Archiv für den Monat: Februar 2021

Vernehmungsterminsgebühr?, oder: Nein, denn du hast im Haftprüfungstermin nicht „verhandelt“.

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Heute dann RVG-Entscheidung.

Und zunächst in dem Kontext eine Entscheidung des OLG Bamberg, die auf das Rechtsmittel der Staatskasse – warum überrascht mich das Rechtsmittel nicht? – gegen den LG Würzburg, Beschl. v. 25.11.2020 – 8 KLs 981 Js 20829/18 – ergangen ist (zu dem Beschluss Vernehmungsterminsgebühr?, oder: Habe ich im Haftprüfungstermin verhandelt?).

Das OLG Bamberg sieht es natürlich anders und hebt die für den Verteidiger günstige Entscheidung des LG Würzburg im OLG Bamberg, Beschl. v. 19.01.2021 – 1 Ws 692/20 – auf. Leitsatz – natürlich auch mit weiteren Fundstellen:

Die sich außerhalb der Hauptverhandlung vor Verkündung eines an die Verfahrenslage angepassten Haftbefehls darin erschöpfende anwaltliche Beratung des Mandaten dahin, keine Angaben zur Sache zu machen, stellt (noch) kein für das Entstehen der Gebühr nach den Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG notwendiges ‚Verhandeln‘ dar (u.a. Anschluss an OLG Saarbrücken Beschl. v. 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 = StraFo 2014, 350 und OLG Jena Beschl. v. 15.10.2013 – 1 Ws 344/13).

Der Beschluss überrascht mich nicht, denn er passt zu der Tendenz der Beschlüsse aus Bamberg: Mauern, mauern, mauern, egal ob im Gebührenrecht oder im OW-Recht. Mich überzeugt diese Entscheidung zudem nicht. Mir erschließt sich vor allem nicht, warum von den beiden angeführten Auffassung nun die eine als „herrschend“ angesehen wird und die andere nicht. Wenn das damit zu tun hat, dass das OLG Bamberg dort zwei OLG sieht, ist auch das nicht überzeugend. Denn übersehen wird das Anliegen, das der Gesetzgeber mit der Einführung der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG im Jahr 2004 gehabt hat. Honoriert wird die Teilnahme an einem Termin, „in dem über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Erforderlich ist also ein Verhandeln. Damit sollen die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht erfasst werden. Schließt sich allerdings an die Verkündung des Haftbefehls eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an, würde die Terminsgebühr entstehen.“ Sinn und Zweck der Einfügung der Voraussetzung „Verhandeln“ in der Nr. 4102 VV RVG war es, die Teilnahme an den „häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungsterminen“ nicht besonders zu honorieren. Hintergrund war, dass die Bundesländer einen „Haftbefehlsverkündungstourismus“ befürchtet und Angst um ihre schon damals klammen Kassen hatten. Ich habe schon damals nicht verstanden, wie man davon ausgehen konnte, dass Verteidiger, um in den Genuss der Gebühr Nr. 4102, 4103 VV RVG zu kommen, die nun wahrlich nicht üppig ist, vermehrt Haftprüfungen pp. beantragen und eben auch an reinen Haftbefehlsverkündungen teilnehmen würden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Entscheidend ist aber, dass auch nach der Gesetzesbegründung die Gebühr immer dann entstehen soll, wenn man es nicht mit einer reinen Haftbefehlsverkündung zu tun hat. Und das war hier – auch wenn es für das OLG Bamberg offenbar schwer zu verstehen ist – der Fall.

Verteidigern kann man im Hinblick auf diese Rechtsprechung der OLG nur empfehlen, im Haftprüfungstermin auf jeden Fall einen Antrag betreffend die Untersuchungshaft zu stellen und darauf zu achten, dass der dann auch ins Protokoll des Termins aufgenommen wird. dann sollte auch das OLG Bamberg zufrieden sein – obwohl man das nie so genau weiß. Die Amtrichters  sind es wegen der Mehrarbeit sicherlich nicht.

U-Haft III: Begriff „derselben Tat“, oder: „besondere Schwierigkeit“/„besonderer Umfang der Ermittlungen“

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Und als dritte U-Haft-Entscheidung dann noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.01.2021 – 1 HEs 1/21 -, auch im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO ergangen.

