Corona I: Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum, oder: Maskenpflicht in Fußgängerbereichen

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Ich hoffe, dass alle die Feiertage gut überstanden haben und friscg in die letzte (Arbeits)Woche des Jahres starten können. In diesem Jahr ist es ja wirklich fast eine ganze Woche, also fast normal.

Ich starte in die Woche mit dem beherrschenden Thema des Jahres 2021, eben noch einmal mit Corona. Auch am letzten Montag des Jahres zwei Corona-Entscheidungen. Ich vermute, dass uns das Thema noch eine ganze Zeit in 2022 begleiten wird.

Hier dann zunächst der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.12.2021 – 2 Rb 37 Ss 423/21 – noch einmal zum Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum und zur Maskenpflicht in Fußgängerbereichen. Im Einzelnen:

Das AG hat

„den Betroffenen wegen eines am 15.04.2020 begangenen vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg zu einer Geldbuße von 600 EUR und wegen eines am 14.11.2020 begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung, obwohl es geboten gewesen wäre, zu einer Geldbuße in Höhe von 70 EUR verurteilt

Nach den vom Amtsgericht zu dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum getroffenen Feststellungen hielt sich der Betroffene am 15.04.2020 zwischen ca. 11:30 Uhr und ca. 14:00/14:30 Uhr zusammen mit einer Vielzahl, in der zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr erreichten Spitze bis zu 150/200 weiteren, großenteils unbekannten, nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen in einem verdichteten Pulk vor dem Dienstgebäude der Kriminalpolizeidirektion H., auf, wobei der Betroffene und die weiteren Personen, für einen unbeteiligten Dritten deutlich erkennbar, als Gruppe zusammenstanden, um ihre Solidarität mit einer getrennt verfolgten Rechtsanwältin zu bekunden, die am 15.04.2020 um 13:00 Uhr in dem genannten Dienstgebäude einen Vernehmungstermin wegen einer ihr vorgeworfenen Widerstandshandlung wahrzunehmen hatte.

Die Polizei hatte die Anwesenden, so die Feststellungen des Amtsgerichts, durch zwei gleichlautende Lautsprecherdurchsagen um 12:46 Uhr und um 13:09 Uhr aufgefordert, sich zu entfernen, da es sich bei der Zusammenkunft um eine nicht genehmigte und gemäß der Corona-Verordnung auch nicht genehmigungsfähige Versammlung handele, und hatte die Auflösung der Versammlung angedroht. Spätestens nach der ersten Lautsprecherdurchsage um 12:26 Uhr wusste der Betroffene, dass er durch sein Verhalten gegen das Aufenthaltsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung in der Fassung vom 09.04.2020 verstieß. Dies wollte er auch.

Das Amtsgericht hat in diesem Verhalten des Betroffenen einen als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden vorsätzlichen Verstoß gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Vierten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 17.03.2020 in der vom 10.04.2020 bis 17.04.2020 gültigen Fassung gesehen.“

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der der Auffassung ist, das in § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO in der zur Tatzeit gültigen Fassung geregelte Aufenthaltsverbot sei verfassungswidrig, weil ein Aufenthaltsverbot und Abstandsgebot im Freien, zumal für nicht erkrankte Personen und nicht Ansteckungsverdächtige, zur Bekämpfung der Pandemie weder geeignet, noch erforderlich sei. Ein vorsätzlicher Verstoß sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, weil der Betroffene von seinem Standort aus die Lautsprecherdurchsage der Polizei nicht wahrgenommen habe. Im Übrigen sei das verhängte Bußgeld von 600 Euro angesichts eines im Bußgeldkatalog bei Nichteinhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum eröffneten Bußgeldrahmens von 50 bis 250 Euro und einer Regelgeldbuße von 70 Euro weit überhöht.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde weitgehend verworfen, nur hinsichtlich der Höhe der Geldbuße wegen des vprsätzlichen Verstoßes hatt sie einen Teilerfolg.

Hier nur die Leitsätze zu dem umfangreich begründeten Beschluss des OLG, und zwar.

1. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Infektionsschutzgesetz in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 27. März 2020 mit den in §§ 28, 32, 73 Abs.1a Nr. 24 getroffenen Regelungen eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 CoronaVO BW angeordnete Beschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum und deren Bußgeldbewehrung in § 9 Nr. 1 CoronaVO BW enthielt.

2. Das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 19. Mai 2020 enthielt mit den gegenüber der Gesetzesfassung vom 27. März 2020 unverändert gebliebenen Regelungen in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG weiterhin eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 CoronaVO BW (i.d.F. vom 18.10.2020) angeordnete Maskenpflicht in Fußgängerbereichen, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht verlässlich eingehalten werden kann, und deren Bußgeldbewehrung in § 19 Nr. 2 CoronaVO BW.

3. Die Pflicht zum Tagen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern nicht die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen sichergestellt ist, stellt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 oder auch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von nur geringer Intensität dar, der bis zur Einführung des § 28a IfSG durch Gesetz vom 18.11.2020, mit dem die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) neben vielen anderen Maßnahmen beispielhaft als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG definiert wurde, auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG gestützt werden konnte.

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