Archiv der Kategorie: Verfassungsgericht

OWi I: Keine Begründung der Auslagenentscheidung, oder: Weiß man es nicht oder man will nicht?

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Und dann geht es heute weiter mit Entscheidungen betreffend das Bußgeldverfahren.

Hier habe ich zunächst den BVerfG, Beschl. v. 27.09.2024 – 2 BvR 375/24 – noch einmal/mal wieder – leider – zur Frage der Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren.

Gegen den Beschwerdeführer war ein Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ergangen. Nach fristgerecht eingelegtem Einspruch setzte das AG Hauptverhandlungstermin fest, zu dem es das persönliche Erscheinen des Be-schwerdeführers anordnete. Zu dem Termin erschien der Beschwerdeführer in Begleitung sei-nes Verteidigers. Zur Sache befragt gab der Verteidiger eine Erklärung ab, wonach der Be-schwerdeführer nicht der Fahrer sei. Daraufhin verkündete das Amtsgericht folgenden Be-schluss: „Das Verfahren wird gemäß § 47 Abs. 2 OWiG auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse nicht.“ Gründe enthielt der Beschluss nicht.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Beschluss des AG „(sofortige) Beschwerde“, zudem beantragte er beim AG mit gesondertem Schreiben „sowohl im Wege der Gegenvorstellung, als auch im Wege der Anhörungsrüge“ die Aufhebung des Beschlusses, jedenfalls auch die not-wendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Das AG verwarf die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung als unzulässig. Eine Begründung erfolgte nicht. Seine Beschwerde begründe-te der Betroffene unter Verweis auf den Beschluss des BVerfG v. 13.10.2015 (2 BvR 2436/14, NJW 2016, 861) dahingehend, dass hier die Beschwerde nach Ablehnung der Anhörungsrüge statthaft sei und zum Rechtsweg gehöre, der vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zu erschöpfen sei. Das LG verwarf die sofortige Beschwerde als unzulässig. Zur Begründung führ-te es aus, dass nach § 464 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 StPO eine gerichtliche Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen nicht anfechtbar sei, wenn eine Anfechtung der Hauptent-scheidung nicht statthaft sei. § 47 Abs. 2 Satz 3 OWiG schließe die Anfechtbarkeit des Einstel-lungsbeschlusses ausdrücklich aus. Im Übrigen sei die Kosten- und Auslagenentscheidung auch nicht auf eine Gegenvorstellung hin abänderbar. Die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde als zulässig angesehen – zur Rechtswegerschöpfung bitte selbst lesen und führt dann zur Begründetheit u.a. aus:

„….

2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Das Amtsgericht hat mit der angegriffenen Auslagenentscheidung gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als Willkürverbot verstoßen.

a) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in seltenen Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; stRspr). Ein Richterspruch verstößt nicht schon dann gegen das Verbot objektiver Willkür, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das dazu eingeschlagene Verfahren fehlerhaft sind. Hinzukommen muss, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 80, 48 <51>), etwa wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; 112, 185 <216>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Mai 2024 – 2 BvR 1457/23 -, Rn. 11).

Dieser aus Art. 3 Abs. 1 GG gewonnene materiell-verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab verlangt mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) eine Begründung auch letztinstanzlicher Entscheidungen jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und der Grund hierfür sich nicht schon eindeutig aus den den Beteiligten bekannten und für sie ohne Weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 71, 122 <136>). Dabei kann von einer willkürlichen Missdeutung des Inhalts einer Norm nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <279>; 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr).

b) Nach diesen Maßstäben verletzt die angegriffene Auslagenentscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Gemäß § 467 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG hat die nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens zu treffende Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen grundsätzlich dahingehend auszufallen, dass diese zulasten der Staatskasse gehen. Zwar kann oder muss hiervon in einigen gesetzlich geregelten Fällen abgesehen werden (§ 109a Abs. 2 OWiG, § 467 Abs. 2 bis 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG). Der Entscheidung des Amtsgerichts vom 7. September 2023 über die notwendigen Auslagen lässt sich jedoch nicht einmal im Ansatz entnehmen, aus welchem Grunde diese dem Beschwerdeführer auferlegt wurden. Sie enthält keinerlei Erwägungen, die ein Abweichen von der Regelung des § 467 Abs. 1 StPO rechtfertigen oder auch nur nachvollziehbar machen könnten. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Amtsgericht und in der Folge auch das Landgericht insoweit von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen.

bb) Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 109a Abs. 2 OWiG waren hier nicht gegeben, denn dem Beschwerdeführer sind ersichtlich keine vermeidbaren Auslagen dadurch entstanden, dass er entlastende tatsächliche Umstände (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2013 – 2 BvR 864/12 -, Rn. 23 m.w.N.) nicht rechtzeitig vorgebracht hatte. Der Beschwerdeführer als Betroffener eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens war nicht verpflichtet, auf den Anhörungsbogen, sollte dieser dem Beschwerdeführer überhaupt zugegangen sein, Angaben zu machen und den aus seiner Sicht tatsächlichen Fahrer der Ordnungswidrigkeit zu benennen.

cc) Nach der Bestimmung des § 467 Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG kann ein Gericht davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es das Verfahren nach einer Vorschrift einstellt, die dies – wie § 47 Abs. 2 OWiG – nach seinem Ermessen zulässt. Dabei darf auf die Stärke des Tatverdachts abgestellt, aber ohne prozessordnungsgemäße Feststellung keine Schuldzuweisung vorgenommen werden (vgl. BVerfGE 82, 106 <117>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2015 – 2 BvR 2436/14 -, Rn. 31).

