StPO I: Kann der Ehemann über das Urteil seiner Frau entscheiden?, oder: Besorgnis der Befangenheit

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In die 15. KW./2020 starte ich dann mit dem BGH, Beschl. v. 27.02.2020 – III ZB 61/19. Der kundige Leser wird am Aktenzeichen erkennen, dass es sich um eine Entscheidung des BGH aus einem Zivilverfahren handelt. Richtig. Ja, und es ist auch richtig, dass die Entscheidung nicht an einem Samstag im „Kessel Buntes“ läuft. Denn die vom BGH entschiedene Frage kann auch im Bußgeld- und/oder Strafverfahren eine Rolle spielen. Es geht nämlich um die Problematik: Beteiligung von Ehepartnern am Verfahren und Besorgnis der Befangenheit? Grundlage der Entscheidung ist folgender Sachverhalt:

In dem ursprünglich beim AG Koblenz anhängigen Verfahren macht die Klägerin gegen den Beklagten Ansprüche aus einem Beratungsvertrag geltend. Im erstinstanzlichen Verfahren war Richterin am AG H. zur Entscheidung über die Klage berufen. Nachdem ein gegen sie gerichtetes Ablehnungsgesuch des Beklagten zurückgewiesen worden war, verurteilte sie ihn im Wesentlichen antragsgemäß, an die Klägerin 3.808,00 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist bei der 6. Zivilkammer des LG Koblenz anhängig, deren Mitglied – bis zu seinem Tod am 4.12.2019 – der Ehemann von Richterin am AG H. war.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren Richter am AG H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat ausgeführt, dass der abgelehnte Richter mit der erkennenden Richterin erster Instanz verheiratet sei, begründe die Besorgnis der Befangenheit. Die Berufungsbegründung stütze sich wesentlich auf die Prozessführung und Beweiswürdigung durch die Ehefrau des abgelehnten Richters. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass während des zwei Jahre dauernden Verfahrens erster Instanz Gespräche und Beratungen zwischen den Eheleuten stattgefunden hätten.

Richter am AG H. hat sich zu dem Ablehnungsgesuch des Beklagten dahingehend geäußert, seine Frau habe ihm gegenüber erwähnt, sie sei in einem Verfahren von dem Beklagten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Eine inhaltliche Befassung mit diesem Verfahren habe nicht vorgelegen. Er habe von ihm erst dadurch Kenntnis erlangt, dass er in Vertretung des Kammervorsitzenden am 4.7.2019 die Frist zur Begründung der Berufung verlängert habe.

Das LG hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten für unbegründet erklärt. Hiergegen richtet sich die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde des Beklagten. Dieser hat nach dem Tod von Richter am Amtsgericht H. die Rechtsbeschwerde für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin hat sich der Erledigungserklärung des Beklagten nicht angeschlossen.

Der BGH hat für erledigt erklärt und ausgeführt, dass die Rechtsbeschwerde war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses – dem Tod des vom Beklagten abgelehnten Richters – zulässig und begründet war:

„a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der betroffenen Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (st. Rspr.; siehe nur Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2020 – III ZR 160/19, juris Rn. 5 und vom 25. Mai 2016 – III ZR 140/15, juris Rn. 3 mwN).

In Anwendung dieser Grundsätze stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar (Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 – II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f und vom 17. März 2008 – II ZR 313/06, NJW 2008, 1672; vgl. auch Senat, Beschluss vom 26. August 2015 – III ZR 170/14, juris Rn. 3; a.A. z.B. Feiber, NJW 2004, 650 f; Zöller/ G. Vollkommer aaO § 42 Rn. 13a mwN; auf weitere Umstände abstellend: BSG, Beschlüsse vom 24. November 2005 – B 9a VG 6/05 B, juris Rn. 8 und vom 18. März 2013, BeckRS 2013, 68558 Rn. 6 ff).

Ob hieran festzuhalten ist, kann offenbleiben. Denn der vorliegende Fall unterscheidet sich von den höchstrichterlich bisher entschiedenen Konstellationen dadurch, dass die Ehefrau des abgelehnten Richters nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichterin allein verantwortet hat. Jedenfalls dieser Umstand vermochte den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu begründen. Denn aus Sicht des Beklagten konnte die Alleinverantwortung der Ehefrau des abgelehnten Richters für das angefochtene Urteil die Bedeutung des ehelichen Näheverhältnisses in Gestalt einer – zumindest unbewussten – Solidarisierungsneigung des abgelehnten Richters verstärken. Letztere ist nicht in gleichem Maße zu erwarten, wenn der Ehegatte des abgelehnten Richters lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat (vgl. zu dieser Konstellation BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 aaO).“

2 Gedanken zu „StPO I: Kann der Ehemann über das Urteil seiner Frau entscheiden?, oder: Besorgnis der Befangenheit

  1. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Dass man das überhaupt diskutieren muss… Wahnsinn. Natürlich ist das ein Ablehnungsgrund. Es kommt doch nur auf die Sicht des verständigen Dritten an. Ich verstehe nicht, wieso man überhaupt eine Geschäftsverteilung am LG so regelt, dass (V?)RiLG Berufungskämmerer „über“ seiner Frau ist. Das ist doch mit Anlauf in die Katastrophe…. So dämlich regelt sich normalerweise nur das LG Augsburg selbst (Stichwort „Liebeskammer“)

  2. Emigrant

    @ RichterimOLGBezirkMuenchen

    Das Gleiche ging mir auch durch den Kopf.
    Unabhaengig von der Geschaeftsverteilung haette sich der Beisitzer bei der Berufungskammer aber selbst fuer befangen erklaeren muessen. Soviel Intelligenz muesste selbst beim Landgericht vorhanden sein.

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