Schlagwort-Archive: Sorgfaltspflicht

Achtung, Vorfrist für die Rechtsmittelbegründung, oder: Die Sorgfaltspflicht bei der Fristenkontrolle

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Und als letztes „Entscheidungsposting“ des Jahres hier etwas ganz Kurzes zum BGH, Beschl. v. 24.10.2023 – VI ZB 53/22betreffend die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der sog. Vorfris. Ich beschränke michauf dne Leitsatz, der lautet:

Ein Rechtsanwalt hat durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Hierzu gehört die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren. Die Eintragung einer Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist.

 

(Liege)Radfahrer überholt Reiterinnen, oder: Obacht!

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Im „Kessel Buntes“ stelle ich heute zwei zivilrechtliche Entscheidungen vor. Beide haben mit „Fahrradunfällen“ zu tun.

Im LG Frankenthal, Urt. v. 22.05.2020 – 4 O 10/19 – geht es um die Sorgfaltspflicht eines Radfahrers beim Überholen von Pferden. Der Fahrer eines Liegefahrrads – der Kläger – wollte auf einem Radweg zwei Pferde überholen. Beim Überholen schlug eines der Pferde mit den Hufen aus und brachte den Radfahrer zu Fall. Der erlitt Prellungen, Schürfwunden und eine Verletzung an der Hand. Der Radfahrer hat seinen Schaden geltend gemacht und ein Schmerzensgeld. Das LG ist von der Tierhalterhaftung der Reiterinnen ausgegangen, aber auch von einem hältigen Mitverschulden des klagenden Radfahrers:

„Bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das Maß der Verursachung maßgeblich, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 1968 – VI ZR 171/67VersR 1968, 1093, 1094 m.w.N.; vom 20. Januar 1998 – VI ZR 59/97VersR 1998, 474, 475). Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1998 – VI ZR 59/97 – aaO; vom 12. Juli 1988 – VI ZR 283/87VersR 1988, 1238, 1239 m.w.N.).

Vorliegend ist dem Kläger ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO anzulasten. Auch auf Radwegen sind die Vorschriften der StVO zu beachten. Aus dem Umstand, dass der Reiter den Radweg nicht benutzen darf, folgt nicht, dass hierdurch die Verkehrsregeln diesem gegenüber außer Kraft treten. Gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 StVO muss beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Auch Radfahrer haben den nach § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO erforderlichen Seitenabstand einzuhalten. Welcher Abstand geboten ist, hängt von den konkreten Bedingungen des Einzelfalls ab. Der Abstand muss so groß sein, dass Schreckreaktionen der überholten Verkehrsteilnehmer nicht zu erwarten sind. Beim Überholen von Pferden und Zugtieren ist gehörig Abstand zu halten (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 5 StVO (Stand: 22.07.2019) Rn. 68 ff.). Dabei ist zwar grundsätzlich ein Seitenabstand beim Passieren eines anderen Verkehrsteilnehmers von einem Meter ausreichend. Dies gilt aber nicht, wenn zum Beispiel ein Radfahrer oder ein Reiter passiert werden muss, weil im ersteren Fall mit Schlenkern und beim Reiter oder auch anderen Tieren mit einer plötzlichen Reaktion des Tiers gerechnet werden muss (OLG Celle NJW-RR 2018, 728; OLG Celle, Urt. v. 19.12.2002 – 14 U 94/02, BeckRS 2002, 30299252), sodass ein Seitenabstand von wenigstens 1,5 bis etwa 2 m einzuhalten ist (OLG Celle NJW-RR 2018, 728; OLG Brandenburg, NJW-RR 2011, Seite 1400; Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR, 44. Aufl. 2017, § 5 StVO Rn. 54, 55). Diesen auch hier erforderlichen Seitenabstand hat der Kläger nach eigenem Vortrag nicht eingehalten. Er hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung selbst angegeben, dass er in einem Abstand von einem „guten Meter“ an dem Pferd vorbeigefahren ist. Als das Pferd dann ausgetreten habe, sei er seitlich neben dem Pferd, mit dem Oberkörper vielleicht noch 30-40 cm seitlich hinter den Hinterbeinen gewesen (Seite 3 des Sitzungsprotokolls, Bl. 126 d.A.). Dass ein größerer Abstand aufgrund der geringen Breite des Radweges nicht eingehalten werden konnte, kann den Kläger nicht entlasten. Es war ihm unbenommen, sich mit den Reitern über die Möglichkeit eines Passierens oder eines Ausweichortes zu verständigen. Unabhängig davon, ob durch die  Reiter der Versuch einer Verständigung unternommen wurde, hätte ein solcher auch von dem Kläger ausgehen können. Es ist auch nicht deshalb ein geringerer Seitenabstand zu fordern, weil es sich nicht um ein Kraftfahrzeug, sondern um ein Liegefahrrad handelt. Der Seitenabstand dient der Vermeidung von Schreckreaktionen. Diese können ebenso durch ein Liegefahrrad, das hier noch mit einer Fahne ausgestattet war, ausgelöst werden.

Unabhängig von diesem Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO ist im Rahmen des Mitverschuldens der Verletzungsbeitrag zu berücksichtigen, den der Kläger durch das Sich-Nähern an ein Pferd von hinten mit einem zu geringen Abstand gesetzt hat. Dieser ist dann von Bedeutung, wenn der Verletzte „ohne Not an einem fremden Pferd so nahe vorbeigeht, dass er den Angriffs- oder Verteidigungsbewegungen des Pferdes … ausgesetzt ist“ (RG JW 1906, 739; s. auch BGH JZ 1955, 87). Bei einer Entfernung von unter 150 cm besteht die Gefahr, beim Auskeilen von einem Huf getroffen zu werden. Dies ist auch nicht lediglich einem erfahrenen Reiter bekannt. Es ist allgemein bekannt, dass sich hinter einem Pferd ein spezifischer („Austreten“) Gefahrenbereich befindet (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 31. Januar 2002 – 5 U 465/01 –, juris, VersR 2003, 1317; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. Januar 2011 – 5 U 114/10 –, juris Rn 23). Allein daraus, dass in den Entscheidungen, die sich auf einen Reiter beziehen, ausgeführt wird, dass dies jedem Reiter bekannt sei (OLG Hamm, Urteil vom 16. November 2018 – 9 U 77/17 –, juris), kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass es anderen Personen (Nicht-Reitern) nicht bekannt sei. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Absicht der Reiter, die Konfrontation der Pferde mit dem Liegefahrrad zu vermeiden, für den Kläger erkennbar gewesen wäre. Denn die Reiter sind diesem zunächst entgegen geritten und haben dann, nachdem sie in Sichtweite waren, gewendet. Zwar ist nicht erwiesen, dass die Zeugen dem Kläger akustisch verständlich ihr Vorhaben erklärt haben. Die Zeugin A hat angegeben, sie hätten zwar auch was zu dem Radfahrer gesagt, aber sie vermute, dass er das nicht gehört habe (vgl. Seite 9 des Sitzungsprotokolls, Bl. 132). Allerdings ist das Gericht davon überzeugt, dass die Zeugen dem Kläger per Handzeichen mit einer Drehbewegung ihre Wendeabsicht angezeigt haben. Die Zeugin A hat angegeben, sie hätten versucht, dem Fahrradfahrer zu erklären, dass sie umdrehen, um auf die Wiese zu kommen. Sie hat angegeben, die Handzeichen habe der Zeuge B gemacht. Sie selbst könne nicht mehr sagen, wie genau er die Handzeichen gemacht habe (vgl. Seite 9 des Sitzungsprotokolls, Bl. 132). Auch der Zeuge B hat angegeben, sie hätten dem Kläger mit einem Handzeichen zu verstehen gegeben, dass sie umdrehen. Er hat auf Nachfrage eine Drehbewegung mit dem Zeigefinger in der Luft gemacht (vgl. Seite11 des Sitzungsprotokolls, Bl. 134 d.A.). Das Gericht erachtet die Zeugen als glaubwürdig und die Angaben als glaubhaft. Die jungen Zeugen ließen keinerlei Belastungseifer oder Entlastungstendenz erkennen. Vielmehr schilderten sie das Geschehen aus ihrer Erinnerung und ließen dabei auch für sie ungünstige Umstände nicht aus. So hat beispielsweise die Zeugin A selbst angegeben, dass der Kläger das, was sie sagten, vermutlich nicht hören konnte. Dass die Zeugin selbst sich an die konkrete Ausführung des Handzeichens, das sie selbst auch nicht gemacht hat, nicht erinnern konnte, ist demgegenüber nachvollziehbar und auch dies legte die Zeugin offen dar. Aufgrund des Handzeichens hätte der Kläger den nach dem Sichtkontakt erfolgten Wendevorgang der Reiter mit seiner Anwesenheit und der Enge des Radwegs in Verbindung bringen und damit die Absicht der Reiter, eine Konfrontation zu vermeiden, erkennen können.

Bei Abwägung der wie dargelegt aus § 833 BGB folgenden Haftung mit diesem aus dem unterschrittenen Sicherheitsabstand folgenden Verursachungsbeitrag erachtet die Kammer eine hälftige Haftungsverteilung für angemessen. Die Tiergefahr ist dabei bei einem Reitpferd schon im Hinblick auf die Größe, Masse und Kraft im Sinne einer „Betriebsgefahr“ hoch zu veranschlagen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 31. Januar 2002 – 5 U 465/01 –, juris, VersR 2003, 1317). Zudem ist die grundsätzliche Kenntnis der Beklagten von der Nutzung des Radweges zu berücksichtigen. Allerdings ist auf der Klägerseite der Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO in die Bemessung einzustellen. Nach Auffassung der Kammer ist dieser Verursachungsbeitrag mit 50% zu gewichten. Zwar wurde in der Rechtsprechung vielfach in Fällen, in denen sich ein Reiter ohne Sicherheitsabstand hinter einem Pferd befand, ein etwas geringeres Mitverschulden von etwa 1/3 zugrunde gelegt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich davon jedoch zum einen dadurch, dass sich der Kläger dem Pferd nicht lediglich zu Fuß, sondern mit einem ungewöhnlich und für das Pferd unbekannten Fahrzeug genähert hat, was eine Schreckreaktion gegenüber der bloßen Anwesenheit einer Person noch begünstigt. Zum anderen liegt nicht lediglich eine Verletzung der Sorgfalt vor, die zum Schutz der eigenen Person erforderlich ist, sondern zugleich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO, der in den klägerseits angeführten Entscheidungen nicht zu berücksichtigen war. Im Falle eines einen Radweg benutzenden Fußgängers wurde dessen Haftungsquote bei einer Kollision mit einem Radfahrer mit lediglich 25% angenommen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2003 – I¬1 U 110/02 –, juris). Auch im Falle eines entgegen der Benutzungspflicht des Radweges auf der Fahrbahn fahrenden Radfahrers wurde dessen Haftungsquote bei einer Kollision mit einem den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht wahrenden Pkw mit 25 % angenommen (OLG Hamm, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 6 U 91/93 –, juris). Der aus einer verbotswidrigen Nutzung eines Radweges oder einer Fahrbahn folgende Verursachungsbeitrag wird demnach gegenüber einem Verstoß gegen den erforderlichen Seitenabstand, der letztlich den Eintritt des Schadens verursacht hat, als geringer angesehen. Vorliegend war diese Quote jedoch auf Beklagtenseite aufgrund der spezifischen Tiergefahr zu erhöhen. Nach Auffassung der Kammer haben vorliegend bei einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge aufgrund der erörterten Umstände die spezifische Tiergefahr bei durch die Beklagte in Kauf genommener Benutzung des Radweges und der sorgfaltswidrige Überholvorgang durch den Kläger in gleicher Weise zu dem Schaden beigetragen und sind gleich zu gewichten.“

Wenn der Fußgänger unachtsam die Fahrbahn überquert, oder: Alleinhaftung.

