Archiv für den Monat: Juni 2023

Strafzumessung III: Ohne Impfpass im Kreistag, oder: Bewusste riskierte Nachteile

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Und im dritten Posting dann noch einmal der  OLG Hamm, Beschl. v. 27.04.2023 – 3 RVs 16/23. Den hatte ich schon zweimal vorgestellt, einmal zum Stichwort: Impfpassfälschung (vgl. hier: Corona I: Gefälschter Impfpass vor Kreistagssitzung, oder: Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse) und einmal zur Frage der Durchsuchung (vgl. Durchsuchung III: Und nochmals Anfangsverdacht, oder: Einmal reicht es, einmal nicht…..).

Während das OLG hinsichtlich der materiellen Frage und auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung nichts zu „meckern“ hatte, hat ihm die Strafzumessung des LG nicht gefallen. Insoweit hatte die Revision daher Erfolg:

3. Der Strafausspruch hingegen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, so dass die Sachrüge insoweit Erfolg hat.

Die Zumessungserwägungen des Tatgerichts enthalten eine Reihe von Lücken, Widersprüchen und Ungenauigkeiten. Jedenfalls in der Gesamtschau kann der Senat deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass das Tatgericht entscheidende Gesichtspunkte übersehen oder falsch gewertet hat, unter deren zutreffender Berücksichtigung es zu einer milderen Strafe gelangt wäre. Im Einzelnen:

Der Auffassung der Strafkammer,

„zugunsten des Angeklagten sprach nicht mehr das erstinstanzliche Geständnis, denn im Rahmen der Berufungsverhandlung hatte er zunächst keine Angaben zur Sache gemacht, sondern vielmehr die objektiven Umstände erst im Rahmen des letzten Wortes beiläufig erklärt, wobei nicht klar war, ob er dies bewusst tat…“

vermag der Senat nicht zu folgen. Die Begründung steht im Widerspruch zur Beweiswürdigung in den Urteilsgründen. Danach hat der Angeklagte bereits nach Vernehmung der Zeugin H. deren Angaben zum Tatgeschehen bestätigt. Unklar ist auch, warum es sich beim Einräumen der objektiven Tatumstände „erst im Rahmen des letzten Wortes“ nicht um ein Geständnis handeln soll. Soweit das Tatgericht die Frage aufwirft, ob sich um ein „bewusstes“ Geständnis gehandelt hat, erschließt sich dem Senat nicht, wie Tatumstände „unbewusst“ eingeräumt werden können oder welchen konkreten Anlass die Strafkammer zu Zweifeln an der inhaltichen Qualität des Geständnisses hatte. Da das Landgericht seine offenbar vorhandenen Bedenken auch nicht ausgeräumt hat, handelt es sich hierbei letzlich um eine Vermutung. Ebenso wie es nicht zulässig ist, lediglich vermutete Umstände strafschärfend zu bewerten, können bloße Vermutungen auch nicht das Gewicht strafmildernder Umstände einschränken (BGH, Beschluss vom 21. September 1995 – 4 StR 529/95 -, juris).

Die naheliegende Überlegung, dem Geständnis schon deshalb nur geringes strafmilderndes Gewicht beizumessen, weil die betreffenden Tatsachen bereits anderweitig bewiesen waren, hat das Landgericht hingegen nicht angestellt (vgl. ausführlich Kinzig, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 46, Rn. 41b, m. w. N.).

b) Die Argumentation der Strafkammer,

„zu seinen Gunsten wurde nicht gewertet, dass er seine politischen Ämter bzw. weiteren Tätigkeiten durch das Bekanntwerden des Vorwurfs nicht mehr weiter ausüben konnte, denn letztlich beruhte das auf seinem eigenen, rechtswidrigem Tun“

kann ebenfalls keinen Bestand haben. Bereits aus § 60 StGB folgt, dass wirtschaftliche, berufliche oder soziale Folgen der Tat, die den Täter selbst treffen, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, auch wenn sie den Schweregrad des § 60 StGB nicht erreichen (Fischer, Strafgesetzbuch, 69. Auflage 2022, § 46, Rn. 34d). Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte infolge der Tat nicht nur seine politischen Ämter, sondern auch Einkünfte in Höhe von rund 40.000 € jährlich verloren.

Allerdings wird die für die erneute Entscheidung zuständige Strafkammer in den Blick zu nehmen haben, dass Nachteile, die der Täter bewusst riskiert hat oder die sich ihm aufdrägen mussten, in der Regel keine Milderung veranlassen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 -; Urteil vom 20. Juli 2005 – 2 StR 168/05 -; beide juris). Es spricht einiges dafür, dass ein politischer Mandatsträger, der bei Ausübung seines Mandats eine Straftat begeht, mit dem Verlust oder der Aufgabe seiner politischen Ämter rechnen muss.

c) Auch der strafschärfend von der Strafkammer berücksichtigte Gesichtspunkt,

„dass er [der Angeklagte] als gewählter Volksvertreter eine Vorbildfunktion innehatte, der er nicht gerecht geworden war“,

trägt nicht. Zwar ist denkbar, dass das Verhalten des Angeklagten Nachahmer findet, zumal in der Presse über die Tat berichtet wurde. Ungewiss ist allerdings, ob ein solcher Effekt bei „gewählten Volksvertretern“ in höherem Maße als bei anderen Straftätern auftritt, so dass generalpräventive Strafzwecke bei Straftaten von Abgeordneten eine schärfere Sanktion erfordern als bei gleichartigen Taten von Tätern, die keine Abgeordneten sind. Umgekehrt entspricht es dem Wesen einer repräsentativen Demokratie, dass Abgeordnete mit unterschiedlichsten Einstellungen und Verhaltensweisen in parlamentarische Gremien gewählt werden; auch deshalb erscheint es dem Senat widersprüchlich und bedenklich, an Straftaten „gewählter Volksvertreter“ andere rechtliche Maßstäbe anzulegen als an das Verhalten sonstiger Straftäter.

d) Schließlich gibt die Formulierung

„…zumal der Angeklagte sich mit seiner Tat ausweislich der Presseberichterstattung brüstete und von Reue auch in der Berufungshauptverhandlung kein Ansatz zu erkennen war“

Anlass zu der Befürchtung, die Strafkammer könnte die fehlende Reue strafschärfend herangezogen haben. Fehlende Unrechtseinsicht und Reue sind indes für sich allein kein Strafschärfungsgrund. Strafschärfend kann ein solches Verhalten nur gewertet werden, wenn es nach der Art der Tat und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen läßt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 1983 – 4 StR 257/83 -, juris; Fischer, a. a. O., § 46, Rn. 51). Dies erscheint nach den bislang getroffenen Feststellungen eher fernliegend, zumal der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist.

Strafzumessung II: Verringerung des Schuldumfangs, oder: Keine Änderung bei der Strafhöhe?

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Als zweite Entscheidung dann das KG, Urt. v. 21.12.2022 – (3) 121 Ss 165/22 (67/22) – über das ich schon einmal wegen der auch entschiedenen Verfahrensfrage berichtet habe (vgl. StPO I: Ist der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt? oder: Zentraler Aushang im Eingangsbereich reicht).

Heute also noch ein mal wegen der Strafzumessung. Die hat das KG nicht beanstandet:

„2. Auch mit seiner Sachrüge dringt der Angeklagte nicht durch. Die nach wirksamer Berufungsbeschränkung einzig zur Überprüfung stehende Rechtsfolgenentscheidung der Strafkammer ist frei von Rechtsfehlern.

a) Obwohl die Strafkammer trotz hinzugetretener Strafmilderungsgründe auf dieselbe Strafe wie das Amtsgericht erkannt hat, begegnen die Zumessungserwägungen zur verhängten Geldstrafe keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Die Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der ersten Instanz sind zwar kein Maßstab für die Strafzumessung im Berufungsverfahren, weshalb eine Herabsetzung der Strafe im Fall der Verringerung des Schuldumfangs bzw. des Hinzutretens neuer Milderungsgründe nicht zwingend ist. Im Regelfall ist in so gelagerten Fällen aber eine Begründung dafür erforderlich, weil der Angeklagte einen Anspruch darauf hat zu erfahren, warum er trotz Hinzutretens erheblicher Strafmilderungsgründe gleich hoch bestraft wird wie in der Vorinstanz (vgl. BGH NJW 1983, 54 und NStZ-RR 2013, 113; Senat, Beschluss vom 7. Juli 1997 – (3) 1 Ss 124/97 (52/97) – m.w.N., juris; KG, Beschluss vom 14. Juli 2020 – (4) 161 Ss 33/20 (43/20) -, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22. November 2021 – 1 OLG 53 Ss 97/21 -, juris; OLG München NJW 2009, 160; OLG Bamberg NStZ-RR 2012, 138 m.w.N).

bb) Allerdings ist eine Begründung bei Verhängung einer identischen Strafe trotz wesentlicher Veränderung der für die Strafzumessung relevanten Gesichtspunkte ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Gefährdung der spezialpräventiven Wirkung ausgeschlossen erscheint, weil etwa die durch den Vorderrichter verhängte Strafe offensichtlich im unteren Bereich des Vertretbaren gelegen hatte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. April 2016 – 2 (6) Ss 110/16 -, juris; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 368; KG, OLG Bamberg und OLG Brandenburg jeweils a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Angesichts einer Schadenshöhe von über 3.000,- Euro bewegt sich die verhängte Geldstrafe, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis – trotz Vorliegens eines Regelfalls nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – nicht entzogen worden ist, am unteren Ende des gerade noch Vertretbaren.

b) Ebenso wenig weisen Haupt- und Nebenstrafe in ihrer Gesamtheit Rechtsfehler zulasten des Angeklagten auf.

aa) Verhängt ein Gericht neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe als Hauptstrafe ein Fahrverbot nach § 44 StGB als Nebenstrafe, hat es zu berücksichtigen, dass zwischen beiden eine Wechselwirkung besteht (vgl. OLG Dresden DAR 2022, 577). Die Nebenstrafe darf nur verhängt werden, wenn die Hauptstrafe allein den mit der Nebenstrafe verfolgten spezialpräventiven Zweck nicht erreichen kann und beide zusammen die Tatschuld nicht überschreiten. Das Urteil muss daher erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieser Beziehung bewusst gewesen ist und die Haupt- und Nebenstrafe aufeinander abgestimmt hat (vgl. Senat DAR 2007, 594; OLG Koblenz DAR 2018, 452; OLG Stuttgart NZV 2016, 292; OLG Hamm NZV 2004, 598).

bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat sich nicht nur gründlich und differenziert mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis nebst Anordnung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis) geboten ist oder ob die Nebenstrafe der Anordnung eines Fahrverbots nach § 44 StGB ausreichend ist. Der Gesamtheit der Urteilsgründe ist zudem (noch) mit ausreichender Klarheit zu entnehmen, dass sich die Strafkammer der Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe bewusst war, indem sie insbesondere die Kriterien der Strafzumessung im engeren Sinn im Rahmen der Erörterungen zur Anordnung des Fahrverbots einer nochmaligen Würdigung unterzogen hat (UA S. 4: “Wegen der Unbestraftheit des Angeklagten sowie der übrigen oben erwähnten für ihn sprechenden Umstände konnte jedoch ausnahmsweise von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden.”). Einer ausdrücklichen Klarstellung bedurfte es deshalb nicht.“

Strafzumessung I: „Taten unter Observation…“, oder: Das allein ist kein Strafmilderungsgrund

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Und dann heute drei Strafzumessungsentscheidungen.

Zum Warmwerden hier zunächst der BGH, Beschl. v. 26.04.2023 – 5 StR 122/23 – mit folgenden „ergänzenden“ Ausführungen des BGH:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung in den Fällen II.4 und II.5 strafmildernd berücksichtigt hat, „dass die Taten unter laufender Observation begangen wurden, so dass zumindest eine Einschreitemöglichkeit der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestanden hätte“, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft, da allein eine Observation und die deshalb denkbare Möglichkeit eines Einschreitens der Ermittlungsbehörden für sich genommen keinen Strafmilderungsgrund begründet (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2022 – 5 StR 542/20, NJW 2022, 1826, 1827 …; vom 22. Juni 2022 – 5 StR 9/22 und vom 6. Januar 2022 – 5 StR 2/21, NStZ-RR 2022, 140, 141). Zudem erklärt sich die Annahme des Landgerichts, die „Rechtsgutsgefährdung bezüglich des Eigentums der Restauranteigentümer“ sei hier „geringer als in unbeobachteten Fällen“, angesichts des Umstands, dass die den Tatort observierenden Polizeikräfte das Eindringen in die Räume der Restaurants in beiden Fällen nicht wahrgenommen hatten und der Angeklagte deswegen die Taten unbemerkt ausführen konnte, nicht im Ansatz. All dies beschwert ihn jedoch nicht.“

OWi III: Parken auf „Schwerbehindertenparkplatz“, oder: Parkausweis auf der Mittelkonsole „gut lesbar“?

entnommen wikimedai.org
Urheber 4028mdk09

Und dann habe ich hier noch das AG Schwerin, Urt. v. 08.05.2023 – 35 OWi 83/23 – zum unberechtigten Abstellen eines PKW auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz. Der Betroffene hatte seinen pkw auf einer Fläche abgestellt, die als Parkplatz versehen mit dem Zusatzzeichen Rollstuhlfahrersinnbild ausgeschildert war, ohne einen Parkausweis, der ihm das Abstellen in dem Bereich erlaubt hätte, gut lesbar auszulegen.

Der Betroffene hatte sich dahin eingelassen, dass er seinen PKW am Tattag kurz vor der Tatfeststellung an der genannten Stelle abgestellt und das Fahrzeug für einige Zeit verlassen habe. Er habe einen Bekannten, der im Rollstuhl sitzt, an dem Tag befördert. Der Bekannte sei im Besitz einer unbefristeten Parkerlaubnis, mit der er auf dem Parkplatz hätte stehen dürfen. Dieser Parkausweis habe sich auch im Inneren des Fahrzeuges auf der Mittelkonsole auf Höhe der Sitzflächen befunden.

Das AG ist von einem Parkverstoß ausgegangen:

„Durch sein Verhalten hat sich der Betroffene wegen fahrlässigen Parkens auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie, mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen (Zeichen 314 und Zusatzzeichen Rollstuhlfahrersinnbild) schuldig gemacht.

Nach § 42 Abs. 3 StVO hat, wer am Verkehr teilnimmt, die durch Richtzeichen nach Anlage 3 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen. In Anlage 3 befindet sich in „Abschnitt 3 Parken“ unter der Nr. 7 das Zeichen 314 „Parken“. In den Erläuterungen zu Nr. 7 wird unter 1. der Geltungsbereich dahingehend konkretisiert, dass wer ein Fahrzeug führt, hier parken darf. Unter 2. lit. d) der Erläuterungen heißt es, dass die Parkerlaubnis durch ein Zusatzzeichen mit Rollstuhlfahrersinnbild beschränkt sein kann auf schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie auf blinde Menschen. Unter 2. lit. e) der Erläuterungen wird konkretisiert, dass die Parkerlaubnis nur gilt, wenn der Parkschein, die Parkscheibe oder der Parkausweis gut lesbar ausgelegt oder angebracht ist. Lesbar bedeutet „für die Augen zu entziffern und sich lesen lassend“ (Duden Online, abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/lesbar Stand 22.05.2023). „Gut“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Lesen „leicht, mühelos geschehend“ (Duden Online, abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/gut Stand 22.05.2023) respektive einfach und ohne Schwierigkeiten möglich sein muss. Dem Überwachungspersonal muss eine Kontrolle der vollständigen Parkerlaubnis ohne erhebliche Schwierigkeiten, ohne Hilfsmittelverwendung und insbesondere ohne großen Zeitaufwand durch einen Blick in das Innere eines Fahrzeuges möglich sein. Erfüllt wird diese Anforderung durch ein Auslegen bzw. Anbringen in unmittelbarem Abstand zu den von außen einsehbaren Flächen (Fenstern) etwa hinter der Windschutzscheibe, an einer Seitenscheibe oder auf der Abdeckplatte des Gepäckraumes (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 31.07.1995 – 2 ObOWi 425/95 –, Rn. 10, juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 04.08.1997 – 1 Ss (Bz) 132/97 -, BeckRS 1997, 11728 –, beck-online; OLG Köln Entscheidung v. 28.4.1992 – Ss 119/92Z –, BeckRS 1992, 122081, beck-online). Das Auslegen bzw. Anbringen etwa im Kofferraum, selbst wenn dieser von außen teilweise einsehbar sein sollte, entspricht nicht den Anforderungen an eine gute Lesbarkeit (vgl. AG Brandenburg Urteil vom 23.10.2020 – 31 C 200/19 –, BeckRS 2020, 27865 Rn. 15, beck-online). Nach § 12 Abs. 2 StVO parkt, wer sein Fahrzeug verlässt oder länger als drei Minuten hält.

Nach dem Vorstehenden hat der Betroffene den Verstoß begangen.

Ein Parkausweis, der ihm das Parken auf dem besagten Parkplatz erlaubt hätte, hat der Betroffene nicht gut lesbar ausgelegt, obwohl er das Fahrzeug für einen längeren Zeitraum – mindestens eine halbe Stunde – abgestellt und verlassen hat. Denn selbst im Falle, dass der Vortrag des Betroffenen, dass der Parkausweis wie auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild (Bl. 6 d. A.) gelegen haben soll, als wahr unterstellt wird, wären die Anforderungen an eine gute Lesbarkeit nicht erfüllt. Zum einen ist der Ort der Mittelkonsole auf Höhe der Sitzflächen nicht geeignet, um die Anforderungen an eine gute Lesbarkeit zur erfüllen, denn aufgrund des Abstandes zu den Fenstern, ist eine Lesbarkeit, wenn überhaupt nur mit erheblichem Aufwand und ggf. unter zu Hilfenahme von Hilfsmitteln verbunden und daher in jedem Fall nicht „gut“ im Sinne der genannten Definition. Zum anderen ist auf dem vorgelegten Lichtbild der vermeintliche Ausweis selbst zur Hälfte verdeckt und entsprechend in Teilen überhaupt nicht lesbar. Erkennbar ist auf dem Foto lediglich eine blaue Karte, auf der im linken oberen Bildbereich ein Rollstuhlsymbol abgebildet ist und sich darunter weitere Felder mit Text befinden, die auf dem Foto selbst jedoch ebenfalls nicht lesbar sind. Die rechte Hälfte des Dokuments ist fast vollständig von einer Abdeckklappe der Mittelkonsole verdeckt und überhaupt nicht erkennbar, was darauf abgebildet ist.“

OWi II: Nochmals Verhängung der Regelgeldbuße, oder: Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen?

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Die zweite Entscheidung kommt heute vom OLG Saarbrücken. Das hat im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.05.2023 – 1 Ss (OWi) 8/23 – u.a. zur Frage der Erforderlichkeit von näheren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen bei Verhängung einer Regelgeldbuße Stellung genommen.

Vom AG war wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG eine Geldbuße in Höhe von 600,- EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt worden, ohne Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen.

Das hat das OLG nicht – mehr – beanstandet. Es hat abweichende frühere Rechtsprechung aufgegeben:

„Soweit der Senat in früheren Entscheidungen verlangt hat, dass der Tatrichter bei der Bemessung der Geldbuße grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen aufzuklären und zu diesen im Urteil in nachprüfbarer Weise Feststellungen zu treffen hat, soweit es sich nicht um geringfügige Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG handelt – eine solche geringfügige Ordnungswidrigkeit lag – auch im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten – nach der Rechtsprechung des Senats nur in den Fällen vor, in denen das Tatgericht eine Geldbuße von nicht mehr als 250,- Euro verhängt hatte – (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2013 – Ss (B) 58/2013 (51/13 OWi) –, 24. Oktober 2013 – Ss (B) 101/2013 (83/13 OWi) –, 30. Juni 2014 – Ss (B) 44/2014 (34/14 OWi) –, 16. Oktober 2014 – Ss (B) 69/2014 (54/14 OWi) –, 21. März 2017 – Ss BS 11/2017 (6/17 OWi) – und 25. Oktober 2018 – Ss (BS) 77/2018 (54/18 OWi) – jew. m.w.N.), hält der Senat daran nicht länger fest. Dies jedenfalls für die Fälle, in denen – wie hier – keine die Regelgeldbuße nach dem Bußgeldkatalog übersteigende Geldbuße festgesetzt wird und weder aufgrund der Angaben des Betroffenen selbst noch sonst Anhaltspunkte für vom Regelfall abweichende finanzielle Verhältnisse vorliegen, die ausnahmsweise Anlass zu weiterer Sachaufklärung geben.

a) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 OWiG kommen für die Bemessung der Geldbuße – neben der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG) – auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in Betracht. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung macht deutlich, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen für die Bemessung der Geldbuße nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Dies findet in den Bußgeldregelsätzen, die der Verordnungsgeber aus Gründen der Vereinfachung und Anwendungsgleichheit im Bußgeldkatalog festgelegt hat, dadurch Ausdruck, dass sich ihre Höhe in Übereinstimmung mit § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG an der Bedeutung des Verkehrsverstoßes und dem Tatvorwurf orientiert. Die Regelsätze gehen von gewöhnlichen Tatumständen und durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen aus. Systematisch stellen sie Zumessungsrichtlinien dar, die der Tatrichter bei der Ausübung seines Rechtsfolgeermessens nicht unbeachtet lassen darf. Andernfalls wird er dem Prinzip des Bußgeldkatalogs mit dem Ziel der größtmöglichen Gleichbehandlung gleichartiger Fälle nicht gerecht. Besondere Umstände, die zum Abweichen vom Regelsatz nach oben oder unten führen und die auch in der Person des Betroffenen liegen können, hat der Tatrichter im Einzelfall erst zu erwägen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben. Dies gilt auch für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Die tatrichterliche Aufklärungspflicht setzt demnach erst ein, wenn der Betroffene konkrete Tatsachen vorträgt, die ein Abweichen von der Regel nahelegen, oder solche Anhaltspunkte sonst vorliegen. Andernfalls sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen aufgrund der Regel-Ausnahme-Systematik der Bußgeldkatalogverordnung nicht von vornherein Gegenstand der Amtsaufklärung. Demnach obliegt es dem Betroffenen unter der Geltung der Bußgeldkatalogverordnung durch eigenen Sachvortrag die Aufklärungspflicht des Tatrichters auszulösen. Erst dann hat das Tatgericht im Rahmen der Einzelfallabwägung getroffene Feststellungen zum Abweichen vom Regelfall in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzustellen, so dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung ermöglicht wird, ob das Tatgericht rechtsfehlerfrei von dem Regelsatz des Bußgeldkatalogs abgewichen ist. Dies bedeutet indes nicht, dass das Tatgericht einseitige und wenig aussagekräftige Angaben des Betroffenen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ungeprüft hinzunehmen hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 27. April 2020 – 3 Ws (B) 49/20 –, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OLG Bremen, Beschluss vom 27. Oktober 2020 – 1 SsBs 43/20 –; OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. April 2021 – 1 Ss (OWi) 103/20 –, BeckRS 2021, 7676; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2022 – III-1 RBs 198/22 –, juris; Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Aufl., § 17 Rn. 22b, m.w.N.).

Hierfür spricht auch, dass eine unbedingte Aufklärungspflicht das Tatgericht bei einem zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen schweigenden Betroffenen zu – ggf. mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen einhergehenden – Maßnahmen wie der Durchsuchung der Wohn- oder Geschäftsräume nach Einkommensnachweisen des Betroffenen anhalten dürfte, die zur Bedeutung des Vorwurfs und der Höhe der Geldbuße außer Verhältnis stünden (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 –, Rn. 14, juris).

Eine über die bloße Darlegungslast hinausgehende Beweislast wird dem Betroffenen hierdurch nicht auferlegt. Denn bei Vorliegen eines hinreichend konkreten Vortrages des Betroffenen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat der Tatrichter diesem wiederum von Amts wegen nachzugehen und sich von dessen Richtigkeit zu überzeugen (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., m.w.N.).

b) Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn der Tatrichter eine den Regelsatz des Bußgeldkatalogs übersteigende Geldbuße festlegt (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.), braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Ein Fall der Erhöhung einer Regelgeldbuße liegt nicht vor. Zwar legen die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil nahe, dass das Amtsgericht wegen der einschlägigen Voreintragung im Fahreignungsregister lediglich die für einen (erstmaligen) Verstoß gegen § 24 a StVG vorgesehene Regelgeldbuße nach Nr. 242 BKat von 500,- EUR angemessen auf 600,- EUR erhöhen wollte. Tatsächlich hat es die nach der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene Regelgeldbuße indes verringert. Nr. 242.1 BKat normiert – sowohl in der im Tatzeitpunkt als auch in der heute geltenden Fassung – für den hier vorliegenden Fall der Eintragung einer – gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2b i.V.m. Nr. 2.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV bislang weder getilgten noch tilgungsreifen – Entscheidung nach § 24a StVG im Fahreignungsregister, deren Vorliegen das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, eine Regelsanktion von 1000,- EUR Geldbuße und drei Monaten Fahrverbot. Da sich dieser Fehler nicht zu Lasten des Betroffenen auswirkt, berührt er den Bestand der ausschließlich vom Betroffenen angefochtenen Entscheidung auch im Übrigen nicht.

c) Gemessen an den vorstehend dargestellten Maßstäben bestand im vorliegenden Fall keine Pflicht des Amtsgerichts, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen weiter aufzuklären. Der Senat vermag den Urteilsgründen noch hinreichend zu entnehmen, dass der auf eigenen Antrag vom persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene weder im Vorfeld noch in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hatte, die Anlass zu weiterer Sachaufklärung gaben.“