Archiv für den Monat: März 2019

Fahrrad als Hindernis auf der Straße, oder: So geht das mit den Urteilsgründen bei § 315b StGB

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 05.12.2018 – 4 StR 505/18. Problematik: Feststellungen bei § 315b StGB – also gefährlicher Eingriff im Straßenverkehr. Das ist mal wieder so eine Entscheidung, in der der BGH dem LG, das „die Enden nicht zusammen bekommen hatte, erklären muss, worauf es bei § 315b StGB ankommt und was das Tatgericht alles feststellen muss:

„1. Der Schuldspruch wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen weder eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen, noch für fremde Sachen von bedeutendem Wert belegen. Auch der erforderliche Gefährdungsvorsatz ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

a) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist, die sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiven nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 4 StR 334/17, Rn. 4; Beschluss vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NZV 1996, 37; Beschluss vom 15. Februar 1963 – 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272 f.). Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist dabei nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Rn. 5; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN). Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN).

Die Urteilsgründe belegen nicht, dass Leib oder Leben der Geschädigten I. und E. in einer diesen Vorgaben entsprechenden Weise konkret gefährdet waren. Die Feststellung, dass die Geschädigte I. eine Vollbremsung einleiten musste und es zu einem Anstoß an das als Hindernis ausgelegte Fahrrad kam, reicht dafür nicht aus. Angaben zu der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit enthält das Urteil nicht. Ob die konkrete Gefahr einer Fehlreaktion der Zeugin I. und eines dadurch bedingten Abkommens von der Fahrbahn bestand, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnehmen. Für die Annahme eines drohenden bedeutenden Sachschadens fehlt es an den erforderlichen Angaben zu dem zu erwartenden Schadensbild, das mit dem entstandenen Schaden nicht identisch sein muss, und dessen Bewertung. Die bloße Angabe des Fahrzeugwertes ist dafür nicht ausreichend.

b) In subjektiver Hinsicht setzt 315b Abs. 1 StGB bei einem sog. Außeneingriff lediglich voraus, dass die Herbeiführung der konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert vom Vorsatz des Täters umfasst war (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237; Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95, BGHSt 41, 231, 239). Dabei ist ein bedingter Vorsatz ausreichend, sodass bereits vorsätzlich handelt, wer die Umstände kennt, die zu der bestimmten Gefährdung geführt haben und den Eintritt der daraus folgenden (konkreten) Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1967 – 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 74; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn. 18).

Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welches Vorstellungsbild der Angeklagte hatte, als er das Fahrrad auf die Straße legte. Die Feststellung, dass es ihm darum ging, Kraftfahrer zum Anhalten zu veranlassen, um deren Fahrzeug an sich zu bringen, deutet – für sich genommen – nicht auf einen Gefährdungsvorsatz hin.“

§ 315b StGB ist schwer, aber so schwer ja nun allmählich auch nicht mehr, nachdem der BGH die Anforderungen an die Urteilsgründe immer wieder dargestellt hat.

Mord im Straßenverkehr, oder: Hamburger Raser Fall

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So, zu Beginn der 10. KW. dann heute zwei Entscheidungen des BGH zum Verkehrsstrafrecht. Vielleicht nicht unbedingt das Richtige zum Rosenmontag, aber es gibt ja Teile in der Bundesrepublik da wird gearbeitet und nicht gefeiert.

Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 16.01.2019 – 4 StR 345/18. Der ist schon als Entscheidung des BGH im sog. Hamburger-Raser-Fall über die Ticker gelaufen. Die – so weit ich das übersehe – erste Entscheidung zur Frage des Mordes im Straßenverkehr. Der BGH hat in diesem Fall die Entscheidung des LG Hamburg, der u.a. wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt worden ist, bestätigt  und folgenden Zusatz angefügt:

„Das Landgericht hat den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt. Nach den Feststellungen war dem Angeklagten, als er absichtlich im Übergangsbereich der Straße An der Alster in die Straße Ferdinandstor auf die Gegenfahrbahn der mehrspurigen nunmehr durch Verkehrsinseln getrennten innerstädtischen Straßen mit möglichst hoher Geschwindigkeit fuhr, bewusst, „dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.“ Ihm war auch „bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.“ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angeklagten gebilligt, weil er „kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen“, verfolgte. Der Zurechnung des eingetretenen Todeserfolges zu dem vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Kausalverlauf steht daher nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht unmittelbar mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte, sondern infolge der Kollisionen mit dem Kantstein am rechten Fahrbahnrand und einer der Verkehrsinseln die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und nach Überqueren des Glockengießerwalls auf der gegenüberliegenden Seite, am Einmündungsbereich des Ballindamms, mit einer Geschwindigkeit von „ca. 130 bis 143 km/h“ ungebremst frontal mit dem ihm entgegenkommenden Taxi des Geschädigten Y.    kollidierte.
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift steht der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Verdeckungsabsicht nicht entgegen, dass das Schwurgericht „tatsachenalternativ“ ein Handeln des Angeklagten in suizidaler Absicht festgestellt hätte. Das Schwurgericht hat vielmehr „nicht klären“ können, ob „auch suizidale Gedanken mit motivgebend waren“; „im Ergebnis“ – so das Landgericht weiter – „war ihm die Chance auf ein Entkommen wichtiger als das sichere Überleben“; dies stellt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht in Frage (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 211 Rn. 68b). Daher kann der Senat offenlassen, ob auch die Voraussetzungen des vom Landgericht weiterhin angenommenen Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln erfüllt sind.“

Gespannt sein darf man da ja immer noch auf die Entscheidung aus Berlin, und zwar aus dem Verfahren, das ja schon mal beim BGH war. Da hatte allerdings ja das LG Berlin zunächst mal einen „Boxenstopp“ einlegen müssen (vgl. 2. Durchgang im Berliner-Kudamm-Raser-Fall vorerst geplatzt, oder: Besorgnis der Befangenheit der Kammer begründet.

