Verkehrsrecht II: Straßenverkehrsgefährdung?, oder: Unaufmerksamkeit oder Rücksichtslosigkeit?

entnommen wikimedia.org
Urheber Thirunavukkarasye-Raveendran

Als zweite Entscheidung habe ich hier einen kleinen, aber ganz feinen Beschluss des AG Dülmen, und zwar den AG Dülmen, Beschl. v. 17.04.2025 – 42 Ds 36/25. Das hat sich in einem § 111a-Verfahren zu den Voraussetzungen des § 315c StGB geäußert, also nicht einfach mal eben nur dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben.

In dem Verfahren wird dem Zeugen eine Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Das AG lehnt ab:

„Gemäß § 111a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass in einer späteren Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis entzogen wird (§ 69 StGB). Zwar stellt die dem Angeschuldigten vorgeworfene vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c StGB einen Regelverstoß im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar. Allerdings dürften die Voraussetzungen von § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB (nicht § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB wie lt. Anklageschrift) vorliegend nicht gegeben sein.

Der Angeschuldigte hat zwar am 16.09.2024 gegen 17:10 Uhr in der Einmündung NordlandWehr/An der Lehmkuhle in Dülmen die Vorfahrt des Zeugen pp. verletzt. Es ist jedoch bereits fraglich, ob die Vorfahrtsverletzung „grob verkehrswidrig“ war. Denn erfasst werden nur besonders schwerwiegende Verstöße gegen Verkehrsvorschriften. Vorliegend dürfte es sich jedoch um eine gewöhnliche Vorfahrtsverletzung im Straßenverkehr handeln. Der Angeschuldigte ist nicht mit überhöhter Geschwindigkeit eingebogen. Vielmehr habe er – laut Aussagen der Zeugen im Rahmen der polizeilichen Vernehmung – vor dem Rechtsabbiegen gehalten, habe den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und habe auch den von links kommenden Verkehr beobachtet. Er habe jedoch nicht auf den von rechts kommenden Radfahrer geachtet, so dass es sich um einen gewöhnlichen Vorfahrtsverstoß i.S.d. § 8 StVO handeln dürfte.

Jedenfalls dürfte das Handeln des Angeschuldigten nicht „rücksichtslos“ gewesen sein. Denn „rücksichtslos“ im Sinne des § 315c StGB handelt, wer sich „aus ‚eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt“ (vgl. BGH 5, 392, Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 315c, Rn. 14 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um eine bewusste Verkehrswidrigkeit, sondern offensichtlich um eine Unachtsamkeit aufgrund eines Augenblicksversagens. Rücksichtslosigkeit kann jedoch in den Fällen des sog Augenblicksversagen der bloßen Unaufmerksamkeit oder der auf menschlichem Versagen beruhenden irrigen Beurteilung einer Verkehrslage nicht angenommen werden (vgl. BGHSt 5, 392; OLG Karlsruhe VRS 114, 363; OLG Stuttgart DAR 76, 23; OLG Düsseldorf VRS 98, 350).“

Im Übrigen: Wenn man sieht, was das AG alles richtig stellt an der Anklageschrift, scheint die mit der „heißen Nadel“ gestrickt worden zu sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert