Archiv für den Monat: Juli 2023

Strafzumessung II: Strafzumessung beim Unbestraften, oder: Strafmilderungsgrund „Unbestraftsein“

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Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem BGH, Beschl. v. 06.06.2023 – 4 StR 133/23 – auch vom 4. Strafsenat des BGH. Dort hatte die Revision gegen ein im zweiten Durchgang ergangenes Urteil des LG Münster – erneut – Erfolg:

„Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Rechtsgang unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe durch Unterlassen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hob der Senat das Urteil im Strafausspruch auf und verwarf die weiter gehende Revision. Die Feststellungen wurden aufrechterhalten.

Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht die Angeklagte erneut zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch kann – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2021 – 5 StR 148/20 Rn. 18 mwN) – wiederum keinen Bestand haben.

a) Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB (in der ab 27. Januar 2015 geltenden Fassung) und bei der konkreten Strafzumessung das Vorleben der Angeklagten lediglich unter den Gesichtspunkten ihrer eigenen Missbrauchserfahrung und ihrer besonderen Haftempfindlichkeit als Erstverbüßerin berücksichtigt.

b) Die Unbestraftheit eines Angeklagten ist ein gewichtiger Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), dessen Berücksichtigung es regelmäßig bedarf (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2022 – 6 StR 61/22 Rn. 2 mwN; Beschluss vom 29. September 2016 – 2 StR 63/16 Rn. 15; Urteil vom 27. Oktober 1987 – 1 StR 492/87, NStZ 1988, 70; Beschluss vom 26. Mai 1982 – 3 StR 110/82, NStZ 1982, 376).

c) Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das straffreie Vorleben der Angeklagten hat die Strafkammer nicht ausdrücklich strafmildernd angeführt. Auch im Übrigen lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass das Landgericht das Fehlen von Vorstrafen bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafzumessung beachtet hat. Es ist daher zu besorgen, dass ihm dies trotz der Übernahme der bindenden Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten aus dem Urteil im ersten Rechtsgang aus dem Blick geraten ist.

d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler eine niedrigere Strafe verhängt hätte.“

Strafzumessung I: Verbreitung/Herstellung von KiPo, oder: Abstellen auf ein „tatsächliches Geschehen“

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Strafzumessungsentscheidungen hätte ich länger nicht mehr. Heute kommen dann mal wieder drei.

Und als erste der BGH, Beschl. v. 22.05.2023 – 4 StR 124/23. Das LG hat den Angeklagten  „wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung und mit Herstellung kinderpornographischer Inhalte sowie wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften“ verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„….

Ergänzend zur Antragsschrift bemerkt der Senat:

Soweit das Landgericht in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe strafschärfend berücksichtigt hat, dass die kinderpornographischen Schriften ein tatsächliches und nicht nur ein wirklichkeitsnahes Geschehen zum Gegenstand hatten, lässt dies nicht besorgen, dass das Landgericht dies losgelöst von den konkreten Umständen strafschärfend berücksichtigt und damit gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98 , BGHSt 44, 361, 366 f. ). Das Landgericht hat vielmehr erkennbar auf die Schwere der konkreten Rechtsgutsverletzung abgestellt, die es nicht nur in dem erheblichen Gewicht der in dem Video festgehaltenen sexuellen Handlung, sondern auch darin gesehen hat, dass dieses ein reales Geschehen unter Beteiligung zweier Kinder zeigte. Die von der Revision beanstandete strafschärfende Erwägung begegnet daher unter den hier gegebenen Umständen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – 4 StR 570/14 ; Beschluss vom 17. Dezember 2008 – 2 StR 461/08 , NStZ-RR 2009, 103).“

StPO III: Zusage der Verfahrenseinstellung durch StA, oder: Bindungswirkung?

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Und dann als dritte Entscheidung dann noch der BGH, Beschl. v. 13.12.2022 – 1 StR 380/22 – zur Bindungswirkung einer Verfahrenseinstellung gem. § 154 Abs. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaf.

