Archiv für den Monat: August 2023

Fahrerlaubnis : Länge der Fahrerlaubnissperre, oder: Wenn die Sperrfrist falsch berechnet wird….

Und dann Wochenstart. Ich beginne die 34. KW. mit zwei Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB.

Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 11.04.2023 – 4 StR 47/23. Nichts Dolles, aber immerhin mal wieder der BGH. Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Jugendstrafe verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Fahrerlaubnissperre von vier Jahren verhängt.

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat hinsichtlich der Fahrerlaubnissperre aufgehoben.

1. Die Anordnung einer Fahrerlaubnissperre für die Dauer von vier Jahren (§ 69a Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Dauer der Sperre hat das Landgericht ? worauf es in den schriftlichen Urteilsgründen ausdrücklich hingewiesen hat ? unter Berücksichtigung der Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse T (vgl. § 111a StPO), die seit dem 2. Mai 2019 angeordnet worden ist, bemessen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Dauer der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf die verhängte und mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils beginnende Sperre voll eingerechnet wird und hat nicht bedacht, dass gemäß § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB nur die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis eingerechnet wird, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist. Das Landgericht hat die Sperre deshalb zu lange bemessen, so dass die Anordnung schon deshalb der Aufhebung unterliegt.

2. Der Senat hebt ? dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend ? auch die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1 StGB) auf. Zwar ist die Maßregelanordnung rechtsfehlerfrei begründet. Angesichts des Zeitablaufs erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht die Frage der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Fahrzeugen der Klasse T abweichend bewerten könnte.

3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Sollte das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht erneut die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, wird es eine Entscheidung über die Einziehung des Führerscheins des Angeklagten zu treffen haben (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB). Dies kann noch im zweiten Rechtsgang geschehen. Das Verbot der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 StPO) stünde einer Nachholung dieses Maßnahmenausspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2019 ? 4 StR 390/19 Rn. 22; Beschluss vom 8. Oktober 2014 ? 4 StR 262/14; Urteil vom 5. November 1953 ? 3 StR 504/53, BGHSt 5, 168, 178 f.).“

Der § 69a Abs. 5 StGB wird häufig übersehen….

Sonntagswitz, am Kartenspielsonntag dann mal zum Kartenspielen

© Teamarbeit – Fotolia.com

Und am Sonntagnachmittag der Sonntagswitz. Thematik heute, da ich in Münster bei Freunden zum Kartenspielen bin – wir treffen uns seit mehr als 20 Jahren, Witze zum Kartenspielen. Wir spielen Doppelkopp. Und da ich dazu nicht so richtig etwas gefunden habe, habe ich „Schafkopf-Witze“ genommen und die abgewandelt. Hier sind also

Seit der Schulzeit treffen sich vier Freunde einmal jährlich zum Doppelkoppspielen.

Zum 50-jährigen Jubiläum stellte sich wie immer die Frage: In welche Wirtschaft gehn wir dieses Jahr? Wie immer kam vom Franz der Vorschlag „Gehen wir in die Linde, da bedient doch die vollbusige Tamara“.

Gesagt getan.

Zum 60. Jubiläum sagte der Franz gleich „Gehen wir in die Linde, da gibt es gutes Essen“.

Gesagt getan.

Zum 70. Jubiläum sagte der Franz „Gehen wir in die Linde, da kommen wir mit dem Rollator rein“.

Gesagt getan.

Zum 80. Jubiläum sagte der Franz „Gehen wir in die Linde, da waren wir noch nie“.

…….


Ein schiffbrüchiger, fanatischer Doppelkoppspieler sitzt seit Jahren auf einer einsamen Insel fest. Eines Tages bemerkt er ein Glitzern am Horizont, das langsam näherkommt.

“Das kann doch kein Schiff sein?” denkt er sich. “Ein Fisch ist es aber auch nicht …”

Schließlich entsteigt den Wellen eine wunderschöne Frau im hautengen Taucheranzug! Der Mann traut seinen Augen nicht: “Wie kommst denn Du hierher?”

Statt einer Antwort öffnet die Frau die linke Anzugtasche, holt eine Schachtel Zigaretten hervor und bietet ihm eine an.

Er greift natürlich gerne zu: “Oh, fantastisch – Ich hab schon seit Jahren keine Zigarette mehr geraucht!”

Als Nächstes öffnet sie die rechte Anzugtasche und holt eine Flasche Whisky hervor.

Er nimmt einen ausgiebigen Drink: “Wow – das tut gut! Ich glaub ich träume …”

Die Frau strahlt ihn an und beginnt, den vorderen Reissverschluss ihres Taucheranzugs aufzumachen: “OK, eine Sache hätte ich noch anzubieten …”.

Der Mann kann sein Glück nicht fassen: “Nein, das gibt’s doch nicht! Sag ja nicht, dass Du auch noch ein Doppelkoppspiel mitgebracht hast!”


Der Pfarrer wettert von der Kanzel gegen das Laster des Kartenspieles:

“Es ist ein Jammer, wie viel kostbare Zeit damit vertan wird!”