Das Amtsgericht hat seine Auslagenentscheidung weder im Beschluss vom 7. September 2023 begründet, noch die fehlende Begründung in seiner Entscheidung über die Gegenvorstellung und Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 15. September 2023 nachgeholt. Das Fehlen der Begründung einer gerichtlichen Entscheidung kann dazu führen, dass ein Verfassungsverstoß nicht auszuschließen und die Entscheidung deshalb aufzuheben ist, weil erhebliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. BVerfGE 55, 205 <206>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 – 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 – 2 BvR 378/05 -, Rn. 33 und vom 13. Oktober 2015 – 2 BvR 2436/14 -, Rn. 32).

Solche nicht auszuräumenden Zweifel drängen sich hier auf. Da die angegriffenen Beschlüsse vom 7. und 15. September 2023 – ungeachtet der vom Beschwerdeführer rechtlich und tatsächlich in Abrede gestellten Verdachtslage – keine Hinweise auf die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte für eine vom Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO abweichende Kostentragung gemäß § 467 Abs. 4 StPO enthalten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht sich insoweit von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und deshalb das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist.“ung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).“

Dem ist nichts hinzuzufügen, das haben wir in letzter Zeit immer wieder lesen müssen, hier dann eben noch einmal vom BVerfG. Ich frage mich allerdings, warum AG an der Stelle nicht vernünftig arbeiten und begründen. Entweder weiß man nicht, was gefordert wird, oder man will nicht. Beides ist gleich schlimm.

 

StPO I: Durchsuchungsbeschluss im Kipo-Verfahren, oder: Nachbesserung durch das Beschwerdegericht

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Und dann stelle ich heute StPO-Entscheidungen aus der Instanz vor.

Na ja, nicht ganz/nur aus der Instanz, denn die erste Entscheidung stammt vom VerfGH Sachsen. Der hat im VerfGH Sachsen, Beschl. v. 24.10.2024 – Vf. 24-IV-23 – erneut zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Durchsuchungsanordnung Stellung genommen. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das AG den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Durchsuchungsbeschluss In der Begründung heißt es, der Beschuldigte sei Mitglied einer Gruppe des Messengers „WhatsApp“ gewesen, in der kinderpornographische Inhalte versandt worden seien und habe in der Zeit, in der er Mitglied gewesen sei, Dateien (Bilder und Videos) mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten empfangen. Der Beschwerdeführer habe sich aktiv an der Gruppe beteiligt. Dagegen die Beschwerde des Beschuldigten. Das LG hat die  Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass dem Beschwerdeführer der Tatverdacht des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB zur Last liege.

Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg:

„…..

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts und der diesen abändernde Beschluss des Landgerichts gerecht. Der Durchsuchungsbeschluss begegnet in der Gestalt, den er durch den landgerichtlichen Beschluss erhalten hat, in formeller Hinsicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (aa). Die fachgerichtliche Annahme eines Anfangsverdachts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (bb). Zudem hält die angegriffene Maßnahme einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand (cc).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss in der Gestalt, den er durch die landgerichtliche Entscheidung erhalten hat, beschreibt den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tatvorwurf hinreichend und bezeichnet das zu durchsuchende Objekt und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so, wie es nach Lage der Dinge geschehen konnte. Die vorgenommene Umschreibung reicht aus, um den mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten aufzuzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, und damit den Zweck der Durchsuchungsanordnung – die Begrenzung des Zugriffs auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung– zu erfüllen (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf.56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR 180/03 – juris Rn. 2).

bb) In der Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts liegt dem Durchsuchungsbeschluss auch eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung des Anfangsverdachts zugrunde.

Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Für die Annahme eines solchen Anfangsverdachts genügen konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte, die es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35, 38; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 2 BvR 1912/93 – juris Rn. 4; Beschluss vom 23. Juli 1982, NStZ 1982, 430). Auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrads abhängig zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 15; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 5). Diesen Verdacht hat der für die vorherige Gestattung des behördlichen Eingriffs oder dessen nachträgliche Kontrolle zuständige Richter zu prüfen. Hierzu gehört eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 18; Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des vom Fachgericht angenommenen Anfangsverdachts ist hingegen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes. Sein Eingreifen ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1188/18 – juris Rn. 43; Beschluss vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19 – juris Rn. 24; Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 BvR 2419/13 – juris Rn. 17).

