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Die 9. KW. eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung. Beide m.E. ganz interessant.
Ich starte mit dem LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2018 – 8 Qs 2/18. Ist schon etwas älter, ich bin auf ihn aber erst jetzt in anderem Zusammenhang bei beck-online gestoßen. Die Entscheidung hat einen ganz interessanten Ausgangssachverhalt:
„Mit Verfügung vom 12.12.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnräume, Nebengelasse, Fahrzeuge und Person des Betroffenen. Es bestehe der Verdacht, dass der Betroffene, der Polizeibeamter ist, am 12.01.2012 im Rahmen einer Leichenschau aus der Wohnung des Verstorbenen 100.000,00 Euro Bargeld an sich genommen habe. Da die Tat, rechtlich eingeordnet als Unterschlagung, inzwischen verjährt sei, werde der Antrag auf §§ 102, 105 StPO i.V.m. § 76a Abs. 2 S. 1, 73 StGB gestützt mit dem Ziel im Rahmen der Durchsuchung weitere Anhaltspunkte zu dem möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro zu finden und gegebenenfalls eine selbstständige Einziehung des Wertes von Tatbeiträgen zu betreiben.
Das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – hat den Erlass auf Anordnung einer Durchsuchung mit Beschluss vom 20.12.2017 zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Strafverfolgung aufgrund der Verjährung nicht behebbare Verfahrenshindernisse entgegenstünden und eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO daher unstatthaft sei. Auch eine Durchsuchung nach § 103 StPO scheide aus, da keine bewiesenen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Durchsuchung zur Auffindung eines konkreten Beweismittels führen wird.
Unter Hinweis auf § 76a Abs. 2 StGB hat die Staatsanwaltschaft am 02.01.2018 Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft könne einen Antrag auf selbstständige Einziehung nach § 435 StPO stellen und (erst) im Rahmen dieses Verfahrens könne das Gericht gemäß § 202 StPO Nachermittlungen anordnen.“
Das LG hat anders als das AG die Durchsuchung angeordnet und meint:
„Gemäß § 76a Abs. 2 StGB kann unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c StGB auch in den Fällen, in denen die Tat verjährt ist, eine selbstständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages bzw. des Wertes des Tatertrages erfolgen. § 76a Abs. 2 StGB soll danach nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Vermögensabschöpfung schaffen, um so zu verhindern, dass materielle Nutzen der Tat beim Täter oder Teilnehmer auch nach Verjährung der Straftat verbleiben (siehe dazu auch Gesetzentwurf Drucks. 18/11640, S. 82).
Voraussetzung der §§ 73, 73b und 73c StGB ist allerdings, dass der sichere Nachweis der Begehung der Anknüpfungsstraftat geführt werden kann. Um diesen zu führen, muss die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, Ermittlungen durchzuführen, um gegebenenfalls später ein selbstständiges Einziehungsverfahren gemäß § 435 StPO anzuordnen. Könnte man den staatsanwaltlichen Ermittlungen nun den Einwand der Verjährung vorhalten, würde die Vorschrift des § 76a Abs. 2 StPO im Ergebnis leerlaufen. Dementsprechend eröffnet § 435 StPO die Möglichkeit eines selbständigen Einziehungsverfahrens dann, wenn die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich die Zulässigkeit von Ermittlungen nach den Vorschriften der StPO – zu denen auch die Durchsuchung gehört – auch im selbständigen Einziehungsverfahren.
Die Durchführung eines selbstständigen Einziehungsverfahrens ist gemäß § 435 StPO zurzeit auch noch nicht zielführend, da die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind. Der Gang über § 202 StPO, wonach das Gericht dann (erst im gerichtlichen selbstständigen Einziehungsverfahren) gegebenenfalls ergänzende Beweiserhebungen anordnen kann, ist nicht weiterführend, da – wie das Amtsgericht zutreffend bemerkt – eine möglicherweise gebotene Nachholung wesentlicher Teil des Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt.
III.
Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO liegen vor.
Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen und nicht nur straflos vorbereitet ist, wobei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO; 60. Auflage 2017, § 102 Rn. 2 m.w.N.).
Gegen den Betroffenen besteht der Verdacht am 12.01.2012 Bargeld in Höhe von 100.000,00 Euro aus dem Nachlass des Verstorbenen X2, N-Straße in M-Stadt, unterschlagen zu haben. Der Betroffene war am Tattag als Polizeibeamter mit der Leichenschau des Verstorbenen befasst. Nach Abschluss der polizeilichen Arbeiten des Betroffenen vor Ort sollen aus der Wohnung 100.000,00 Euro, die der Verstorbene nach Angaben der Hinterbliebenen an einem bestimmten Ablageort deponiert haben soll, gefehlt haben. Eine durchgeführte Kontoverdichtung für den tatrelevanten Zeitraum hat ergeben, dass der Betroffene ab Ende Januar 2012 regelmäßig hohe Bargeldbeträge einbezahlt hat, deren Herkunft nicht ermittelt werden konnte. Insgesamt wurden nahezu 88.000,00 Euro eingezahlt.
Der Betroffene ist ins Visier der Ermittlungen geraten, nachdem er bei einer Leichenschau am 06.05.2017 die Unterschlagung von 320,00 Euro aus dem Nachlass der Verstorbenen zugegeben hat.
Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung sind, führen wird wie z.B. Bargeld, Einzahlungsbelege über Bargeld, Kontoauszüge, Unterlagen über größere Ausgaben oder Finaztransaktionen und weitere Anhaltspunkte für den möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro.
Es fehlt trotz des Vorliegens des nicht behebbaren Verfahrenshindernisses der Verjährung auch nicht an einer Beweisbedeutung der aufzufindenden Gegenstände, da § 76a Abs. 2 StGB gerade ermöglichen soll, auch bei verjährten Verfahren eine selbstständige Einziehung anzuordnen. Dementsprechend ist es auch zulässig, Ermittlungen durchzuführen.“