Archiv für den Monat: November 2018

Black-Friday, oder: Anrechnung bzw. was ist die „Höchstgebühr eines Wahlanwalts“?

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Bei der zweiten „Gebührenentscheidung“, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 15.10.2018 – 2 KLs 1023 Js 6546/17, den mir der Kollege A. Groß aus Wiesbaden, mit der Frage übersandt hat, ob ich entgegenstehende Rechtsprechung kenne. Meine Antwort: Nein, ich kenne auch nur den vom LG erwähnten OLG Jena, Beschl. 20.04.2017 – 1 Ws 354/16.

Gestritten wird in der Sache um die Auslegung des Begriffs der „Höchstgebühr eines Wahlanwalts„ in § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG, und zwar auf der Grundlage folgenden Sahcverhalts: Der Kollege war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Er hat gegenüber der Staatskasse seine Pflichtverteidigergebühren und -auslagen in Höhe von insgesamt 2.412,49 € brutto geltend gemacht. In seinem Festsetzungsantrag hat er mitgeteilt, dass er einen Vorschuss von 1.428,57 € netto erhalten habe. Der Kostenbeamte hat die Vergütung antragsgemäß festgsetzt. Dagegen hat dies Staatskasse Erinnerung eingelegt und beantragt, lediglich eine Vergütung in Höhe von 1.364,61 € festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass auf die weitergehende Forderung gem. § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG die vom Verteidiger mitgeteilte, ihm vor seiner Bestellung zugeflossene Zahlung von 1.428,57 € netto anteilig anzurechnen sei, da die seinen Anspruch begrenzende fiktive Wahlverteidigervergütung nur 1.984,- € netto (ohne Pauschalen) betrage und durch die Summe von dem festgesetztem Betrag und Vorschusszahlung ausgeschöpft sei. Die Bezirksrevisorin ist dabei davon ausgegangen, dass die für die Wertgrenze des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG maßgeblichen „Höchstgebühren eines Wahlverteidigers“ nicht die oberste Gebührengrenze der im Vergütungsverzeichnis zum RVG festgelegten Rahmengebühren eines Wahlanwaltes ist, sondern diejenige, die der Verteidiger im Einzelfall nach billigem Ermessen höchstens verlangen könnte, wenn er das betreffende Mandat als Wahlverteidiger geführt hätte.

Das LG hat sich dem unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Jena angeschlossen (vgl. dazu RVGreport 2018, 95 = Rpfleger 2018, 231). Sinn und Zweck der Neuregelung sei, dass der Pflichtverteidiger nicht mehr an Gebühren erhalten solle, als ihm als Wahlverteidiger zustehen würde. Deshalb seien die nach Maßgabe des § 14 RVG konkret zu ermittelnden fiktiven Gebühren heranzuziehen und nicht die abstrakt höchst mögliche Gebühr des zur Verfügung stehenden Rahmens. Bei Umsetzung des Gesetzeszweckes, dass der Wahlverteidiger nicht mehr erhalten solle, als er erhalten hätte, wenn er von vorneherein Wahlverteidiger gewesen wäre, könne Anknüpfungspunkt für die Vergleichsberechnung aber sinnvollerweise nur die dem Verteidiger konkret zustehende höchste Gebühr und nicht die abstrakt überhaupt höchstmögliche Gebühr in Betracht kommen.

Der Kollege wird ins Rechtsmittel gehen, so dass wir dann demnächst eine weitere OLG-Entscheidung zu der Frage vorliegen haben werden.

