Und dann im letzten Posting vor Pfingsten hier noch etwas zur Unfallschadenregulierung, und zwar zur Schadensberechnung bei erneuter Abrechnung auf Totalschadenbasis nach einem Zweitunfall.
Gestritten wird um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.11.2022. Bei derm Unfall kam es zur Kollision zwischen denr Fahrzeugen der Parteien, bei dem das Klägerfahrzeug, welches bereits im Jahr 2020 einen Schaden an der linken hinteren Fahrzeugseite erlitten hatte ebenda erneut beschädigt wurde.
Das Klägerfahrzeug wurde nach dem Zweitunfall vom Kläger für den Restwert in Höhe von 1.455,00 EUR verkauft. Für den Vorschaden hatte der Kläger im Jahr 2020 bereits von der K.-Versicherung Schadensersatz auf Totalschadenbasis in Höhe von 2.300,00 EUR (= Wiederbeschaffungswert gemäß Vorschadensgutachten in Höhe von 3.500,00 EUR minus vorgeblicher Restwert in Höhe von 1.200,00 EUR) erhalten.
Mit anwaltlichem Schreiben wurde die beklagte Versicherung vom Kläger zur Zahlung von Schadensersatz unter Hinweis auf vorgeblich reparierte Vorschäden aufgefordert. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte vorgerichtlich jedoch nicht.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass durch die Kollision die iin einem eingeholten Privatgutachten vom 25.11.2022 genannten Schäden am Klägerfahrzeug entstanden seien. Altschäden im überlagernden Bereich hätten nicht bestanden. Der Wiederbeschaffungswert würde 4.200,00 EUR brutto betragen. Der Kläger war erstinstanzlich der Ansicht, dass ihm die Beklagten zum Schadensersatz auf Totalschadenbasis inkl. Sachverständigen- und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verpflichtet seien. Er hat einen Betrag von 3.709,61 EUR geltend gemacht.
Die Beklagten hatten erstinstanzlich behauptet, dass durch die Zweitkollision kein weiterer Schaden am Klägerfahrzeug entstanden sei, zumal die vorhandenen Schäden mit der Zweitkollision nicht kompatibel seien. Der Wiederbeschaffungswert würde sich auf unter 3.500,00 EUR brutto belaufen. Sie waren der Ansicht, dass sie mangels Schadensvertiefung an der linken hinteren Fahrzeugseite nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet seien.
Das AG hat der Klage nach Einholung eines Schadensgutachtens eines Sachverständigen in Höhe von 1.245,00 EUR nebst Unfallpauschale stattgegeben. Das Klägerfahrzeug hätte nach den sachverständigen Feststellungen im Jahr 2020 lediglich oberflächliche, nicht reparierte Verkratzungen an der linken hinteren Seite erlitten und sei nach dem Vorunfall noch uneingeschränkt verkehrs- und betriebssicher gewesen, was nach dem streitgegenständlichen Unfall nicht mehr der Fall gewesen sei, sodass aus technischer Sicht durch den Zweitunfall ein Mehrschaden entstanden sei. Der Wiederbeschaffungswert würde ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens 2.700,00 EUR betragen, sodass sich abzüglich des Restwerts in Höhe von 1.455,00 EUR ein Schadensbetrag in Höhe von 1.245,00 EUR ergeben würde. Hinzu käme die Unfallpauschale in Höhe von 25,00 EUR. Die Kosten des Klägers für die Erstellung des aufgrund der gegenüber dem Privatsachverständigen verschwiegenen Vorschäden unbrauchbaren Privatgutachtens seien hingegen von den Beklagten nicht zu erstatten.
Dagegen die Berufung der Beklagten mit ihrer Berufung. Sie meinen vor, dass das AG zu Unrecht einen Schaden beim Kläger angenommen hätte. Die unbewusste Überzahlung der K.-Versicherung infolge des Erstunfalls in Höhe von 1.500,00 EUR hätte auf den Schadensersatzanspruch des Klägers aus dem Zweitunfall angerechnet werden müssen, da der Kläger ansonsten unter Verstoß gegen das sog. Bereicherungsverbot am Zweitunfall verdienen würde. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts sei auch keine klare Abgrenzung zwischen Alt- und Neuschaden möglich.
Die Berufung hatte mit dem LG Ellwangen, Urt. v. 14.05.2025 – 1 S 94/24 – keinen Erfolg:
„Der Anspruch des Klägers Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.245,00 EUR ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1 bzw. 18 StVG, hinsichtlich der Beklagten zu 2.) i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
a) Zu Recht kam das Amtsgericht im Ausgangspunkt zu der Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO, dass durch den streitgegenständlichen Zweitunfall ein neuer technischer wie rechnerischer sowie kompatibler Schaden am Klägerfahrzeug entstanden ist, der sich auf 1.245,00 EUR beziffern lässt (ausführlich zur hier vorliegenden Konstellation „nicht reparierte Altschäden im überlagernden und nicht überlangernden Bereich: Nugel, ZfS 2020, 490; Maschwitz, NZV 2024, 268; Almeroth in: Schadensersatz/ders., 1. Aufl. 2023, Rn. 637 ff. m.d.N.).