Es kann dahinstehen, ob die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts, der dem Durchsuchungsbeschluss zugrundeliegende Lebenssachverhalt sei als Verbreitung kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 StGB strafbar, zutreffend war. Jedenfalls ist es nicht objektiv willkürlich, dass das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung diese rechtliche Bewertung abänderte und annahm, es liege ein Anfangsverdacht für ein Sichverschaffen von kinder- und jugendpornographischen Inhalten gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB vor. Im Beschwerdeverfahren sind zwar Prüfungsmaßstab und die Heilungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts bei der Überprüfung einer durch Vollzug erledigten Durchsuchung beschränkt, weil dieses keine eigene Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung trifft. So können Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 4). Doch kann das Beschwerdegericht Defizite in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachbessern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29 m.w.N.). Dies umfasst auch Indiztatsachen, die den Anfangsverdacht belegen, weil diese für Zwecke der Begrenzung der Vollziehung der Maßnahme nicht immer erforderlich sind und folglich im Durchsuchungsbeschluss selbst nicht notwendigerweise genannt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Die vom Landgericht für seine abweichende rechtliche Bewertung angeführten tatsächlichen Umstände – das Einstellen derartiger Inhalte in den Gruppenchat und die aktive Beteiligung des Beschwerdeführers an diesem Chat – sind bereits im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts wiedergegeben. Indem das Landgericht den der Verdachtsannahme zugrundliegenden Lebenssachverhalt lediglich einer anderen rechtlichen Würdigung unterzog, hat es die Grenzen der Heilungsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren nicht überschritten.

Auch in der Sache sind die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der landgerichtlichen Bewertung der Tatsachenbasis ist ein willkürliches Überspannen der Anforderungen an einen Anfangsverdacht, der gerade noch nicht einen die Anklageerhebung rechtfertigenden Verdachtsgrad erreicht haben muss (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35), nicht festzustellen. Die Annahme des Landgerichts, es liege im Bereich des Möglichen, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt und diese gebilligt habe, ist nicht schlechterdings unhaltbar. Rein spekulativen Charakter hat diese Annahme angesichts der aktiven Beteiligung des Beschwerdeführers am Chat, nachdem bereits inkriminierte Dateien geteilt worden waren, nicht.

cc) Die fachgerichtliche Bewertung, die angeordnete Durchsuchung stehe in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat sowie zu der Stärke des Tatverdachts und sei für die Ermittlungen notwendig, widerspricht ebenfalls nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen.“

StPO I: BVerfG nochmals zur „Umgrenzungsfunktion“, oder: Wie oft muss sich das BVerfG dazu noch äußern?

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Und in die 34. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Zwangsmaßnahmen, und zwar einmal von ganz oben – also BVerfG – und einmal „nur“ von oben, also BGH.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 27.06.2024 – 1 BvR 1194/23. Es geht mal wieder um die nicht ausreichende Umgrenzung eines Durchsuchungsbeschlusses. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei. Im November 2022 hatte der Marktleiter eines Baumarkts der Polizei mitgeteilt, dass in letzter Zeit häufiger hochwertige Baumarktartikel gestohlen worden seien. Bei Recherchen im Internet sei er auf einen eBay-Account gestoßen, auf dem u.a. die entwendeten Gegenstände angeboten worden seien. Die Polizei konnte den eBay-Account dem Beschulidgetn zuordnen. In den Wochen vor Einleitung der Ermittlungen waren über diesen Account 69 zum Großteil neuwertige und originalverpackte Baumarktartikel zum Kauf angeboten worden. Eine Liste aller inserierten Artikel wurde zu den Akten genommen.

Am 18.01.2023 ordnete das AG „wegen Hehlerei“ die Durchsuchung der Person, der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung habe insbesondere den Zweck, als Beweismittel „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ aufzufinden. Die Beschlagnahme dieser Beweismittel wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, über eBay-Kleinanzeigen unter seinem Account „diverse Artikel“ zum Verkauf anzubieten, die zuvor in dem näher benannten Baumarkt entwendet worden seien. Der Tatverdacht beruhe auf den Online-Ermittlungen der Polizei und der Auskunft des Marktleiters des Baumarktes. Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung seien, führen werde. Es folgte eine kurze Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung.

Die Durchsuchung wurde am 26.01.2023 vollzogen. Der Beschuldigte legte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein, die vom LG verworfen wurde.

Dagegen dann noch die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte. Nach dem üblichen „allgemeinen Vorspann“ führt das BVerfG zur Sache aus:

„b) Danach genügt der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den an seine Umgrenzung zu stellenden Anforderungen nicht. Seine Formulierung ist nicht dazu geeignet, sicherzustellen, dass der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht des Beschwerdeführers messbar und kontrollierbar blieb.