Ich habe übrigens bereits in der Anmerkung zur Entscheidung des OLG Jena (RVGreport 2018, 95) darauf hingewiesen, dass zwischen Wortlaut und dem vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgten Zweck der Neuregelung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG durch das 2. KostRMoG keine Konformität besteht. Während der Wortlaut von den „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ spricht, was den Hinweis auf die jeweilige Rahmenhöchstgebühr nahe legt, geht die Gesetzesbegründung zu der Neuregelung davon aus, dass die Neuregelung sicher stellen soll, dass der Rechtsanwalt inklusive erhaltener Zahlungen nicht mehr erhalten soll, als er erhalten würden, wenn er von vornherein als Wahlverteidiger tätig geworden wäre. Dann kann aber Anknüpfungspunkt für die Berechnung/Anrechnung nur die dem Rechtsanwalt konkret als Wahlverteidiger ggf. zustehende höchste Gebühr, also seine „Höchstgebühr“, in Betracht kommen. Alles andere würde, worauf das OLG Jena zutreffend hinweist, die Neuregelung leerlaufen lassen.

Es ist zu hoffen, dass die Frage im anstehenden 3. KostRMoG geklärt wird und die Klärung nicht wieder allein Rechtsprechung und Literatur überlassen wird.

Black-Friday, oder: Keine Parkgebühren bei einer „innerstädtischen Geschäftsreise“

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Autor: TomK32

Heute ist „Black-Friday“. Für den BOB ja nichts Besonderes, denn hier ist freitags immer „Money-Tag, dann geht es nämlich ums Geld bzw. um Gebühren. Und das auch am heutigen Freitag, an dem ich zunächst den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2018 – 2 Ws 531/18 – vorstelle.

Er stammt aus dem Love-Parade-Verfahren, mit dem wir es sicherlich gebührenrechtlich noch häufiger zu tun haben werden. Es geht in dem Beschluss um die Erstattung von Parkgebühren. An sich ja nur ein kleiner Betrag, aber in der Summe kann er dann ggf. doch zu Buche schlagen. So hier. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt/Kollege hat als gem. § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO gerichtlich bestellter Beistand eines Nebenklägers in dem beim LG Duisburg anhängigen „Loveparade-Verfahren“ einen Vorschuss auf seine Vergütung geltend gemacht. Darin waren eben auch Parkgebühren einschließlich 19% Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 262,80 EUR enthalten. Diese sind abgesetzt worden. Erinnerung und Beschwerde des Kollegen hatten keinen Erfolg:

„Die Hauptverhandlung im Loveparade-Verfahren findet im Congress Center Düsseldorf Ost der Messe Düsseldorf statt. Die Kanzlei des Beschwerdeführers befindet sich ebenfalls in Düsseldorf. Mangels gegenteiligen Vorbringens ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch in Düsseldorf wohnt.

1. In Teil 7 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG (VV RVG) findet sich keine Rechtsgrundlage für sein Begehren auf Ersatz der entstandenen Parkgebühren.

a) Der Beschwerdeführer hat die geltend gemachten Parkgebühren als „Reisekosten Nr. 7003-7006 VV RVG“ angemeldet. Diese Auslagentatbestände gelten indes nur bei einer Geschäftsreise. Eine solche liegt hier nach der Legaldefinition in Vorbemerkung 7 Abs. 2 VV RVG nicht vor, weil das Reiseziel im Stadtgebiet Düsseldorf und damit nicht außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet.

Parkgebühren gehören zu den „sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise“ im Sinne von Nr. 7006 VV RVG (vgl. LG Halle AGS 2009, 60; Schmidt in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Nr. 7006 VV Rdn. 6; Ebert in: Mayer/Kroiß. RVG, 6. Aufl., Nr. 7006 VV Rdn. 2). In § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO wurden Parkgebühren noch ausdrücklich als bare Auslagen, die bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs aus Anlass einer Geschäftsreise regelmäßig anfallen, angeführt. Dass Parkgebühren in Nr. 7006 VV RVG nicht mehr namentlichgenannt werden, bedeutet nicht, dass sie diesem Auslagentatbestand nicht unterfallen (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Nr. 7003-7006 VV Rdn. 37). Vielmehr hat die Erstattung von Parkgebühren, bei denen es sich um „sonstige Auslagen“ handelt, durch Nr. 7006 VV RVG beschränkt auf Geschäftsreisen eine besondere Regelung erfahren. Nicht anderes gilt etwa für Übernachtungskosten, die ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt werden.