Dazu der BGH:

„1. Die – zulässige – Verfahrensrüge, das Landgericht habe dadurch gegen seine Pflicht zur Wahrheitserforschung verstoßen, dass es den Zeugen Rechtsanwalt T. in Anwesenheit der Staatsanwälte R. und S. als Sitzungsvertreter sowie anschließend diese zu demselben Beweisthema, der behaupteten staatsanwaltschaftlichen Zusage der Nichtwiederaufnahme des – mit Abschlussverfügung vor Anklageerhebung im ersten Rechtsgang nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten – Verfahrens bezüglich acht hier streitgegenständlicher bzw. der Nichtverfolgung zum Zeitpunkt der Gespräche (9. und 26. Juli 2019) bekannter weiterer ebenfalls hier geahndeter drei Steuerstraftaten, vernommen hat (§ 244 Abs. 2, § 58 Abs. 1 StPO; vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86 Rn. 18-22), ist unter einem weiteren Gesichtspunkt unbegründet:

Einer solchen staatsanwaltschaftlichen Zusicherung kommt von vornherein nicht die Bindungswirkung einer gerichtlichen Verständigung (§ 257c StPO) zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 79; vgl. auch BT-Drucks. 16/12310 S. 13). Durch das „Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren“ vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. April 1990 – 3 StR 254/88 (BGHSt 37, 10, 13 f.), wonach die staatsanwaltschaftliche Zusage, das Verfahren bezüglich einer Straftat einzustellen bzw. diese nicht zu verfolgen, einen Vertrauenstatbestand als gewichtigen Strafmilderungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) begründen könne, insoweit überholt (vgl. BVerfGE aaO). Bereits sein vormaliger Verteidiger, der mittlerweile verstorbene Rechtsanwalt H., wies den Angeklagten in seiner E-Mail vom 1. August 2019 (Revisionsbegründung S. 47) auf diesen Gesichtspunkt mit den Worten hin: „Eine rechtliche Bindung ergibt sich hieraus für die Staatsanwaltschaft, hierüber haben wir eingehend gesprochen, allerdings nicht. Die Festschreibung dieser Äußerung ist aber gleichwohl sinnvoll, weil sich hieraus eine psychologische Bindung ergibt.“

Das Urteil des Senats vom 11. November 2020 – 1 StR 328/19 – im ersten Rechtsgang gab wegen der gewichtigen Teilaufhebung einen sachlichen Anlass (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2022 – 2 BvR 1110/21 Rn. 50; BGH, Beschluss vom 30. April 2009 – 1 StR 745/08, BGHSt 45, 1 Rn. 15), neben den rechtskräftig gewordenen neun Einzelstrafen die (gleichgelagerten) Ertragsteuerhinterziehungsfälle wiederaufzunehmen bzw. zu verfolgen.

Ohnehin hat das Landgericht eine etwaige – freilich mit der E-Mail vom 1. August 2019 nicht zu vereinbarende – vorübergehende „Erwartung“ des Angeklagten, wegen der verfahrensgegenständlichen elf Steuerstraftaten nicht verfolgt zu werden, strafmildernd berücksichtigt (UA S. 67); nach alledem ist der Gesichtspunkt eines Vertrauensschutzes jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten in der Strafzumessung gewürdigt worden.

Eine Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft erzeugt keinen Vertrauenstatbestand derart, dass diese einer späteren Strafverfolgung bezüglich der hiervon umfassten Taten grundsätzlich entgegensteht. Auch erzeugt dieser Umstand bei einer späteren diesbezüglichen Verurteilung keinen gewichtigen Strafmilderungsgrund. Gleichwohl bedarf die spätere Strafverfolgung der von der Einstellung zuvor erfassten Taten eines hinreichend sachlichen Anlasses, der darin liegen kann, dass die Taten, im Hinblick auf deren Verurteilung die Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO erfolgte, nicht zur (rechtskräftigen) Verurteilung gelangen.“

StPO II: Die Vorbefassung als Ablehnungsgrund, oder: Meist reicht das nicht für „Besorgnis der Befangenheit“

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Die zweite StPO-Entscheidung stammt auch vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 31.01.2023 – 4 StR 67/22 – noch einmal zur Befangenheit bei sog. Vorbefassung Stellung genommen, und zwar.

