, dass dieser Teil der geplanten, aber noch nicht in Kraft getretenen Neureglung – gänzlich anders als in dem vorliegenden Fall – ausschließlich den Anbau durch nicht-gewinnorientierte Vereinigungen zum Eigenkonsum betrifft (§ 1 Nr. 13 KCanG, BT-Drs., a. a. O., S. 16 ff.), keine andere Bewertung. Auch dem Vorbringen, dass es sich bei den Bandenmitgliedern um enge Freunde oder Familienangehörige handele, kommt für die Annahme eines minder schweren Falles nach einer allein möglichen vorläufigen Bewertung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zwar kann es für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen, wenn der Zusammenschluss der Beschuldigten primär auf ihrer persönlichen Verbundenheit beruht und nicht dem Bild der üblichen Bandenkriminalität entspricht, das der Gesetzgeber mit dem am 22. September 1992 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vor Augen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 – 3 StR 171/09 –, juris Rn. 3; Maier in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG 6. Aufl., § 30 Rn. 302 ff., m. w. Nachw.). Eine derartige persönliche Beziehung ist nach dem vorliegenden Ermittlungsergebnis jedoch nur zwischen dem Angeschuldigten S. und der gesondert Verfolgten Pa., nicht aber im Verhältnis dieser beiden zu den übrigen Bandenmitgliedern oder zwischen diesen untereinander ersichtlich. Dass es sich bei der gesondert Verfolgten um die (nur für etwas mehr als eineinhalb Jahre mit ihm verheiratete) geschiedene Ehefrau des Angeschuldigten P. handelt, rechtfertigt keine andere Bewertung. Eine in ihrer Organisation nicht gemeingefährliche und daher für das Vorliegen eines minder schweren Falles streitende Bande liegt vorliegend zudem auch deshalb fern, da der Zusammenschluss offensichtlich in erster Linie der Erzielung erheblicher Gewinne diente (vgl. Maier, a. a. O.) und nicht einer persönlichen Verbundenheit (einzelner) Mitglieder geschuldet war.

Im Gegenteil wird strafschärfend insbesondere zu berücksichtigen sein, dass sich die Tat gleich auf drei Groß-(Plantagen) bezieht und die sichergestellte Menge Cannabis eine Wirkstoffmenge von knapp 7 Kilogramm THC enthält, welche den (weiter gültigen) Grenzwert der nicht geringen Menge um etwa das Neunhundertfache übersteigt. Auch wenn es im Hinblick auf das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) Bedenken begegnet, zudem das in der Beschwerdebegründung angeführte hohe Maß an professionellem und strukturiertem Vorgehen zu berücksichtigen – das eine bandenmäßigen Begehung regelmäßig kennzeichnen dürfte –, wenn sich allein dadurch die Gefährlichkeit der Tat nicht weiter erhöht (vgl. Maier, a. a. O., § 30 Rn. 332, m. w. Nachw.), teilt der Senat die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass der – wenngleich bislang nicht einschlägig – erheblich vorbestrafte Angeschuldigte vorliegend eine deutlich über dem Mindestmaß von zwei Jahren anzusetzende mehrjährige Freiheitsstrafe zu erwarten hat, auf die nach § 51 Abs. 1 StGB bislang lediglich gut viereinhalb Monate Untersuchungshaft anzurechnen wären.

