Im Beschl. v. 05.08.2010 – 1 Vollz (W) 246/10 hat sich das OLG Hamm mit dem Recht des Strafgefangenen auf Buchbestellung und dessen Einschränkung befasst. Danach darf die JVA Buchbestellungen von Strafgefangenen auf bestimmte Buchhandlungen beschränken und Bestellungen bei anderen Händlern von Einzelfallprüfungen und Genehmigungen abhängig machen. Auch wenn ein Strafgefangener angebe, auf Bücher eines anderen Händlers im Rahmen seiner Ausbildung angewiesen zu sein, dürfe die JVA sein Ersuchen, ihn von dieser Regelung auszunehmen, ablehnen. Denn ein derartiger Antrag ziele in nicht zulässiger Weise auf die Verhinderung einer Einzelfallprüfung und damit einer sachgerechten Ermessensentscheidung der Anstaltsleitung betreffend den Buchbezug des Betroffenen.
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In der JVA spielt man nicht, schon gar nicht mit Nintendo
Ist der Besitz eines Nintendo-Spielgerätes in der JVA erlaubt?
Das OLG Celle sagt im Beschl. v. 13.10.2010 – 1 Ws 488/10 StrVollz: Nein. Denn der Besitz eines Strafgefangenen an dem Spielgerät „Nintendo DS Lite“ stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG (entspricht § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG) dar, weil dadurch eine unkontrollierte Datenübertragung ermöglicht werde, die weder technisch noch durch Kontrollmaßnahmen hinreichend sicher verhindert werden kann, ohne das Gerät zu zerstören.
Also: Andere Weihnachtsgeschenke in die JVA schicken :-).
Neues (?) aus Hamm zur menschenunwürdigen Unterbringung…………
Keine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftsituation in der Justizvollzugsanstalt Detmold
Der 11. Zivilsenat des OLG Hamm hat am 29.09.2010 die Klagen zweier Strafgefangener abgewiesen, die von dem beklagten Land eine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Detmold verlangt hatten ( I-11 U 88/08 und I-11 U 367/09). In der PM heißt es:
Die klagenden Gefangen waren jeweils mehrere Monate in Gemeinschaftshafträumen untergebracht. In einem Fall standen vier Gefangenen eine Fläche von knapp 18 m² und eine nicht abgeschlossene Toilette zur Verfügung, in dem anderen Fall mussten sich zwei Inhaftierte einen Haftraum von 9 m² teilen, die Toilette war durch eine Schamwand abgetrennt. Der 11. Zivilsenat des OLG hat einen Entschädigungsanspruch dieser Gefangenen nun verneint. Eine gemeinsame Unterbringung mehrerer Gefangener in einem Haftraum sei menschenunwürdig, wenn die Grundfläche des Haftraums pro Gefangenem 5 m² unterschreite oder wenn sich in dem Haftraum eine Toilette ohne ausreichenden Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz befinde. Eine derartige Unterbringung verstoße gegen die im Justizvollzug bestehende Kardinalpflicht, Häftlinge menschenwürdig zu behandeln. Soweit diese Unterbringung nicht nur kurzfristig erfolge, begründe dies eine schuldhafte und entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung, wenn der Häftling keine Möglichkeit habe, dieser Art der Unterbringung zu entgehen. Es sei nicht erforderlich, dass psychische oder körperliche Gesundheitsschäden eingetreten seien, weil andernfalls die erhebliche Rechtsverletzung sanktionslos bliebe und so der Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts verkümmern würde.
Den klagenden Strafgefangen stehe aber keine Entschädigung zu, weil ihnen seinerzeit geeignete Haftplätze in anderen Anstalten angeboten worden waren und sie sich in Kenntnis dieser Angebote schriftlich mit der nun beanstandeten Unterbringung einverstanden erklärt und auch im weiteren Verlauf keine Verlegung mehr verlangt hatten.
Zu der Problematik vgl. auch hier, hier und hier.
