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Corona I: Die Maskenpflicht – binnen und buten, oder: Ungebühr des sich selbst verteidigenden Rechtsanwalts

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In die 2. KW. 2022 starte ich mit Entscheidungen zu Corona. In diesem ersten Posting zunächst zwei Beschlüsse des OLG Oldenburg, die beide aus demselben Verfahren stammen. In dem Verfahren ging es um einen Maskenverstoß.

Das AG hat den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung des Landkreises Aurich betreffend die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an öffentlichen Plätzen zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Der Betroffene hatte sich trotz Maskenpflicht geweigert – auch auf eine entsprechende Aufforderung der Polizei hin, – eine Maske im öffentlichen Raum aufzusetzen. In der Hauptverhandlung hat sich der Betroffene dann selbst verteidigt. In der Hauptverhandlung ist dann ein Ordnungsgeld von 150 EUR ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft festgesetzt worden, weil sich der Betroffene trotz Aufforderung durch den Vorsitzenden geweigert hat, in der Hauptverhandlung eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen. Dagegen dann die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Beide Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Zunächst hier zu dem Ordnungsgeldbeschluß – das ist m.E. die rechtlich interessantere Entscheidung – der erste OLG Oldenburg, Beschl. v. 03.01.2022 – 2 Ss (OWi) 240/21. Das OLG führt zu dem Ordnungsgeldbeschluss aus:

„Auch in der Sache selbst lässt das festgesetzte Ordnungsgeld weder dem Grund noch der Höhe nach Rechtsfehler erkennen.

Das Ordnungsgeld konnte zunächst gegen den Betroffenen, auch wenn er von Beruf Rechtsanwalt ist und sich selbst verteidigt hat, festgesetzt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat zur Rechtsstellung eines sich selbst verteidigenden Rechtsanwaltes folgendes ausgeführt:

„Dagegen ist es nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der Strafprozessordnung und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein kann. Der Status des Verteidigers und die Stellung des Beschuldigten oder Betroffenen sind offensichtlich miteinander unvereinbar: Der Verteidiger nimmt nicht nur ein durch privatrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag erteiltes Mandat wahr, sondern wird als unabhängiges – mit eigenen Rechten und Pflichten versehenes – Organ der Rechtspflege grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Strafprozess tätig. Seine Position ist deshalb mit einer spürbaren Distanz zum Beschuldigten hin ausgestattet (vgl Kurzka, MDR 1974 S 817). Ihm sind Beschränkungen auferlegt, die die Strafprozessordnung einem Beschuldigten aus guten Gründen nicht abverlangt (vgl BGHSt 9, 71 (73); 14, 172 (174); Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Aufl 1977, S 29f; § 68 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts, abgedruckt bei Kleinknecht, aaO, § 137 vor Rdnr 1). Daraus folgt beispielsweise: Der im Strafgeldverfahren oder Bußgeldverfahren beschuldigte Rechtsanwalt kann in eigener Sache weder sein Wahlverteidiger sein, noch kann er in Fällen notwendiger Verteidigung zu seinem eigenen Pflichtverteidiger bestellt werden (vgl BGH, NJW 1954, S 1415; Kurzka, MDR 1974, S 817; Kleinknecht, aaO, § 138 Rdnr 3, § 140 Rdnr 1; Löwe-Rosenberg, aaO, § 140 Rdnr 2). Er hat kein Recht auf Akteneinsicht (Löwe-Rosenberg, aaO, § 147 Rdnr 3; Kleinknecht, aaO, § 147 Rdnr 8; Klussmann, NJW 1973 S 1965). Er ist weder zum Kreuzverhör nach § 239 StPO berechtigt (Löwe-Rosenberg, aaO, vor § 137 Rdnr 8; Löwe-Rosenberg, aaO, § 239 Rdnr 6) noch zur Befragung von Mitangeklagten nach § 240 Abs 2 Satz StPO befugt (Löwe-Rosenberg, aaO, vor § 137 Rdnr 8). In den Anwendungsbereichen des § 176 GVG und der §§ 168c Abs 3, 231 Abs 2, 231a, 231b und 247 StPO hat seine berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt keine Bedeutung.
(BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980 – 2 BvR 752/78 –, BVerfGE 53, 207-218, Rn. 22)“.