Nach der zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein möglichen vorläufigen Bewertung durch den Senat ist die Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrestes nach § 57 Abs. 1 StGB nicht konkret im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten (vgl. zu den Anforderungen an die Prognose nach § 57 StGB und zur Begründungstiefe insoweit z. B. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Juli 2021 – 2 BvR 1195/21 –, juris Rn. 9, und stattgebender Kammerbeschluss vom 17. Januar 2013 – 2 BvR 2098/12 –, juris Rn. 47). Dem Angeschuldigten, der in der Vergangenheit – unter anderem wegen Totschlags und schweren Raubes in mehreren Fällen – zu Jugend- und Freiheitstrafe verurteilt worden ist und schon langjährig Strafhaft verbüßt hat, wird das sogenannte „Erstverbüßerprivileg“ nicht zugutekommen. Vielmehr sind mit Blick auf seine Delinquenzgeschichte, die das Bestehen ernstzunehmender persönlichkeitsimmanenter Rückfallrisiken nahelegt, an die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu stellende Legalprognose vorliegend strenge Anforderungen anzulegen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Juli 2021 – 5 Ws 146/21 –, juris Rn. 12, und 9. September 2020 – 5 Ws 138-140/20 –, juris Rn. 8; jew. m. w. Nachw.). Zudem sind auch im Hinblick auf die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit schon deshalb erhöhte Ansprüche an die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straffreiheit zu stellen, weil die vorliegende Tat den Bereich des bandenmäßigen Rauschmittelhandels betrifft (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. April 2023 – 5 Ws 48/23 –, 25. Mai 2020 – 5 Ws 55/20 – und 6. Juli 2006 – 5 Ws 273/06 –, juris Rn. 4 f.). Das Tatgeschehen ist durch eine gut organisierte Planung, arbeitsteiliges Zusammenwirken und stark profitorientiertes Handeln geprägt. Diese Umstände belegen eine erhöhte Gefährlichkeit des Angeschuldigten, zumal die Tat erkennbar nicht nur lebensphasischen, situativen Faktoren entsprang, sondern vor allem Ausdruck erheblicher, langjährig in Straftaten zutage getretener Persönlichkeitsdefizite sein dürfte (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juli 2021, a. a. O., Rn. 16, m. w. Nachw.). Ob die Anforderungen für eine Reststrafaussetzung später erfüllt sein werden, hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung des Angeschuldigten (im Vollzug) ab, die derzeit noch nicht absehbar ist.

bb) Dem danach gegebenen starken Fluchtanreiz stehen keine beruflichen oder sozialen Bindungen des Angeschuldigten gegenüber, die ihn entscheidend mindern. Der kinderlose Angeschuldigte, der auch sonst über keine gefestigten familiären Bindungen verfügt, wohnt nach den vorliegenden Erkenntnissen allein und ging jedenfalls in den vergangenen Jahren keiner legalen Beschäftigung nach. Zugleich muss angesichts dessen, dass er nach dem Ermittlungsergebnis maßgeblich an dem Betrieb von jedenfalls zwei (Groß-)Plantagen zum auf den Absatz gerichteten Anbau von Cannabispflanzen beteiligt war, davon ausgegangen werden, dass er gegenwärtig über beachtliche finanzielle Mittel oder noch nicht entdecktes Vermögen verfügt, die ihm ein Untertauchen – sei es auch nur innerhalb Deutschlands oder Berlins – ermöglichen oder zumindest erleichtern könnten. Zudem hat der Angeschuldigte zwischen 2016 und 2020 in Spanien gelebt, was zeigt, dass er befähigt ist, sein Leben für einen unbestimmten Zeitraum auch im Ausland zu führen, und nahelegt, dass er dort über potentiell fluchtbegünstigende Kontakte verfügt. Dass er beabsichtigen könnte, sich dem Strafverfahren dorthin zu entziehen, liegt vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht fern. Im Falle eines tatsächlichen Untertauchens des Angeschuldigten im (europäischen) Ausland wäre sein Aufenthalt dort nur schwer ermittelbar. Aufgrund dieser dem Senat bekannten Lebensverhältnisse überwiegt bei der gebotenen Gesamtwürdigung die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Angeschuldigten nicht davon abhalten werden, sich dem weiteren Verfahren zu entziehen.

c) In Anbetracht der gegenwärtig instabilen Lebensverhältnisse des Angeschuldigten kann der Fluchtgefahr auch nicht durch die vom Landgericht beschlossenen Ersatzmaßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden, da diese Maßnahmen vorliegend nicht mit der erforderlichen großen Wahrscheinlichkeit (vgl. Lind in: Löwe-Rosenberg, StPO 27. Auflage, § 116 Rn. 12; Krauß in: BeckOK StPO, 51. Edition 01.04.2024, § 116 Rn. 6, jeweils m. w. Nachw.) und damit hinreichend die Erwartung begründen, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann und der Angeschuldigte sich dem Verfahren nicht entziehen wird. Dass er seine Ausweispapiere weisungsgemäß zur Akte gereicht hat, hindert ein mögliches Absetzen ins Ausland – insbesondere innerhalb des Schengen-Raums – ebenso wenig entscheidend wie die Anweisung, die Bundesrepublik nicht zu verlassen.