Der Durchsuchungsbeschluss benennt die gesuchten Beweismittel für sich genommen nicht hinreichend konkret (aa). Eine hinreichende Umgrenzung der gesuchten Beweismittel kann auch der weitere Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses nicht leisten, weil er keine für eine hinreichende Umgrenzung ausreichend konkreten Angaben zum tatsächlichen oder rechtlichen Tatvorwurf einschließlich der konkreten vorgeworfenen Vortaten (bb) und insbesondere keinerlei Angaben zum Tatzeitraum (cc) enthält; ebenso fehlen für eine hinreichende Umgrenzung ausreichende Angaben zu Indizien, die den Tatvorwurf trügen (dd). Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab (ee). Eine nähere Beschreibung der gesuchten Beweismittel wäre dem Amtsgericht schließlich auch nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen (ff).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss enthält für sich genommen keine hinreichend konkret umgrenzte Angabe der gesuchten Beweismittel. Diese gibt der Beschluss lediglich mit „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ an. Dies allein genügt nicht, um dem Beschwerdeführer als Betroffenen und den Ermittlungspersonen präzise aufzuzeigen, wonach gesucht werden sollte. Denn insbesondere die Umschreibung als „sonstige entwendete Baumarktartikel“ ist erheblich zu weit, um die Durchsuchung eines Privathaushalts hinreichend mess- und kontrollierbar zu begrenzen. Umfasst sind ausdrücklich alle Artikel aus dem Sortiment eines Baumarktes. Darunter können eine Vielzahl von Gegenständen in diversen Stückelungen und sehr unterschiedlichen Preiskategorien fallen. Baumärkte verkaufen ein sehr breites und vielfältiges Sortiment. Darüber hinaus lässt die Umschreibung der gesuchten Beweismittel nicht erkennen, ob nur Baumarktartikel gesucht werden, die in einer bestimmten Art und Weise verpackt sind (etwa originalverpackt), einen bestimmten Zustand (etwa neuwertig) aufweisen, einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Größe haben oder in einer bestimmten Anzahl aufgefunden werden. Eine solche Umgrenzung wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil zu erwarten ist, dass sich in einem durchschnittlichen Privathaushalt eine Vielzahl von alltäglich genutzten Gegenständen befindet, die im Sortiment eines Baumarktes enthalten sein können und daher von der Beschreibung der gesuchten Beweismittel im Durchsuchungsbeschluss erfasst wären.

bb) Auch die im Durchsuchungsbeschluss enthaltenen Angaben zum Tatvorwurf, dem ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt oder den für eine Hehlerei erforderlichen Vortaten können die Mängel der Umgrenzung nicht hinreichend kompensieren, um Umfang und Tiefe der Durchsuchung mess- und kontrollierbar zu gestalten. Der Durchsuchungsbeschluss erwähnt weder § 259 Abs. 1 StGB, noch wird die dortige Beschreibung des Straftatbestands der Hehlerei wörtlich zitiert oder wenigstens paraphrasiert. Die einzige Erwähnung der „Hehlerei“ findet sich im Rubrum des Durchsuchungsbeschlusses. Darüber hinaus fehlen Angaben über die konkret entwendeten oder zum Verkauf angebotenen Gegenstände, die möglichen Täter, den möglichen Ablauf und die Anzahl etwaiger Vortaten. Statt einer auf Grundlage der vorhandenen Inserate-Liste oder der Zeugenaussage des Marktleiters formulierten Beschreibung der im Baumarkt entwendeten oder vom Account des Beschwerdeführers aus verkauften Gegenstände spricht der Durchsuchungsbeschluss nur von „diverse[n] Artikeln“. Auch der subjektive Tatbestand (Wissen und Wollen des Verkaufens gestohlener Gegenstände) ist nicht im Ansatz beschrieben. Dem konkreten Tatvorwurf im Durchsuchungsbeschluss lässt sich mangels subjektiven Tatbestands weder eine Verwirklichung eines Strafgesetzes noch eine Vollendung der Tat („zum Verkauf anzubieten“) entnehmen.

cc) Eine hinreichende Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen zeitlichen Eingrenzung des Tatvorwurfs, da eine solche fehlt. Die Formulierung des Tatvorwurfs im Präsens mag darauf hindeuten, dass dem Beschwerdeführer eine noch andauernde Handlung vorgeworfen wird. Das hilft aber über die mangelnde Eingrenzung nicht hinweg, weil nicht erkennbar ist, seit wann das vorgeworfene Handeln andauert (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Die vorgeworfenen Taten sind auch keine Dauerdelikte, so dass es auf ihren Beginn nicht ankäme (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 1872/05 -, Rn. 11). Vielmehr werden dem Beschwerdeführer mehrere einzelne, aber nicht weiter konkretisierte Hehlereitaten vorgeworfen. Es ist aus dem Durchsuchungsbeschluss nicht einmal erkennbar, ob die vorgeworfenen Taten möglicherweise bereits verjährt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Das gilt insbesondere insofern, als die Wertung, ab welchem Zeitpunkt Taten in der Vergangenheit möglicherweise verjährt sind, mangels Angaben dazu, ob dem Beschwerdeführer versuchte oder vollendete Delikte als Täter oder Teilnehmer vorgeworfen werden, für Beschwerdeführer und Ermittlungspersonen auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses nicht möglich ist; selbst aus einer angenommenen zeitlichen Beschränkung des Tatvorwurfs auf nichtverjährte Taten könnte sich daher keine mess- und kontrollierbare Begrenzung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 25).

