Archiv der Kategorie: Haftrecht

U-Haft III: Laptop zur Verteidigung in der U-Haft, oder: Wann ist die „Durchsicht“ erlaubt?

Und dann stelle ich noch den KG, Beschl. v. 23.12.2021 – 5 Ws 261/21 – vor. Schon etwas älter, aber eine interessante Frage. Es geht nämlich um die Zulässigkeit der Durchsicht eines im Haftraum eines Untersuchungshäftlings befindlichen, zu Verteidigungszwecken überlassenen Laptops.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten einen mittäterschaftlich begangenen Mord zur Last. Der Angeklagte befindet sich seit dem 17. Januar 2014 in Untersuchungshaft. Die Schwurgerichtskammer hat am 20.11.2014 beschlossen, „dass wegen des erheblichen Akten- und Datenumfangs die Anschaffung eines […] Laptops“ für den jeweils Inhaftierten „zur Einsicht in der Haftanstalt […] erforderlich [sei], um im weiteren Verfahren eine sachgerechte Verteidigung zu gewährleisten“. Die Beschaffung der (fabrikneuen und nicht internetfähigen) Laptops wurde den Verteidigern übertragen, seitens des Landgerichts Berlin wurde die digitalisierten Akten einschließlich der Video- und Audiodateien auf die Laptops aufgespielt und an die Justizvollzugsanstalt M. übergeben, die ihrerseits die Sperrung der USB-Anschlüsse der Laptops vornahm und diese sodann an die Angeklagten aushändigte. Am 01.10.2019 hat das LG Berlin – Schwurgericht – den Angeklagten nach 300 Hauptverhandlungstagen wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision sowohl des Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft, über die im Dezember 2021 noch nicht entschieden war.

Wegen des gegen einen ebenfalls inhaftierten Mitangeklagten bestehenden Verdachts der Bedrohung im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke war dessen Laptop untersucht und an diesem ein internetfähiger Zugang festgestellt worden. Dies hat die JVA zum Anlass genommen, auch die den weiteren inhaftierten Mittätern überlassenen Laptops aus den Hafträumen herauszunehmen und diese ebenfalls auf die manipulative Schaffung eines Internetzugangs zu überprüfen. Dabei wurden am 22.10.2020 betreffend den Laptop des Angeklagten ein freier Zugang zum Internet und auf dem Gerät gespeicherte private Fotos festgestellt. Das LG Berlin hat dann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die vorläufige Sicherstellung u.a. des aus dem Haftraum des Angeklagten entnommenen Laptops zur Auswertung angeordnet, „um die als Beweismittel im hiesigen Verfahren […] in Betracht kommenden Laptops durch das Landeskriminalamt inhaltlich darauf untersuchen zu lassen, ob eine richterliche Beschlagnahme (einzelner beweiserheblicher Daten) zu beantragen oder gegebenenfalls die Rückgabe zu veranlassen ist“.

Dagegen das Rechtsmittel des Angeklagten, das keinen Erfolg hatte. Hier die (amtlichen) Leitsätze der KG-Entscheidung:

    1. Das Sichtungsverfahren gemäß § 110 StPO wird zwar noch der Durchsuchung zugerechnet, ist jedoch angesichts der fortdauernden Besitzentziehung in seiner Wirkung für den Betroffenen der Beschlagnahme angenähert. Die Beschlagnahme oder Maßnahmen nach § 110 StPO sind, sofern Daten betroffen sind, am Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu messen.
    2. Da das Verfahren im Stadium der Durchsicht gemäß § 110 StPO einen Teil der Durchsuchung nach § 102 StPO oder § 103 StPO bildet, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Durchsicht nach § 110 StPO darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung vorlagen. Maßstab ist insoweit, wenn die Suche im Haftraum eines Untersuchungshäftlings Beweismitteln oder der Einziehung unterliegenden Gegenständen gilt, nicht § 44 UVollzG Berlin, sondern die §§ 102 ff. StPO.
    3. Das Recht auf eine effektive Verteidigung als Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren gebietet es, dass – über den Wortlaut des § 97 Abs. 1 StPO hinaus – Unterlagen, die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren anfertigt, weder beschlagnahmt noch gegen seinen Widerspruch verwertet werden dürfen.
    4. Allein die naheliegende Möglichkeit, dass sich auf dem durchzusehenden Datenträger auch beschlagnahmefreie Gegenstände befinden, macht die Durchsicht und die hierzu erforderliche vorläufige Sicherstellung nicht rechtswidrig. Ist nicht sofort feststellbar, ob einzelne Aufzeichnungen der Verteidigung dienen, so können sie vorläufig sichergestellt werden. Eine Pflicht zur sofortigen ungelesenen Herausgabe besteht nur dann, wenn die Eigenschaft als Verteidigungsunterlage offensichtlich ist.

