Gutgläubiger Pkw-Erwerb vom Nichtberechtigten, oder: Verkauf/Übergabe eines Gebraucht-Pkw auf Parkplatz

Bild von Jörg Möller auf Pixabay

Und dann ist „Kessel-Buntes-Zeit“, denn es ist Samstag.

Da gibt es heute zunächst mal etwas aus dem Sachenrecht, und zwar den OLG Celle, Beschl. v. 28.2.2025  – 14 U 183/24 – zum gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten bei Verkauf und Übergabe eines gebrauchten Pkw auf einem Parkplatz.

Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Fahrzeugs VW T 6 Multivan. Zum Sachverhalt teilt der Beschluss leider nur wenig mit, weil er hemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Jedenfalls hat das LG der Klage stattgegeben. Aus seinen vom OLG refererierten Ausführungen ergibt sich ein wenig, worum es geht:

„Der Kläger habe gegen die Beklagte gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des von ihm am 05.04.2023 erworbenen Pkw-Mehrzweckfahrzeuges VW T 6 nebst den zugehörigen Fahrzeugpapieren sowie der Schlüssel. Der Kläger habe von dem nichtberechtigten Verkäufer S. D. gutgläubig gemäß § 932 BGB das Eigentum an dem von der Beklagten zuvor vermieteten Pkw erworben. Der gutgläubige Erwerb sei nicht nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, denn die Sache sei nicht abhandengekommen. Der Kläger habe gutgläubig iSd § 932 Abs. 2 BGB und nicht grob fahrlässig gehandelt.

Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers liege nicht vor. Der Kläger habe das Fahrzeug unstreitig zu einem für ein solches Fahrzeug üblichen Preis erworben. Zwar könne die Entgegennahme des Fahrzeugs ohne Zweitschlüssel unter Umständen ein Indiz für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sein. Der Kläger habe vorliegend jedoch mit dem Einbehalt eines Teilbetrages des Kaufpreises reagiert und die Höhe des Einbehalts mit der eigenen Kenntnis von den Kosten für das Kodieren eines neuen Zweitschlüssels durch den Hersteller plausibel begründet. Der Kläger sei auch nicht gehalten gewesen, sich umgehend die Kontaktdaten des Bruders des Verkäufers nennen zu lassen, um die Möglichkeit der sofortigen Abholung des Schlüssels prüfen zu können. Zudem habe sich der Kläger die wesentlichen Unterlagen zum Fahrzeug, insbesondere die beiden Zulassungsbescheinigungen, aushändigen lassen. Er habe die Dokumente eingesehen und die Fahrgestellnummer abgeglichen. Anlass zu einer weiteren Nachforschung habe insoweit nicht bestanden. Der Treffpunkt für die Übergabe sei ebenfalls kein Anlass für erweiterte Nachforschungen des Klägers gewesen. Bei einem Fahrzeug als Kaufgegenstand liege es auf der Hand, dass Besichtigung und Probefahrt nicht in der Wohnung des Verkäufers erfolgen könnten. Insoweit erscheine es auch naheliegend, „die Formalitäten“ direkt an dem Ort mit zu erledigen, an dem das Fahrzeug präsentiert werde. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass der Parkplatz aufgrund von Besonderheiten, etwa seiner Lage (besonders einsam bzw. abgelegen, schlecht einsehbar etc.) den Kläger zu weiteren Nachforschungen hätte veranlassen müssen. Zudem habe der Verkäufer nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers einen sachlichen Grund für die Durchführung der Verhandlung auf dem Parkplatz genannt, indem er mitgeteilt habe, die Wohnung stehe wegen der aus Anlass des Ramadans zahlreich erschienen Familie nicht zur Verfügung.

Gegen das LGUrteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Klageabweisung weiterverfolgt und meint:

„Das Landgericht hat die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Herausgabe eines vermeintlich gutgläubig erworbenen Fahrzeugs zu Unrecht angenommen.