„1. Die Rüge einer Verletzung der „Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Artikel 6 Abs. 1 MRK, § 24 StPO“ durch die Verwerfung eines Befangenheitsgesuchs betreffend die beisitzende Richterin Dr. T. ist unbegründet.

a) Der Beanstandung liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:

Vor dem zugrunde liegenden Verfahren hatte die beisitzende Richterin Dr. T. bereits an der Hauptverhandlung gegen die gesondert verfolgten A. A. und M. Al. teilgenommen. Unter ihrer Mitwirkung wurde A. A. schließlich mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. Oktober 2019 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. M. Al. wurde der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringe Menge in zwei Fällen schuldig gesprochen und deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen handelten die beiden als Mitglieder einer Bande, deren Chef der jetzt Angeklagte – gleichrangig mit einer weiteren gesondert verfolgten Person – gewesen war. Die damals abgeurteilten fünf Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entsprechen den im angefochtenen Urteil als Fälle Nr. 1 bis 3, 6 und 7 festgestellten Tatgeschehen.

Im vorliegenden Verfahren lehnte der Angeklagte die beisitzende Richterin aufgrund ihrer Vorbefassung mit dem Prozessgegenstand wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Richterin habe durch ihre Mitwirkung an dem Urteil vom 9. Oktober 2019 zum Ausdruck gebracht, bereits von seiner Schuld überzeugt zu sein. Die Strafkammer wies das Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 16. April 2020 als unbegründet zurück. Die Hauptverhandlung wurde im weiteren Verlauf insgesamt zweimal ausgesetzt. Im Rahmen des dritten Durchgangs, der zur Verkündung des angefochtenen Urteils führte, nahm der Angeklagte in dem Termin vom 27. April 2021 nochmals „Bezug“ auf das frühere Ablehnungsgesuch und regte zugleich eine Selbstanzeige der beisitzenden Richterin nach § 30 StPO an.

b) Die Rüge ist zulässig erhoben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Vorbringen des Angeklagten in dem Hauptverhandlungstermin vom 27. April 2021 als erneutes Ablehnungsgesuch zu werten ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirkt die Verwerfung eines Ablehnungsantrags auch nach einer erfolgten Aussetzung in der späteren Hauptverhandlung fort (BGH, Beschluss vom 24. März 1982 – 2 StR 105/82, BGHSt 31, 15 f.; vgl. demgegenüber – nicht tragend – BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 500/05, NJW 2006, 854).

c) Die von der Revision vorgetragenen Tatsachen, auf deren Grundlage der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hat, ob das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 347; Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 StR 571/17 Rn. 4), sind – auch mit Blick auf neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – nicht geeignet gewesen, die Besorgnis der Befangenheit gegen die abgelehnte Richterin zu begründen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters, sofern sie nicht den Tatbestand eines gesetzlichen Ausschlussgrundes erfüllt, regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 347; Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 Rn. 56; Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; jew. mwN). Das betrifft nicht nur die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 347 f.).

Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in einem früheren Urteil unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über den jetzigen Angeklagten enthalten oder ein Richter sich in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 348; Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 Rn. 56; Beschluss vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186, 187; Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; jeweils mwN).

Nach Maßgabe der gebotenen konventionsfreundlichen Auslegung des deutschen Rechts – hier des § 24 Abs. 2 StPO – und der insoweit zu berücksichtigenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann eine Besorgnis der Befangenheit eines Richters darüber hinaus auch dann vorliegen, wenn das unter seiner Mitwirkung entstandene frühere Urteil Feststellungen zur Beteiligung des jetzigen Angeklagten trifft, die dort rechtlich nicht geboten waren, weil für sie weder zur Beschreibung des strafrechtlich relevanten Handelns des früheren Angeklagten noch für dessen rechtliche Einordnung oder die Rechtsfolgenentscheidung ein Erfordernis bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 349 mwN; EGMR, Urteil vom 25. November 2021 – 63703/19 Rn. 49, 58; Urteil vom 16. Februar 2021 – 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 48, 57, 61 mwN). Das kann etwa der Fall sein, wenn sich das frühere Urteil in Bezug auf die Tatbeteiligung des jetzigen Angeklagten nicht auf eine Darstellung des tatsächlichen Geschehens und dessen für die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des damaligen Angeklagten relevante rechtliche Einordnung beschränkt, sondern darüber hinausgehend eine rechtliche Würdigung des Verhaltens des jetzigen Angeklagten und Feststellungen zu dessen Schuld enthält (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 349 mwN). Maßgeblich ist hierbei eine Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Februar 2021 – 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 47 ff.; BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ-RR 2022, 345, 348 f.).

bb) Daran gemessen zeigt das Revisionsvorbringen keine Umstände auf, die geeignet gewesen wären, die Besorgnis der Befangenheit gegen die beisitzende Richterin Dr. T.  zu begründen…….“

StPO I: Das Rechtsmittel im Ablehnungsverfahren, oder: Beschwerde ist auch in der Revision Beschwerde

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Und dann mal wieder ein wenig StPO.