Obwohl in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes § 178 GVG nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist auch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zulässig (vergleiche Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl., RN 2727; OLG Köln, Beschluss vom 3.3.2010, 2 Ws 62/10, juris).

Die beharrliche Weigerung des Betroffenen der Aufforderung des Vorsitzenden zu folgen, eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, stellt eine Ungebühr dar:

Eine Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts (OLG Stuttgart, a.a.O.)

Das Gericht war zunächst berechtigt, vom Betroffenen das Aufsetzen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verlangen (vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 9.8.2021, 202 ObOWi 860/21, juris; OLG Celle, NdsRpfl 2021, 251). Soweit der Betroffene argumentiert, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung widerspräche § 176 Abs. 2 GVG, haben sich die beiden vorgenannten Oberlandesgerichte mit diesem Einwand in überzeugender Weise auseinandergesetzt. Hierauf kann verwiesen werden.

Durch die Weigerung des Betroffenen, trotz mehrfacher Aufforderung die dem eigenen auch als dem Schutz der übrigen Beteiligten dienende Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, hat der Betroffene den Ablauf der Sitzung nachhaltig gestört. Letztlich ist die Sitzung erst dann zur Sache fortgesetzt worden, als der Betroffene des Saales verwiesen worden war und in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.“

Jetzt lassen wir mal die Frage der „Ungebühr“ außen vor. Eins ist auf jeden Fall richtig: Der Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt, ist „normaler“ Angeklagter/Betroffener mit der Folge, dass § 178 GVG auch für ihn gilt.

Und zur Hauptsache – also zur Rechtsbeschwerde – dann noch der Leitsatz aus dem zweiten OLG Oldenburg, Beschl. v. 03.01.2022 – 2 Ss (OWi) 240/21; der ist m.E. nicht so interessant, das man das alles schon einmal gelesen hat.

„Ein Verstoß gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung konnte auch vor Inkrafttreten des § 28a IfSG mit einem Bußgeld geahndet werden.“

Und wenn schon das OLG unser Handbuch zitiert hier dann <<Werbemodus an>< der Hinweis auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, und auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, beide brandaktuell, die man hier – einzeln oder im Paket – bestellen kann.<<Werbemodus aus>>.

Corona II: Bin Corona-Kontaktperson 1. Grades, oder: Darf ich deshalb der Hauptverhandlung fernbleiben?

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Die zweite Entscheidung stammt dann mit dem KG, Beschl. v. 30.08.2021 – 3 Ws (B) 163/21– vom KG aus Berlin. Thema: Covid 19 und unentschuldigtes Fernbleiben in der Hauptverhandlung.

Das AG hat den Einspruch des Betroffenen verworfen. Der Betroffene war in der Haupverhandlung ausgeblieben und hatte das damit entschuldigt, er sei Kontaktperson ersten Grades einer an Covid-19 erkrankten Person. Das hat dem KG nicht gereicht:

„Die Verfahrensrüge des Betroffenen, das Amtsgericht habe mit der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, ist jedenfalls unbegründet. Das Amtsgericht hat den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerfrei verworfen.

Das Gericht darf den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen (vgl. Senat VRS 134, 143). Maßgebend dafür ist nicht, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern ob er entschuldigt ist, weswegen der Tatrichter von Amts wegen prüfen muss, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigen (vgl. zu § 329 StPO BGHSt 17, 391). Die ihn insoweit treffende Nachforschungspflicht setzt jedoch erst ein, wenn überhaupt ein hinreichend konkreter und schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit oder die Unmöglichkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. Senat a.a.O. und Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 -; KG, Beschluss vom 28. Oktober 2013 – (4) 161 Ss 198/13 (229/13) -, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 – 3 Ss 20/13 -, juris m.w.N.) und dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 – 202 StRR 29/20 -, juris).