Die amtlichen Leitsätze befassen sich mit dem Begriff „derselben Tat“. Insoweit hat das OLG dem Beschluss folgende Leitsätze mitgegeben:

  1. Im Rahmen des § 121 StPO ist ein von demjenigen des § 264 StPO abweichender, erweiterter Tatbegriff zugrunde zu legen.
  2. Dies hat zur Folge, dass im Falle des Erlasses eines Urteils – welches auf eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung in einem Verfahren erkennt, in welchem ein weiterer Haftbefehl vorliegt, welcher auf Taten gestützt wird, die in den ersten Haftbefehl hätten einbezogen werden können, da sie dem erweiterten Tatbegriff unterfallen – eine Prüfung der Haftfortdauer gem. § 121 StPO hinsichtlich beider Haftbefehle jedenfalls vom Erlass des Urteils an bis zum Abschluss des Verfahrens bzw. zur Aufhebung des (weiteren) Haft-befehls nicht zu erfolgen hat.
  3. In die im Anschluss daran für die Vorlage maßgebende Frist gem. § 121 Abs. 2 StPO ist zumindest die Zeitspanne vom Erlass des Urteils bis zum Verfahrensabschluss bzw. der Aufhebung des Haftbefehls in diesem Verfahren auch dann nicht einzubeziehen, wenn das Parallelverfahren nicht mit einer Verurteilung endet.
  4. Die Frist bestimmt sich alleine nach der vom Zeitpunkt möglicher Einbeziehung der Taten in den Haftbefehl bis zum Erlass des Urteils verstrichenen Zeit unter Hinzuziehung der nach Verfahrensabschluss laufenden Zeitspanne.
  5. Ob darüber hinaus auch die Dauer der Hauptverhandlung selbst auf dem Hintergrund des § 121 Abs. 3 Satz 2 StPO unberücksichtigt zu bleiben hat, kann vorliegend angesichts der Urteilsverkündung am ersten Hautverhandlungstag dahinstehen.

Aber das OLG macht auch Ausführungen zur „Beschleunigung“, und zwar:

„b) Die besonderen Voraussetzungen für den Vollzug von Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen ebenfalls vor. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Akten erst nach Fristablauf vorgelegt worden sind und deshalb erhöhte Anforderungen an die Prüfung des wichtigen Grundes zur Fortdauer der Untersuchungshaft zu stellen sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.01.2013 – 2 BL 3/03, NStZ-RR 2003, 143; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.1997 – 3 HEs 91/97, NStZ 1997, 452), rechtfertigen die besondere Schwierigkeit der Ermittlungen sowie der besondere Umfang der Sache die Fortdauer der Untersuchungshaft.

Der Verlängerungsgrund der „besonderen Schwierigkeit“ und des „besonderen Umfangs der Ermittlungen“ lässt sich vor allem mit der Anzahl und den Besonderheiten der aufzuklärenden Taten, dem Ausmaß der erforderlichen Ermittlungen – auch wenn sie dadurch mitbedingt sind, dass der Beschuldigte von seinem Schweigerecht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO Gebrauch macht –, der Notwendigkeit, aufgetretene Widersprüche zu klären, der zeitraubenden Auswertung einer Vielzahl von Dokumenten, der Anzahl der Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen sowie der Schwierigkeiten ausländischer Ermittlungen rechtfertigen (vgl. Schultheis, in KK-StPO8, § 121 Rn. 14 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall.

Die Strafverfolgungsorgane haben insbesondere seit der Festnahme des Beschuldigten sowie der Mitbeschuldigten alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, die Ermittlungen so schnell wie möglich voranzutreiben. Von den Ermittlungsbehörden zu vertretende Verfahrensverzögerungen sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft und die mit den polizeilichen Ermittlungen betraute Ermittlungsgruppe der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück, die seit dem 2. Juni 2020 über einen beachtlichen Personalbestand von 25 Beamten/-innen verfügt, – wie aus dem Übersendungsbericht der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 5. Januar 2021 ersichtlich – nahezu werktäglich das Verfahren gefördert.