b) Soweit der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erstattung der Parkgebühren in dem Rechtsmittelverfahren nunmehr auf § 675 i.V.m. § 670 BGB stützt, scheidet auch diese Anspruchsgrundlage aus. Denn nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) nur verlangen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

Dies bedeutet, dass die in Nr. 7000 ff. VV RVG angeführten Auslagentatbestände die dort erfassten Auslagen abschließend regeln (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/ Schmidt a.a.O. Vorb. 7 VV Rdn. 15; Bräuer in: Bischof/Jungbauer u. a., RVG, 8. Aufl., Vorb. 7 VV Rdn. 8). Die Erstattung von Parkgebühren wird – wie dargelegt – von Nr. 7006 VV RVG („sonstige Auslagen“) erfasst, und zwar mit der Einschränkung, dass die sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise entstanden sein müssen. Es hat sich nach Maßgabe des RVG nichts daran geändert, dass die Erstattung von Parkgebühren – wie schon unter Geltung des § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO – gesetzlich nur dann vorgesehen ist, wenn ein Kraftfahrzeug für eine Geschäftsreise benutzt wird.

Gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG werden Parkgebühren bei Fahrten innerhalb der Wohnsitz- bzw. Kanzleigemeinde wie die Fahrtkosten selbst als allgemeine Geschäftskosten mit den Verfahrens- und Terminsgebühren abgegolten (vgl. LG Halle a.a.O.; Rehberg/Schons u. a., RVG, 6. Aufl., Stichwort „Reisekosten des Rechtsanwalts“, Nr. 2.1.1).

Soweit der Beschwerdeführer beklagt, dass die Parkgebühren in Anbetracht der Vielzahl der Verhandlungstage einen erheblichen Umfang erreichen werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Relation zu den Terminsgebühren annähernd gleich bleiben wird. So stehen den geltend gemachten Parkgebühren von 220,84 Euro netto, die bei der Teilnahme an 26 Hauptverhandlungsterminen entstanden sind, für diese Tage allein Terminsgebühren von 9.344 Euro netto gegenüber, die der Beschwerdeführer aus der Staatskasse erhalten hat. Diese Gegenüberstellung (ohne Berücksichtigung der Verfahrensgebühren) lässt erkennen, dass es für den ortsansässigen Beschwerdeführer keineswegs unzumutbar ist, die Parkgebühren als allgemeine Geschäftskosten nicht zusätzlich in Rechnung stellen zu können.2

M.E. zutreffend.

Nicht zutreffend bzw. ein Ärgernis ist der Verweis auf „Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl.„. Ein Strafsenat (!!) sollte die aktuelle 5. Aufl. (!!) eines Gebührenspezialkommentars vorliegen haben.  Die 3. Aufl. ist Rechtsgeschichte.

Und für alle, die jetzt erschrocken feststellen, dass sie auch noch mit einer alten Auflage unseres RVG-Kommentars arbeiten, hier der Hinweis: <<Werbemodus an>> Derzeit läuft eine Mängelaktion, das Werk kostet als Mängelexemplar nur 89,90 EUR. Bestellen kann man hier. Und weitere Preiskracher gibt es auch, vgl. dann hier: Sale/Preiskracher/Sonderverkauf, oder: Weihnachten steht vor der Tür).<<Werbemodus aus>>

