Bei der zweiten „Gebührenentscheidung“, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 15.10.2018 – 2 KLs 1023 Js 6546/17, den mir der Kollege A. Groß aus Wiesbaden, mit der Frage übersandt hat, ob ich entgegenstehende Rechtsprechung kenne. Meine Antwort: Nein, ich kenne auch nur den vom LG erwähnten OLG Jena, Beschl. 20.04.2017 – 1 Ws 354/16.
Gestritten wird in der Sache um die Auslegung des Begriffs der „Höchstgebühr eines Wahlanwalts„ in § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG, und zwar auf der Grundlage folgenden Sahcverhalts: Der Kollege war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Er hat gegenüber der Staatskasse seine Pflichtverteidigergebühren und -auslagen in Höhe von insgesamt 2.412,49 € brutto geltend gemacht. In seinem Festsetzungsantrag hat er mitgeteilt, dass er einen Vorschuss von 1.428,57 € netto erhalten habe. Der Kostenbeamte hat die Vergütung antragsgemäß festgsetzt. Dagegen hat dies Staatskasse Erinnerung eingelegt und beantragt, lediglich eine Vergütung in Höhe von 1.364,61 € festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass auf die weitergehende Forderung gem. § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG die vom Verteidiger mitgeteilte, ihm vor seiner Bestellung zugeflossene Zahlung von 1.428,57 € netto anteilig anzurechnen sei, da die seinen Anspruch begrenzende fiktive Wahlverteidigervergütung nur 1.984,- € netto (ohne Pauschalen) betrage und durch die Summe von dem festgesetztem Betrag und Vorschusszahlung ausgeschöpft sei. Die Bezirksrevisorin ist dabei davon ausgegangen, dass die für die Wertgrenze des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG maßgeblichen „Höchstgebühren eines Wahlverteidigers“ nicht die oberste Gebührengrenze der im Vergütungsverzeichnis zum RVG festgelegten Rahmengebühren eines Wahlanwaltes ist, sondern diejenige, die der Verteidiger im Einzelfall nach billigem Ermessen höchstens verlangen könnte, wenn er das betreffende Mandat als Wahlverteidiger geführt hätte.
Das LG hat sich dem unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Jena angeschlossen (vgl. dazu RVGreport 2018, 95 = Rpfleger 2018, 231). Sinn und Zweck der Neuregelung sei, dass der Pflichtverteidiger nicht mehr an Gebühren erhalten solle, als ihm als Wahlverteidiger zustehen würde. Deshalb seien die nach Maßgabe des § 14 RVG konkret zu ermittelnden fiktiven Gebühren heranzuziehen und nicht die abstrakt höchst mögliche Gebühr des zur Verfügung stehenden Rahmens. Bei Umsetzung des Gesetzeszweckes, dass der Wahlverteidiger nicht mehr erhalten solle, als er erhalten hätte, wenn er von vorneherein Wahlverteidiger gewesen wäre, könne Anknüpfungspunkt für die Vergleichsberechnung aber sinnvollerweise nur die dem Verteidiger konkret zustehende höchste Gebühr und nicht die abstrakt überhaupt höchstmögliche Gebühr in Betracht kommen.
Der Kollege wird ins Rechtsmittel gehen, so dass wir dann demnächst eine weitere OLG-Entscheidung zu der Frage vorliegen haben werden.
Ich habe übrigens bereits in der Anmerkung zur Entscheidung des OLG Jena (RVGreport 2018, 95) darauf hingewiesen, dass zwischen Wortlaut und dem vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgten Zweck der Neuregelung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG durch das 2. KostRMoG keine Konformität besteht. Während der Wortlaut von den „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ spricht, was den Hinweis auf die jeweilige Rahmenhöchstgebühr nahe legt, geht die Gesetzesbegründung zu der Neuregelung davon aus, dass die Neuregelung sicher stellen soll, dass der Rechtsanwalt inklusive erhaltener Zahlungen nicht mehr erhalten soll, als er erhalten würden, wenn er von vornherein als Wahlverteidiger tätig geworden wäre. Dann kann aber Anknüpfungspunkt für die Berechnung/Anrechnung nur die dem Rechtsanwalt konkret als Wahlverteidiger ggf. zustehende höchste Gebühr, also seine „Höchstgebühr“, in Betracht kommen. Alles andere würde, worauf das OLG Jena zutreffend hinweist, die Neuregelung leerlaufen lassen.
Es ist zu hoffen, dass die Frage im anstehenden 3. KostRMoG geklärt wird und die Klärung nicht wieder allein Rechtsprechung und Literatur überlassen wird.