Der Umstand, dass die Ermittlungen in der hiesigen Sache gleichwohl bis heute nicht abgeschlossen werden konnten, ist allein dem Umfang der Ermittlungen und der Vielzahl der im Raume stehenden Straftaten der Beschuldigten, die nach Lage der Akten einen Gesamtschaden im zweistelligen Millionenbereich zu verantworten haben, geschuldet. Es sind weit mehr als 1000 Urkunden auf ihre Echtheit zu prüfen. Von insgesamt ca. 130 Datenträgern, die bislang bei den Beschuldigten sichergestellt wurden und die einen Gesamtdatenbestand von mehreren Terabyte aufweisen, sind bislang etwa 100 ausgewertet worden. Das Einlassungsverhalten der Beschuldigten trägt ebenfalls zur besonderen Schwierigkeit der Ermittlungen bei: Auch wenn der Beschuldigte die Begehung der Taten zulasten der EE GmbH, der FF GmbH und der CC GmbH eingeräumt hat, ist dies durch weitere Ermittlungen zu überprüfen, da dessen schriftliche Einlassung an zahlreichen weiteren Punkten nach Aktenlage nachweislich wahrheitswidrig ist. Ob und in welchem Umfang der Beschuldigte im Rahmen seiner Vernehmung vom 17. November 2020 die Wahrheit gesagt hat, wird zur Zeit ermittelt. Das Einlassungsverhalten des Mitbeschuldigten GG erschwert ebenfalls die Ermittlungen, indem er etwa erst unter dem 3. September 2020 den PIN-Code seines sichergestellten Mobiltelefons den Ermittlungsbehörden mitgeteilt, dessen Auslesen bis dato nicht möglich war. Seine am 18. September 2020 eingegangene Einlassung ist bereits nach Aktenlage widerlegt und ersichtlich von dem Bestreben getragen, Mitbeschuldigte zu schonen. Nach Aktenlage besteht ferner der Verdacht, dass auch die Mitbeschuldigte HH lediglich Teile ihres Tatwissens preisgegeben hat. Der Mitbeschuldigte II schweigt hingegen bis heute; auf seine Computer konnten die Ermittlungsbehörden bis dato keinen Zugriff nehmen, da sie verschlüsselt sind. Nennenswerte Aufklärungsbemühungen gehen einzig von der Mitbeschuldigten JJ aus, die allerdings nach Aktenlage eine Vielzahl an offenen Fragen schlichtweg nicht beantworten kann. Zudem tragen die derzeitige Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen zum Zwecke des Arbeits- und Infektionsschutzes ebenfalls nicht zur Beschleunigung des Verfahrens bei. Schließlich sind Rechtshilfeersuchen nach Andorra und Großbritannien, die in separaten AR-Vorgängen gestellt wurden, bis heute nicht beantwortet worden.

Von der Möglichkeit, aus Gründen des Beschleunigungsgebotes Teilanklage gegen den Beschuldigten und die weiteren Beschuldigten zu erheben, konnte kein Gebrauch gemacht werden, da keiner der – auch für sich genommenen äußerst umfangreichen – Ermittlungskomplexe aufgrund des Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sachlage polizeilich ausermittelt werden konnte.“

U-Haft II: Mehr als zwei Jahre Untersuchungshaft, oder: Wechsel im Kammervorsitz

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamm. Der OLG Hamm, Beschl. v. 23.07.2020 – 1 Ws 279/20 – war mir bisher durchgegangen; Dank auch hier an Oliver Garcia.

Ergangen ist er im Haftprüfungsverfahren in einem beim LG Dortmund anhängigen Verfahren. Zur Last gelegt wird dem Angeklagten ein „Heimtückemord“. Das OLG hat den Haftbefehl aufgehoben, nachdem sich der Angeklagte seit Juni 2018 in Haft befunden hat. Denn – so die Leitsätze:

1. Bei über zwei Jahre andauernder Untersuchungshaft ist dem Beschleunigungsgebot in besonderem Maß Rechnung zu tragen und bei hiergegen gerichteten Verstößen die Fortdauer der Untersuchungshaft auch bei zu erwartender lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig anzusehen.