dd) Soweit der Durchsuchungsbeschluss einige wenige Indizien (den Namen des verwendeten Accounts, Name und Anschrift des Baumarktes) nennt, können diese hier von vornherein keine mess- und kontrollierbare Umgrenzung der Durchsuchung leisten.

ee) Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab. Weder die inhaltliche, zeitliche oder rechtliche Umschreibung des Tatvorwurfs und der Vortaten noch die Benennung der Beweismittel zeigt klar auf, welche Baumarktartikel gesucht werden sollen. Dadurch war es dem Beschwerdeführer auch praktisch nicht möglich, durch die Herausgabe von Gegenständen die Durchsuchung abzuwenden. Denn weder der Beschwerdeführer noch die Ermittlungspersonen hätten abschätzen können, welche Gegenstände der Beschwerdeführer freiwillig herausgeben müsste, um weitere Durchsuchungshandlungen abzuwenden.

ff) Die Anforderungen an eine Umgrenzung der gesuchten Beweismittel waren hier auch nicht deshalb abgesenkt, weil dem Amtsgericht eine nähere Beschreibung nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151>). So gab es zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses zahlreiche Anhaltspunkte in den Akten, deren Aufnahme in den Durchsuchungsbeschluss den äußeren Rahmen der Durchsuchung hätten begrenzen können – ohne dass die Aufnahme dieser einzelnen Punkte für sich genommen verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre. Hervorzuheben ist hier insbesondere die praktisch übliche und im Regelfall unerlässliche (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2004 – 2 BvR 2105/03 -, Rn. 11) Nennung des groben Tatzeitraums, die vorliegend eine deutliche Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ermöglicht hätte. Die hier fehlende zeitliche Eingrenzung ist nicht mit typischerweise fehlenden Details aufgrund des frühen Stadiums der Ermittlungen zu erklären. Vielmehr hatte die Polizei eine konkrete Auflistung von 69 verdächtigen Verkaufsanzeigen mit Erstellungsdatum zur Akte genommen. Auch die Angaben des Marktleiters als Zeugen, dass es „in den vergangenen Wochen vermehrt zu Diebstählen gekommen sei“, machen jedenfalls eine grobe Eingrenzung des Zeitraums sowohl der Vortaten als auch der konkret vorgeworfenen Hehlereitaten möglich. Auch durch eine bloß beispielhafte Nennung einiger der Artikel aus den 69 dokumentierten Inseraten sowie insbesondere durch eine ausdrückliche Beschränkung auf neuwertige oder originalverpackte Ware hätte sich die Durchsuchung bedeutend besser messen und kontrollieren lassen.

c) Der Beschluss des Landgerichts konnte diesen Mangel nicht heilen. Zwar kann das Beschwerdegericht einzelne Inhalte eines Durchsuchungsbeschlusses ergänzen oder bewerten, die zu einer hinreichenden Umgrenzung beitragen können. Das gilt insbesondere für die Begründung der Annahme eines Tatverdachts, wenn die für die Begründung verwendeten Indizien bereits bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorlagen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 19 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2010 – 2 BvR 2561/08 -, Rn. 29), oder für Darlegungen zur Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 18). Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können aber, wenn die Durchsuchung – wie hier – bereits stattgefunden hat, im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>). Auch kann eine Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme, die durch die Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses präventiv erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr herbeigeführt werden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 29 m.w.N.).

Dies hat das Landgericht verkannt. Die Zurückweisung der Beschwerde verletzt daher den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. auch Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1324/15 -, Rn. 30, und vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 25, 30).“

Man fragt sich: Wie oft muss sich das BVerfG zu den Fragen denn noch äußern? Das haben wir doch schon alles so oder ähnlich gelesen. Für mich sind solche Entscheidungen von AG eine Unverschämtheit. immerhin geht es um die Unverletztlichkeit der Wohnung. Da wäre ein wenig Sorgfalt und Mühe wohl angebracht.

