StGB III: „Unmittelbare“ Gewalt beim „Klimakleben?, oder: KG versus OLG Dresden, aber keine BGH-Vorlage

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Und dann als dritte Entscheidung hier dann noch das KG, Urt. v. 02.06.2025 – 3 ORs 22/25 – 161 SRs 2/25 – zur Frage: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte durch Festkleben?

Die mit den insoweit bedeutsamen Fragen zusammenhängende Problematik ist inzwischen ein wenig zurück getreten. Hier haben wir aber noch einmal eine Entscheidung. Das AG hatte den Angeklagten vom Vorwurf freigesprochen, am 24. und 27.04.2023 Vergehen der Nötigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte dadurch begangen zu haben, dass er sich auf den Straßengrund vielbefahrener Kreuzungen setzte, um den Straßenverkehr lahmzulegen, und sich hierbei festklebte, um Polizeibeamten zu erschweren, ihn wegzutragen. Gegen den Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die hatte mit der Sachrüge Erfolg.

Ich beschränke mich hier auf die Leitsätze der Entscheidung des KG, die lauten:

1. Nicht nur die unmittelbar auf die Vollstreckungsperson wirkende Kraft unterfällt dem Gewaltbegriff des § 113 StGB.

2. Daraus folgt, dass auch mehraktige Tatgeschehen, bei denen sich die eigentliche Tathandlung noch nicht sofort und unmittelbar gegen eine Vollstreckungsperson richtet und die Erschwerung der Vollstreckungshandlung erst später eintritt, den Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB verwirklichen können.

3. Die zur Überwindung des Zwangsmittels erforderliche Kraft hängt von der wirkenden Adhäsionskraft ab.

4. Es stellt daher keinen qualitativen und damit rechtlich relevanten Unterschied dar, ob die Vollstreckungsperson robust mechanisch-körperlich vorgeht oder sich eines „sanft“ mikrophysikalisch-chemisch wirkenden Hilfsmittels bedient.

5. Zur Vorlagepflicht (§ 121 GVG), wenn die divergierende Ansicht die Referenzentscheidung nicht trägt und mithin nicht an der Bindungswirkung (§ 358 StPO) der Revisionsentscheidung teilnimmt.

Das KG setzt sich in seinem Urteil mit einer „beachtenswerten Entscheidung“ des OLG Dresden, dem OLG Dresden, Urt. v. 29.01.2025 – 6 ORs 21 Ss 132/24 – „[bisher unveröffentlicht]“ auseinander. Das hat  auf der Grundlage der gängigen Umschreibung des Gewaltbegriffs erkannt, dass sich die Kraftentfaltung nicht unmittelbar gegen den Vollstreckungsbeamten richten muss, erfordert für diesen Fall aber, dass der Vollstreckungsbeamte seinerseits eine nicht ganz unerhebliche Kraft aufwenden muss, um seine Diensthandlung ausführen zu können. Das sieht das KG anders, hat aber die Sache nicht dem BGH vorgelegt, denn:

„6. Der Senat hat wegen der Divergenz zur Rechtsprechung des OLG Dresden erwogen, die Sache nach § 121 GVG dem BGH vorzulegen, hiervon jedoch abgesehen. Zum einen waren die Ausführungen des OLG Dresden im erörterten Urteil nicht, was erforderlich ist (vgl. BGHSt 7, 314), tragende Grundlage. Denn das Amtsgericht hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen, was durch die Staatsanwaltschaft mit der Sprungrevision angefochten worden ist. Tragend war vor diesem Hintergrund die Bewertung des OLG Dresden, die tatrichterlichen Ausführungen zur zugunsten des Angeklagten ausgegangenen Verwerflichkeitsprüfung (§ 240 Abs. 2 StGB) seien fehlerhaft. Die Ausführungen des OLG Dresden zu § 113 Abs. 1 StGB und die Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Kammergerichts waren vor diesem Hintergrund „überschießend“. Sie waren nicht Gegenstand der sog. Aufhebungsansicht und nahmen mithin nicht teil an der Bindungswirkung des § 358 Abs. 1 StPO. Zum anderen fehlen im hier zu prüfenden Urteil Feststellungen zur inneren Tatseite des § 113 StGB, so dass die von § 121 GVG vorausgesetzte Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte in tatsächlicher Hinsicht keine gesicherte Grundlage hat.“

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