Das war dann mein (erster) Beitrag zum „Black-Friday“ 🙂

StPO III: Wenn nach Aufhebung im zweiten Durchgang die eigenen Feststellungen fehlen, oder: Anfängerfehler

entnommen wikimedia.org
Urheber Photo: Andreas Praefcke

Und als dritte Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 22.08.2018 – 3 StR 128/18 – mit einer Problematik, die den BGH immer wieder beschäftigt. Es geht um Folgendes: Der Angeklagte ist durch Urteil des LG vom 19.10.2015 von dem Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hat der BGH diesen Freispruch insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (BGH 3 StR 124/16). Das LG hatte nach Auffassungdes BGH eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung nicht rechtsfehlerfrei verneint, weil es sich bei der rechtlichen Würdigung in Widerspruch zu seinen Feststellungen gesetzt hatte. Im sich anschließenden zweiten „Durchgang“ ist der Angeklagte nunmehr vom LG wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dagegen die Revision, die mit einer Verfahrens- und der Sachrüge Erfolg hatte: Begründung: Die Strafkammer hat keine eigenen ausreichenden Feststellungen getroffen:

„1. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte, dass die Strafkammer ihre Überzeugung nicht „aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung“ und unter Verstoß gegen § 353 Abs. 2 StPO geschöpft habe. Dem liegt Folgendes zugrunde:

In der Hauptverhandlung wurde nach der Verlesung des Anklagesatzes das Urteil des Landgerichts vom 19. Oktober 2015 auszugsweise verlesen. Gegenstand der Verlesung waren insbesondere die zur Person des Angeklagten und die zur Sache getroffenen Feststellungen. Anschließend wurde die Entscheidung des Senats, durch die das Urteil vom 19. Oktober 2015 hinsichtlich des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, ebenfalls auszugsweise verlesen. Sodann ließ sich der Angeklagte durch eine von seinem Verteidiger vorgelesene schriftliche Erklärung zur Sache ein, bevor das Gericht in die Beweisaufnahme eintrat. Zu Beweiszwecken wurde das Urteil vom 19. Oktober 2015 weder verlesen noch auf anderem Wege in die Beweisaufnahme eingeführt.

In den Urteilsgründen hat die Strafkammer unter II. die dem Urteil vom 19. Oktober 2015 zugrunde liegenden Feststellungen zur Sache vollständig wiedergegeben und sodann unter III. „weitere“ Feststellungen getroffen. Diese betreffen in erster Linie das Tatgeschehen als solches und entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die insoweit im ersten Rechtsgang getroffen worden waren. Außerdem hat das Landgericht Feststellungen zu den Folgen der Tat getroffen, unter denen der Nebenkläger aktuell noch leidet.

a) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich einen Verstoß gegen § 261 StPO gerügt hat. Dem Revisionsvorbringen lässt sich unschwer entnehmen, dass er diese Vorschrift als verletzt ansieht.

b) Die Rüge ist auch begründet.

Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen seinem Urteil zugrunde gelegt und nur noch ergänzende Feststellungen getroffen hat.

Das ergibt sich nicht nur daraus, dass die Strafkammer die im ersten Rechtsgang zur Sache getroffenen Feststellungen in den Urteilsgründen unter II. vollständig zitiert und im Anschluss daran unter III. nur noch „weitere“ Feststellungen getroffen hat, sondern auch daraus, dass sie unter III. sowie in den weiteren Urteilsgründen wiederholt inhaltlich auf die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen Bezug genommen hat, ohne eigene zu treffen. Das gilt etwa für das Geschehen im Vorfeld der Tat, insbesondere das Ereignis, bei dem der Bruder des Nebenklägers K. W. körperlich verletzt hatte.Gleichermaßen verhält es sich im Hinblick auf die dem Nebenkläger durch die Tat von K. W. zugefügten Verletzungen. So hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung und bei der Adhäsionsentscheidung die insoweit dem Urteil vom 19. Oktober 2015 zugrunde liegenden Feststellungen berücksichtigt; eigene Feststellungen hat es nur zu denjenigen Verletzungsfolgen getroffen, unter denen der Nebenkläger heute noch leidet.

Das Landgericht durfte die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen seinem Urteil jedoch nicht zugrunde legen, weil sie nicht Gegenstand der Beweisaufnahme waren (§ 261 StPO). Die Strafkammer hat verkannt, dass das den Angeklagten freisprechende Urteil mit den Feststellungen aufgehoben worden war (§ 353 Abs. 2 StPO) und es deshalb insgesamt neuer Feststellungen bedurfte.

Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung ohne Berücksichtigung der im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen für den Angeklagten günstiger ausgefallen wäre.

2. Die Sachrüge ist ebenfalls begründet.

Es stellt auch einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, wenn das Tatgericht, welches nach der Aufhebung eines früheren Urteils mit den Feststellungen zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufen ist, seinem Urteil – wie hier – nicht nur eigene, sondern auch aufgehobene Feststellungen zugrunde legt (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, juris Rn. 6; vom 15. März 1988 – 5 StR 87/88, NStZ 1988, 309; vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1). …… “

Man fragt sich – jedenfalls ich frage mich: Muss das eigentlich sein bzw.: Merkt denn niemand in der Strafkammer, dass man es so nicht machen darf/kann? Ich halte das Vorgehen der Strafkammer schon für einen „Anfängerfehler“.

StPO II: Wenn das AG mit der Aussetzung des Verfahrens „sachfremde Zwecke“ verfolgt, oder: Beschwerde ausnahmsweise zulässig

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Bei der zweiten verfahrensrechtlichen Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den LG Landau i.d.Pf., Beschl. v. 09.11.2018 – 5 Qs 88/18, den mir die Kollegin Weis aus Mannheim übersandt hat. Die streitet sich für ihren Mandanten in einem Verfahren wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspiel mit einem Amtsrichter des AG Germersheim.Dort war der Angeklagte zum (ersten) Hauptverhandlungstermin am 20.10.2017 nicht erschienen. Gegen ihn wurde gem. § 408a StPO ein Strafbefehl erlassen, gegen den die Verteidigerin am 20.11.2017 Einspruch eingelegt hat.

Ergebnis: Neuer Hauptverhandlungstermin am 16.04.2018, in dem die Fortsetzung des Verfahrens am 30.04.2018 angeordnet wird, da der zu dem Termin ordnungsgemäß geladene und nicht erschienene sachverständige Zeuge B. vernommen werden sollte. Im Termin vom 30.04.2018 wird erneut ein Fortsetzungstermin bestimmt, um einen bereits am 16.04.2018 vernommenen Zeugen Z. erneut zu vernehmen. Der Zeuge Z. teilte dem Gericht dann am 14.05.2018 mit, dass er zum Fortsetzungstermin am 18.05.2018 nicht erscheinen könne. Der Termin wurde sodann ohne Zeugen durchgeführt und es wurde die Aussetzung des Verfahrens beschlossen. Eine Begründung enthielt der Beschluss nicht. Weitere Ermittlungen seitens des Amtsgerichts wurden nicht angestellt. Mit Verfügung vom 12.06.2018 wurde seitens der Staatsanwaltschaft eine Anfrage bei der Bußgeldstelle der Stadtverwaltung Germersheim gestellt, ob im Falle einer Einstellung die Tat mit einem Bußgeld bewehrt wäre und ob im Bußgeldverfahren eine Einziehung der Automaten möglich sei.

Dagegen nun die Beschwerde der Verteidigerin, die beim LG Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen und nicht zu den Ausnahmen des § 305 Satz 2 StPO gehören, nicht der Beschwerde. Dabei liegt eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung nach einhelliger Meinung vor, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Urteil steht, ausschließlich seiner Vorbereitung dient und keine weiteren Verfahrenswirkungen erzeugt.