Es komme darauf an, ob die Sache der Beklagten abhandengekommen sei, was abweichend von der Rechtsauffassung des Landgerichts zu bejahen sei. Der Mieter des Wagens sei vorliegend als Besitzdiener zu betrachten, denn dieser befinde sich hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarungen in einem Weisungsverhältnis zum Vermieter. Die Erkennbarkeit des Weisungsverhältnisses könne und müsse sich vorliegend nicht äußerlich erkennbar ergeben. Zwar sei der Gegenstand auch hier dem räumlichen Einflussbereich der Beklagten entzogen, eine Kontrollmöglichkeit im Bedarfsfall hinsichtlich des Verbleibs des Wagens verbleibe ihr aber über die Ortung des Fahrzeugs per GPS. Ein irgendwie gearteter Besitzdienerwille zur Begründung des Besitzdienerverhältnisses sei nicht erforderlich. Ein Bruch der Mietbedingungen – wie hier die Unterschlagung und der anschließende Verkauf des Wagens – führten dazu, dass die Benutzung des Gegenstandes gegen den Willen des Berechtigten ausgeübt werde, die Sache komme mithin abhanden. Jedenfalls sei die Beklagte in der konkreten Situation mittelbare Besitzerin gewesen, denn sie habe zwar den Wagen im Rahmen des Mietvertrages willentlich herausgegeben, dies jedoch verbunden mit der Bedingung, dass der Wagen gemäß den Mietbedingungen entsprechend genutzt werde. Durch den Bruch der Mietbedingungen sei ein Abhandenkommen der Sache zu bejahen.

Hinsichtlich einer Bösgläubigkeit des Klägers habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass eine Häufung sogenannter Verdachtsmomente ausreiche, um die Pflicht auszulösen, sich der Eigentümerstellung des Verkäufers zu vergewissern. Der Kläger habe sich von dem Verkäufer sagen lassen, es sei in Ordnung die alten Kennzeichen „einfach zu entsorgen“. Ein Schlüssel habe aufgrund eines vorgeblichen Urlaubs des Bruders gefehlt. Dem Kläger hätte zudem spätestens bei Besichtigung des Fahrzeuges auffallen müssen, dass abweichend von der Anzeige kleinere Schäden vorhanden gewesen seien und die im Foto erkennbare Chromzierleiste gänzlich gefehlt habe. Auch die gefälschten Zulassungsbescheinigungen, Teil I und II, hätten einen verständigen Menschen, auch einen Laien, zu der Frage veranlassen müssen, ob das in Angriff genommene Geschäft wirklich das sei, was es zu sein vorgebe. Zwar seien die Fälschungen von höherer Qualität, dennoch hätte man erkennen können, dass verschiedene Schriftarten zum Ausfüllen der Zulassungsbescheinigung Teil II verwendet worden und dass Siegelung und Aussteller der Zulassungsbehörde unterschiedlich seien.

Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Hier die Leitsätze zu der recht umfangreich begründeten Entscheidung:

1. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis vom fehlenden Eigentum des Veräußerers setzt dabei zunächst das Bestehen einer Pflicht des Erwerbers voraus, sich Kenntnis zu verschaffen.

2. Im Fall des Erwerbs eines gebrauchten Fahrzeugs begründet der Besitz des Fahrzeugs allein noch nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs gehört in der Regel, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefs ist, kann der Erwerber bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht nicht.

3. Durch die Vermietung des Fahrzeugs wird der unmittelbare Besitz freiwillig aufgegeben. Der Mieter des Fahrzeugs erwirbt den unmittelbaren Besitz gem. § 854 Abs. 1 BGB an diesem und ist nicht Besitzdiener nach § 855 BGB.

4. Die Übergabe eines Schlüssels bewirkt allerdings nur dann einen Besitzübergang, wenn der Übergeber die tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat. Hieran fehlt es etwa, wenn der Schlüssel zwecks bloßer Besichtigung des Fahrzeugs übergeben wird.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert