Ich hatte vor einiger Zeit über AG Konstanz, Beschl. v. 22.05.2024 – 10 OWi 52 Js 22028/22 – berichtet (vgl. Höhe privater SV-Kosten-Erstattung nach Einstellung, oder: Wenn es billiger nicht geht). Zu der Entscheidung liegt jetzt die Beschwerdeentscheidung vor, die auf die Beschwerde der Staatskasse ergangen ist. Die hatte teilweise – geringen – Erfolg.
Ich rufe dann den Sachverhalt noch einmal in Erinnerung, und zwar. Der Betroffene ist vom AG vom Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit freigesprochen worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Landeskasse auferlegt. Der Betroffene hat Kostenfestsetzung beantragt und dabei u.a. die Kosten eines von ihm eingeholten privaten Sachverständigengutachten in Höhe von 1.797,95 EUR und von 431,97 EUR (jeweils inclusive Mehrwertsteuer) geltend gemacht, die neben Schreibgebühren und Kosten für Kopien, Porto und Telefon, Arbeitsaufwand von insgesamt 10,5 Stunden zu einem Stundensatz von 168,75 EUR beinhalten.
In ihrer Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers ging die Bezirksrevisorin davon aus, dass die geltend gemachten Auslagen für die Privatgutachten zwar aus Sicht der Staatskasse ausnahmsweise erstattungsfähig seien, da diese das Verfahren gefördert hätten; die Höhe der Erstattung der Sachverständigenkosten sei jedoch auf die gültigen Sätze des JVEG, mithin auf 135,00 EUR (Stundensatz) gern. Nr. 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG begrenzt. Die Rechtspflegerin des AG Konstanz hat im Kostenfestsetzungsbeschluss die geltend gemachten Privatgutachtenkosten in voller Höhe festgesetzt. Dagegen hat die Bezirksrevisorin namens der Staatskasse dann sofortige Beschwerde eingelegt.
Das LG führt in dem LG Konstanz, Beschl. v. 07.10.2024 – 4 Qs 53/24 – zu der streitigen Frage – wegen der hier nicht streitigen grundsätzlichen Frage, ob die Kosten des Privatgutachtens überhaupt zu erstatten sind, bitte selbst lesen – aus:
„Die sofortige Beschwerde ist jedoch nur zum Teil – in geringem Umfang – begründet.
Im vorliegenden Fall erscheint die Erstattung der Kosten für das seitens des Betroffenen eingeholte Gutachten in Höhe von insgesamt 2.145,58 Euro (unter Zugrundelegung eines um 20% über dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz liegenden Stundensatzes) gerechtfertigt.….
Hinsichtlich der Höhe des erstattungsfähigen Stundensatzes werden in der Rechtsprechung verschiedene Positionen vertreten. Zum Teil werden die Stundensätze des JVEG zugrunde gelegt (vergl. LG Stuttgart, Beschluss vom 28.12. 2020 – 20 Os 21/20 -. Beck RS 2020, 42517; und die in der Beschwerdebegründung zitierte Entscheidung). Überwiegend werden – auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 25.01.2007 – VII ZB 74/06 – (NJW 2007, 1532) die Stundensätze des JVEG aber nur als Richtlinie herangezogen, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen ist. Weicht der Stundensatz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Sätzen ab, bedarf es für die Plausibilitätsprüfung besonderer Darlegungen durch den Antragsteller. Als erheblich erachtet, wird dabei eine Abweichung von 20% oder mehr vom Stundensatz der entsprechenden Honorargruppe des JVEG (KG, Beschluss vom 20.02.2012 – 1 Ws 72/09 -, BeckRS 2012, 12353; LG Chemnitz, Beschluss vom 03.07.2018 – 2 Qs 241/18 BeckRS 2018, 15874: LG Oldenburg, Beschluss vom 28.03.2022 – 5 Qs 108/22 -, juris; LG Münster, Beschluss vom 14. Juni 2024 – 12 Qs 16/24, juris; AG Wuppertal, Beschluss vom 16.01.2019 – 26 Owi-723 Js 208/18 -37/18 -, BeckRS 2019, 2577). Dem schließt sich die Kammer an. Das JVEG regelt lediglich das dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen zustehende Honorar. Es ist daher auf den privatrechtlich tätigen Sach-verständigen nicht unmittelbar anwendbar. Wie in der vorgenannten Entscheidung des BGH aus-geführt, kommt auch eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einer Partei in der Regel möglich sein wird, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen (BGH, a.a.O.). Bei erheblicher Abweichung der Stundensätze des Privatgutachtens von den im JVEG vorgesehenen Sätzen bedarf es allerdings einer besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit.
Vorliegend weicht der geltend gemachte Stundensatz von 168,75 Euro um 25 % – und somit erheblich – von dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz von 135,00 Euro ab. Die Ausführungen des Verteidigers im Schriftsatz vom 09.04.2024 und die beigefügten eingeholten Schreiben diverser Sachverständiger auf dem Gebiet der Verkehrsmesstechnik bestätigen, dass die Stundensätze für Privatgutachten auf diesem Gebiet die Vergütungssätze des JVEG deutlich überschreiten, belegen jedoch auch, dass es möglich ist, einen Privatgutachter zu beauftragen, dessen Stundensatz innerhalb der 20 %-igen Toleranzgrenze liegt, wie sich aus dem Schreiben der GFU Verkehrsmesstechnik Unfallanalytik Akademie für Bildung und Beratung GmbH vom 22.03.2024 ergibt, wonach der dortige Stundensatz für die Erstellung von verkehrsmesstechnischen Privatgutachten bei 145,00 Euro liegt (AS 689). Die Notwendigkeit eines diesen Toleranzbereich überschreitenden Stundensatzes ist daher nicht plausibel. Die Kammer sieht daher einen Stundensatz von zuzüglich 20 % über dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz, somit in Höhe von höchstens 162,00 Euro als plausibel und somit erstattungsfähig an. Dies ergibt bei insgesamt 10,5 Arbeitsstunden laut den Rechnungen des Sachverständigen 1.701,00 Euro zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer, somit insgesamt 2.024,19 Euro. Die Differenz zum festgesetzten Betrag (10,5 Stunden x 168,75 Euro zuzüglich 19% MwSt ) von 2.108,53 Euro beträgt somit 84,34 Euro, die zuviel festgesetzt wurden.
Auf die sofortige Beschwerde waren die geltend gemachten und in dieser Höhe festgesetzten Sachverständigenkosten von insgesamt 2.229,92 Euro und somit der laut Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzte Betrag von 2.945,11 Euro jeweils um diesen Differenzbetrag zu kürzen.“
Offen bleibt nach der Entscheidung des LG, warum die (geringfügige) Überschreitung der 20 %-Grenze vom LG nicht akzeptiert worden ist. Das AG, das allerdings von einer anderen Bemessungsgrundlage ausgegangen war, hatte sogar eine Abweichung von 24 % nicht beanstandet.