2. Ein notwendiger bevorstehender Wechsel des Kammervorsitzes infolge Verhinderung des/der bisherigen Vorsitzenden wegen besonderer gesundheitlicher Risiken (hier im Rahmen der Corona-Pandemie) vermag weitere Verzögerungen des Verfahrens bei bereits lange andauernder Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen, wenn die umgehende Durchführung der Hauptverhandlung nach Maßgabe der Vertretungsregelungen unter dem Vorsitz der mit dem Verfahrensgegenstand vertrauten stellvertretenden Vorsitzenden möglich ist. Gleiches gilt für einen mehrfach angezeigten Verteidigerwechsel, wenn die Fortführung des Verfahrens unter Mitwirkung des bereits bestellten Pflichtverteidigers und Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers gesichert werden kann.

„Interessant“ die Ausführungen des OLG zum Vorsitzendenwechsel und zur Verteidigerbestellung:

„Auch der zwischenzeitliche Vorsitzendenwechsel mit Wirkung zum 01. Mai 2020 stand dem Neubeginn der Hauptverhandlung am 20. April 2020 mit Fortsetzungsterminen im Mai 2020 nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO entgegen.

Denn selbst wenn man angesichts der vor dem Hintergrund der Covid 19-Pandemie bestehenden individuellen Gesundheitsgefahren, die letztlich Grund für den Wechsel des Kammervorsitzenden waren, annähme, die Durchführung der Hauptverhandlung sei dem früheren Vorsitzenden, der über den 01. Mai 2020 hinaus für Fortsetzungstermine Mitglied der 39. großen Strafkammer geblieben und (vorrangig) zuständig gewesen wäre, mit der Annahme einer daraus resultierenden Verhinderung nicht zumutbar gewesen, hätte die Hauptverhandlung unter Eingreifen der kammerinternen (und ggfls. sonstigen geschäftsplanmäßigen) Vertretungsregelungen am 20. April 2020 begonnen und wie vorgesehen mit Fortsetzungsterminen im Mai 2020 durchgeführt werden können bzw. unter besonderer Beachtung des Beschleunigungsgebots werden müssen. Denn gerade für den Fall der Verhinderung ist durch die Vertretungsregelungen Vorsorge getroffen und daher die weitere Sachbehandlung möglich und gewährleistet (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1993 zu 2 BvR 1265/93, NJW 1994, 2081, 2082). Das hätte nach Lage der II.-Akten dazu geführt, dass die Hauptverhandlung unter dem Vorsitz der stellvertretenden Vorsitzenden, der die Sache bereits aus der stattgehabten, aber unter dem 12. März 2020 ausgesetzten Hauptverhandlung bekannt war, sowie den beiden weiteren Kammermitgliedern durchgeführt worden wäre. Dem entgegenstehende wichtige Gründe i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO sind den dem Senat übersandten II.-Akten nicht zu entnehmen. Insbesondere kommt es nicht mehr darauf an, dass der neue Kammervorsitzende ausweislich dem Senat übersandter Aufstellungen mit Ausnahme des 7. Mai 2020 an den für hiesiges Verfahren vorgesehenen Terminen Fortsetzungstermine in Verfahren seiner vormaligen Kammer (35. Strafkammer) vorrangig vor Terminen für die übernommene 39. Strafkammer wahrzunehmen hatte. Allerdings bemerkt der Senat lediglich ergänzend in diesem Zusammenhang, dass zumindest im Hinblick auf das vorliegende Verfahren und den insoweit besonders zu beachtenden Beschleunigungsgrundsatz die unter dem 24. April 2020 beschlossene Übernahme des Vorsitzes in der der 39. Strafkammer durch den überwiegend im Mai 2020 (noch) durch Fortsetzungstermine für die 35. Strafkammer gebundenen Vorsitzenden zumindest als unbehelflich anzusehen ist und – wenn es darauf ankäme – nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO anzusehen wäre.

Dem Neubeginn der Hauptverhandlung am 20. April 2020 mit den vorgesehenen Fortsetzungsterminen stand auch nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO entgegen, dass der Angeklagte mit seiner ohnehin erst am 22. April 2020 beim Landgericht eingegangenen privatschriftlichen Eingabe vom 15. April 2020 seinem (damaligen) Wahlverteidiger Rechtsanwalt C das Mandat gekündigt und die Entpflichtung seines (damaligen) Pflichtverteidigers Rechtsanwalt E1 beantragt hatte bzw. dass dem aus dem Kreis I stammenden Rechtsanwalt E1 der Zutritt zum Gerichtsgebäude zur Haftbefehlsverkündung am 31. März 2020 verwehrt worden war, woraus aus damaliger Sicht zumindest das eventuelle Risiko einer dauerhaften Zutrittsverweigerung und damit der Nichtteilnahme an den vorgesehenen Hauptverhandlungsterminen resultierte. Denn es wäre ohne weiteres möglich und unter besonderer Beachtung des Beschleunigungsgebots geboten gewesen, die ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten rechtzeitig, und zwar schon Ende März bzw. Anfang April 2020 durch Bestellung des damaligen Wahlverteidigers Rechtsanwalt C zum weiteren Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens zu gewährleisten. Denn ausweislich des Protokolls der Haftbefehlsverkündung vom 31. März 2020 wurde u.a. diese Frage ausdrücklich erörtert, wobei Rechtsanwalt C nochmals seine Beiordnung zum weiteren Pflichtverteidiger anregte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft keine Bedenken erhob, nachdem die Staatsanwaltschaft Dortmund und Rechtsanwalt E1 bereits jeweils unter dem 25. März 2020 insoweit keine Bedenken erhoben bzw. sich ausdrücklich dafür ausgesprochen hatten. Vor diesem Hintergrund wäre die Bestellung von Rechtsanwalt C zum weiteren Pflichtverteidiger bereits am 31. März 2020, spätestens indes zeitnah nach seiner Erinnerung daran durch Schriftsatz vom 07. April 2020, geboten gewesen. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Beiordnung unterblieben ist.“

U-Haft I: Beschleunigungsgrundsatz, oder: Beginn der HV spätestens drei Monate nach Eröffnung

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Heute stehen U-Haft-Entscheidungen an. Zu der Thematik habe ich schon länger nichts mehr gebracht.

Ich starte mit dem BVerfG, Beschl. v. 03.02.2021 – 2 BvR 2128/20 -, auf den mich einer meiner Tippgeber 🙂 – Oliver Garcia von dejure – aufmerksam gemacht hat. Besten Dank.

Das BVerfG nimmt noch einmal zur Geltung des Beschleunigungsgrundsatzes im Zwischenverfahren (§§ 199 ff. StPO) Stellung. Die Verfassungsbeschwerde gegen einen Haftfortdauerbeschluss des OLG München hatte Erfolg.

Dazu allgemein:

„d) Der Beschleunigungsgrundsatz beansprucht dabei auch für das Zwischenverfahren nach den §§ 199 ff. StPO Geltung. So ist nach Anklageerhebung bei Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen und im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2018 – 2 BvR 1258/18 -, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 2020 – 2 BvR 2090/19 -, Rn. 49).

e) Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 15, 474 <480>; 17, 517 <523>). Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (vgl. BVerfGK 7, 140 <156>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 – 2 BvR 2429/18 -, Rn. 58). Zu berücksichtigen ist, dass auch eine erst bevorstehende, aber schon zum Entscheidungszeitpunkt deutlich absehbare Verfahrensverzögerung bereits eingetretenen Verfahrensverzögerungen gleichsteht (vgl. BVerfGK 6, 384 <392 f.>; 12, 166 <168>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 – 2 BvR 2429/18 -, Rn. 57; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 2020 – 2 BvR 2090/19 -, Rn. 50).

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2020 – 2 BvR 225/20 -, Rn. 62). Die Überlastung eines Gerichts fällt – anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur rechtzeitigen verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (vgl. BVerfGE 36, 264 <275>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 – 2 BvR 2429/18 -, Rn. 59).“

Und konkret im Fall:

„2. Diesen Vorgaben genügt der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München nicht. Er zeigt keine besonderen Umstände auf, die die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen, und wird damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Haftfortdauerentscheidungen nicht gerecht.

a) Das Oberlandesgericht hat nicht schlüssig begründet, weshalb vorliegend weder die (ursprünglich zuständige) 2. Strafkammer noch die (nunmehr zuständige) 1. Strafkammer bis zum angegriffenen Beschluss über vier Monate nach Erhebung der Anklage noch keine Entscheidung über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens getroffen haben.

