Archiv für den Monat: Juni 2020

Höchstgebühr im Berufungsverfahren, oder: Man glaubt es nicht und traut seinen Augen nicht….

entnommen openclipart.org

Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle – der LG Hechingen, Beschl. v. 29.05.2020 – 3 Qs 43/20 -, ist dann eine Entscheidung, die ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es geht zwar auch um § 14 RVG – dessen Anwendung führt meist nicht zum Lächeln – hier dann aber (ausnahmsweise) aber mal doch.

Der Verteidiger hatte für das Berufungsverfahren, in dem er den (ehemaligen) Angeklagten auch vertreten hatte, die Höchstgebühr des Rahmens aus der Nr. 4124 VV RVG geltend gemacht. Das AG hatte nur die Mittelgebühr festgesetzt. Das LG folgt in der sofortigen Beschwerde dem Verteidiger:

„Die Absetzung durch das Amtsgericht von der geltend gemachten Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren ist zu Unrecht erfolgt, da die Festsetzung des Verteidigers gemäß § 14 Abs. 1 RVG jedenfalls nicht unbillig und mithin verbindlich ist.

Die Geltendmachung der Höchstgebühr nach Nr. 4124 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG erscheint im vorliegenden Fall nicht unangemessen. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Die Festsetzung der Gebühr ist jedoch nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist ein Gebührensatz in der Regel dann, wenn er den Rahmen des Angemessenen um mehr als 20 % übersteigt (Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 14 Rn.56). Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr für „das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Informationen“. Abgegolten wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im Berufungsrechtszug, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Zur Verfahrensgebühr gehört auch die Tätigkeit gegenüber dem Mandanten (Beratung, Besprechung). Zwar kann die Verfahrensvorbereitung für die einzelnen Termine in den Abgeltungsbereich der Terminsgebühr (als „besondere Gebühr“) fallen. Dies ist bei dem vorliegenden umfangreichen Verfahren, bei welchem vier Termine erforderlich waren und der erste über acht Stunden dauerte, indes nicht für die gesamte Vorbereitungszeit der Fall. Es bedurfte zunächst des Aufbaus einer Verteidigungsstrategie für das Berufungsverfahren indegesamt, die mit dem Mandanten abgesprochen werden musste. Die allgemeine Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat Auswirkungen auf die Verfahrensgebühr (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4124 Rn. 10). Die vom Verteidiger mit seiner Erinnerung dokumentierten Besprechungen und weiteren Tätigkeiten vom 23. Mai 2019 (telefonische Besprechung), vom 19. Juni 2019 (Aufbereitung/Abgleich Urteil und HV-Protokolle 1. Instanz), vom 15. Juli 2019 (Terminsabstimmung/Telefonat/Diktat) und vom 16. August 2019 (telefonische Besprechung) belegen, dass der Rechtsanwalt „sein Geschäft“ in diese Richtung umfangreich betrieben hat. Auf der Grundlage der sog. Mittelgebühr, von der auszugehen ist, können also gebührenerhöhend diese zeitintensiven Tätigkeiten, der Umfang der erstinstanzlichen Akte und die Vielzahl der Termine berücksichtigt werden, bei welcher eine Gesamtübersicht im Blick behalten werden musste. Eine Gesamtschau all dieser Umstände zeigt, dass eine erheblich über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr gerechtfertigt und die Höchstgebühr zumindest nicht unbillig ist.

Die Differenz zwischen der bereits zuerkannten Mittelgebühr und der Höchstgebühr beträgt netto 240 €. Die darauf fallende Umsatzsteuer beträgt 45,60 €. Um die Summe (285,60 €) war der festzusetzende Betrag zu erhöhen.“

Ja, Festsetzung der Höchstgebühr. Man glaubt es nicht und traut seinen Augen nicht. Dass man das noch erleben darf 🙂 .

Mittelgebühr in Bußgeldverfahren, oder: Teilweise unbelehrbare Landgerichte

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Am Gebührenfreitag eröffne ich mit einer Entscheidung des LG Hanau, leider eine „zum Ärgern“. Das LG hat im LG Hanau, Beschl. v. 18.05.2020 – 7 Qs 38/20 – zur Frage der Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren Stellung genommen. Der Verteidiger hatte Gebühren in Höhe von 50 % über der Mittelgebühr geltend gemacht, die Bezirksrevisorin hatte Gebühren 30 % unter der Mittelgebühr als angemessen angesehen. Der Rechtspfleger folgt (natürlich) der Bezirksrevisorin. Und das LG meint dann auf das Rechtsmittel des Verteidigers dazu:

„Das Amtsgericht hat die Gebührenkürzungen zu Recht vorgenommen.