a) Der Vortrag des Betroffenen im – dem Amtsgericht vor Sitzungsbeginn vorgelegten – Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22. März 2021, er sei “Kontaktperson 1. Grades” einer an Covid-19 erkrankten Person, mit der er am 17. März 2021 Kontakt gehabt habe, die am 19. März 2021 positiv getestet worden sei und dies dem Betroffenen am 20. März 2021 mitgeteilt habe, belegt noch keinen triftigen Grund, der Hauptverhandlung fernzubleiben. Die vom Betroffenen gemachten Angaben waren dafür zu vage und unpräzise. In dem Schriftsatz der Verteidigerin vom 22. März 2021 wird noch nicht einmal die vermeintlich an Covid-19 erkrankte Kontaktperson des Betroffenen sowie die Art des Kontakts benannt, geschweige denn ein – vom Gericht überprüfbares – Dokument über die tatsächliche Erkrankung dieser Kontaktperson vorgelegt oder zumindest Ort und Zeit der Testung mitgeteilt. Auf die – nicht verifizierbare – bloße Behauptung des Betroffenen musste und durfte sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs mithin nicht verlassen.

b) Ebenso wenig löste der Schriftsatz vom 22. März 2021 eine Nachforschungspflicht des Amtsgerichts aus. Denn – wie dargelegt – enthält er keinerlei auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Angaben. Dazu hätte der Betroffene zumindest die Identität der Kontaktperson preisgeben und mitteilen müssen, wann und wo diese durch wen auf Covid-19 positiv getestet worden sein soll, woran es hier fehlt.

c) Das nachträgliche Vorbringen im Schriftsatz der Verteidigerin vom 31. März 2021 ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich, weil es für die rechtliche Überprüfung des Verwerfungsurteils allein auf solche Umstände ankommt, die dem Gericht bei dessen Erlass bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. Januar 2021 – 3 Ws (B) 330/20 -, 5. Juni 2009 – 3 Ws (B) 245/09 – und 23. Februar 2005 – 3 Ws (B) 74/05 -; alle juris; zu § 329 StPO vgl. KG BeckRS 2014, 9668; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2021 – III-2 RVs 5/21 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 329 Rdn. 48 m.w.N).2

Na ja, da hätte man m.E. auch großzügiger sein können…..

Corona I: Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum, oder: Maskenpflicht in Fußgängerbereichen

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Ich hoffe, dass alle die Feiertage gut überstanden haben und friscg in die letzte (Arbeits)Woche des Jahres starten können. In diesem Jahr ist es ja wirklich fast eine ganze Woche, also fast normal.

Ich starte in die Woche mit dem beherrschenden Thema des Jahres 2021, eben noch einmal mit Corona. Auch am letzten Montag des Jahres zwei Corona-Entscheidungen. Ich vermute, dass uns das Thema noch eine ganze Zeit in 2022 begleiten wird.

Hier dann zunächst der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.12.2021 – 2 Rb 37 Ss 423/21 – noch einmal zum Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum und zur Maskenpflicht in Fußgängerbereichen. Im Einzelnen:

Das AG hat

„den Betroffenen wegen eines am 15.04.2020 begangenen vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg zu einer Geldbuße von 600 EUR und wegen eines am 14.11.2020 begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung, obwohl es geboten gewesen wäre, zu einer Geldbuße in Höhe von 70 EUR verurteilt

Nach den vom Amtsgericht zu dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum getroffenen Feststellungen hielt sich der Betroffene am 15.04.2020 zwischen ca. 11:30 Uhr und ca. 14:00/14:30 Uhr zusammen mit einer Vielzahl, in der zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr erreichten Spitze bis zu 150/200 weiteren, großenteils unbekannten, nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen in einem verdichteten Pulk vor dem Dienstgebäude der Kriminalpolizeidirektion H., auf, wobei der Betroffene und die weiteren Personen, für einen unbeteiligten Dritten deutlich erkennbar, als Gruppe zusammenstanden, um ihre Solidarität mit einer getrennt verfolgten Rechtsanwältin zu bekunden, die am 15.04.2020 um 13:00 Uhr in dem genannten Dienstgebäude einen Vernehmungstermin wegen einer ihr vorgeworfenen Widerstandshandlung wahrzunehmen hatte.