aa) Das Oberlandesgericht hat nicht hinreichend dargelegt, dass das Verfahren angemessen gefördert worden ist. Die Entscheidungen des Landgerichts, die das Oberlandesgericht zur Begründung anführt, sind zum Nachweis einer Verfahrensförderung erkennbar nicht geeignet. Es ist jedenfalls ohne nähere Erläuterung nicht ersichtlich, wie den Entscheidungen über den Antrag auf Haftprüfung, über die Anhaltung und Beschlagnahme von Briefen des Beschwerdeführers sowie über die Pflichtverteidigung Auswirkungen auf die Eröffnungsreife zukommen konnten und sie damit zur Verfahrensförderung beigetragen haben können.

bb) Darüber hinaus ist unerheblich, ob die vom Oberlandesgericht angeführten Nachermittlungen und das Abwarten des Eingangs des toxikologischen Gutachtens vom 6. Juli 2020 das Verfahren angemessen gefördert haben. Denn die Ergebnisse gingen bereits am 9. Juli 2020 beim Landgericht ein. Die Stellungnahmefrist gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO war seit dem 15. Juli 2020 abgelaufen. Dass die Strafkammer ab diesem Zeitpunkt weitere Nachermittlungen in Auftrag gab, führt das Oberlandesgericht weder an noch ist ein solcher Auftrag sonst ersichtlich. Das Oberlandesgericht führt überdies nicht aus, dass nach Eingang der Nachermittlungen noch keine Eröffnungsreife vorgelegen habe. Weshalb das Landgericht dennoch mehr als drei Monate nach Kenntnis der Nachermittlungsergebnisse keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens getroffen hatte, begründet der Senat nicht tragfähig und lässt somit die notwendige Begründungstiefe vermissen. Rechtliche Schwierigkeiten, die einer Eröffnungsentscheidung entgegenstanden haben könnten, sind weder dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts zu entnehmen noch sind sie sonst ersichtlich.

b) aa) Die verspätete Entscheidung hat das Verfahren auch verzögert, obwohl die Vorsitzende der 2. Strafkammer vor der Eröffnungsentscheidung bereits Termine für die Durchführung der Hauptverhandlung mit den Verteidigern des Beschwerdeführers abgesprochen hat, denn auch die von der Kammervorsitzenden avisierten Termine ab dem Februar 2021 führen zu einer deutlichen Überschreitung des vom Bundesverfassungsgericht für die Dauer des Zwischenverfahrens für den Regelfall als geboten erachteten Zeitraums (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2018 – 2 BvR 1258/18 -, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 2020 – 2 BvR 2090/19 -, Rn. 49). Damit setzt sich das Oberlandesgericht nicht in der erforderlichen Begründungstiefe auseinander. Es musste bei seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2020 berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer im Februar 2021 schon mehr als ein Jahr und einen Monat in Untersuchungshaft befinden würde und der Eingang der Akten beim Landgericht über acht Monate zurücklag. Eine solche späte Terminierung hätte unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots nur mit gewichtigen Gründen gerechtfertigt werden können, die ausweislich des angegriffenen Beschlusses nicht ersichtlich sind.“

OWi III: Urteilsformel bei der Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Keine Überladung

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Und die dritte Entscheidung stammt dann noch einmal vom OLG Düsseldorf. Das hat im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.10.2020 – 2 RBs 129/20 – zu den Anforderungen an die Urteilsformel Stellung genommen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Ergänzung der amtsgerichtlichen Urteilsformel beantragt. Das OLG hat den Antrag – nach Zulassung der Rechtsbeschwerde – abgelehnt:

Der Erörterung bedarf lediglich der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Ergänzung der Urteilsformel, dem nicht zu entsprechen ist.

1. Gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO ist in dem Urteil die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben. Auch in Bußgeldsachen ist die Tat in der Urteilsformel, sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind, mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf [1. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90). Indes ist die Urteilsformel von allem freizuhalten, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgaben, nämlich der Mitteilung von Schuldspruch und zu vollstreckendem Rechtsfolgenausspruch, dient (vgl. BGH NStZ 1983, 524; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 260 Rdn. 20).