Es wird vorliegen auf die ständige Rechtsprechung des Landgerichts Hanau verwiesen. Danach lautet es wie folgt:

,,Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Verfahrens ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus anderen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Nach den Bewertungsmaßstäben der Kammer ist eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit keineswegs gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall aller Ordnungswidrigkeitenbereiche. Auf diesen Durchschnittsfall ist die Mittelgebühr zugeschnitten und nicht auf einen Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die weit überwiegende Anzahl der Verkehrsordnungswidrigkeiten beinhaltet alltägliche Verkehrsübertretungen, die in großer Zahl auftreten und zu deren Verfolgung und Ahndung in allen Verfahrensabschnitten überwiegend automatisiert bzw. standardisiert gearbeitet wird, auch auf Seiten der Verteidiger. Diese Massenverfahren weisen weder einen komplizierten Sachverhalt auf noch ist bei ihrer Bearbeitung ein umfangreicher Zeit- oder Begründungsaufwand erforderlich, Deshalb scheint es insbesondere mit Blick auf die Höhe der Verteidigergebühren in Strafsachen für die Kammer nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgebühr aller Ordnungswidrigkeitenverfahren anzusetzen. Auch die große Anzahl der Verfahren rechtfertigt dies nicht. Die Mittelgebühr ist auf den allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zu geschnitten (vgl. LG Landshut, Entscheidung v. 19.01.2017, Az.; 3 Os 1417, zitiert nach Juris; LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.05.2015, Az.: 5/9 Os OWi 26115).“

Der vorliegende Sachverhalt gibt keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Es handelte sich lediglich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einem Bußgeld von 160 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot geahndet wurde.

Aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung bedurfte es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, so dass das Verfahren mit einfachem Beschluss eingestellt werden musste. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, inwieweit Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit von einer durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeit abgewichen sein soll, Das bloße Verlangen ergänzender Akteneinsicht unter Vorlage der Dokumentationsfotos hinsichtlich eines längeren Messzeitraums führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Denn hieraus folgt keine andere Bewertung hinsichtlich der Durchschnittlichkeit der Verkehrsordnungswidrigkeit.

Mithin bleibt es auch im vorliegenden Fall bei der seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts.“

Wenn es in dem Beschluss in meinen Augen ein wenig „stolz“ anklingt: „Mithin bleibt es auch im vorliegenden Fall bei der seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts.“ kann ich dazu sagen: Darauf muss man nicht stolz sein. Denn siese Mithin bleibt „seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts“ ist dann seit Jahren falsch. Denn die Unterteilung, die das LG vornimmt ergibt sich nicht aus § 14 RVG. Aber: Das kann man predigen uns schreiben, so viel man will und Lust/Zeit hat. Die Landgerichte, die diese falsche Auffassung vertreten, sind in ihrer unerforschlichen Weisheit von diesem falschen Kurz nicht abzubringen. Zum Glück gibt aber auch welche, die es anders = richtig machen und von der Mittelgebühr auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ausgehen. Die Staatskasse freut natürlich diese falschen Entscheidungen.

Fazit: Es hätte die Mittelgebühr als Ausgangspunkt für die Gebührenbeechnung zugrunde gelegt werden müssen. Die wäre dann entspechend den vorliegenden Umständen angemessen zu erhöhen oder zu reduzieren gewesen. M.E. hätte man es hier bei der Mittelgebühr belassen müssen/können. Jedenfalls sehe ich nicht genügend Umstände, um die Mittelgebühr um 50% zu überschreiten. Allerdings auch keine, um sie um 30 % zu unterschreiten 🙂 .

Dolmetscher III: Erst mit – dann ohne (erforderlichen) Dolmetscher, oder: Unverständlich

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Die letzte Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 24.03..2020 – 2 Ws 11/20 – behandelt eines „Dolmetscherproblematik“ aus dem Bereich der Strafvollstreckung.

