Archiv für den Monat: Februar 2019

Durchsuchung im Bußgeldverfahren, oder: Bei Geschwindigkeitsüberschreitung um 60 km/h verhältnismäßig

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Bei der zweiten „Durchsuchungsentscheidung“ handelt es sich um den LG Hagen, Beschl. v. 17.12.2018 – 46 Qs 85/18. Ergangen ist er im Bußgeldverfahren – ja, richtig gelesen -. Der Betroffene war vom AG wegen einer außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 60 km/h verurteilt und zu einer Geldbuße von 600 EUR verurteitl worden, außerem war ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden. Das OLG hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das AG-Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zurück verwiesen. Nachdem der Betroffene im neuen Hauptverhandlungstermin dann keine weiteren Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht hat, hat das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, um Einkommensnachweisen, Kontoauszügen u.a. zu finden, um so die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen feststellen zu können. Dagegen die Beschwerde.

Das LG folgt dem AG. Hier dann nur der Leitsatz der Entscheidung:

Die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen, dessen Täterschaft hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit in Gestalt einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 60 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften rechtskräftig festgestellt ist, kann im Einzelfall auch dann rechtmäßig sein, wenn die Durchsuchung der Auffindung von Beweismitteln dient, auf Grundlage derer die Höhe der Geldbuße ermittelt werden kann.

Rest bitte im umfangreichen Volltext der Entscheidung selbst nachlesen.

Polizeibeamter unterschlägt 100.000 €, oder: Durchsuchung auch bei verjährter Tat?

entnommen openclipart.org

Die 9. KW. eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung. Beide m.E. ganz interessant.

Ich starte mit dem LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2018 – 8 Qs 2/18. Ist schon etwas älter, ich bin auf ihn aber erst jetzt in anderem Zusammenhang bei beck-online gestoßen. Die Entscheidung hat einen ganz interessanten Ausgangssachverhalt:

„Mit Verfügung vom 12.12.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnräume, Nebengelasse, Fahrzeuge und Person des Betroffenen. Es bestehe der Verdacht, dass der Betroffene, der Polizeibeamter ist, am 12.01.2012 im Rahmen einer Leichenschau aus der Wohnung des Verstorbenen 100.000,00 Euro Bargeld an sich genommen habe. Da die Tat, rechtlich eingeordnet als Unterschlagung, inzwischen verjährt sei, werde der Antrag auf §§ 102, 105 StPO i.V.m. § 76a Abs. 2 S. 1, 73 StGB gestützt mit dem Ziel im Rahmen der Durchsuchung weitere Anhaltspunkte zu dem möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro zu finden und gegebenenfalls eine selbstständige Einziehung des Wertes von Tatbeiträgen zu betreiben.

 Das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – hat den Erlass auf Anordnung einer Durchsuchung mit Beschluss vom 20.12.2017 zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Strafverfolgung aufgrund der Verjährung nicht behebbare Verfahrenshindernisse entgegenstünden und eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO daher unstatthaft sei. Auch eine Durchsuchung nach § 103 StPO scheide aus, da keine bewiesenen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Durchsuchung zur Auffindung eines konkreten Beweismittels führen wird.

 Unter Hinweis auf § 76a Abs. 2 StGB hat die Staatsanwaltschaft am 02.01.2018 Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft könne einen Antrag auf selbstständige Einziehung nach § 435 StPO stellen und (erst) im Rahmen dieses Verfahrens könne das Gericht gemäß § 202 StPO Nachermittlungen anordnen.“

Das LG hat anders als das AG die Durchsuchung angeordnet und meint:

„Gemäß § 76a Abs. 2 StGB kann unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c StGB auch in den Fällen, in denen die Tat verjährt ist, eine selbstständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages bzw. des Wertes des Tatertrages erfolgen. § 76a Abs. 2 StGB soll danach nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Vermögensabschöpfung schaffen, um so zu verhindern, dass materielle Nutzen der Tat beim Täter oder Teilnehmer auch nach Verjährung der Straftat verbleiben (siehe dazu auch Gesetzentwurf Drucks. 18/11640, S. 82).

Voraussetzung der §§ 73, 73b und 73c StGB ist allerdings, dass der sichere Nachweis der Begehung der Anknüpfungsstraftat geführt werden kann. Um diesen zu führen, muss die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, Ermittlungen durchzuführen, um gegebenenfalls später ein selbstständiges Einziehungsverfahren gemäß § 435 StPO anzuordnen. Könnte man den staatsanwaltlichen Ermittlungen nun den Einwand der Verjährung vorhalten, würde die Vorschrift des § 76a Abs. 2 StPO im Ergebnis leerlaufen. Dementsprechend eröffnet § 435 StPO die Möglichkeit eines selbständigen Einziehungsverfahrens dann, wenn die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich die Zulässigkeit von Ermittlungen nach den Vorschriften der StPO – zu denen auch die Durchsuchung gehört – auch im selbständigen Einziehungsverfahren.