Urteile vom 29.09.2010, Az.: I-11 U 88/08 und I-11 U 367/09
PM vom 29.09.2010
Worum man sich alles streiten kann – auch um die Größe eines Fernsehbildschirms
Ich bin immer wieder erstaunt, worum man sich alles streiten kann. So auch um die Größe eines Fernsehbildschirms und das dann bis zum BVerfG. Dieses hat jetzt in seinem Beschl. v. 15.07.2010 – 2 BvR 2518/08 einem Sicherungsverwahrten Recht gegeben, der ein Fernsehgerät mit einem größeren Bildschirm beantragt hatte, den er wegen (sich sonst) verschlechternder Sehkraft beantragt hatte. LG und KG hatten abgelehnt u.a. unter Hinweis auf die Gefahr für die Anstaltsordnung.
Das BVerfG hat dem Untergebrachten Recht gegeben. Auch einem in Sicherungsverwahrung Inhaftierten dürfe die Erlaubnis zum Besitz eines eigenen größeren Fernsehgerätes dann nicht versagt werden, wenn durch die Benutzung eines bereits vorhandenen Geräts mit einer weiteren Verschlechterung seiner Sehkraft zu rechnen ist. Eine Versagung käme nur in Betracht, wenn durch den Besitz des größeren Fernsehgerätes die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Das Gericht habe zu prüfen, ob besondere Gründe in der Person des Gefangenen liegen, die seinem Interesse am Besitz eines bestimmten Gegenstandes ein berücksichtigungsfähiges erhöhtes Gewicht verschaffen können, das dazu zwingen könne, zur Wahrung der Anstaltssicherheit einen gewissen erhöhten Kontrollaufwand in Kauf zu nehmen. Habe – wie hier die Augenärztin des Betroffenen einen größeren Bildschirm empfohlen, so sei zu prüfen, ob gesundheitliche Belange erfordern, die Wahrnehmung der grundgesetzlich geschützten Informationsfreiheit zu ermöglichen.
Ich bin ja kein Techniker und frage mich mal ganz vorsichtig: Wie kann die Größe des Bildschirms die Anstaltsordnung gefährden. Auf der anderen Seite: Manchmal ist das Fernsehprogramm so schlecht, dass ein kleiner Bidlschirm sicherlich genügen würde 🙂 🙂
Sicherungsverwahrung: Mal was anderes als Altfälle…
Gestern hat das BVerfG auf seiner HP einen Beschluss zur Sicherungsverwahrung veröffenlicht (Beschl. v. 08.07.2010 – 2 BvR 1771/09).
In der Sache geht es aber mal nicht um die Frage der Anwendung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 auf sog. Altfälle, sondern um das Verfahren bei der Prüfung der Frage der Aussetzung der Sicherungsverwahrung. Der Untergebrachte war 1997 wegen Missbrauchs von Kindern in 11 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach Strafverbüßung wurde aufgrund eines externen Sachverständigengutachtens die nachträgliche SV angeordnet. In 2009 wurde dann die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, und zwar nur aufgrund des eigenen Eindrucks, den die StVK über die Gefährlichkeit des Untergebrachten hatte. Ein neues externes Gutachten wurde nicht angefordert. Und zwar obwohl das alte Gutachten inzwischen acht Jahre zurück lage und der Untergebrachte 62 Jahre alt. Hinzu kamen einige Äußerungen, die der StVK sauer aufgestoßen sind.
Das BVerfG hielt die Vorgehensweise für unzulässig, hat den Beschluss des LG und die Beschwerdeentscheidung des OLG Koblenz aufgehoben und der StVK aufgegeben, nach acht Jahren Sicherungsverwahrung durch einen externen Gutachter prüfen zu lassen, ob sich der Untergebrachte verändert hat.
Hätte m.E. die Kammer auch selbst drauf kommen können. Sicher, die Angaben des Verurteilten waren schon „etwas komisch“, aber acht Jahre sind eine lange Zeit. Das sollte man doch besser einen Sachverständigen nach Änderungen fragen.