Da ruft ein Mann aus der hinteren Bankreihe: “Ja, besonders beim Mischen!”


“Du Wirt, habe ich gestern Abend wirklich 200 EUR versoffen und beim Doppelkopf verspielt?”

„Ja, das muss ich leider bestätigen.”

“Gott sei Dank, ich dachte schon, ich hätet des Geld verlor`en.”

Wochenspiegel für die 33. KW., das war Corona, OpenJur, KI, ChatGPT und höhere Anwaltsgebühren

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Und hier der Wochenspiegel für die 33. KW. mit folgenden Hinweisen auf Beiträge aus anderen Blogs:

  1. LG Lübeck: Entgelt für Werbung auch während der Corona-Zeit

  2. LG Köln: Wortfolge „geimpft, gechipt, entwurmt“ ist nicht urheberrechtlich schutzfähig

  3. OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig
  4. Der Beste muss nicht immer die Stelle erhalten,

  5. KI-Verordnung – Die Regulierung generativer KI,

  6. Ausgangskontrolle für anwaltliche Schreiben mit ChatGPT

  7. Gemeinnützige Rechtsprechungsdatenbank OpenJur wird verklagt

  8. AG München: Reisebüro hat bei Auslandsreisen keine Aufklärungspflichten hinsichtlich notwendiger Reisepässe

  9. VG Berlin: Heimliche Aufnahmen von Lehrer und Versendung über Social Media-Dienste rechtfertigt schriftlichen Verweis

  10. und aus meinem Blog – nicht unerwartet: Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023

Unmögliche Abgrenzung zwischen Alt-/Neuschäden, oder: Kein Teilschadensersatz ohne weiteren Vortrag

Bild von teetasse auf Pixabay

Als zweite Entscheidung stelle ich heute das LG Bochum, Urt. v. 02.05.2023 – I 8 O 297/21 – vor. Die Entscheidung behandelt eine Vorschadensproblematik. Dazu das LG:

„3. Allerdings kann die Kammer auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO feststellen, dass die von der Klägerin behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit bei diesem Unfall entstanden sind.

Hiergegen spricht das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. vom 28.09.2022.

…..

Der Klägerin steht weiterhin auch nicht ein Anspruch der seitens des Sachverständigen berechneten Teilreparaturkosten in Höhe von 1.983,37 Euro zu.

Zwar ist es grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass für den Fall, dass ein zumindest abgrenzbarer Teil der seitens der Klägerin geltend gemachten Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, diese ersetzt verlangt werden können (vgl. OLG München NZV 2006, S. 261). Allerdings ist ein solcher Teilschadensersatzanspruch der Klägerin verwehrt, wenn bewiesen ist, dass ein Teil der geltendgemachten Schäden am Unfallfahrzeug nicht auf die Kollision zurückzuführen sind und der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben macht, sondern vielmehr das Vorliegen irgendwelcher Vorschäden bestreitet (vgl. KG BeckRS 2007, 12643; KG BeckRS, 02982; vgl. auch Janke, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 Rn. 89 mwN.). Diese Unsicherheit führt zur vollständigen Klageabweisung (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 104786). Vorliegend ist genau diese Konstellation anzunehmen. Die Klägerin bestreitet das Vorliegen etwaiger Altschäden. Insofern gab der Geschäftsführer der Klägerin an, dass sein Fahrzeug vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis keine anderweitigen Unfälle erlitten hätte. Auch im Unfallbereich hätte das Fahrzeug keine Altschäden aufgewiesen. Das Fahrzeug sei zum Unfallzeitpunkt ca. ein 3/4 Jahr alt gewesen. Er habe das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 800 Kilometern gekauft. Da das unfallgeschädigtes Fahrzeug von Vorschäden betroffen ist, die den geltend gemachten Schaden überlagern, hätte die Klägerin zur Begründung ihrer Ersatzbegehrens nicht nur den Umfang der Vorschäden im Einzelnen darlegen, sondern auch spezifiziert vortragen müssen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorbeeinträchtigungen durchgeführt worden sind und, ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen (vgl. OLG Düsseldorf aaO.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug als gebrauchten Vorführwagen gekauft hat. Insofern hätte es sodann einen Vortrag dahingehend berufen, ob die Klägerin das Fahrzeug mit einem Nachweis über eine Reparatur der Vorschäden gekauft hat (KG 25.2.2010 – 22 U 163/09). An einem entsprechenden Vortrag fehlt es in Gänze.“

Nochmals: Verwertung einer Dashcam-Aufzeichnung, oder: Unfallaufklärung mit Dashcam bei Beweisnot

© anuwattn – Fotolia.com

Im „Kessel Buntes“ am Samstag dann heute zwei Entscheidungen aus dem Verkehrszivilrecht.

Ich beginne mit dem LG Aachen, Urt. v. 15.06.2023 – 12 O 398/22 -, das sich noch einmal zur Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen äußert. Das LG hatte über Schadensersatzansprüche bei einem Kollisionsunfall nach einer Kurvendurchfahrt mit dem Vorwurf des beiderseitigen Fahrstreifenwechsel zu entscheiden. Das LG hat Zeugen vernommen, was aber kein Ergebnis gebracht hat. Das LG hat dann eine vorliegende Dashcam-Aufzeichung verwertet. Zur Zulässigkeit führt es aus:

„(bb) Die Verwertung des Dashcam-Videos war als Beweismittel auch zulässig.