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Author: MarianSigler

Im Straßenverkehrsrecht ist es grds. ja so, dass der Kfz-Führer gegenüber einem „schwächeren“ Verkehrsteilnehmern, wie z.B. Fußgängern oder Radfahrern, zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet ist. Der Kfz-Führer bleibt dahher dann bei einem Unfall meist auf seiner Betriebsgefahr sitzen. Anders hat vor einiger Zeit das OLG Dresden im OLG Dresden, Urt. v. 09.05.2017 – 4 O 1596/16 – entschieden. Da hatte ein Fußgänger aus Sicht des Kraftfahrzeugführers von links die Straße unmittelbar vor zwei weiteren sich im Gegenverkehr befindlichen Pkw unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO überquert und war beim Erreichen der Gegenfahrbahn vom Fahrzeug des beklagten Pkw-Führer erfasst worden.

Das OLG Dresden ist von Alleinhaftung des Fußgängers ausgegangen. Das OLG sagt: Den Unfall hat er Fußgänger durch sein „grob fahrlässiges Verhalten allein verschuldet. Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1 lässt sich nicht feststellen. Die Haftung der Beklagten zu 2. und 3. aus Betriebsgefahr des Fahrzeugs und die Haftung des Beklagten zu 1. für vermutetes Verschulden tritt hinter dem grob schuldhaften Verhalten des Klägers zurück, denn die sorglose Fahrbahnüberquerung des Klägers durch „Hindurchschlängeln“ durch den zügig fließenden Fahrzeugverkehr stellt ein besonders grobes Eigenverschulden dar.“

Das OLG weiter: Ein Fußgänger darf die Fahrbahn nur dann betreten, wenn er sich zuvor vergewissert hat, dass er keinem Fahrzeug in den Weg tritt. Die Fahrbahn dient in erster Linie dem Fahrzeugverkehr. Wenn ein Fußgänger auf den Fahrzeugverkehr nicht entsprechend achtet, handelt er in der Regel grob fahrlässig. Das sorglose Überqueren der Fahrbahn ist ein besonders grobes Eigenverschulden dar, welches die Haftung des Kraftfahrzeugführers für vermutetes Verschulden aus der Betriebsgefahr vollständig zurücktreten lässt.

Verlassen eines Grundstücks – da muss man besonders aufmerksam sein

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Urheber Mediatus

Keine bahnbrechenden neuen Aussagen enthält das AG Schwarzenbek, Urt. v. 23.05.2016 – 2 C 741/15. Es erinnert aber noch einmal an die Sorgfaltspflichten des Fahrzeugführers bei Verlassen einer Einfahrt (§ 10 StVO). Dann gilt: Ein Fahrzeugführer hat sich bei Verlassen einer Einfahrt so zu verhalten, dass eine Gefährdung vorfahrtberechtigter anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Verletzt er diese Pflichten, tritt die Betriebshaftung des Fahrzeuges des Vorfahrtberechtigten hinter dieses Verschulden zurück und der die Einfahrt Verlassende haftet voll:

„Dementsprechend hat die Beklagte zu 2) den ihr obliegenden Beweis, dass sie dem Kläger ein gefahrloses Vorbeifahren an ihrem Fahrzeug ermöglicht hätte, nicht erbracht hat. Vielmehr hat sie durch ihre Fahrweise den Kläger zu einer Vollbremsung und einem anschließenden Ausweichmanöver gezwungen, um einen Zusammenstoß mit ihrem Fahrzeug zu vermeiden. Aufgrund der Verletzung dieser Kardinalpflicht aus § 8 StVO konnte und musste die von dem Fahrzeug des Klägers ausgehende Betriebsgefahr unberücksichtigt bleiben, so dass die Beklagten grundsätzlich zu 100 % haften.“

