StPO II: Nochmals – Auswertung von Laptos usw., oder: Gegenvorstellung der StA unzulässig/unbegründet

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Ich hatte heute morgen über den LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 – 22 Qs 1/19 – berichtet (vgl. dazu: StPO I: Auswertung von Laptos usw., oder: 14 Monate Dauer sind zu lang).

Dazu kann ich dann noch einen Nachtrag liefern. Der StA hat der Beschluss des LG nicht gefallen und sie hat mit einer „Gegenvorstellung nachgelegt“. Das LG dann aber auch, denn es sagt im LG Cottbus, Beschl. v. 29.05.2019 – 22 Qs 1/19 – : Die Gegenvorstellung ist unzulässig und auch unbegründet:

„1. Die Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft ist bereits unzulässig.

Gegenvorstellungen sind – als Ausfluss des Petitionsrechts (Art. 17 GG) – grundsätzlich statthaft gegen Entscheidungen, die das Gericht selbst wieder aufheben darf. Die auf eine einfache Beschwerde ergangene letztinstanzliche Entscheidung schließt jedoch das Beschwerdeverfahren ab und erwächst in formeller Rechtskraft. Diese Entscheidungen sind grundsätzlich nicht mehr angreifbar, da andernfalls die Rechtskraft durchbrochen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Entscheidung grobes prozessuales Unrecht im Sinne von schwerwiegenden Verfahrensfehlern einhergeht, sie eine Grundrechtsverletzung beinhaltet oder auf einem offensichtlichen bzw. ohne weiteres erkennbaren Irrtum beruht (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, 2018, Vor § 296 Rn. 24 f.; Allgayer in: Münchner Kommentar zur StPO, 2016, § 296 Rn. 13, beck-online). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor und werden von der Staatsanwaltschaft auch nicht vorgetragen. Die Entscheidung der Kammer enthält weder offensichtliche Unrichtigkeiten noch wird durch diese erkennbar in ein Grundrecht der Beteiligten eingegriffen. Die Staatsanwaltschaft ist schon kein Grundrechtsträger, der Beschuldigte wird durch die Entscheidung der Kammer nicht beschwert. Sie kann mithin keinen neuen Grundrechtseingriff darstellen. Auch ein schwerwiegender Verfahrensfehler, wie beispielsweise die Verletzung rechtlichen Gehörs, ist nicht ersichtlich.

2. Die Gegenvorstellung wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Kammer hat bei Ihrer Verhältnismäßigkeitsabwägung sehr wohl bedacht, dass hier keine freiheitsentziehende Maßnahme zur Überprüfung stand, sondern lediglich eine in das Grundrecht nach Art. 14 GG eingreifende vorläufige, der Durchsicht von Speichermedien dienende Sicherstellung im Rahmen der noch andauernden Durchsuchung. Indes ist zur Überzeugung der Kammer auch solchen Eingriffen eine zeitliche Grenze gesetzt, die zwar nicht demselben (strengen) Maßstab wie bei freiheitsenziehenden Maßnahmen unterliegt, andererseits aber auch nicht allein mangels personeller Ausstattung der Ermittlungsbehörden ins Uferlose ausgedehnt werden kann. Die Kammer ist sich bei der solchermaßen vorzunehmenden Abwägung des mit der Durchsicht von Speichermedien erforderlichen Aufwandes durchaus bewusst gewesen. Dieser hatte hier aber keinen Einfluss auf die Dauer der Durchsicht, denn mit dieser wurde erst nach über 12 Monaten seit der Sicherstellung begonnen. Das mit der Durchsicht befasste Landeskriminalamt hat dies sinngemäß mit seiner Überlastung begründet. So habe sich die Auswertung selbst nach einer Dringlichkeitsverfügung vom 13. Dezember 2018 (11 Monate nach vorläufiger Sicherstellung) zunächst erst noch in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswerteaufträge eingereiht. Erst im Februar 2019 (nach 13 Monaten) sei der „Vorgang in Bearbeitung“, der im Übrigen augenscheinlich bis heute (nach nunmehr über 16 Monaten) nicht abgeschlossen ist.

Davon ganz abgesehen kann der von der Staatsanwaltschaft nur allgemein – d.h. abstrakt und nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen – dargestellte erhöhte Aufwand der Durchsicht und Auswertung von Speichermedien die lange Dauer in dem hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall allein nicht rechtfertigen, weil offen bleibt, ob die den Aufwand der Datenauswertung ganz allgemein erhöhenden Gründe hier überhaupt zum Tragen gekommen sind. Vielmehr hätte es hierfür eines konkret auf den zu entscheidenden Einzelfall bezogenen Vortrags bedurft, warum und in welcher Weise sich ein erhöhter Aufwand bei der Durchsicht der Speichermedien ergeben haben soll. In Anbetracht dessen, dass hier mit der Durchsicht nach über einem Jahr überhaupt erst begonnen wurde und die Staatsanwaltschaft auch in ihrer Gegenvorstellung nichts Handgreifliches dafür vorträgt, warum die Durchsicht nach (seit Februar 2019) nunmehr weiteren 4 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist, geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass die Ursachen allein in der personellen Unterbesetzung der mit der Auswertung befassten Stellen zu suchen sind. Die Kammer gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass nunmehr bereits mehr als 16 Monate seit der vorläufigen Sicherstellung und mehr als 5 Monate sei Einlegung der Beschwerde verstrichen sind.