Diese Voraussetzungen sind nicht nur bei solchen Maßnahmen gegeben, die unmittelbar Grundlagen für die Entscheidung in der Sache selbst schaffen sollen; auch Anordnungen, die darauf abzielen, die Abwicklung des Verfahrens in sonstiger Weise zu fördern und es der abschließenden Sachentscheidung näher zu bringen, weisen einen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung auf, der zum Ausschluss der Anfechtbarkeit führt. Bei der Frage, ob die Aussetzung der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze anfechtbar ist, ist deshalb darauf abzustellen, ob sie aus einem triftigen Grund angeordnet worden ist, der in den Verfahrensvorschriften eine Stütze findet und im engen inneren Zusammenhang mit dem zu erlassenden Urteil steht. Nur dann, wenn offensichtlich klar und erkennbar ist, dass mit der Aussetzung nur sachfremde Zwecke verfolgte werden, ist die Beschwerde zulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 09. Dezember 2010 ¬5 Ws 223/10 —, Rn. 6, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 13. Dezember 2007 —1 Ws 310/07 — Rn. 8, juris m.w.N.).

Vorliegend ist ausnahmsweise von der Zulässigkeit der Beschwerde auszugehen. Die Aussetzung führte hier im Ergebnis zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung des Verfahrens.

Nach Angaben der Verteidigerin hat das Amtsgericht, nachdem es dem Angeklagten eine Einstellung angeboten habe, mit der der Beschwerdeführer nicht einverstanden gewesen sei, das Verfahren ausgesetzt, um weitere Ermittlungen anstellen zu können. Ausweislich der vorliegenden Akte wurden seit der Hauptverhandlung vom 18.05.2018 bis zur Weiterleitung an die Beschwerdekammer mit Verfügung vom 10.10.2018 aber weder weitere Ermittlungen angestellt noch Zeugen erneut vernommen. Zu finden ist lediglich eine Anfrage der Staatsanwaltschaft an die Bußgeldstelle mit dem Ersuchen um die Beantwortung einer Rechtsfrage.

Auch der von der Verteidigerin vorgetragene Hinweis des Amtsgerichts, dass während der Aussetzung eine Einstellung des Verfahrens erfolgen könne, spricht nicht dafür, dass die Aussetzung-zur Vornahme weiterer Ermittlungen erfolgte. In dieselbe Richtung deutet, dass im vorherigen Hauptverhandlungstermin vom 30.04.2018 beschlossen worden war, den Zeugen Z. am 18.05.2018 erneut zu vernehmen. Ausweislich des Aktenvermerks vom 14.05.2018 hatte sich dieser für den Termin, zu dem er geladen war, entschuldigen lassen. Gleichwohl wurde der Termin — insgesamt der vierte Hauptverhandlungstermin — nicht aufgehoben, sondern ohne den Zeugen durchgeführt, ohne dass ersichtlich wäre, welche Sachaufklärung im Termin noch hätte betrieben werden sollen.

Ein tragfähiger Grund für die Aussetzung des Verfahrens ist daher nach allem nicht zu erkennen.

Auch fehlt es nicht am Rechtschutzbedürfnis. Zwar ist vorliegend, unabhängig davon, ob der Beschluss aufrechterhalten wird, das amtsgerichtliche Verfahren zu terminieren und die Hauptverhandlung erneut zu beginnen. Trotz dieser prozessualen Überholung ist jedoch ausnahmsweise ein Interesse des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Beschlusses zu bejahen. Im vorliegenden Verfahren ergibt sich das Interesse bereits aus einer Wiederholungsgefahr, damit das Verfahren alsbald einen unverzögerten Fortgang nehmen kann.

Die Beschwerde ist im Übrigen auch begründet. Der Kammer obliegt die Entscheidung, ob ein triftiger Grund für die Aussetzung vorlag. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil eine Aussetzung, die nicht der Verfahrensförderung, insbesondere nicht der Wahrheitsfindung dient, in der Regel vermieden werden muss (siehe OLG Frankfurt, Beschluss vom 05. März 1982 — 3 Ws 167/82 —, juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren; die Aussetzung darf stets nur „ultima ratio“ sein. Da ein sachlicher Grund für die Aussetzung hier, wie ausgeführt, nicht ersichtlich ist, muss der angegriffene Beschluss zur Klarstellung aufgehoben werden.“

Schon „eigenartig“ das Verhalten/die Verfahrensweise des AG……

StPO I: Aktionsbüro Mittelrhein-Verfahren geplatzt, oder: Dritter Durchgang?