So hat der Sachverständige Dipl.-Ing. K. in der Sitzung des Amtsgerichts Neresheim vom 24.07.2024 ein Schadensgutachten mit folgenden Ergebnissen erstattet (Bl. 105 ff. d. AG-eAkte):
– Die Beschädigungen an den beiden unfallbeteiligten Fahrzeugen seien mit dem streitgegenständlichen Unfall hinsichtlich Lage und Intensität kompatibel, sie würden insbesondere an beiden Fahrzeugen jeweils bis in eine statische Höhe von 74 cm reichen.
– Der Vorschaden am Klägerfahrzeug aus dem Jahr 2020 sei nicht repariert worden, andernfalls wären auf den aktuellen Lichtbildern vom Klägerfahrzeug Instandsetzungsspuren zu erwarten.
– Nach dem Unfall im Jahr 2020 sei das Klägerfahrzeug noch uneingeschränkt verkehrs- und betriebssicher gewesen, sodass durch den streitgegenständlichen Unfall aus technischer Sicht ein zusätzlicher Schaden eingetreten sei. So hätte die hintere linke Tür des Klägerfahrzeugs nach dem ersten Unfall nur lackiert, nach dem zweiten Unfall ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus sei (nur) beim zweiten Unfall das Rad hinten links beaufschlagt und die Heckverkleidung seitlich links verkratzt worden.
– Der im Jahr 2020 vom damaligen Privatgutachter angegebene Restwert des Klägerfahrzeugs in Höhe von 1.200,00 EUR brutto sei nicht nachvollziehbar, was allein schon die Tatsache zeige, dass das (unreparierte) Klägerfahrzeug nach dem streitgegenständlichen Zweitunfall für 1.455,00 EUR brutto weiterverkauft wurde. Der Wiederbeschaffungswert hätte nach dem Erstunfall im Hinblick auf die seinerzeit weiterhin gegebene Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie die bloß optischen Schäden 2.700,00 EUR betragen.
Dieses amtsgerichtliche Beweisergebnis ist für die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Lediglich in eng begrenzten Fällen, insbesondere wenn Rechtsfehler im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO vorliegen, etwa Beweismaß oder Beweislast verkannt werden, einzelne beweiswürdigende Darlegungen nachvollziehbarer Grundlage entbehren oder ganz fehlen, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wird oder Verfahrensfehler unterlaufen sind, wäre der Kammer eine Nachprüfung der Beweiswürdigung möglich. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, insbesondere hat das Amtsgericht den Sachverständigen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht falsch verstanden. Auf dessen oben dargestellte überzeugende Argumentation kann vollumfänglich verwiesen werden.
b) Da der Restwert des Klägerfahrzeugs ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens K. nach dem Erstunfall richtigerweise 2.700,00 EUR, nach dem Zweitunfall unstrittig 1.455,00 EUR betrug, hat das Amtsgericht die Beklagten in konsequenter Durchführung der Differenzhypothese folglich zu Recht u.a. zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.245,00 EUR verurteilt (vgl. Zur, DAR 2024, 442 [442], wonach, wenn das Fahrzeug bereits vor dem Unfall ein wirtschaftlicher Totalschaden war, nur ein Schaden bestehen kann, wenn der Restwert durch den Unfall noch weiter herabgesetzt wurde).
Entgegen der Ansicht der Beklagten war dieses Ergebnis nicht deshalb unter Wertungsgesichtspunkten zu korrigieren, weil der Kläger – wie sich nun anhand des überzeugenden Schadensgutachtens des Sachverständigen Kast herausgestellt hat – von der K.-Versicherung infolge des Erstunfalls eine Überzahlung in Höhe von 1.500,00 EUR erhalten hatte.
Abgesehen davon, dass die (unbewusste) Überzahlung der K.-Versicherung aus dem Jahr 2020 und der Zweitunfall – wie das Amtsgericht richtig ausführt – in keinerlei Zusammenhang stehen, hatte die Zahlung der K.-Versicherung (unstrittig) nicht den Zweck, künftige Haftpflichtversicherer von ihrer Schadensersatzpflicht zu entlasten, weswegen sich der Kläger im hiesigen Haftpflichtfall die seinerzeitige Überzahlung nicht anrechnen zu lassen hat (vgl. die Rechtsprechungsübersichten zu den Kriterien einer Vorteilsanrechnung bei: BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 294 ff.; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 233 ff.).
c) Ein Entfallen des Schadensersatzanspruchs nach § 242 BGB für den hiesigen Fall des Verschweigens bzw. Leugnens von überlagernden, unreparierten Altschäden wird von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung einhellig abgelehnt (Rechtsprechungsübersicht bei Almeroth, a.a.O., Rn. 648), da dem deutschen Zivilrecht derartige Strafgedanken fremd sind (Zur, a.a.O., [445] m.d.N.).“