U-Haft III: Telefonat mit Ehegatte im Ausland erlaubt?, oder: Großzügiger Maßstab

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In der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, geht es auch um die Frage der/einer Telefonerlaubnis. Es geht um die Frage, ob der Angeklagte mit seiner in Bulgarien lebenden Ehefrau telefonieren darf. Das AG hatte die Frage verneint.. Das LG bejaht sie dann im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 04.08.2022 – 16 Qs 27/22:

„Der Beschluss war aufzuheben, da er nicht der Sach- und Rechtslage entspricht.

Nach § 119 Abs. 1 StPO dürfen derartige Beschränkungen, wie hier konkret bezüglich eines gestatteten Telefonats, nur auferlegt werden, sofern dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Das bedeutet, dass das Gericht, das für Entscheidungen nach § 119 Abs. 1 StPO zuständig ist. nur solche Argumente für Beschränkungen heranziehen darf, die aus Haftgründen. wenn auch aus solchen. die nicht im konkreten Haftbefehl aufgeführt sind. Berücksichtigung finden dürfen (AG Nürnberg, Beschluss vom 10.02.2022, Az. 57 Gs 1224/22; OLG Nürnberg. Beschluss vom 22.05.2014. Az. 1 Ws 153/14, 1 Ws 154/14).

Vorliegend ist nicht erkennbar, weshalb ein Telefonat mit der im Ausland lebenden Ehefrau, die in keinerlei Verbindung zur verfahrensgegenständlichen Tat steht, dem Zweck der Untersuchungshaft widersprechen soll bzw. wie durch das Telefonat das vorliegende Verfahren beeinträchtigt werden könnte.

Das Amtsgericht hat hierzu in der Begründung des angegriffenen Beschlusses auch keine näheren Ausführungen gemacht. Gründe der Anstaltsordnung haben bei der grundsätzlichen Frage von Genehmigungen von Telefonaten außer Acht zu bleiben, weil § 119 StPO die Erteilung von Beschränkungen nur gestattet, soweit diese haftgrundbezogen sind. Die Wahrung der Anstaltsordnung im Rahmen der Vorschriften des BayUVollzG ist ausschließlich Sache der Justizvollzugsanstalt, nicht der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.

Im Übrigen ist bei Telefonaten mit nahen Familienangehörigen im Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG ein großzügigerer Maßstab angezeigt (OLG Nürnberg a.a.O.).“

U-Haft I: Überwachung von Telefongesprächen, oder: Auch noch, wenn es nur noch um die Rechtsfolgen geht

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Heute dann noch einmal Entscheidungen, die mit U-Haft zu tun haben. Allerdings nicht mit der Anordnung von U-Haft, sondern mit deren Vollzug, vor allem also mit U-Haft-Beschränkungen.

Und den Opener mache ich mit dem OLG München, Beschl. v. 25.05.2022 – 2 Ws 283/22 – zur Aufrechterhaltung von Haftbeschränkungen zur Abwendung von Verdunkelungsgefahr auch noch in einem Verfahren, in dem nur noch über den Rechtsfolgenausspruch zu verhandeln ist. Der Angeklagte befindet sich seit dem 28.06.2019 in U-Haft/Unterbringung wegen des dringenden Verdachts der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und Nötigung. Es ist u.a. bestimmt, dass Telekommunikation des Angeklagten der Erlaubnis bedarf und ggf. zu überwachen ist. In der Folge Erlaubnisse wurden für Telefonate zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern Erlaubnisse erteilt.

Am 13.07.2021 ist der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung und Nötigung schuldig gesprochen worden, gegen ihn wurde eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren verhängt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Haftbefehl ist nach Maßgabe des Urteils aufrecht erhalten worden.

Auf Revision des Angeklagten hat der BGH das Urteil am 22.03.2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Inzwischen befinden sich die Akten wieder „in der Instanz“.

Der Verteidiger des Angeklagten hat beantragt, die Anordnung über die akustische Überwachung der Telefonate zwischen dem Angeklagten und dessen Eltern aufzuheben. Der Antrag hatte keinen Erfolg:

„2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen für eine Überwachung der Telekommunikation des Angeklagten mit seinen Eltern liegen weiterhin vor.

Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 StPO kann das Haftgericht anordnen, dass Telekommunikation eines Untersuchungsgefangenen überwacht wird, soweit dies unter anderem zur Abwehr von Verdunkelungsgefahr erforderlich ist. Das gilt auch dann, wenn sich der Haftbefehl – wie hier – auf einen anderen Haftgrund stützt (Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, 2019, § 119, Rn 16).

Im vorliegenden Fall besteht nach wie vor die Gefahr, dass der Angeklagte unüberwachte Telefonate mit seinen Eltern zu Verdunkelungshandlungen missbrauchen würde. Dass er die verfahrensgegenständliche Tat eingeräumt hat und der gegen ihn ergangene Schuldspruch rechtskräftig ist, steht dem nicht entgegen. Denn aufgrund der Teilaufhebung des Urteils ist über den Rechtsfolgenausspruch neu zu verhandeln, und aus in dem Urteil wiedergegebenen Äußerungen des Angeklagten gegenüber seinen Therapeuten ergibt sich, dass er mit Nachdruck eine Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB auch im vorliegenden Verfahren anstrebt (vgl. insbesondere Bl. 51 der Urteilsgründe, sechster Absatz). Angesichts dessen liegt es nahe, dass der Angeklagte einen Wegfall der Telekommunikationsüberwachung zu nutzen versuchen würde, um in Telefonaten mit seinen Eltern manipulativ darauf hinzuwirken, dass diese in der neuen Verhandlung als Zeugen Angaben zu seiner psychischen Verfassung vor der Tat machen, die geeignet wären, den Rechtsfolgenausspruch im erläuterten Sinne zu seinen Gunsten zu beeinflussen (gemäß § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO stünde das Verschlechterungsverbot der Anordnung einer Unterbringungsmaßregel gemäß § 63 StGB in der neuen Verhandlung nicht entgegen).

Konkreter Anhalt dafür, dass der Angeklagte eine Aufhebung der Telekommunikationsüberwachungsanordnung zu entsprechenden Verdunkelungshandlungen nutzen würde, resultiert daraus, dass er im Ermittlungsverfahren gezielt eine angeordnete Haftbeschränkung umging: Aufgrund der diesbezüglichen Ausführungen im vorletzten Absatz auf Seite 3 des Nichtabhilfebeschlusses hat der Senat die seinerzeitige Berichterstatterin des Hauptsachverfahrens vor der 20. Strafkammer des Landgerichts München I, Frau Richterin am Landgericht P., zu dem konkreten Hintergrund des dort erwähnten Vorfalls befragt. Diese erklärte, dass eine als sachverständige Zeugin vernommene Ärztin des BKH S. im Hauptverhandlungstermin vom 14.04.2021 ausgesagt habe, der Angeklagte sei zu einem Zeitpunkt, zu dem ihm die erforderliche Erlaubnis, Telefonate zu führen, noch nicht vorlag, an einen im Besitz einer Telefonkarte befindlichen Mitpatienten herangetreten und habe diesen dazu überredet, ihm – dem Angeklagten – die Telefonkarte vorübergehend zu überlassen, um damit ein unüberwachtes Telefonat mit seinen Eltern zu führen. Der Senat hat keinen Grund daran zu zweifeln, dass Frau Richterin am Landgericht P. die Aussage der Ärztin zutreffend wiedergegeben hat. Dass deren Angaben nicht den Tatsachen entsprechen, sondern gleichsam aus der Luft gegriffen sind, ist auszuschließen. Der Senat teilt die Bewertung des Landgerichts, wonach aus jenem Vorfall eine grundsätzliche Bereitschaft des Angeklagten zu einer Gefährdung der Haftzwecke mittels gezielter Manipulationen abzuleiten ist.

Da mildere Mittel zur Verhinderung einer manipulativen Einflussnahme des Angeklagten auf seine in der neuen Verhandlung als Zeugen in Betracht kommenden Eltern nicht gegeben sind, ist die Aufrechterhaltung der beschwerdegegenständlichen Anordnung auch nicht unverhältnismäßig. Das durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Interesse des Angeklagten an vertraulicher innerfamiliärer Kommunikation hat unter den gegebenen Umständen hinter dem staatlichen Interesse an einer Meidung missbräuchlicher Einwirkungen auf die neue Verhandlung über den Rechtsfolgenausspruch zurückzustehen.“

BVerfG I: Mehrfache Drogenscreenings im Strafvollzug, oder: (keine) Urinabgaben uter Aufsicht?

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Zum Wochenauftakt stelle ich heute zwei Entscheidungen des BVerfG vor.

Zunächst verweise ich auf den BVerfG, Beschl. v. 22.07.2022 – 2 BvR 1630/21 – zur (Un)Zulässigkeit von beaufsichtigten Drogenscreenings mittels Urinkontrollen in Justizvollzugsanstalt.