Der Verurteilte befindet Maßregelvollzug. Anlässlich der ersten Fortdauerprüfung beraumte die Strafvollstreckungskammer einen Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten für den an. Im Verlauf dieser Anhörung beriet sich die Kammer dahin, dass ein neuer Termin mit Dolmetscher anberaumt werden sollte, weil beim Veruretilten zwar der Verdacht einer Simulation von sprachlichem Unverständnis bestehe, das Ausmaß des deutschen Sprachverständnisses aber unklar sei. Zum neuen Anhörungstermin wurde ein Dolmetscher für die chinesische Sprache geladen, der jedoch nicht erschien. Gleichwohl führte die Strafvollstreckungskammer die Anhörung des Untergebrachten durch, wobei sich dieser ausweislich des Anhörungsvermerks in „bruchstückhaftem Deutsch“ äußerte.

Die Strafvollstreckungskammer hat dann – ohne weitere Anhörung des Verurteilten – die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil die Strafvollstreckungskammer trotz erkannter Sprachdefizite seine Anhörung ohne Dolmetscher durchgeführt habe. (Natürlich) mit Erfolg:

„2. Sie hat auch in der Sache (zumindest vorläufigen) Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts sowie zur Zurückverweisung der Sache.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem durchgreifenden Verfahrensfehler.

Es mangelt an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Beschwerdeführers.

Die beiden von der Strafvollstreckungskammer durchgeführten Anhörungen des Untergebrachten erfüllen nicht die Voraussetzungen einer umfassenden Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG.

Aus § 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO folgt, dass vor einer Fortdaueranordnung die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Person mündlich anzuhören ist. Die gesetzlich zwingende Anhörung dient dabei der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Gewährung rechtlichen Gehörs und der bestmöglichen Sachverhaltsermittlung (vgl. Appl in KK-StPO 8. Aufl., § 454 Rn. 18 mwN). Sie soll dem Untergebrachten die Möglichkeit geben, sich zu der ihm drohenden nachteiligen Entscheidung umfassend zu äußern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 453 Rn. 6). Der Anzuhörende muss dabei Gelegenheit erhalten, seine Standpunkte und Anliegen an das Gericht unbefangen und ausführlich darzulegen (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 454 Rn. 38). Grundvoraussetzung hierfür ist es, dass der Untergebrachte den Kommunikationssträngen der Anhörung sprachlich zu folgen vermag und seine eigenen Erwägungen in einer Sprache vorbringen kann, die ihm eine bestmögliche inhaltliche, aber auch emotionale Differenzierung gestattet. Ergeben sich Zweifel, ob der Anzuhörende hierzu in ausreichendem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, muss die mündliche Anhörung nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. August 2009 – 2 Ws 221/09 –, juris Rn. 12, zu § 453 StPO).

Nach diesen Maßstäben war hier die Durchführung der mündlichen Anhörung unter Beteiligung eines Dolmetschers für die chinesische Sprache geboten.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Anhörungsvermerk vom 20. November 2019 dokumentiert, dass sie keine Klarheit über den Umfang des Sprachverständnisses des Beschwerdeführers gewinnen konnte und daher – folgerichtig – entschieden, dass ein neuer Termin mit Dolmetscher anberaumt werden solle. Das Ausbleiben des geladenen Dolmetschers im Termin vom 19. Dezember 2019 hätte die Kammer indes nicht zum Anlass nehmen dürfen, den Untergebrachten nun doch ohne Übersetzungsmöglichkeiten anzuhören. Ausweislich des weiteren Anhörungs-vermerks äußerte sich der Beschwerdeführer im zweiten Termin in „bruchstückhaftem Deutsch“. Dies schließt es aus, dass sich der Untergebrachte gegenüber dem Gericht im gebotenen Maße differenziert erklären konnte und begründet zudem Zweifel, ob die von der Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage seiner Äußerungen gewonnenen Erkenntnisse zur Persönlichkeit und zum Krankheitsbild des Untergebrachten auf hinreichend authentischen Eindrücken beruhen….“

Manchmal kann man für Entscheidungen kein Verständnis aufbringne. Wie kann man als StVK, nachdem man erst selbst die Zuziehung eines Dolmetschers für erforderlich erachtet hat, dann letztlich doch ohne Anhörung des Verurteilten in Gegenwart eines Dolmetschers entscheiden. es kann doch nicht nur darum gehen, die Akten vom Tisch zu bekommen.