Dass der Angeschuldigte auch den übrigen ihm mit dem angefochtenen Beschluss erteilten Anweisungen bislang – soweit für den Senat ersichtlich – nachgekommen ist und die tatsächlich vorhandene Möglichkeit zur Flucht nicht genutzt hat, was im Rahmen der Haftfrage für ihn sprechen kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. April 2019 – 3 Ws 102/19 –, juris Rn. 25; Senat, Beschluss vom 12. Juni 2023 – 5 Ws 93/23 –, m. w. Nachw.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Wohlverhalten über einen Zeitraum von erst wenigen Wochen lässt vor dem Hintergrund des vorliegend erheblichen Fluchtanreizes, der leicht löslichen Lebensverhältnisse des Angeschuldigten und der übrigen dargelegten Umstände, die es ihm erleichtern könnten, sich der weiteren Strafverfolgung zu entziehen, aus Sicht des Senats jedoch noch nicht den hinreichend sicheren Schluss zu, dass auf ihn auch in Zukunft Verlass sein wird. Nichts anderes folgt aus der erst am 25. März 2024 aufgenommenen Tätigkeit in einer Druckerei.“

Zwang I: Fluchtgefahr verlangt „Entziehensabsicht“, oder: Beschuldigte bleibt trotz Durchsuchung vor Ort

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Und dann mal wieder ein Tag mit StPO-Entscheidungen, und zwar zu Zwangsmaßnahmen. Dazu gibt es zweimal etwas zur Haft und einmal etwas zur Ingewahrsamnahme eines Zeugen.

Ich stelle zuerst den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – StB 18/24 – vor. Es geht um Fluchgefahr, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:.

Der Beschuldigte ist am 14.12.2023 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BGH festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf der Unterstützung einer rechtsextrem ausgerichteten Kampfsportgruppe. Der Beschuldigte wendet sich gegen den Haftbefehl mit seiner Beschwerde, welcher der Ermittlungsrichter nicht abgeholfen hat.

Die Haftbeschwerde hat dann aber beim Senat Erfolg. Der hat einen Fluchtgrund, vor allem auch Fluchtgefahr, verneint.

„1. Der Haftgrund der Fluchtgefahr setzt voraus, dass es bei Würdigung der konkreten Einzelfallumstände wahrscheinlicher ist, dass sich der Angeklagte dem weiteren Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2022 – StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210). Das ist hier nicht der Fall.

Der Beschuldigte hat seit einer ihn betreffenden Durchsuchung im April 2022 Kenntnis, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren geführt wird, seinerzeit wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Gegenstand der im Durchsuchungsbeschluss vom 5. April 2022 genannten Vorwürfe waren unter anderem bereits solche, die nun im Haftbefehl (s. dort unter I. 2. a), b), d), g) und i)), aufgegriffen werden. Dies hat den Beschuldigten bislang ebenso wenig zu Fluchtbemühungen veranlasst wie die damalige Festnahme gesondert Verfolgter. Dass ihm nunmehr die Unterstützung einer terroristischen statt einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt wird, führt trotz des höheren Strafrahmens zu keinem deutlich gesteigerten Fluchtanreiz; denn bereits nach der Anklage vom 28. April 2023 gegen mehrere gesondert Verfolgte zum Thüringer Oberlandesgericht war für ihn ersichtlich, dass der Generalbundesanwalt die Gruppierung „ “ ab einem gewissen Zeitpunkt als terroristische Vereinigung bewertete. Die im Durchsuchungsbeschluss noch nicht genannten Unterstützungshandlungen verändern die Tatvorwürfe nicht in einer für die Beurteilung der Fluchtgefahr erheblichen Weise. Im Übrigen hat der Beschuldigte – dem Generalbundesanwalt zuvor angezeigte – Auslandsaufenthalte nicht genutzt, um sich dem Ermittlungsverfahren zu entziehen.