 Die Durchführung eines selbstständigen Einziehungsverfahrens ist gemäß § 435 StPO zurzeit auch noch nicht zielführend, da die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind. Der Gang über § 202 StPO, wonach das Gericht dann (erst im gerichtlichen selbstständigen Einziehungsverfahren) gegebenenfalls ergänzende Beweiserhebungen anordnen kann, ist nicht weiterführend, da – wie das Amtsgericht zutreffend bemerkt – eine möglicherweise gebotene Nachholung wesentlicher Teil des Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt.

III.

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO liegen vor.

Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen und nicht nur straflos vorbereitet ist, wobei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO; 60. Auflage 2017, § 102 Rn. 2 m.w.N.).

Gegen den Betroffenen besteht der Verdacht am 12.01.2012 Bargeld in Höhe von 100.000,00 Euro aus dem Nachlass des Verstorbenen X2, N-Straße in M-Stadt, unterschlagen zu haben. Der Betroffene war am Tattag als Polizeibeamter mit der Leichenschau des Verstorbenen befasst. Nach Abschluss der polizeilichen Arbeiten des Betroffenen vor Ort sollen aus der Wohnung 100.000,00 Euro, die der Verstorbene nach Angaben der Hinterbliebenen an einem bestimmten Ablageort deponiert haben soll, gefehlt haben. Eine durchgeführte Kontoverdichtung für den tatrelevanten Zeitraum hat ergeben, dass der Betroffene ab Ende Januar 2012 regelmäßig hohe Bargeldbeträge einbezahlt hat, deren Herkunft nicht ermittelt werden konnte. Insgesamt wurden nahezu 88.000,00 Euro eingezahlt.

 Der Betroffene ist ins Visier der Ermittlungen geraten, nachdem er bei einer Leichenschau am 06.05.2017 die Unterschlagung von 320,00 Euro aus dem Nachlass der Verstorbenen zugegeben hat.

 Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung sind, führen wird wie z.B. Bargeld, Einzahlungsbelege über Bargeld, Kontoauszüge, Unterlagen über größere Ausgaben oder Finaztransaktionen und weitere Anhaltspunkte für den möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro.

Es fehlt trotz des Vorliegens des nicht behebbaren Verfahrenshindernisses der Verjährung auch nicht an einer Beweisbedeutung der aufzufindenden Gegenstände, da § 76a Abs. 2 StGB gerade ermöglichen soll, auch bei verjährten Verfahren eine selbstständige Einziehung anzuordnen. Dementsprechend ist es auch zulässig, Ermittlungen durchzuführen.“

Sonntagswitz: Heute seit längerem mal wieder zu den Juristen und so

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Und hier dann der Sonntagswitz am 8. Sonntag des Jahres. Und da in der vergangenen Woche für mich kein richtiger „Aufhänger“ erkennbar war, müssen heute mal wieder die Juristen her halten. Die waren ja auch schon länger nicht mehr dran. Und ja, es kann sein, dass ich den ein oder anderen der nachfolgenden Witze schon mal hatte, denn Witze zu Juristen hat es ja schon öfters gegeben. Das sind dann:

„Ein Arzt und ein Anwalt treffen sich zufällig am Friedhof.

Arzt: „Was machst du hier, schaust du nach Erbschaftsmandaten?“

Anwalt: „Ja, was machst Du, Inventur?“


Staatsanwalt zum Zeugen:
“Sind Sie sicher sicher, dass der Angeklagte ihren Pkw gestohlen hat?”
Zeuge: “Nach den Ausführen des Verteidigers kommen mir Zweifel, ob ich jemals einen Pkw besessen habe.”

So muss es sein 🙂 .


Den hatte ich – glaube ich – schon mal:

Ein Mann fährt mit 130 km/h durch eine geschlossene Ortschaft.

Da winkt ihn der Dorfpolizist an die Seite und sagt: “Sie sind zu schnell gefahren, kann ich bitte ihre Papiere sehen?”

Darauf der Mann: ” Das geht nicht”.

“Warum nicht” fragt der Polizist.

“Na, die Papiere habe ich im Handschuhfach, und darin liegt auch meine Pistole, für die ich keinen Waffenschein habe”.

Der Dorfpolizist ist irritiert und meint: “Das wird ja immer schöner. Bitte steigen sie aus und öffnen Sie ihren Kofferraum”.

“Das geht auch nicht, denn im Kofferraum liegt meine Ehefrau. Die habe ich doch gerade mit der Pistole erschossen”.

Nun wird es dem Dorfpolizisten zu bunt und er ruft Verstärkung aus der Stadt. Schnell ist ein Kommissar mit einer Hundertschaft vor Ort, hört sich die Geschichte des aufgeregten Dorfpolizisten an und versucht sein Glück: “Bitte geben sie mir ihre Fahrzeugpapiere und ihren Führerschein”.

“Aber gern”, sagt der Mann, beugt sich zum Handschuhfach und gibt dem Kommissar das Gewünschte.

Das hat der Kommissar nicht erwartet. Er wundert sich und sagt: ”Und nun steigen sie bitte aus. Wir wollen noch sehen, ob im Kofferraum Warndreieck und Verbandskasten vorhanden sind”.