Dolmetscher II: Verfahrensrüge Zeugenvernehmung ohne Dolmetscher, oder: Wie ist die zu begründen?

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Ich hatte gestern ja bereits auf den KG, Beschl. v. 27.11.2019 – (3) 161 Ss 151/19 (96/19) – hingewiesen (vgl. StPO III: Telekommunikationsüberwachung bei einer “Nichtkatalogtat” nach § 100a Abs. 2 StPO, oder Verwertbarkeit)  – und angekündigt, auf den zurückzukommen. Das tue ich dann gleich heute.

Es passt ganz gut, das der Beschluss auch eine Übersetzer-/Dolmetscherproblematik hat. Der Angeklagte hatte mit der Verfahrensrüge nämlich auch geltend gemacht, dass in der Hauptverhandlung bei der Vernehmung eines Zeugen kein Dolmetscher zugezogen worden sei. Erfolglos:

„b) Der Vortrag, der Zeuge M D sei in der Hauptverhandlung ohne die Hinzuziehung eines Dolmetschers vernommen worden, gleichwohl er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, verhilft der Revision ebenso nicht zum Erfolg. Zwar kann die fehlende Hinzuziehung eines Dolmetschers für einen Zeugen nach § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO die Revision begründen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2005, 178). Zur Zulässigkeit einer solchen Verfahrensrüge wäre es indessen – zumal den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte für nicht ausreichende Sprachkenntnisse des Zeugen zu entnehmen sind – erforderlich gewesen, konkret vorzutragen, aufgrund welcher Tatsachen sich dem Gericht die Notwendigkeit der Beiziehung eines Dolmetscher aufdrängen musste. Es bedarf hierzu der Darlegung, aus welchen Gründen der Zeuge der Hauptverhandlung wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht zu folgen vermochte, wozu in der Regel die genaue Angabe der einzelnen Umstände derentwegen die Zuziehung eines Dolmetschers geboten war, zu erfolgen hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2001 – 5 St RR 168/01 -, BeckRS 2001, 16060 [bezogen auf den Angeklagten]).

Daran fehlt es. Allein die Mitteilung, dass der Zeuge nur schlecht und gebrochen deutsch spreche und die Wiedergabe der nach Angaben der Revision von dem Zeugen getätigten Äußerung „B, gute Mensch, sie nix schlecht, sie gut, sie nix wissen“ vermag diese Anforderungen nicht zu erfüllen. Die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen muss vielmehr so vollständig und genau sein, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 344 Rn. 24 m.w.N.).

Überdies wäre die Rüge aber auch unbegründet. Ausweislich der Urteilsgründe bestanden keine Verständigungsprobleme mit dem Zeugen. Ist der Verfahrensbeteiligte zumindest teilweise der deutschen Sprache mächtig, steht dem Tatrichter bei der Entscheidung der Frage, ob ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist, ein Ermessen zu (vgl. BGH NStZ 2002, 275; NJW 1953, 114), das vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden kann, ob Ermessensfehler vorliegen (vgl. BGH NStZ 1984, 328; OLG Stuttgart NJW 2006, 3796). Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Strafkammer sind nicht gegeben.“

Dolmetscher I: Ausländischer Angeklagter, oder: Keine Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe

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Heute dann nochmals StPO-Entscheidungen, Unterthema: Überstzung und/oder Dolmetscher.

An der Spitze steht der BGH, Beschl. v. 18.02.2020 -3 StR 430/19 -, der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ist. Gegenstand der Entscheidung ist die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein ausländischer Angeklagter einen Anspruch auf schriftliche Übersetzung eines nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Strafurteils hat, wenn der Angeklagte verteidigt ist, er und sein Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend waren und dem Angeklagten die Urteilsgründe durch einen Dolmetscher mündlich übersetzt wurden. Im entschiedenen Fall war eine schriftliche Übersetzung des Urteils unterblieben.