VerfG III: Ermessen und Auslagenentscheidung, oder: Ressourcenverschleuderung auf hohem Niveau

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Im dritten Posting dann etwas aus Sachsen, und zwar der VerfGH Sachsen, Beschl. v. 23.05.2024 – Vf. 22-IV-23 – mal wieder zur Ermessensausübung bei der Auslagenentscheidung nach Einstellung des (Bußgeld)verfahren. Derzeit ist häufig über (ober)gerichtliche Rechtsprechung zu berichten. Hier wurde der (ehemaligen) Betroffenen mit Bescheid des Landratsamtes vom 04.10.2022 vorgeworfen, verkehrsordnungswidrig im eingeschränkten Halteverbot geparkt zu haben. Die Betroffene legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragte die Einstellung des Bußgeldverfahrens. Ferner beantragte sie, ihre notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. In der Hauptverhandlung stellte das AG Kamenz das Verfahren mit Beschluss vom 03.04.2023 nach § 47 Abs. 2 OWiG ein. Die Kosten des Verfahrens legte es der Staatskasse auf. Das AG hat aber Gericht hat davon abgesehen, auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Hiergegen hat die Betroffene Anhörungsrüge erhoben. Mit Beschluss vom 25.04.2023 hat das AG diese als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss vom 03.04.2023 sei zwar ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs ergangen. Dies sei durch die Anhörungsrüge aber nachgeholt worden. Gründe dafür, die Auslagenentscheidung zu ändern, sehe das Gericht nicht.

Die Betroffene hat Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des AG Kamenz vom 03. und 25.04.2023 eingelegt. Sie rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot. Im Ergebnis der Beweisaufnahme hätten sich die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht bestätigt. Der Vorsitzende habe kein rechtliches Gehör zum beabsichtigten Vorgehen gewährt. Der Beschluss vom 03.04.2023 enthalte keinen Hinweis auf die Rechtsgrundlage für die Auslagenentscheidung und keinerlei Erwägungen zu den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkten für eine vom Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG abweichende Kostentragung nach § 467 Abs. 4 StPO. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht sich insoweit von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. Willkür könne im Falle des Fehlens einer Begründung schon dann vorliegen, wenn eine andere Entscheidung nahegelegen hätte und eine nachvollziehbare Begründung für das Abweichen hiervon fehle.

Die Verfassungsbeschwerde hatte teilweise Erfolg. Der VerfGH sachsen hat, soweit im Beschluss vom 03.04.2024 über die notwendigen Auslagen der Betroffenen entschieden worden ist, den Beschluss aufgehoben und die Sache an das AG Kamenz zurückverwiesen. Im Übrigen hat es die Verfassungsbeschwerde verworfen.

Der VerfGH geht von einem Verstoß gegen das Willkürverbot aus. Er legt dazu – noch einmal – die Maßstäbe dar und führt dann zur Sache aus:

„bb) Nach diesen Maßstäben verletzt die angegriffene Auslagenentscheidung die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf, denn es ist nicht erkennbar, weshalb das Amtsgericht von einer Auslagenerstattung abgesehen hat, obwohl die Erstattung den gesetzlichen Regelfall darstellt.

(1) Gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG hat die nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens zu treffende Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen grundsätzlich dahingehend auszufallen, dass diese zu Lasten der Staatskasse gehen. Zwar kann oder muss hiervon in einigen gesetzlich geregelten Fällen abgesehen werden (§ 109a Abs. 2 OWiG, § 467 Abs. 2 bis 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Der Entscheidung des Amtsgerichts über die notwendigen Auslagen lässt sich jedoch nicht einmal im Ansatz entnehmen, aus welchem Grunde diese der Beschwerdeführerin auferlegt wurden. Weder gibt es Anhaltspunkte für eine Ermessensentscheidung nach § 109a Abs. 2 OWiG noch für eine schuldhafte Säumnis der Beschwerdeführerin (§ 467 Abs. 2 Satz 2 StPO) oder eine unwahre Selbstanzeige (§ 467 Abs. 3 Satz 1 StPO) bzw. wahrheitswidrige Selbstbelastung (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO). Da das Amtsgericht das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG und nicht wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt hat, konnte die Auslagenentscheidung auch nicht auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO gestützt werden.