“Aber gern”, sagt der Mann, steigt sofort aus und öffnet den Kofferraum. Keine tote Ehefrau weit und breit. Der Dorfpolizist ist inzwischen sehr irritiert.

Da beugt sich der Mann zu dem Kommissar und meint: “Mir scheint, Ihr Kollege ist etwas durch den Wind”.

”Das scheint mir auch so”, sagt der Kommissar mit einem abfälligen Blick auf den Dorfpolizisten.

Darauf beugt sich der Mann erneut zum Kommissar: “Die Krönung wäre jetzt, wenn ihr Kollege auch noch behaupten würde, ich wäre mit 130 km/h durch den Ort gerast”.


Und auch imme wieder schön:

Häschen fragt den Anwalt: “Hast Du Vollmacht?”

Anwalt: “Ja!”

Häschen: “Mutu Hose wechseln.”


Die Witze stammen dieses mal von hier.

Wochenspiegel für die 8. KW., das war Datenschutz, Blitzmarathon, Abgasskandal, Vorsteuer beim Honorar und Mobiltelefonhalten

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Und hier kommt dann der Wochenspiegel für die 8. KW. 2019 – wieder eine bunte Mischung von m.E. interessanten Beiträgen anderer Blogs, nämlich:

  1. „Beugearrest bis zu vier Wochen“,

  2. AG Kassel: Betroffener hat Anspruch auf Übersendung der Messdaten durch Verwaltungsbehörde,

  3. Daten(schutz) im Wandel der Mobilität,

  4. Blitzermarathon- jetzt kommen die Folgen,

  5. mal sehen, was daraus wird: OLG Braunschweig: Kein Schadensersatz für Käufer von VW-Schummel-Diesel mit Abschaltautomatik – Revision zum BGH zugelassen,
  6. LG Arnsberg: Keine Halterhaftung auf Privatparkplätzen und kein Anscheinsbeweis gegen Fahrzeughalter

  7. Verteidigerhonorar und Vorsteuer,

  8. OLG Stuttgart: Bewerbung von RaceChip mit überhöhter PS-Steigerung ist irreführend / Chiptuning,
  9. Facebook vs. Bundeskartellamt: Eine datenschutzrechtliche Analyse

  10. und dann noch aus meinem Blog der Renner aus der 8. KW.: OWi I: Mobiltelefon nur halten reicht (auch jetzt) nicht, oder: Habe ich doch schon immer gesagt

VW-Abgasskandal: Schummeln darf sich nicht auch noch lohnen, oder: Es wird enger für VW

entnommen wikimedia.org
Urheber User: High Contrast

Nach dem gestrigen Paukenschlag vom BGH im Verfahren VIII 225/17 (vgl. VW-Abgasskandal: BGH hat die “Faxen dicke”, oder: VW-Schummelsoftware ist Sachmangel) will ich dann mal „die Ecken sauber machen und hier dann auch auf das LG Augsburg, Urt. v. 14.11.2018 – 21 O 4310/16 – hinweisen. Das war ja auch schon Gegenstand der „Berichterstattung“ beim Kollegen Kraft im VerkehrsrechtBlog.

Es geht um einen/den Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegen den Hersteller eines Fahrzeugs wegen Einbaus der Manipulationssoftware in Dieselmotoren. Das LG Augsburg hat entschieden, dass VW einen „Schummel- Diesel“ eben wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (!!) auch noch sechs Jahre nach Kauf des Wagens zurücknehmen und – was neu ist – den Kaufpreis nebst Zinsen vollständig ohne Abzug von Nutzungsentschädigung erstatten muss. Begründung kurz und trocken: Ein Abzug „widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung“:

„Die Klage ist nur gegenüber der Beklagten zu 2) begründet.

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Gegenüber der Beklagten zu 2) liegt keine unzulässige Änderung der Ausübung eines Gestaltungsrechts vor, denn die ursprünglich gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge und die zuletzt gestellten Anträge sind beide auf Schadensersatzansprüche wegen deliktischen Handelns gerichtet. Der Beklagten zu 2) ist auch ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Es ist inzwischen allgemein bekannt und unstreitig, dass die Beklagte zu 2) in Dieselmotoren des Typs EA 189 eine Manipulationssoftware eingebaut hat, die zur Manipulation von Abgasgrenzwerten führte. Dieses Verfahren zielte darauf ab, Umsatzzahlen und im Ergebnis eigenen Gewinn der Beklagten zu 2) durch Täuschung der Kunden zu erzielen. Dieses Vorgehen der Beklagten zu 2) wurde massenhaft angewendet. Dies stellt ein sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB dar. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist der Kläger auch nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet (vgl. EuGH in NJW 08, 1433), denn dies widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung.

Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag genannten Pkw im Annahmeverzug befindet, war zurückzuweisen, denn gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Insoweit geht das Gericht allerdings von einer geringfügigen Zuvielforderung im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 2) aus.

Die geltend gemachten Zinsen sind nach § 291 BGB begründet.“

Tja, allmählich wird es eng(er) für VW.