Der Angeklagte hatte im Revisionsverfahren beanstandet, keine Übersetzung des angegriffenen Urteils in seine Muttersprache erhalten und seit der Urteilsverkündung keinen Kontakt mit seinem Verteidiger gehabt zu haben. Zugleich hatte er einen entsprechenden Übersetzungsantrag gestellt. Der BGH hat die Zustellung als wirksam angesehen:

2. Das Landgericht hat das Urteil ohne schriftliche Übersetzung wirksam zugestellt (§ 37 Abs. 3 StPO). Der Angeklagte hatte weder aus § 187 GVG (dazu a)) noch aus der diesem zugrundeliegenden Richtlinie 2010/64/EU (dazu b)) noch aus Art. 6 EMRK (dazu c)) noch unmittelbar aus dem Grundgesetz (dazu d)) einen Anspruch auf Anfertigung einer schriftlichen Übersetzung. Für diese Frage, die der Bundesgerichtshof bisher nicht tragend entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – 1 StR 320/17, juris Rn. 37; s. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 – 4 StR 506/17, BGHR GVG § 187 Abs. 2 Übersetzung 1 [Vorsitzendenentscheidung]), gilt:

Ein Anspruch auf schriftliche Übersetzung eines nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Strafurteils besteht nicht, wenn der Angeklagte verteidigt ist, er und sein Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend waren und dem Angeklagten die Urteilsgründe durch einen Dolmetscher mündlich übersetzt wurden, sofern der Angeklagte nicht ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse an einer schriftlichen Übersetzung hat (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 13. September 2018 – 1 StR 320/17, BGHSt 63, 192; vom 22. Januar 2018 – 4 StR 506/17, BGHR GVG § 187 Abs. 2 Übersetzung 1; vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, NStZ 2014, 725; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. Mai 2016 – 1 Ws 82/16, juris; OLG Hamm, Beschlüsse vom 26. Januar 2016 – III-1 Ws 8/16, juris; vom 11. März 2014 – III-2 Ws 40/14, NStZ-RR 2014, 217; OLG Celle, Beschluss vom 22. Juli 2015 – 1 Ss (OWi) 118/15, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. März 2014 – 2 Ws 63/14, NStZ-RR 2014, 183; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Januar 2014 – 6-2 StE 2/12, juris; BeckOK StGB/ Walther, § 187 GVG Rn. 3; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 187 Rn. 16, 18; KK-Diemer, StPO, 8. Aufl., § 187 GVG Rn. 4; LR/Krauß, StPO, 26. Aufl., § 187 GVG Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 187 GVG Rn. 4; SSW-StPO/Rosenau, 3. Aufl., § 187 GVG Rn. 7; SSW-StPO/Mosbacher/Claus, 3. Aufl., § 37 Rn. 58; aA MüKoStPO/Gaede, Art. 6 EMRK Rn. 275; SK-StPO/ Frister, 5. Aufl., § 187 GVG Rn. 10; SK-StPO/Meyer, 5. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 537; Kotz, StRR 2014, 364; Bockemühl, StV 2014, 537; Eisenberg, JR 2013, 442; Heldmann, StV 1981, 251; Sieg, MDR 1981, 281; Schmidt, Verteidigung von Ausländern, 4. Aufl., S. 131 f.; vgl. auch LR/Esser, StPO, 26. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 849; differenzierend MüKoStPO/O.lakcio.lu, § 187 GVG Rn. 27, 48 f.; Römer, NStZ 1981, 474; Schneider, StV 2015, 379; Yalcin, ZRP 2013, 104).

Ob hiervon Abweichendes in Betracht kommt, wenn es sich – anders als im vorliegenden Fall – um Sonderkonstellationen wie in Abwesenheit des Angeklagten ergangene Berufungsurteile (vgl. OLG München, Beschluss vom 18. November 2013 – 4 StR 120/13, StV 2014, 532) oder Strafbefehle (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 – C-278/16, NJW 2018, 142 Rn. 34; LG Stuttgart, Beschluss vom 12. Mai 2014 – 7 Qs 18/14, NStZ-RR 2014, 216; vgl. hierzu auch die Übersicht bei BeckOK StPO/Larcher, § 37 Rn. 39 ff. sowie Sandherr, NZV 2017, 531) und damit um Fälle handelt, in denen dem Angeklagten mit der Zustellung der Entscheidung zugleich rechtliches Gehör gewährt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 – C-278/16, NJW 2018, 142 Rn. 30; SSW-StPO/Mosbacher/Claus, 3. Aufl., § 37 StPO Rn. 59), bedarf hier keiner Entscheidung.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des BGH bitte selbst im umfangreichen Volltext nachlesen.

Den Übersetzungsantrag des Angeklagten hat der BGH dann – folgerichtig – mit BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 3 StR 430/19 – zurückgewiesen.