Und dann habe ich hier im zweiten Posting noch eine Entscheidung zur „Vorführung“, nämlich den LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 08.10.2025 – 5/16 Qs 20/25. Das hatte die Frage zu entscheiden, ob die Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3, 4103 VV RVG für den Vorführtermin nach § 115a StPO überhaupt entsteht. Der Rechtspfleger hat diese nicht festgesetzt, da ein Verhandeln“ im Sinne von Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG bei der Vorführung vor dem nächsten Amtsgericht nicht erfolgen könne, da gemäß § 115a Abs. 2 StPO die Entscheidungsbefugnis des Richters vor dem nächsten Amtsgericht eng begrenzt sei.
Das LG hat das auf die Beschwerde – ebenso wie das AG im Erinnerungsverfahren – anders gesehen:
„Die Terminsgebühr fällt nach 4102 Nr. 3 VV RVG für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung an, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft „verhandelt“ wird. Darunter können auch Vorführtermine fallen (KG AGS 2007, 241; LG Berlin StraFo 2006, 472). Erforderlich ist insoweit ausweislich des Wortlauts ein „Verhandeln“. Reine Haftbefehlsverkündungstermine werden daher nicht erfasst (Gerold/Schmidt/Burhoff, 27. Aufl. 2025, RVG W 4102 Rn. 13 m.w.N.). Diese wollte der Gesetzgeber über das Kriterium des „Verhandelns“ aus dem Anwendungsbereich des Gebührentatbestandes herausnehmen (BT-Drs. 15/1971, 223; krit. zur restriktiven Anwendung der Vorschrift daher Burhoff/Volpert RVG/Burhoff VV 4102 Rn. 33). Nicht ausreichend soll insoweit sein, dass die Möglichkeit zur Äußerung bestand. Ob die Stellung eines Antrages erforderlich ist, wird unterschiedlich gesehen, bedarf hier aber keiner Entscheidung (dafür OLG Bamberg AGS 2021, 169 = JurBüro 2021, 241 = NStZ-RR, 231 [Ls.1; dagegen: LG Würzburg AGS 2021, 168).
Hier hat Rechtsanwalt pp. in dem Vorführtermin vom 09.10.2024 „verhandelt“ in obigem Sinne. Ausweislich des Protokolls hat er in dem Termin beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise Haftverschonung zu gewähren. Den Antrag begründete er zudem mündlich. Auch wenn man mithin mit dem OLG Bamberg (a.a.O.) eine Antragstellung für erforderlich erachtet, so ist diese jedenfalls vorgenommen worden.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass es sich hier um einen Termin zur Vorführung vor den Richter des nächsten Amtsgerichts gemäß § 115a StPO handelte (so zutreffend auch LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22.07.2025 – Az. 5/15 Qs 27/25). Ein „Verhandeln“ liegt nach zutreffender Auffassung zwar dann nicht vor, wenn das Gericht in dem jeweiligen Verfahren über keine eigene Sachentscheidungsbefugnis verfügt und seine Prüfung im Wesentlichen auf formelle Aspekte beschränkt ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.11.2020 – 2 Ws 91/20, NStZ-RR 2021, 128). In diesem Punkt unterscheidet sich der hiesige Vorführungstermin nach § 115a StPO von dem in der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main gegenständlichen Auslieferungsverfahren (zu letzterem instruktiv OLG Frankfurt am Main a.a.O.).
Im Grundsatz ist es zutreffend, dass auch die Entscheidungsbefugnisse des Richters in dem Vorführungstermin vor dem Richter des nächsten Amtsgerichts gem. § 115a StPO auf einen engen Zuständigkeitsrahmen begrenzt sind, weil er keine Aktenkenntnis hat und mit der Sache nicht vertraut ist (vgl. KK-StPO/Graf, 9. Aufl. 2023, StPO § 115a Rn. 4). Insbesondere ist er grundsätzlich auch nicht befugt, selbst den Haftbefehl aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen (vgl. OLG Frankfurt a. M. NStZ 1988, 471). Erhebt der Beschuldigte jedoch Einwendungen gegen den Haftbefehl oder gegen den Vollzug, die nicht offensichtlich unbegründet sind, oder hat der Richter Bedenken gegen die Aufrechterhaltung des Haftbefehls, so hat er den zuständigen Richter und die zuständige Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten und eine Entscheidung herbeizuführen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 05.12.1996 – 1 StR 376/96, NJW 1997, 1452). Ausnahmen von der beschränkten Entscheidungskompetenz des Richters am nächsten Amtsgericht werden ferner zugelassen, wenn der Beschuldigte erkennbar haftunfähig ist (LG Frankfurt a. M. StV 1985, 464) oder wenn der Tatverdacht zweifelsfrei nicht besteht und die Aufrechterhaltung des Haftbefehls schlechthin unvertretbar wäre (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt Rn. 6; Löwe/Rosenberg/Lind Rn. 20; Schröder StV 2005, 241).“
M.E. geht das LG hier zutreffend davon aus, dass auch das Tätigwerden in einem Vorführtermin nach § 115a StPO zur Vernehmungsterminsgebühr führt. Das ist/war, soweit ersichtlich, in veröffentlichten Entscheidungen bisher nicht entschieden. Die vom LG angeführte Entscheidungen KG AGS 2007, 241 und StraFo 2006, 472 betreffen nämlich nicht Vorführtermine nach § 115a StPO, sondern die nach § 115 StPO. Zu Recht nimmt das LG aber an, dass auch diese Termine von Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG erfasst werden. Das folgt allein schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der die Anwendung auf diese Termine nicht ausschließt. Etwas anderes folgt auch nicht aus einer (angeblichen) Beschränkung der Entscheidungsbefugnis des Ermittlungsrichters. Denn der kann – wenn auch ggf. in Absprache – mit dem Richter des zuständigen AG über die Fortdauer der Untersuchungshaft entscheiden. Also kann darüber auch „verhandelt“ werden und müssen die entsprechenden Tätigkeiten des (Pflicht)Verteidigers honoriert werden.
Im Übrigen: Es wäre schön, wenn an Landgerichten in solchen Fragen eine einheitliche Auffassung vertreten würde und nicht, wie es offenbar im LG-Bezirk Frankfurt am Main der Fall ist, die eine Kammer eine Gebühr festsetzt, die andere sie hingegen verweigert. Das führt nicht nur bei den (nachgeordneten) Amtsgerichten zu Unsicherheit, sondern auch bei den Verteidigern und damit letztlich auch zu – unnötigen – Rechtsmitteln. Und auch Bezirksrevisoren wären dann nicht „verwirrt“ und würden nicht zunächst keine Einwände gegen Festsetzungen erheben, um dann anschließend doch Rechtsmittel einzulegen. Manchmal erscheint mir die immer wieder beklagte „Überlastung der Justiz“ auch hausgemacht zu sein.