Soweit in einem Telefonat des Beschuldigten aus April 2022 davon die Rede ist, etwaig bei einer Veranstaltung eingenommenes Geld solle für die vier damals Inhaftierten und der Rest für ihn selbst genutzt werden, „falls ihm was passiere“, ergibt sich nach dem Kontext nicht, dass die Mittel für eine Flucht und nicht etwa für mit der Untersuchungshaft in Zusammenhang stehende Kosten aufgewendet werden sollten. Gleiches gilt, soweit sich der Beschuldigte in Briefen aus der Untersuchungshaft im Zusammenhang mit seiner wirtschaftlichen Lage über die Wichtigkeit organisierter Hilfe geäußert hat und Spendenaufrufe veröffentlicht worden sind. Dass der Verwendungszweck für – nicht näher spezifizierte, sich möglicherweise über zweieinhalb Jahre erstreckende und pauschal summierte – Bargeldabhebungen von Konten des Beschuldigten in Höhe von insgesamt 22.000 € unbekannt ist, legt hier mangels näherer Anhaltspunkte zu dem Hintergrund ebenfalls nicht den Rückschluss auf entsprechende Reserven zur Finanzierung einer Flucht nahe.

Wie im Haftbefehl angeführt, sind als potentiell fluchthemmende Faktoren zudem die Tätigkeiten des Beschuldigten als Selbständiger, Stadtratsmitglied für die Stadt E. und Vorsitzender des Landesverbandes einer Partei zu berücksichtigen. Dass insoweit ein Bezug zu den Tatvorwürfen besteht und die genannten Umstände den Beschuldigten nicht von den ihm vorgeworfenen Handlungen abgehalten haben, hat nicht ohne Weiteres zur Folge, dass sie auch ein Fluchtrisiko nicht mindern können. Inwieweit hierfür zusätzlich noch die von ihm geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden und die Aufhebung von Haftbefehlen gegen gesondert Verfolgte durch das Thüringer Oberlandesgericht von Bedeutung sind, kann letztlich dahinstehen.

2. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr erfordert, dass bestimmte Handlungen des Beschuldigten es wahrscheinlich erscheinen lassen, er werde auf sachliche oder persönliche Beweismittel einwirken und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschweren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2016 – StB 30/16, NJW 2017, 341 Rn. 13 mwN; vom 20. Februar 2019 – AK 53/18 u.a., juris Rn. 44). Bezugspunkt hierfür ist allein die Aufklärung der vom Haftbefehl umfassten Taten (s. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. August 2001 – 2 Ws 219/01, StV 2001, 686; KG, Beschluss vom 30. April 2019 – [4] 161 HEs 22/19 [10-11/19], StraFo 2019, 416, 417; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 112 Rn. 26).

Obschon früheres Verhalten des Beschuldigten Anlass zu der Annahme bietet, dass er künftig auf Beweismittel einwirken werde, folgt daraus nicht, dass er im Falle seiner Haftentlassung durch entsprechende Handlungen die gegen ihn bereits seit dem 4. April 2022 wegen Unterstützung der Vereinigung „ “ geführten, in der Sache weit fortgeschrittenen Ermittlungen hinsichtlich der im Haftbefehl aufgeführten Vorwürfe noch mehr als unerheblich beeinträchtigen könnte. Daher bedarf keiner Vertiefung, dass er etwa angesichts einer unmittelbar bevorstehenden Wohnungsdurchsuchung am 14. Dezember 2023 eine Tüte mit einem Mobiltelefon und einem Laptop von seinem Balkon auf den benachbarten Balkon stellte und anderweitig äußerte, E. möge eine „Mauer des Schweigens“ sein.

3. Sonstige Haftgründe kommen unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Ein dringender, die Anwendung des § 112 Abs. 3 StPO eröffnender Verdacht auf eine mitgliedschaftliche Beteiligung des Beschuldigten an einer terroristischen Vereinigung besteht nicht. Ebenso scheidet der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) bei den vorliegenden Tatvorwürfen aus.“