Vorliegend hat der Betroffene ordnungswidrig gehandelt (§ 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO), indem er entgegen Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO die durch Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Diese Regelung wird jedenfalls bei einer Herabsetzung (hier: 30 km/h) der allgemein festgelegten Höchstgeschwindigkeit nicht durch § 3 Abs. 3 StVO verdrängt (vgl. BayObLG NZV 1999, 50; OLG Hamm VRS 97, 212, 213; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVO Rdn. 56). Für die Verwirklichung des auf die Missachtung des Vorschriftzeichens abstellenden Tatbestands („Wer ein Fahrzeug führt, darf nicht schneller als mit der jeweils angegebenen Höchstgeschwindigkeit fahren.“) und damit den Schuldspruch kommt es mangels eines entsprechenden Merkmals nicht darauf an, ob die durch Zeichen 274 angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften zu beachten war.

Diese Unterscheidung gehört hier nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat und hat lediglich Bedeutung für die Zumessung der Rechtsfolgen nach Maßgabe der Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots (Tabelle 1, Anhang zu Nr. 11 BKat). Tatmodalitäten, die keinen eigenen Tatbestand beschreiben und lediglich die Zumessung der Rechtsfolgen betreffen, sind indes nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. statt vieler: BGH NStZ 1999, 205; Ott in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 260 Rdn. 31).

Abgesehen davon würde die Urteilsformel selbst mit der beantragten Ergänzung („wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften“) aus sich heraus nicht die Einordnung in eine der Stufen der vorgenannten Regelsatztabelle ermöglichen. Denn dazu müssten auch die Art des Kraftfahrzeugs (Pkw, Lkw, Kraftomnibus etc.) und die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung in km/h in der Urteilsformel mitgeteilt werden.

2. Die in der Antragsschrift nicht näher begründete Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, der Zusatz „innerhalb geschlossener Ortschaften“ sei erforderlich, damit das Urteil vollstreckbar und im Fahreignungsregister eintragungsfähig ist, kann nicht nachvollzogen werden.

Die Rechtsfolgen (Geldbuße von 160 Euro und einmonatiges Fahrverbot) sind in der Urteilsformel eindeutig bestimmt. Die Vollstreckbarkeit des Urteils hängt nicht von der beantragten Ergänzung der Urteilsformel ab. Dem Senat ist kein Fall bekannt, in dem ein Urteil nicht hätte vollstreckt werden können, weil der Zusatz „innerhalb geschlossener Ortschaften“ oder „außerhalb geschlossener Ortschaften“ in der Urteilsformel nicht enthalten war. Ein solcher Fall ist in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft auch nicht aufgezeigt worden.

Auch für die Eintragungsfähigkeit im Fahreignungsregister ist nicht erforderlich, dass die Urteilsformel den Zusatz „innerhalb geschlossener Ortschaften“ enthält. Dieses Sachverhaltselement kann bei der Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt den Urteilsgründen entnommen werden. Für eine Privilegierung durch Aufnahme in die Urteilsformel besteht gegenüber den weiteren mitzuteilenden Sachverhaltselementen, wozu neben der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung in km/h (unter Angabe der zulässigen und der nach Toleranzabzug festgestellten Geschwindigkeit in km/h) und der Kraftfahrzeugart auch das Datum der Tat, der Tatort und die Art der Verkehrsbeteiligung gehören, kein Anlass. Erforderlichenfalls kann zur Abklärung der mitzuteilenden Sachverhaltselemente auch auf den Bußgeldbescheid und den sonstigen Akteninhalt zurückgegriffen werden, was beim Absehen von Urteilsgründen (§ 77b OWiG) ohnehin notwendig ist.