Schließlich sind entgegen der Darstellung der Staatsanwaltschaft offenkundig auch nicht die möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen und erschöpft, um diesen Zustand der Überlastung bzw. personellen Unterbesetzung zu beheben. Eine Aufstockung des Personals sowohl in quantitativer als auch qualitativer (Sachverständige) Hinsicht erscheint der Kammer nicht nur möglich und zumutbar, sondern im Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenvorstellung beschriebenen deutlich zugenommenen und erhöhten Aufwand der Auswertung entsprechender Speichermedien sogar dringend geboten.

Dass entsprechende Maßnahmen – ähnlich wie auch im Bereich der Ausstattung der Gerichte -von den zuständigen Stellen nicht ergriffen werden und dies auch nicht von der Staatsanwaltschaft zu verantworten ist, ändert nichts daran, dass der mit der vorläufigen Sicherstellung verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschuldigten – hier auch unter Berücksichtigung des etwas abgeschwächten Verdachtsgrades sowie des bisher zutage getretenen Ausmaßes der inkriminierten Handlung – nicht mehr verhältnismäßig ist.“

5 Gedanken zu „StPO II: Nochmals – Auswertung von Laptos usw., oder: Gegenvorstellung der StA unzulässig/unbegründet

  1. Karl-Otto

    Ja, die Überlastung infolge unzureichender Personalausstattung muss für sich genommen unerheblich sein. Dass die Vorenthaltung billiger Allerweltstechnik schon nach 15 Monaten unverhältnismäßig wird, ist angesichts des Umstands, dass mit der Rückgabe das einzige Beweismittel für eine erhebliche Straftat vernichtet wird, aber geradezu abwegig.

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Mit dem Totschlagargument „abwegig“ müssen Sie mir nicht kommen. Die StA mag aus dem Quark kommen. Sie ist Herrin des Verfahrens.

    Im Übrigen: Der einsendende Kollege berichtet, dass die StA sich weigert die Gegenstände herauszugeben. Unfassbares Verhalten der StA.

  3. RiAG

    Dabei ist es soooo einfach und dauert allenfalls Stunden (!) eine Festplatte zu klonen. Dann kriegt der Beschuldigte sein Gerät zurück und man in Ruhe auswerten, bis irgendwann Verjährung eintritt. Überlange Dauer wäre überdies zu kompensieren, falls verurteilt wird. Alles möglich. Kostet nicht mal mehr Geld. Es fehlt offenbar am Willen der StA. Dem LG ist vollumfassend zuzustimmen.

  4. meine5cent

    @RiAG
    Das mag für eine Festplatte gelten. Bei Smartphones sieht es schon mal anders aus, da gibt es uU als letzte Möglichkeit die regelmäßig mit Zerstörung/Beschädigung verbundene chip-off- Technik. Wenn also vorher ein paar zerstörungsfreie Methoden erfolglos probiert werden (und ggf. vorab auch noch Entsperrmethoden) kann das also ein paar Tage dauern.
    Das Problem ist halt, dass heutzutage jeder einige Giga- bis Terabyte Speicher hat, verteilt auf diverse unterschiedlich zugängliche Geräte, somit in praktisch jedem Verfahren, bei dem es nicht nur um Trunkenheitsfahrt oder Diebstahl geht inzwischen sehr viel EDV auszuwerten ist und der Hinweis „man möge in die Puschen kommen“ angesichts etwas rarer Ressourcen (es wird ja je nach Bundesland seit Jahren auch extern beauftragt, weil Fachpersonal nicht auf Bäumen wächst und im privaten Bereich uU besser verdient) eher wenig hilfreich ist. Der Wille ist meist da, der Weg oft aber nicht.

  5. Fred Förster

    Ich finde die (ursprüngliche) Entscheidung völlig richtig, verstehe aber nicht, warum das LG hier „nur“ auf der StA rumhackt: Gut, diese hat sich zu dem (nicht gegebenen) „Rechtsmittel“ erdreistet, aber das AG, das 10 Monate für die Auswertungserlaubnis gebraucht hat, wird gar nicht erwähnt? Man darf der StA (bzw. dem LKA) m.E. nur vorwerfen, seit Dez. 2018 nicht zügig angefangen zu haben, darüberhinaus höchstens noch, nicht vorher beim AG die Auswertungserlaubnis „angemahnt“ zu haben! Die Argumentation liest sich aber so, als werfe das LG der StA vor, nicht bereits vor Dez. 2018 (rechtswidrig!) mit der Auswertung begonnen zu haben. Beschuldigtenrechte im Ergebnis gestärkt, aber in der Begründung gröblich verkannt?!

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