Nach § 467 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG kann ein Gericht zwar davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es das Verfahren nach einer Vorschrift einstellt, die dies – wie § 47 Abs. 2 OWiG – nach seinem Ermessen zulässt. Dabei darf auf die Stärke des Tatverdachts abgestellt, aber ohne prozessordnungsgemäße Feststellung keine Schuldzuweisung vorgenommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 106 [117]). Allerdings hat das Amtsgericht seine Auslagenentscheidung weder im Beschluss vom 3. April 2023 begründet noch die fehlende Begründung in seiner Entscheidung über die Anhörungsrüge vom 25. April 2023 nachgeholt (insoweit anders in den Sachverhalten, die den Beschlüssen vom heutigen Tag – Vf. 14-IV-23, Vf. 15-IV-23 – zugrunde lagen). Ungeachtet des von der Beschwerdeführerin bestrittenen Vorwurfs und der durchgeführten Hauptverhandlung enthält die angegriffene Entscheidung keine Hinweise auf die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte für eine vom Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO abweichende Kostentragung gemäß § 467 Abs. 4 StPO. Anders als in Fällen, in denen eine Begründung vorhanden ist und auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden kann, kann Willkür im Falle des Fehlens einer Begründung schon dann vorliegen, wenn eine andere Entscheidung – hier gerichtet auf die Erstattung notwendiger Auslagen als dem gesetzlichen Regelfall – nahegelegen hätte und eine nachvollziehbare Begründung für das Abweichen hiervon fehlt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 27. April 2022 – 130/20 – juris Rn. 9). Das Fehlen der Begründung einer gerichtlichen Entscheidung führt vorliegend dazu, dass ein Verfassungsverstoß nicht auszuschließen und die Entscheidung deshalb aufzuheben ist, weil erhebliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 2 BvR 2436/14 – juris Rn. 32; Beschluss vom 12. März 2008 – 2 BvR 378/05 – juris Rn. 33; Beschluss vom 25. Februar 1993 – 2 BvR 251/93 – juris Rn. 4).“

Das ist mal wieder eine der Entscheidungen, bei denen man sich verwundert die Augen reibt und den Kopf schüttelt, wenn man sie gelesen hat, und sich fragt: Wie oft denn noch? Und warum muss für eine solche Frage eigentlich ein Verfassungsgericht bemüht werden, das dann die richtige Entscheidung trifft und das AG „zwingt“, sich noch einmal mit den Fragen zu befassen. Das ist in meinen Augen Ressourcenverschleuderung auf hohem Niveau. Denn:

Warum legt das AG nicht von vornherein nach Einstellung des Verfahrens die Auslagen der Staatskasse auf bzw. warum wird die getroffene andere Entscheidung nicht begründet? Wenn einem als Amtsrichter schon Ermessen eingeräumt wird und man dieses ausübt und vom Regelfall abweicht, dann muss man das begründen. Das ist ja nun auch nichts Neues, sondern sollte ein Amtsrichter wissen; die vom VerfGH zitierte Rechtsprechung zeigt anschaulich wie „alt“ die angesprochenen Fragen sind. Und weiter fragt man sich: Wenn man nun in der Hauptverhandlung die Begründung für die abweichende Entscheidung vergessen hat, was ja passieren kann, aber an sich nicht sollte, dass ist nicht nachzuvollziehen, warum man dann nicht auf die Anhörungsrüge hin den einfachen Weg zur Reparatur der lückenhaften Ausgangsentscheidung geht und die Begründung nachholt? Nein. man geht über diese „goldene Brücke“ nicht, sondern ist vielmehr noch so frech, dass man die Betroffene bescheidet, dass man Gründe dafür, die Auslagenentscheidung zu ändern, nicht sehe. Man kann nur hoffen, dass die Entscheidung „hilft“ und der Amtsrichter sich in zukünftigen Fällen an die mehr als deutlichen Vorgaben des VerfGH hält.

Verteidigern/Rechtsanwälten kann man nur raten, den Weg zum Verfassungsgericht nicht zu scheuen und in vergleichbaren Fällen Verfassungsbeschwerde zu erheben. Man wird ja auch nicht „umsonst“ tätig. Denn die notwendigen Auslagen werden im Zweifel der Staatskasse auferlegt (so auch hier nach § 16 Abs. 3 SächsVerfGHG). Abgerechnet wird nach § 37 RVG. Den dafür erforderlichen Gegenstandswert setzt das Verfassungsgericht nach § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG fest. Hier ist der Gegenstandswert auf immerhin 8.000 EUR festgesetzt worden. Billig wird es für die Staatskasse also nicht.

VerfG II: Erfolgreicher Eilantrag gegen Berufungsurteil, oder: Zu schnell geschossen beim LG Frankfurt/Main?

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Im zweiten Posting kommt dann hier der BVerfG, Beschl. v. 19.07.2024 – 2 BvR 829/24. In dem Beschluss hat das BVerfG in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren, das sich gegen ein Berufungsurteil richtet, das nach einer Verhandlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Abwesenheit des Verteidigers und des Angeklagten ergangen ist, eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Berufungsurteil ausgesetzt worden ist.

„1. Mit Urteil vom 3. März 2023 verurteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main den Beschwerdeführer wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu jeweils 10,00 Euro; mit Urteil vom 17. März 2023 des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Außenstelle Höchst – wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter Körperverletzung in einem besonders schweren Fall zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu jeweils 40,00 Euro verurteilt.

2. Gegen diese Urteile legten die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer Berufung ein. Ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2023 nahm die Staatsanwaltschaft später zurück.