Sonntagswitz: Heute geht natürlich nur (?) Karneval…..

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Und dann noch den Sonntagswitz. Für die Thematik konnte ich heute auswählen: Karneval oder Ostfriesen – da ich auf Borkum bin 🙂 . Ich habe mich dann für den Karneval entschieden. Borkum ist öfter 🙂 .

Und da sind dann:

Die Eltern sitzen mit ihrem achtjährigen Sohnemann in der Karnevalskneipe.

Der Köbes bringt die beiden Bier, die der Vater bestellt hat.

Fragt der Sohn: „Bekommt Mama keins?“


„Die Polizei sucht einen Mann, der an den Karnevalstagen Frauen begrapscht“.

„Meinst Du, das wäre ein Job für mich?“


Und immer wieder schön:

Ein Streifenpolizist hält am Karnevalsdienstag einen Jecken im Auto an: „Haben Sie noch Restalkohol?“

Darauf lallt der Jecke: „Herr Wachtmeister, ich verbitte mir diese Bettelei!“


Und dazu passt dann:

Ein Polizist hält einen Karnevalisten mit dem Auto an und fragt: „Haben Sie noch Restalkohol?“

Der Jeck antwortet: „Nein, wir haben alles auf getrunken.“


Und als Zugabe 🙂 :

Warum sind Karnevalswitze nur an Karneval lustig?

Weil man sie nüchtern nur schwer ertragen kann.

Wochenspiegel für die 9. KW, das war Prüffall AfD, Bodycam, Raser, Container und ein „verspotteter“ (?) Betroffener

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Heute dann – obwohl es Karnevalssonntag ist 🙂 – natürlich auch einen Wochenspiegel. Und in dem Wochenspiegel für die 9 KW. weise ich hin auf:

  1. schon mal vorab: BGH – Raser können doch wegen Mordes verurteilt werdenm
  2. BVerfG: Keine Zurückweisung von Vorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO ohne richterliche Fristsetzung,

  3. Ist Containern strafbar?,

  4. Ärzte dürfen nicht für Schwangerschaftsabbrüche werben oder doch? – Die Neufassung des § 219a StGB,

  5. Bodycams bei der Polizei – nicht nur zum Schutz von Polizistinnen und Polizisten!, und dazu: Bodycam-Aufnahmen sind verwertbar,
  6. AfD – „Prüffall“ ohne Rechtsgrundlage?,

  7. Bundestagsfraktion strebt weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts an,

  8. Vorladung als Beschuldiger: Was tun?
  9. für die Karnevalsmuffel: Krawatte abschneiden – Einwilligung erforderlich!
  10. und dann noch aus meinem Blog: Bei Vorsatz “Absehen von einem Drogenfahrverbot überhaupt nicht … möglich”, oder: Will das AG den Betroffenen verspotten?

Wann ist „Karnevalszeit“?, oder: Alaaf und Helau

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Nun, ein bisschen Karneval mache ich dann doch. Daran kommt man ja im Moment nicht vorbei. Allerdings reicht es (noch) nicht für einen Volltext, sondern nur für eine PM. Mehr gibt es nämlich zum ArbG Köln, Urt. v. 11.01.2019 – 19 Ca 3743/18 – derzeit noch nicht.

In dem Urteil geht e um den Begriff der Karnevalszeit in Zusammenhang mit einem Arbeitszeugnis. Dazu das ArbG Köln: Als „Karnevalszeit“ gilt (zumindest in Köln) die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch.In der PM heißt es dann:

„Das Arbeitsgericht Köln hat am 11.01.2019 entschieden, dass eine Kellnerin, die unter anderem am Karnevalssamstag gearbeitet hat, einen Anspruch darauf hat, dass eine „in der Karnevalszeit“ geleistete Tätigkeit in ihrem Zeugnis steht.

Die Klägerin war von März 2013 bis August 2017 bei der Beklagten als Servicekraft beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte die Beklagte der Klägerin ein Zeugnis. Mit dem Inhalt war die Klägerin nicht einverstanden und wollte unter anderem bestätigt erhalten, während der Karnevalszeit gearbeitet zu haben. Sie hatte tatsächlich jedenfalls 2017 am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht gearbeitet. Der Arbeitgeber war der Ansicht diese Tage lägen nicht „in der Karnevalszeit“.

Die Klage hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht hielt fest, dass die Klägerin in der Karnevalszeit gearbeitet hat. Dabei sei die „Karnevalszeit“ kein gesetzlich exakt definierter Begriff. Allerdings bestehe im Rheinland und insbesondere im Kölner Raum gerichtsbekannt kein Zweifel an der Auslegung des Begriffes. Anders als der Begriff der „Karnevalstage“, die sich ggf. nur auf Weiberfastnacht, Rosenmontag sowie Aschermittwoch beziehen könnten, lasse sich die „Karnevalszeit“ als die gesamte Hochzeit auffassen, in der Karneval gefeiert werde, mithin die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch. Da im Rheinland und insbesondere im Kölner Zentrum die Arbeitsbelastung in der Gastronomie in der Karnevalszeit ebenfalls gerichtsbekannt besonders hoch sei, hätten Arbeitnehmer aus der Gastronomie auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeit in dieser Karnevalszeit im Zeugnis besonders erwähnt wird.“

Na dann Helau und Alaaf.