Die Polizei hatte die Anwesenden, so die Feststellungen des Amtsgerichts, durch zwei gleichlautende Lautsprecherdurchsagen um 12:46 Uhr und um 13:09 Uhr aufgefordert, sich zu entfernen, da es sich bei der Zusammenkunft um eine nicht genehmigte und gemäß der Corona-Verordnung auch nicht genehmigungsfähige Versammlung handele, und hatte die Auflösung der Versammlung angedroht. Spätestens nach der ersten Lautsprecherdurchsage um 12:26 Uhr wusste der Betroffene, dass er durch sein Verhalten gegen das Aufenthaltsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung in der Fassung vom 09.04.2020 verstieß. Dies wollte er auch.

Das Amtsgericht hat in diesem Verhalten des Betroffenen einen als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden vorsätzlichen Verstoß gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Vierten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 17.03.2020 in der vom 10.04.2020 bis 17.04.2020 gültigen Fassung gesehen.“

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der der Auffassung ist, das in § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO in der zur Tatzeit gültigen Fassung geregelte Aufenthaltsverbot sei verfassungswidrig, weil ein Aufenthaltsverbot und Abstandsgebot im Freien, zumal für nicht erkrankte Personen und nicht Ansteckungsverdächtige, zur Bekämpfung der Pandemie weder geeignet, noch erforderlich sei. Ein vorsätzlicher Verstoß sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, weil der Betroffene von seinem Standort aus die Lautsprecherdurchsage der Polizei nicht wahrgenommen habe. Im Übrigen sei das verhängte Bußgeld von 600 Euro angesichts eines im Bußgeldkatalog bei Nichteinhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum eröffneten Bußgeldrahmens von 50 bis 250 Euro und einer Regelgeldbuße von 70 Euro weit überhöht.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde weitgehend verworfen, nur hinsichtlich der Höhe der Geldbuße wegen des vprsätzlichen Verstoßes hatt sie einen Teilerfolg.

Hier nur die Leitsätze zu dem umfangreich begründeten Beschluss des OLG, und zwar.

1. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Infektionsschutzgesetz in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 27. März 2020 mit den in §§ 28, 32, 73 Abs.1a Nr. 24 getroffenen Regelungen eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 CoronaVO BW angeordnete Beschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum und deren Bußgeldbewehrung in § 9 Nr. 1 CoronaVO BW enthielt.

2. Das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 19. Mai 2020 enthielt mit den gegenüber der Gesetzesfassung vom 27. März 2020 unverändert gebliebenen Regelungen in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG weiterhin eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 CoronaVO BW (i.d.F. vom 18.10.2020) angeordnete Maskenpflicht in Fußgängerbereichen, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht verlässlich eingehalten werden kann, und deren Bußgeldbewehrung in § 19 Nr. 2 CoronaVO BW.

3. Die Pflicht zum Tagen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern nicht die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen sichergestellt ist, stellt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 oder auch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von nur geringer Intensität dar, der bis zur Einführung des § 28a IfSG durch Gesetz vom 18.11.2020, mit dem die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) neben vielen anderen Maßnahmen beispielhaft als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG definiert wurde, auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG gestützt werden konnte.

Corona II: Fälschung von Corona-Antigentests, oder: Nach altem Recht nicht strafbar

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem materiellen Strafrecht, nämlich der LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2021 – 16 Qs 90/21 – zur Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Antigentests, allerdings auf der Grundlage des Rechtszustandes bis zum 23.11.2021.

Folgender Sachverhalt liegt der LG-Entscheidung zugrunde:

Der Arbeitgeber des Beschuldigten fand am 15.09.2021 am Arbeitsplatz auf dem Schreibtisch des Beschuldigten ein Stapel mit Blankoformularen für die Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests. Auf den Blankoformularen war der Beschuldigte als für den Betrieb den Test ausführende Person ausgewiesen und es befand sich darauf ein Stempel der Firma. Der Beschuldigte war hierzu aber zu keiner Zeit berechtigt gewesen.