Den Opener macht dann der BGH, Beschl. v. 08.03.2023 – 3 StR 434/22 – zum Rechtsmittel im Ablehnungsverfahren.

Das OLG Düsseldorf hat die Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und teilweise weiterer Delikte verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„Der ergänzenden Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensbeanstandung der Angeklagten K. und G., ihr Befangenheitsgesuch gegen vier Mitglieder des erkennenden Oberlandesgerichtssenats sei im Sinne des § 338 Nr. 3 StPO zu Unrecht verworfen worden. Auf eine solche Rüge kann die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht gestützt werden; sie ist unzulässig. Das ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO ist gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, die sofortige Beschwerde eröffnet. Betrifft die Entscheidung – wie hier – erkennende Richter, kann sie nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, im Fall der Revision mit einer Verfahrensrüge nach § 344 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 StPO. Eine solche Rüge bleibt ihrer Natur nach aber eine sofortige Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO. Deshalb finden die für das Beschwerdeverfahren geltenden Grundsätze und Vorschriften Anwendung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. Januar 1977 – 3 StR 433/76, BGHSt 27, 96, 98; vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14, NStZ 2016, 164 Rn. 35). Die Anfechtung ist mithin auch im Rahmen einer Revision ausgeschlossen, wenn eine Beschwerde nicht statthaft wäre.

So liegt es hier. Denn nach § 304 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO können Beschlüsse in Sachen, in denen das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug zuständig ist, nur in Ausnahmefällen angefochten werden. Keiner der dort genannten Katalogtatbestände ist hier einschlägig. Infolgedessen ist eine revisionsrechtliche Verfahrensrüge, die sich gegen eine Entscheidung richtet, durch die ein im ersten Rechtszug zuständiges Oberlandesgericht die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen hat, ebenfalls unzulässig (BGH, Beschlüsse vom 5. Januar 1977 – 3 StR 433/76, BGHSt 27, 96, 98 f.; vom 16. Januar 2007 – 3 StR 251/06, BGHR StPO § 28 Rechtsmittel 2; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 58; LR/Siolek, StPO, 27. Aufl., § 28 Rn. 30; SK-StPO/Deiters, 5. Aufl., § 28 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 338 Rn. 26).

Verfassungsrechtlich ist der in einer solchen Konstellation fehlende Instanzenzug unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1977 – 2 BvR 308/77, BVerfGE 45, 363, 375). Es bedarf vorliegend auch keiner Entscheidung darüber, ob mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG eine revisionsgerichtliche Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt der Willkür in Betracht kommt (offengelassen von BGH, Beschlüsse vom 5. Januar 1977 – 3 StR 433/76, BGHSt 27, 96, 98 f.; vom 16. Januar 2007 – 3 StR 251/06, BGHR StPO § 28 Rechtsmittel 2). Denn die von den Revisionsführern angebrachten Ablehnungsgesuche wurden nicht aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen. Sie stützten sich auf die Vorbefassung der erkennenden Richter mit einem einen anderen Tatbeteiligten betreffenden Strafverfahren. Eine solche Vorbefassung begründet die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO regelmäßig nicht. Anderes gilt nur, wenn im Ursprungsverfahren hinsichtlich der nun angeklagten Beteiligten Feststellungen getroffen oder rechtliche Bewertungen vorgenommen wurden, die über das für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch Erforderliche hinausgehen (s. im Einzelnen EGMR, Urteil vom 16. Februar 2021 – 1128/17, NJW 2021, 2947; BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2023 – 2 BvR 1122/22, juris Rn. 27 ff.; BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2022 – 3 StR 181/21, NStZ 2023, 168 Rn. 48 ff.; vom 7. Juni 2022 – 5 StR 460/21, NStZ 2023, 53, 54; OLG Oldenburg, Beschluss vom 10. Juni 2022 – 1 Ws 203/22 u.a., NJW 2022, 2631 Rn. 7 ff.). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Wie der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften zutreffend ausgeführt hat, finden sich im gegen den gesondert Verfolgten ergangenen Urteil keine für dessen Schuldumfang und Strafmaß nicht gebotene Feststellungen oder Würdigungen.“