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Manche Verfahren haben es in sich bzw.: Von manchen Verfahren hört man immer wieder (etwas), meist nichts Gutes. So ist es mit dem Verfahren 12 KLs 2090 Js 29752/10, das seit 2012 beim LG Koblenz anhängig ist.

Auch ich habe schon über das Verfahren berichtet. Ja, das war die Geschichte mit den Nicht Rosen, sondern Schoko-Nikoläuse gibt es beim LG Koblenz für den Staatsanwalt, dann war es Der Schöffe mit Handy in der Hauptverhandlung, oder: Ein Schöffe weniger. Nochmals berichtet worden ist dann über das Verfahren, dessen Gegenstand Straftaten sind, die im Zusammenhang mit der Gründung und weiteren Aktivitäten des sog. „Aktionsbüros Mittelrhein“ von Mitgliedern und Unterstützern dieser Organisation begangen worden sein sollen, dann im Sommer des vergangenen Jahres. Da hatte das LG das Verfahren nach § 206a StPO wegen des Verfahrenshindernisses der überlangen Verfahrensdauer eingestellt. Der Beschluss hat dann aber beim OLG Koblenz keine Gnade gefunden. Das OLG hat nämlich im OLG Koblenz, Beschl. v. 04.12.2017 – 2 Ws 406-419/17 die Einstellungsentscheidung aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet.

Inzwischen hatte der neue – 2. Durchgang – Mitte Oktober 2018 beim LG Koblenz begonnen. Und ist auch schon wieder beendet. Denn mit dem LG Koblenz, Beschl. v. 20.11.2018 – 12 KLs 2090 Js 29752/10 – hat die für die Verhandlung zuständige (Staatsschutz)Kammer des LG festgestellt, dass sie „nicht ordnungsgemäß besetzt ist“. Der Beschluss ist auf die Besetzungsrüge von zwei Angeklagten hin ergangen, der sich die übrigen Angeklagten angeschlossen hatten (§ 222b StPO). Das LG hat das Verfahren ausgesetzt.

Begründung: „… Die 12. große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen 12 Kls 2090 Js 29752/10 jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12, großen Strafkammer vor.“

Ich will mich hier auf diesen Auszug aus der Begründung/Argumentation des LG beschränken. Den Rest kann man, wenn man Interesse hat, im Volltext nachlesen. Ist allerdings nicht so ganz einfache Kost.

Damit ist also das Verfahren erstmal gescheitert. Wohl „nur“ erstmal. Denn wie man hier von einer Gerichtssprecherin lesen kann: „Die in diesem Jahr angesetzten weiteren Termine entfallen zunächst. Man sei aber zuversichtlich, dass das Verfahren im kommenden Jahr zeitnah erneut beginnen könne, teilte die Sprecherin weiter mit. Anders als bei einer Unterbrechung liefen bei einer Aussetzung keine Fristen. Bisher waren bis Ende des 2019 insgesamt 90 Verhandlungstermine geplant.

Ich will das jetzt nicht lang und breit kommentieren, man fragt sich aber schon, ob das Verfahren jemals beendet werden wird. Wobei ich konzediere: Die aufgeworfene Frage ist/war nicht einfach zu beantworten. Man fragt sich aber: Warum macht sich das LG bzw. die Strafkammer die Gedanken, die jetzt zur Aussetzung geführt haben, nicht eher? Dann hätte man die Maschinerie gar nicht erst anlaufen lassen müssen. Hintergrund für den Start könnte natürlich auch ein Streit zwischen dem Präsidium des LG und der Kammer sein – dafür spricht die Formulierung: „da das Gerichtspräsidium und die Kammer unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Geschäftsverteilungsplan haben“ in der Pressemeldung (vgl. hier). Den Streit hätte die Kammer dann jetzt für sich entschieden.

Man darf gespannt sein, ob und wie es weitergeht…..