Anwendbares Recht I: Vergewaltigung in der Türkei, oder: Deutsches Recht anwendbar, ja oder nein?

Bild von jorono auf Pixabay

Heute gibt es dann – ich glaube zum ersten Mal – drei Entscheidungen zum anwendbaren Recht, also der Frage: Deutsches Recht ja oder nein.

Ich starte mit dem BGH Beschl. v. 1 StR 113/25Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt. Seine Revision hatte mit der Sachrüge teilweise Erfolg:

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall C. II. 1. der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen hat keinen Bestand, weil die Feststellungen des Landgerichts zum Strafanwendungsrecht insoweit lückenhaft sind.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte die vorgenannte verfahrensgegenständliche Tat während des gemeinsamen Urlaubs der Familie in der Türkei im August 2021 zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner leiblichen Tochter. Dem Rubrum des Urteils ist zu entnehmen, dass der Angeklagte türkischer Staatsangehöriger ist; Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Nebenklägerin zur Tatzeit sind aber vom Landgericht nicht getroffen worden.

b) Damit lässt sich aus den bisherigen Feststellungen eine Anwendung deutschen Strafrechts für die in der Türkei begangene Tat nicht entnehmen.

aa) Eine Anwendung deutschen Strafrechts nach § 5 Nr. 8 StGB ist ausgeschlossen, auch wenn der Angeklagte zur Tatzeit seinen Lebensmittelpunkt im Inland hatte. Diese Regelung ist erst durch Gesetz vom (BGBl. I Nr. 203 vom ) mit Wirkung vom eingefügt worden und damit nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat. Einer Rückwirkung der Änderung steht § 2 Abs. 1, Abs. 3 StGB entgegen.

Die Rechtsanwendungsregeln der §§ 3 ff. StGB sind zugleich Geltungsvoraussetzung und Bestandteil des materiellen deutschen Strafrechts und bestimmen damit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG die Strafbarkeit der darin genannten Taten (vgl. Rn. 23 ff., 28, 10 zu § 370 Abs. 7 AO aF mwN).

bb) Eine Anwendung deutschen Strafrechts kommt aber nach § 7 Abs. 1 StGB in Betracht. Danach gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Eine Prüfung dieser Voraussetzungen ist dem Senat nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht möglich, da das Urteil sich nicht dazu verhält, ob die Nebenklägerin bei Begehung der Tat deutsche Staatsangehörige war.

c) Die Feststellungen des Landgerichts können bestehen bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen; zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StGB wird es weitergehende Feststellungen zu treffen haben.

…“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert