StPO II: Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises, oder: Anwendung einer günstigeren Strafnorm

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Im zweiten Posting dann eine Entscheidung zum rechtlichen Hinweis (§ 265 StPO), und zwar der BGH, Beschl. v. 10.09.2025 – 5 StR 300/25.

In dem Beschluss hat der BGH noch einmal zu einer Frage Stellung genommen, die den BGH schon früher wiederholt beschäftigt hat. Das LG hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat verurteilt. Mit seiner Verfahrensrüge hat der Angeklagte beanstandet, dass er wegen Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers T. verurteilt worden ist, ohne zuvor gemäß § 265 Abs. 1 StPO auf die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen worden zu sein. Nach der insoweit unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift wurde dem Angeklagten ein versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt. Ihm sollte dabei nach § 25 Abs. 2 StGB der Schuss eines Mitangeklagten zugerechnet werden, den dieser bei einer tätlichen Auseinandersetzung aus einer halbautomatischen Pistole auf den Nebenkläger T. abgegeben hat. Das LG hat eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an der Schussabgabe des Mitangeklagten nicht feststellen können. Es hat ihn aber für zwei Fußtritte, die er dem Nebenkläger im Rahmen derselben tätlichen Auseinandersetzung versetzte, als Alleintäter einer Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt. Einen Hinweis hierauf hat es ihm nicht erteilt. Die Verfahrensrüge des Angeklagten hatte Erfolg:

„1. Der Angeklagte On. S. beanstandet zu Recht, dass er wegen Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers T. (Fall 1 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, ohne zuvor gemäß § 265 Abs. 1 StPO auf die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen worden zu sein.

a) …..

b) Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1 StPO. Will das Gericht den Angeklagten aufgrund eines anderen als in der zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilen, so muss es ihn zuvor darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, seine Verteidigung darauf einzurichten. Dies gilt auch dann, wenn es eine günstigere Strafnorm anwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom Mai 2021 – 4 StR 550/20 Rn. 4 f.; vom 19. Oktober 2017 – 3 StR 310/17 Rn. 6 ff., NStZ 2018, 159) oder statt angeklagter Mittäterschaft eine (Allein-)Täterschaft annehmen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. September 2022 – 5 StR 104/22 Rn. 7; vom 14. Juni 2016 – 3 StR 196/16 Rn. 4 jeweils mwN). Ein solcher Hinweis ist umso mehr geboten, wenn wie hier die Verurteilung auch auf einen anderen, von der Anklage abweichenden Tatbeitrag gestützt wird.

c) Der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Angeklagte sich bei entsprechendem Hinweis wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Aufhebung erfasst auch die zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) und entzieht dem Gesamtstrafenauspruch die Grundlage.“

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