Auf Beschluss des AG wurde dann die Wohnung des Beschuldigten am 20.9.2021 durchsucht. Dabei wurden entsprechende Blankoformulare gefunden und sichergestellt. Nach Durchführung der Durchsuchung die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte. Das LG hat einen Anfangvserdacht verneint:

„Ein Anfangsverdacht wegen Fälschen von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB bestand nicht, da hierfür Voraussetzung ist, dass durch den Täter ein Gesundheitszeugnis unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt worden ist. Hier bestand nie der Verdacht, dass der Beschuldigte Bescheinigungen unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt habe.

Aus den gleichen Gründen scheitert eine Anwendung der §§ 278, 279 StGB

Es bestand aber auch kein Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB: Bei einer Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests handelt es sich um ein Zeugnis über den Gesundheitszustand im Sinne des Tatbestands des § 277 StGB, sodass der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist. Gesundheitszeugnisse sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen körperlichen oder psychischen Gesundheitszustand oder die Krankheit eines Menschen sowie über früher durchgemachte Krankheiten und die von ihren verursachten Spuren, weiter Bescheinigungen über Aussichten, von gewissen Krankheiten befallen oder verschont zu werden (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 277 StGB Rn. 2). Hier handelte es sich bei den aufgefundenen Formularen noch nicht um Gesundheitszeugnisse. Die am 15.09.2021 bei dem Beschuldigten festgestellten Formulare waren in den Punkten hinsichtlich der Personaldaten der getesteten Person, des Testergebnisses und des Testdatums nicht ausgefüllt. Allerdings bestand der Verdacht, dass der Beschuldigte derartige Formulare zur Bescheinigung von Corona-Antigentests zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 15.09.2021 und dem 20.09.2021 auch bereits mit den oben genannten und noch nicht ausgefüllten Punkten vollständig ausgefüllt habe und damit eine Bescheinigung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Coronainfektion der in das Formular als getestet eingetragene Person erstellt habe, mithin eine Bescheinigung über den körperlichen Gesundheitszustand dieser Person verfasst habe. Nach h.M. ist aber die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen Urkundenfälschungen privilegiert (Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rdnr. 1; Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9): Die Urkundenfälschung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die Straftatbestände der §§ 277 bis 279 StGB, die die Fälschung von Gesundheitszeugnissen betreffen, sehen dagegen als Strafrahmen nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem oder zwei Jahren vor. Zudem gibt es bei den §§ 277 bis 279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit. Außerdem muss die Täuschung gegen eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft gerichtet sein. Schließlich handelt es sich bei § 277 StGB um ein vollständig zweiaktiges Delikt (Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9). Die überwiegende Auffassung in der Rechtswissenschaft schließt daraus, dass eine umfassende Sperrwirkung gegenüber dem Straftatbestand der Urkundenfälschung besteht. § 267 StGB ist danach bei der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht anwendbar – auch wenn dadurch Strafbarkeitslücken entstehen. Diese Auslegung hat auch das Landgericht Osnabrück mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 (3 Qs 38/21; juris) bestätigt: Die allgemeinen Regelungen zur Herstellung einer unechten Urkunde, zum Fälschen einer echten Urkunde sowie zur Verwendung einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 StGB fänden keine Anwendung, da die Regelungen zu den §§ 277 ff. StGB als Privilegierung mit einer deutlich niedrigeren Strafandrohung spezieller seien und daher einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen sperren würden (so auch Gaede/Krüger: Unrichtige Corona-Impf- und Testnachweise – Alte und neue Strafbarkeitslücken, NJW 2021, 2159). Für die Sperrwirkung ist es unerheblich, ob es im konkreten Fall zu einer Strafbarkeit nach § 277 StGB kommt oder nicht. Für das Eingreifen der Sperrwirkung genügt, dass lediglich das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses und nicht einer anderen Urkunde vorliegt und damit der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist; die übrigen Voraussetzungen der Norm müssen nicht vorliegen. Die Privilegierung besteht allein aufgrund des Vorliegens eines Gesundheitszeugnisses. Vor diesem Hintergrund hatte die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Beschluss vom 16. Juni 2021 die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesreform vorzulegen. In der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 20. bis 22. Oktober 2021 wurde der Bund ebenfalls um eine kurzfristige Prüfung gebeten. Inzwischen gibt es einen entsprechenden Gesetzentwurf.