Aus der PM des BVerfG ergibt sich folgender Sachverhalt:

„Der Beschwerdeführer verbüßte eine mehrjährige Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt. Um Suchtmittelmissbrauch zu unterbinden, wurden von der Abteilungsleitung regelmäßig allgemeine Drogenscreenings mittels Urinkontrollen angeordnet und durch gleichgeschlechtliche Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdiensts durchgeführt. Um Manipulationen oder Täuschungshandlungen, wie die Verwendung von Fremdurin, möglichst auszuschließen, erfolgten die Urinabgaben unter Aufsicht. Auch beim Beschwerdeführer wurden in der Zeit vom 24. November bis zum 28. Dezember 2020 vier beaufsichtigte Urinkontrollen durchgeführt, bei denen der anwesende Justizvollzugsbedienstete während der Abgabe der Urinprobe jeweils einen freien Blick auf das entkleidete Genital des Beschwerdeführers hatte.

Anfang Januar 2021 beantragte der Beschwerdeführer eine gerichtliche Entscheidung. Er begehrte, dass zukünftig Feststellungen zum Suchtmittelkonsum durch eine Blutentnahme aus der Fingerbeere erfolgen sollten. Zudem beantragte er die Feststellung, dass die durchgeführten Urinabgaben unter Sichtkontrolle rechtswidrig gewesen seien. Die vier Urinproben innerhalb von gut vier Wochen hätten sein Schamgefühl erheblich verletzt und massiv in seine Intimsphäre eingegriffen…..“

Die Rechtsmittel hatten keinen Erfolg, die Verfassungsbeschwerde hatte dann aber Erfolg. Wegen der recht umfangreichen Begründung des BVerfG verweise ich auf den verlinkten Volltext.

Hier nur der/(mein) Leitsatz:

Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl eines Inhaftierten berühren, lassen sich im Haftvollzug nicht immer vermeiden. Sie sind aber von besonderem Gewicht. Der Gefangene hat deshalb Anspruch auf besondere Rücksichtnahme.

 

U-Haft III: Der Erlass eines neuen BGH-Haftbefehls, oder: Gegenstandslose Haftbeschwerde

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Und zum Tagesschluss noch etwas Verfahrensrechtliches zur U-Haft, und zwar der BGH, Beschl. v. 19.07.2022 – StB 30/22.

Der Beschuldigte ist in dieser Sache am 07.02.2022 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 08.02.2022 ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Lörrach vom selben Tag. Am 13.07.2022 hat der Ermittlungsrichter des BGH unter Aufhebung dieser Entscheidung einen neuen Haftbefehl erlassen und verkündet, der seither vollzogen wird.

Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte, der im Sinne der sog. Reichsbürger-Bewegung die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Staatsorgane in Abrede stelle, habe am 07.02.2022 bei W. aus niedrigen Beweggründen versucht, durch den gezielten Zusammenstoß mit dem von ihm geführten PKW einen Polizisten zu töten, um sich einer von ihm als rechtswidrig erachteten Verkehrskontrolle zu entziehen, wobei er dem Beamten schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen zugefügt habe, strafbar unter anderem als versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls.

Nachdem das AG Karlsruhe die Haftkontrolle vom AG Lörrach übernommen hatte, hat es sie – nach Übernahme des Ermittlungsverfahrens durch den GBA – mit Beschluss vom 23. 06.2022 auf den Ermittlungsrichter des BGH übertragen. Dieser hat am 28.06.2022 darauf erkannt, dass mit dem vorbenannten Beschluss die Zuständigkeit für die weiteren Haftentscheidungen gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO auf ihn übergegangen ist.

Gegen den Haftbefehl des AG Lörrach hatte der Beschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24.06.2022 beim AG Karlsruhe Beschwerde eingelegt. Über den GBA ist sie am 28.06.2022 dem Ermittlungsrichter des BGH übersandt worden, der ihr nicht abgeholfen und sie am Folgetag dem BGH-Senat vorgelegt hat. Der hat nun die Beschwerde als gegenstandslos angesehen:

„Die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Lörrach vom 8. Februar 2022 ist gegenstandlos.

Die Untersuchungshaft wird nicht mehr aufgrund dieses Haftbefehls vollzogen, sondern auf der Grundlage des neuen erweiterten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2022. Dies führt infolge prozessualer Überholung zur Unstatthaftigkeit der gegen den ursprünglichen Haftbefehl erhobenen Beschwerde. Da die Untersuchungshaft weiter vollzogen wird und der Beschuldigte den neuen Haftbefehl vollumfänglich angreifen kann, besteht für die Beschwerde gegen die erstmalige Haftanordnung auch unter dem Gesichtspunkt eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses kein Rechtsschutzbedürfnis. Weil die Unzulässigkeit des Rechtsmittels erst nach seiner Einlegung eingetreten ist, ist es infolge Erledigung für gegenstandslos zu erklären (s. BGH, Beschluss vom 4. Januar 2013 – StB 10/12, juris Rn. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Dezember 2015 – 2 Ws 664/15, juris Rn. 3 ff.; BeckOK StPO/Krauß, 43. Ed., § 117 Rn. 7).“