Am 11. September 2023 erklärte der Verteidiger telefonisch, der Beschwerdeführer sei erkrankt und verhandlungsunfähig; ein Attest werde nachgereicht. Das Landgericht hielt am festgesetzten Termin zur Berufungshauptverhandlung am 13. September 2023 fest. Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin nicht. Auch sein Verteidiger nahm an der Berufungshauptverhandlung nach entsprechender Ankündigung nicht teil.

Nach Verwerfung der Berufung des Beschwerdeführers durch gesondertes Urteil, das nicht Gegenstand dieses Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist, verhandelte das Landgericht Frankfurt am Main zu der allein noch offenen Berufung der Staatsanwaltschaft.

Mit hier angegriffenem Urteil vom 13. September 2023 fasste das Landgericht Frankfurt am Main das Urteil des Amtsgerichts vom 17. März 2023 auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin neu und verurteilte den Beschwerdeführer wegen Störung des öffentlichen Friedens in Tateinheit mit versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung unter Einbeziehung zweier weiterer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

3. Die hiergegen eingelegte Revision des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 15. Mai 2024 als unbegründet. Das Oberlandesgericht sah die beiden von dem Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen, mit denen dieser die Verurteilung in seiner Abwesenheit und ohne Mitwirkung eines notwendigen Verteidigers rügte, als unzulässig an, da sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügenden Form begründet worden seien.

4. Die mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 2023 verhängte Freiheitsstrafe wird mittlerweile vollstreckt.

II.

Am 21. Juni 2024 hat der Beschwerdeführer durch seinen Prozessbevollmächtigten Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf vorläufige Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe beantragt. Im Kern macht er geltend, die Verurteilung in seiner Abwesenheit und ohne Mitwirkung seines Verteidigers verletze sein Recht auf ein faires Verfahren.

III.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 89, 38 <43 f.>; 143, 65 <87 Rn. 35>; 157, 332 <375 Rn. 68>; stRspr). Für die einstweilige Anordnung ist allerdings kein Raum, wenn sich die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. BVerfGE 104, 23 <28>; 111, 147 <152 f.>; 157, 332 <375 Rn. 68>; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 <371>; 143, 65 <87 Rn. 35>; 157, 332 <377 Rn. 73>; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab (vgl. BVerfGE 55, 1 <3>; 104, 23 <27>; 158, 210 <230 Rn. 50>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

a) Die Verfassungsbeschwerde genügt nach vorläufiger Bewertung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Zulässigkeitsanforderungen.

aa) Sie wurde fristgerecht erhoben und hinreichend begründet. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit einer Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte substantiiert dargelegt.

bb) Der Subsidiaritätsgrundsatz dürfte der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht durchgreifend entgegenstehen. Zwar betrachtete das Oberlandesgericht die Verfahrensrügen, mit denen der gerügte Grundrechtsverstoß bereits im fachgerichtlichen Verfahren hätte ausgeräumt werden können, als unzulässig. Viel spricht indes dafür, dass das Oberlandesgericht dabei die Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO überspannte. Es verlangte Vortrag zu Tatsachen, die zur Bewertung, ob der gerügte Verfahrensverstoß vorlag, nicht erheblich gewesen sein dürften.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Viel spricht dafür, dass die Verurteilung ohne Mitwirkung eines Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzte.

aa) Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 122, 248 <271>; 130, 1 <25>) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 46, 202 <210>). Als unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet es dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>).

bb) Nach vorläufiger Bewertung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes spricht viel dafür, dass das Landgericht die Berufungshauptverhandlung nicht ohne Mitwirkung eines Verteidigers hätte führen dürfen. Aufgrund der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge – einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren – dürfte ein Fall der notwendigen Verteidigung vorgelegen haben. Der Verstoß gegen die Bestimmungen der Strafprozessordnung zur notwendigen Verteidigung stellt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar, da diese Normen das Gebot fairer Verfahrensführung konkretisieren (vgl. BVerfGE 46, 202 <210>).

3. Aufgrund der damit eröffneten Folgenabwägung ist die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe geboten.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und erwiese sich die Verurteilung später als fehlerhaft, so wäre aufgrund des Vollzugs der Strafhaft ein endgültiger Rechtsverlust bei dem Beschwerdeführer eingetreten. Zeigte sich hingegen nach vorläufiger Aussetzung der Vollstreckung, dass die Verurteilung Bestand habe, so wäre die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs lediglich vorübergehend verzögert. Es sind hier auch keine Gründe ersichtlich, die Strafvollstreckung nur unter Auflagen außer Vollzug zu setzen.

IV.

Daher ist im Wege der einstweiligen Anordnung – gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung – die Aussetzung der Vollziehung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 2023 – 5/20 NBs – 6440 Js 208126/22 (31/23) – anzuordnen. Die Anordnung ist in der im Tenor bestimmten Weise befristet (§ 32 Abs. 6 Satz 1 BVerfGG).“

Ohne die Einzelheiten zu kennen: Da scheint man beim LG Frankfurt am Main ein wenig schnell geschossen zu haben.