(1) Keine Partei – insbesondere nicht der Kläger – hat der Verwertung der Dashcam-Videos widersprochen.

(2) Es kann auch dahinstehen, ob die streitgegenständliche Videoaufzeichnungen nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre ihre Verwertung als Beweismittel dennoch zulässig. Das ergibt sich aus einer vorzunehmenden Güterabwägung (ausführlich BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 39, juris).

(a) Auf der einen Seite stehen das Interesse des (Gegen-)Beweisführers – hier des Beklagten zu 1) – an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche und seines im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348¬377, Rn. 40 m.w.N., juris).

(b)  Zwar begründet die Dashcam-Aufnahme, durch die das Fahrzeug des Klägers mit dessen Kraftfahrzeugkennzeichen in und kurz nach der Unfallsituation aufgenommen und diese Sequenz abgespeichert worden ist, einen Eingriff in das Recht des Klägers, der durch die Nutzung als Beweismittel fortgesetzt wird (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 41 f., juris).

(c) Der Eingriff ist allerdings nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Beklagten zu 1) das Schutzinteresse des Klägers überwiegen. In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim-und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über „seine“ Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, BGHZ 218, 348-377, Rn. 44 m.w.N.).

(d) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Rechnung zu tragen ist zudem der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des Aufzeichnenden erlauben und grundsätzlich auch zu Gunsten des Beweisgegners sprechen und verwertet werden können.

Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer oder anderer Kraftfahrer bzw. Insassen führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Zwar besteht durch permanent und anlasslos aufzeichnende Videokameras in zahlreichen Privatfahrzeugen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der übrigen Verkehrsteilnehmer ein Gefährdungspotential, da durch die bestehenden Möglichkeiten von Gesichtserkennungssoftware, Weiterleitung und Zusammenführung der Daten zahlreicher Aufzeichnungsgeräte nicht auszuschließen ist, dass letztlich Bewegungsprofile individueller Personen erstellt werden könnten. Dem ist jedoch nicht durch Beweisverwertungsverbote im Zivilprozess zu begegnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit einer Beweisverwertung Anreize für die Nutzung von Dashcams setzen kann, doch ist ihr Gefahrenpotential nicht im Zivilprozess einzugrenzen oder (zusätzlich) zu sanktionieren. Deshalb ist es für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Bedeutung, dass der Teil der Aufzeichnung, der nicht im Prozess vorgelegt worden oder für die Unfallrekonstruktion nicht erheblich ist, möglicherweise zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dritter Personen führt.

Dem danach nicht so schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Klägers steht nicht nur ein „schlichtes“ Beweisinteresse gegenüber. Denn jedes Beweisverwertungsverbot beeinträchtigt nicht nur die im Rahmen der Zivilprozessordnung grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege, sondern auch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Parteien. Es besteht auch ein individuelles Interesse der Partei eines Zivilprozesses an der Findung der materiellen Wahrheit bis hin zur Abwehr eines möglichen Prozessbetruges (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 — VI ZR 233/17 —, BGHZ 218, 348-377, Rn. 43 ff. m.w.N., juris).

(e) In der Konsequenz war die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnungen hier zulässig. Dabei war im konkreten Einzelfall zusätzlich zu berücksichtigen, dass dem Beklagten zu 1) hier insbesondere auch keine anderen Beweismittel zur Verfügung standen, um den Gegenbeweis zu führen und seine (vollständige oder quotale) Haftung zu widerlegen, wohingegen der Kläger mit dem Zeugen II» über ein Beweismittel verfügte.

(cc) Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) im Zuge des Abbiegevorgangs einen (teilweisen) Fahrspurwechsel durch Überfahren der Trennlinie vorgenommen hat und es hierdurch zum Unfall gekommen ist. Damit hat der Kläger gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er einen Abbiegevorang beabsichtigt und angekündigt hätte, hat er bereits nicht vorgetragen, sondern bestritten, einen Wechsel überhaupt vorgenommen zu haben. Ohnehin konnte ein Wechsel der Fahrspur zum fraglichen Zeitpunkt nicht ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vonstattengehen, wie es § 7 Abs. 5 StVO allerdings voraussetzt, weil sich der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug praktisch neben dem klägerischen Fahrzeug befand und insofern kein Einscheren an der fraglichen Stelle möglich war.“

Und das war es dann für die Klage. Die hat das LG abgewiesen.

Anzumerken ist, dass das LG die Vorgaben aus der genannten Entscheidung des BGH umsetzt werden, ohne dass allerdings den gestiegenen Bedeutungsgehalt des Datenschutzes in Form der DSGVO näher zu erörtern. Andererseits frage ich mich, warum das LG die Verwertbarkeit des  Videos überhaupt erörtert, denn es hatte keine Partei der Verwertung widersprochen.