In der Literatur (vgl. Fromm, Verteidigung in Straßenverkehrs-OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2014, Kapitel 3, A. Geschwindigkeitsüberschreitungen, XII. Tenorierung, abrufbar bei juris) ist zur Frage der Tenorierung etwa vorgeschlagen worden, die Verurteilung „wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mehr als 23 km/h“ auszusprechen. Abgesehen davon, dass der zusätzliche Informationswert bei diesem Beispiel gering ist, weil die für die Einordnung in eine der Stufen der Tabelle 1, Anhang zu Nr. 11 BKat, erforderliche Kraftfahrzeugart nicht benannt worden ist und auch die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung nach oben offen bleibt, hält es der Senat nicht für sachgerecht, die rechtliche Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel mit einzelnen Sachverhaltselementen zu überfrachten.

Die Urteilsformel ist nicht der Ort, um dort die für die Eintragung im Fahreignungsregister erforderlichen Sachverhaltselemente zu beschreiben. Bezogen auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung in km/h, die Kraftfahrzeugart, das Datum der Tat, den Tatort und die Art der Verkehrsbeteiligung ist eine Ergänzung der Urteilsformel auch nicht beantragt worden. Es erschließt sich allerdings nicht, weshalb ein bei Missachtung des Zeichens 274 nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat gehörendes Sachverhaltselement („innerhalb geschlossener Ortschaften“) isoliert in der Urteilsformel hervorgehoben werden sollte. Ein Erkenntnisgewinn ergibt sich daraus nicht.

Die Übermittlungsstandards für das Fahreignungsregister (vgl. BAnz AT vom 11. Juli 2018 B9-B11 und BAnz AT vom 8. Juli 2019 B5-B6) erfordern besondere Kenntnisse der mit den Mitteilungen an das Kraftfahrt-Bundesamt befassten Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft, die dem gerichtlich festgestellten Sachverhalt etwa auch eine Tatbestandsnummer nebst Punktzahl aus dem Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog – dieser stellt als schlichte Verwaltungsvorschrift des Kraftfahrt-Bundesamtes keine eigenständige Rechtsgrundlage dar (vgl. OLG Hamm BeckRS 2016, 18440) – zuzuordnen haben. Bei der Bearbeitung kann auf die Urteilsgründe sowie auf den Bußgeldbescheid und den gesamten Akteninhalt zurückgegriffen werden. Es ist für die Eintragungsfähigkeit ohne Belang, ob die Urteilsformel bei einer Verurteilung wegen (fahrlässiger oder vorsätzlicher) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit den Zusatz „innerhalb geschlossener Ortschaften“ oder „außerhalb geschlossener Ortschaften“ enthält. Dies gilt umso mehr, als die weiteren mitzuteilenden Sachverhaltselemente ohnehin nicht aus einer solchen geringfügig ergänzten Urteilsformel hervorgehen.

3. Angesichts dessen ist anzumerken, dass ein solcher Zusatz auch dann entbehrlich erscheint, wenn sich die zulässige Höchstgeschwindigkeit aus der allgemeinen Regelung des § 3 Abs. 3 StVO ergibt.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Bezeichnungen „innerhalb geschlossener Ortschaften“ und „außerhalb geschlossener Ortschaften“ bei der allgemeinen Festlegung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausdrücklich Niederschlag im Tatbestand der Norm gefunden haben. Während die zulässige Höchstgeschwindigkeit „innerhalb geschlossener Ortschaften“ für alle Kraftfahrzeuge gleichermaßen 50 km/h beträgt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO), richtet sich die zulässige Höchstgeschwindigkeit „außerhalb geschlossener Ortschaften“ nach den in § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. a bis c StVO bezeichneten Kraftfahrzeugarten, so dass in diesem Fall der Zusatz „außerhalb geschlossener Ortschaften“ streng genommen noch um die Kraftfahrzeugart zu erweitern wäre, um die Tat rechtlich differenziert zu bezeichnen.

Aus praktischen Erwägungen ist in den verkehrsrechtlichen Massenverfahren demgegenüber zu bevorzugen, in der Urteilsformel allein den Obersatz des § 3 Abs. 3 StVO („zulässige Höchstgeschwindigkeit“) im Sinne einer Überschrift aufzugreifen und den Tenor nicht weiter zu fassen als bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unter Missachtung des Zeichens 274. Für die rechtliche Bezeichnung des konkreten Unterfalls genügt – wie bei der Verwendung einer vorhandenen Überschrift – die Angabe der entsprechenden Norm in der Liste der angewendeten Vorschriften (z.B. § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c StVO).“