Und zum Schluss dann noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.06.2023 – 3 Ws 118/23 – zur Frage, wann auf die erforderliche Anhörung des Verurteilten bei beabsichtigtem Bewährungswiderruf verzichtet werden kann.
Die StVK hatte eine Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde, die Erfolg hatte-
„…… Das zulässige Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg, weil die erforderliche mündliche Anhörung des Verurteilten nachzuholen ist.
Nach § 453 Abs. 1 Satz 3 StPO gibt das Gericht, wenn es über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden hat, dem Verurteilten zuvor Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Verurteilte beachtenswerte Gründe für die Nichterfüllung haben kann, aber nicht in der Lage ist, diese Gründe in einer das Gericht überzeugenden Weise schriftlich darzustellen. Das Gesetz will damit von vornherein der Gefahr begegnen, dass schwerwiegende Widerrufsentscheidungen ohne zureichende Tatsachengrundlage ergehen. Die Ausgestaltung als Sollvorschrift eröffnet dem Gericht lediglich die Möglichkeit, von der grundsätzlich zwingend gebotenen mündlichen Anhörung aus schwerwiegenden Gründen abzusehen (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2011, 220). •
Dieser Verpflichtung zur mündlichen Anhörung ist die Strafvollstreckungskammer hier nicht in der gebotenen Weise nachgekommen.
Der Verurteilte wurde .zunächst mit gerichtlicher Verfügung vom 22.3.2023 zur Anhörung über die „Frage des Bewährungswiderrufs“ auf den 18.4.2023 geladen. Die ihm formlos mitgeteilte Ladung zu diesem Termin erreichte den Verurteilten nicht, vielmehr geriet sie mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ in postalischen Rücklauf (Bewährungsheft, S. 65). Die Strafvollstreckungskammer erhielt im Nachgang Kenntnis davon, dass der Verurteilte sich nach am 26.3.2023 erfolgter Festnahme in anderer Sache in Untersuchungshaft in der JVA Mannheim befand. Mit Verfügung vom 17.4.2023 bestimmte das Gericht daher neuen Anhörungstermin „im Rahmen der Videokonferenz“ auf den 21.4.2023. Die Teilnahme an dieser Videokonferenz, von deren geplanter Durchführung der nach wie‘ vor in Haft befindliche Verurteilte nach eigenen Angaben erst am 19.4.2023 erfuhr, verweigerte er nach telefonischer Rücksprache mit seinem Verteidiger.
Diese Weigerung kann nicht als Verzicht des Verurteilten auf das Anhörungsrecht — im Sinne eines besonders schwerwiegenden Grundes für die Nichtdurchführung einer mündlichen Anhörung — gewertet werden, denn ausweislich der Akten war ihm der Gegenstand des auf den 21.4.2023 anberaumten Anhörungstermins nicht mitgeteilt worden; ein Hinweis auf den drohenden, von der Staatsanwaltschaft Mannheim beantragten Bewährungswiderruf unterblieb.
Bei Zweifeln an der uneingeschränkten Ablehnung des Verurteilten, sich einer mündlichen Anhörung zu stellen, muss sich jedoch das mit dem Widerruf befasste Gericht wegen des Ausnahmecharakters des Absehens von der mündlichen Anhörung zunächst in geeigneter Weise die Überzeugung verschaffen, ob der Verurteilte wirklich nicht mündlich angehört werden will (vgl. Senat, Justiz 2002, 135; OLG Düsseldorf, NStZ 1988, 243; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 91). Dies ist hier nicht geschehen. Der Verurteilte versichert in seinem Beschwerdeschreiben vom 3.5.2023 zudem, dass er bei Kenntnis des Anhörungsgrundes den Termin wahrgenommen hätte.
Die angefochtene Entscheidung leidet somit an einem – im Beschwerdeverfahren nicht behebbaren – Verfahrensmangel. Das Unterlassen der mündlichen Anhörung des Verurteilten führt, abweichend von der Regel des § 309 Abs. 2 StPO, zur Aufhebung des Widerrufsbeschlusses und zur Zurückgabe der Sache an das Gericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung über den Widerruf nach mündlicher Anhörung des Verurteilten und Überprüfung der von ihm für den Nichtantritt der stationären Suchtmittelentwöhnungstherapie benannten Gründe (vgl. Senat, a.a.O.).“