Ein Anfangsverdacht nach anderen Vorschriften ist nicht ersichtlich, insbesondere ist der Beschuldigte auch nicht strafbar nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes.“

Nur zur Sicherheit: Die Lücken in den §§ 275, 277 – 279 StGB sind durch das ÄnderungsG vom 23.11.2021 (BGBL. I, 4906), das seit dem 24.11.2021 in Kraft ist, geschlossen worden. Und man sollte aich einen Blick in § 75a IfSG n.F. werden.

Im Übrigen: Warum man „Antigen-Tests“ fälscht erschließt sich (mir) nicht. Aber das ist eine ganz andere Frage.

Corona I: Unterbrechungsfristhemmung (§ 10 EGStPO), oder: Wenn sich das LG „verrechnet“

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Heute dann zum Wochenauftakt noch einmal „Corona-Entscheidungen“.

Nein, nicht zum OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.12.2021 -13 MN 477/21 – zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die sog. 2-G-Regelung im niedersächsischen Einzelhandel während der Corona-Pandemie. Ich bin zu wenig „Verfassungssrechtler“, um die Entscheidung abschließend beurteilen zu können. Ich habe aber allerdings so meine Bedenken, ob das OVG den Spielraum, den das BVerfG dem Gesetzgeber m.E. hinsichtlich der Anordnung von Corona-Maßnahmen eingeräumt hat, nicht zu sehr einschränkt und sich mit seinen Vorgaben und Einschätzungen nicht eine Rolle zuspricht, die ihm nicht zusteht. Aber das wird das OVG dann sicherlich in der Hauptsacheentscheidung alles mitteilen, wenn es denn dann noch interessiert. Das Land Niedersachen wird jedenfalls reagieren und eine FFP-2 Masken-Regelung einführen, die ab morgen in Niedersachsen gelten soll.

Nein, getreu dem Spruch: „Schuster bleibt bei deinen Leisten“ 🙂  habe ich heute zwei straf(verfahrens)rechtliche Entscheidungen, die ich vorstellen möchte. Und ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 05.10.2021 – 6 StR 394/21 – der noch einmal zu § 10 EGStPO Stellung nimmt.

Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte u.a. eine Verletzung von § 229 Abs. 1 StPO – Unterbrechung. Und er hatte Erfolg:

„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Hauptverhandlung begann am 23. November 2020 und wurde am 2. und 9. Dezember 2020 fortgesetzt. Der nächste Hauptverhandlungstermin sollte am 17. Dezember 2020 stattfinden. Am 14. Dezember 2020 ordnete der Präsident des Landgerichts Ansbach zur Verhinderung einer Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus an, dass Hauptverhandlungen bis auf weiteres nur noch in Haftsachen abgehalten werden dürften. Da sich der Angeklagte nicht in Untersuchungshaft befand, stellte das Landgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 fest, dass der Lauf der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO gemäß § 10 EGStPO gehemmt sei. Am 26. Januar 2021 verfügte der Präsident des Landgerichts Ansbach, dass die Anordnung vom 14. Dezember 2020 über den 31. Januar 2021 hinaus nicht verlängert werde. Die Hauptverhandlung wurde am 24. Februar 2021 fortgesetzt. Das Landgericht stellte mit Beschluss vom selben Tage fest, dass die Hemmung des Laufs der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO mit Wirkung ab dem 1. Februar 2021 geendet habe.

2. Der Beschwerdeführer sieht in dieser Verfahrensweise zu Recht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO . Danach hätte die Hauptverhandlung nur bis zu drei Wochen unterbrochen werden dürfen. Die Unterbrechungsfrist hatte am 10. Dezember 2020 zu laufen begonnen. Nach Ablauf von vier Tagen war sie gemäß § 10 EGStPO vom 14. Dezember 2020 bis zum 31. Januar 2021 gehemmt. Seit dem 1. Februar 2021 lief sie weiter und endete nach Ablauf der noch verbliebenen 17 Tage am 17. Februar 2021. Die Hauptverhandlung hätte mithin spätestens am Donnerstag, den 18. Februar 2021, fortgeführt werden müssen.

Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen ausgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 6 StR 114/20 Rn. 10 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.“