Die Fahrschulfahrt mit Motorrad – und die Haftung des Fahrlehrers

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Der Fahrlehrer hat vor einiger Zeit die Rechtsprechung bis hin zum BGH beschäftigt, nämlich mit der Frage, ob er Fahrzeugführer i.S. des § 23 Abs. 1a StVO – Handyverbot im Straßenverkehr – ist oder nicht (vgl. dazu der BGH, Beschl. v. 23.09.2014 – 4 StR 92/14 und Der Fahrlehrer und sein Mobiltelefon: Yes, he can.). Vor kurzem ist dann eine Entscheidung des OLG Schleswig über die Ticker gelaufen, die sich mit Sorgfaltspflichten des Fahrlehrers beim Motorradunterricht befasst. Es ging um die Klage eines 44-jährigen Fahrschülers. Der war während der dritten Doppelstunde mit dem Motorrad auf Überlandfahrt, als sich  in einem Kreisverkehr ein Unfall ereignete. Der Fahrschüler hatte die Kupplung zu schnell kommen lassen und war über die Mittelinsel in den Gegenverkehr gefahren. Er verklagte seinen  Fahrlehrer und hat beim OLG Schleswig im OLG Schleswig, Urt. v. 11.03.2016 – 17 U 112/14 – Recht bekommen.

Dazu die Leitsätze der Entscheidung:
  1. Beim Motorradfahrunterricht hat der Fahrlehrer angesichts seiner verminderten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Fahrschüler in besonderem Maße darauf zu achten, dass der Fahrschüler an anspruchsvollere Aufgaben des Fahrunterrichts erst dann herangeführt wird, wenn er bei den Grundübungen Sicherheit erlangt hat. Kommt es zu krisenhaften Situationen („Beinaheunfall“), muss der Fahrunterricht nötigenfalls einen Schritt zurück gehen.
  2. Der Fahrunterricht und dessen Inhalte sind zu dokumentieren. Unterbleibt eine Dokumentation oder ist sie in erheblichem Maße unvollständig, wird eine schuldhafte Verletzung der Ausbildungspflichten vermutet.

Das OLG geht auf der Grundlage des OLG Hamm, Urt.v. 30.01.2004 davon aus:

„Der Fahrlehrer muss darauf achten, dass keine Überforderung des Schülers vorliegt (OLG Hamm, NJW-RR 2004, 1095). Der Fahrlehrer darf einen Motorradfahrschüler erst nach ausreichender Vorbereitung auf Fahrsituationen, wie sie sich dem Motorradfahrer auf öffentlichen Straßen stellen, am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen lassen. Er darf dem Fahrschüler keine Aufgaben stellen, die dieser nicht oder noch nicht meistern kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder noch nicht entsprechen (OLG Rostock, DAR 2005, 32 f.). An die Einhaltung der Pflichten des Fahrlehrers ist zum Schutze der Fahrschüler ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 1969, 2197). Da die Eingriffsmöglichkeiten des Fahrlehrers im Rahmen der Motorradausbildung vergleichsweise begrenzt sind, hat der Fahrlehrer die Pflicht, den Motorradschüler nur mit ausreichender Vorbereitung in den öffentlichen Verkehr zu schicken und den Schwierigkeitsgrad der Ausbildung nur sehr behutsam zu steigern (OLG Rostock a.a.O.; KG NZV 2004, 93). Der Fahrlehrer hat darauf zu achten, dass der Fahrschüler das Motorrad ausreichend beherrscht. Kriterium für das Maß der Überwachungspflichten ist der jeweilige Ausbildungsstand.“

P.S.: Ich weiß, Bild passt nicht, aber ich habe kein passenderes gefunden 🙂 .