„….
aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die durch Rechtsverordnung normierte streitgegenständliche Regelung nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG liegen voraussichtlich vor.
Vgl. dazu bereits Senatsbeschlüsse vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 23 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 51 ff.
Für die Anordnung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ist es nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, deren Weiterverbreitung verhindert werden soll. Das ist vorliegend der Fall, da in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, eine Vielzahl von Infektionsfällen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bestätigt wurden.
Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 28. Juli 2020, vgl. auch Dashboard der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.giscloud.nrw.de/coronadashboard.html.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit der Regelung. Der Begriff der textilen Mund-Nase-Bedeckung, der durch die in § 2 Abs. 2 Satz 1 CoronaSchVO benannten Beispiele Alltagsmaske, Schal und Tuch konkretisiert wird, erfasst jede Form einer textilen Barriere, und zwar unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie.
Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO normierte Verpflichtung, unter bestimmten Bedingungen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, stellt auch eine Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 25 ff.
bb) Es spricht weiter Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, soweit er unter den in § 2 Abs. 3 CoronaSchVO konkretisierten Voraussetzungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verpflichtet.
(1) Unzweifelhaft können Schutzmaßnahmen nicht nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störer“) erlassen werden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit oder (sonstigen) Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber „Störern“ eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; Senatsbeschlüsse vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie vom 15. April 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24.
So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen.
Vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-) Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101).
(2) Auch Art und Umfang der hier in Rede stehenden Verpflichtung sind nicht erkennbar ermessensfehlerhaft. § 2 Abs. 3 CoronaSchVO genügt voraussichtlich dem in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum Ausdruck kommenden Gebot strikter Verhältnismäßigkeit.
Die Verpflichtung, in bestimmten sozialen Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, dient dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Der Verordnungsgeber darf noch immer davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung weiterhin gebietet.
Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.
Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt hat und insbesondere die Anzahl der festgestellten Neuinfektionen rückläufig ist, besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich immer noch um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird deshalb nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Dabei variiert die Gefährdung von Region zu Region. Die Belastung für das Gesundheitswesen hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Behandlungskapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und physischer Distanzierung ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich hoch sein.
Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Aktualisierter Stand für Deutschland, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 27. Juli 2020.
Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die seit dem sogenannten Shutdown zugelassenen Lockerungen schrittweise und unter Beachtung der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens vollzieht, um die errungenen Erfolge – mit nicht absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen – nicht wieder zu verspielen.
Vgl. dazu die Pressemitteilung der Landesregierung vom 6. Mai 2020, Ministerpräsident Armin Laschet stellt Nordrhein-Westfalen-Plan vor, abrufbar unter: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerpraesidentarminlaschetstelltnordrheinwestfalenplan -vor.
Dabei ist ihm wegen der Fragilität der Lage und wegen der fortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen, soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.
So im Einzelnen z. B. bereits die Senatsbeschlüsse vom 29. April 2020 – 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 -, juris, Rn. 10; VerfGH Saarl., Beschluss vom 28. April 2020 – Lv 7/20 -, juris, Rn. 32.
Nach dieser Maßgabe dürfte sich die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die Ansteckungsgefahr trotz der stufenweisen (Wiederer-)Öffnung nahezu aller Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weiterhin einzudämmen.
Dabei ist ein Mittel bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 -, juris, Rn. 61, m. w. N.
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen.
Die streitgegenständliche Regelung beruht im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.
Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 24. Juli 2020.
Zwar dürfte der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung sog. Behelfsmasken als Mittel zur Verringerung der Infektionszahlen bisher nicht abgeschlossen sein. Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, denen der Verordnungsgeber gefolgt ist, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand aber davon auszugehen, dass auch privat hergestellte textile Mund-Nase-Bedeckungen eine (wenn auch im Vergleich zu einem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz geringere) Filterwirkung auf feine Tröpfchen und Partikel entfalten können, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen kann. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet.
Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888, Stand: 15 Juli 2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020; vgl. auch WHO, Q&A: Masks and COVID-19, What is WHO’s view on masks?, abrufbar unter: https://www.who.int/emergencies/diseases/ novelcoronavirus-2019/questionandanswershub/ qadetail/qaoncovid-19-andmasks, Stand: 7. Juni 2020; Tagesschau, Coronavirus – Studie bestätigt Schutzwirkung von Masken, 8. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/coronamaskenschutzstudie-101.html; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2020 – 20 NE 20.1477 -, juris, Rn. 16 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 6. Juli 2020 – 6 B 10669/20 -, juris, Rn. 30; Thür. OVG, Beschluss vom 3. Juli 2020 – 3 EN 391/20 -, juris, Rn. 66 ff.
Diese Beurteilung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Robert Koch-Institut zu Beginn der Pandemie noch keine allgemeine Empfehlung zum Tragen einer Maske abgegeben und mitgeteilt hatte, es gebe keine hinreichende Evidenz dafür, dass der Mund-Nase-Schutz das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trage, signifikant verringere. Diese Einschätzung über die Schutzwirkung sog. Behelfsmasken steht zu der jetzigen Empfehlung nicht im Widerspruch, die anders als zunächst den Fokus nicht in erster Linie auf den Aspekt des Eigenschutzes richtet, sondern vorrangig den Gesichtspunkt des Fremdschutzes in den Blick nimmt. Die Neubewertung von Schutzmaßnahmen, auch unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse über das Virus, ist notwendiger Bestandteil eines wissenschaftlichen Diskurses.
Vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 19. Mai 2020 – 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 92 f., m. w. N.
Der Einschätzung des Robert Koch-Instituts steht auch nicht entgegen, dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen andere Stimmen gibt, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung gänzlich verneinen. Der Verordnungsgeber verletzt seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gibt, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert.
Vgl. so schon den Senatsbeschluss vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 45 f., m. w. N.
Im Übrigen ist anerkannt, dass der Einschätzung des Robert Koch-Instituts nach dem in den einschlägigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG) zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht zukommt.
Vgl. Senatsbeschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 76 f., m. w. N.
Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht ersichtlich, dass Gefahren, die durch eine nicht sachgerechte Anwendung der Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall,
vgl. dazu Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020,
entstehen können, die Eignung der sog. Maskenpflicht in Gänze in Frage stellen. Es ist schon zweifelhaft, ob Gefahren durch eine nicht sachgerechte Anwendung ernsthaft zu befürchten sind, da diese unschwer möglich ist. Leicht zugängliche Hilfestellung bieten zudem zahlreiche Institutionen, aber auch der Antragsgegner auf seiner Internetseite an. Diese enthalten Anleitungen zur Benutzung und Reinigung der Alltagsmasken und den Hinweis, dass die Maske gewechselt werden soll, wenn sie durch Atemluft feucht geworden ist.
Vgl. MAGS NRW, Sonderseite des Gesundheitsministeriums zum Coronavirus in Nordrhein-Westfalen, Informationen zum Mund-Nasen-Schutz in Leichter Sprache, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/coronavirus, letztes Update: 15. Juli 2020.
Auf etwaige Risiken hat der Verordnungsgeber damit ausreichend reagiert.“
Ein bisschen lang, wie OVG-Beschlüsse es häufig sind. Aber vielleicht liest es ja der ein oder andere Demonstrant von Samstag doch…..
Und: Wenn diese Maskenpflicht nun ggf. auch durchgesetzt würde, wäre es gut.