Archiv für den Monat: November 2018

Ich habe da mal eine Frage: Erfasst der Gebührenverzicht beim Pflichtverteidigerwechsel auch die Pauschgebühr?

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Recht frisch aus dieser Woche ist die Frage eines Kollegen zur Pauschgebühr beim Pflichtverteidigerwechsel, und zwar fragte der Kollege:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

ich bin vor ein paar Tagen von einer Kollegin gefragt worden (da ich mich mit dem Thema Pauschgebühr ganz gut auskenne, so zumindest die Meinung der Kollegen), ob ein Gebührenverzicht bei einem Pflichtverteidigerwechsel ebenso die mögliche Pauschgebühr beinhaltet.

Ich muss ehrlich gestehen, ich hatte so einen Fall noch nicht und habe auch in der Rechtsprechung nichts gefunden. Hätten Sie eine Idee?

Bei uns (OLG Frankfurt) unterscheidet das Gericht oft zwischen eine Einarbeitungspauschale und einer „normalen“ Pauschale für zum Beispiel Verfahrensverkürzung etc.

Da hauptsächlich eine Doppelbelastung verhindert werden soll, würde ich nun gefühlt meinen, dass eine Einarbeitungspauschale nicht mehr zu beantragen wäre, da diese wohl der erste Pflichti schon beantragt hat bzw. beantragen wird.

Die übrigen Pauschalen (das Gesetz trennt jedoch nicht die Pauschale noch einmal auf) müsste dennoch möglich sein, hinsichtlich zum Beispiel einer Verfahrensverkürzung oder langer Verfahrensdauer etc. Da das Gesetz jedoch keinen Unterschied macht, ist die künstliche Aufsplittung fraglich.

Vielleicht hatten Sie schon einmal einen ähnlichen Fall oder haben entsprechendes gehört.“

Ich habe zur Sicherheit 🙂 „rückgefragt:

„Hallo, was für ein „Gebührenverzicht“? Wer verzichtet wem gegenüber?“

und darauf dann die Antwort erhalten:

„…..der neue Pflichtverteidiger verzichtet auf die Geltendmachung der bereits angefallenen Gebühren (damit keine Mehrbelastung für die Staatskasse entsteht). Also der klassische „einvernehmliche Pflichtverteidigerwechsel“.

Damit ist das Problem klar. Oder?

(Termins)Gebühren im Bußgeldverfahren, oder: Bemessungsgrundlage ist die Mittelgebühr

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Die zweite Entscheidung kommt dann aus dem Osten. Es ist der LG Cottbus, Beschl. v. 20.11.2018 – 22 Qs 76/18. Thematik: Bemessung von Terminsgebühren im Bußgeldverfahren. Das LG hält an seiner Linie, dass Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung auch im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Mittelgebühr ist, fest und setzt auf der Grundlage dann fest:

„Ausgangspunkt für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist, auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, grundsätzlich die Mittelgebühr für die Gebührenbemessung.

Wenn sämtliche der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind, gilt damit die Mittelgebühr. Sie ist aber wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung auch anzusetzen, wenn erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig sind oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches Übergewicht erhält, dass dadurch das geringere Gewicht einzelner oder mehrerer anderer Merkmale kompensiert wird.

Bei der Billigkeitsprüfung ist neben dem Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung zu berücksichtigen, dass dem Rechtsanwalt bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren durch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG ein weites billiges Ermessen eingeräumt ist. Der Kostenfestsetzungsbeamte und das Gericht sowie mittelbar auch der Vertreter der Staatskasse sind in dem Kostenfestsetzungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist. Allein dann, wenn der Gebührensatz missbräuchlich erfolgt oder bei einer Gesamtabwägung unbillig ist, darf und muss das Gericht die Gebühr neu festsetzen. Eine dem Rechtsanwalt zuzubilligende und durch die Kostenfestsetzung zu beachtende Toleranzgrenze bei der Ermessensausübung kann nicht allgemein, sondern nur für den konkreten Einzelfall unter Bewertung der einzustellenden Kriterien und nach Durchführung einer Gesamtabwägung gezogen werden.

Unter Beachtung dieser Maßstäbe, lässt sich eine Unbilligkeit der Gebührenbestimmung durch den Verteidiger im vorliegenden Fall, bis auf die begehrte Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin vom 13. Oktober 2017, nicht feststellen.

Zutreffend und unter Beachtung der oben ausgeführten Grundsätze ist der Rechtspfleger des Amtsgerichts von einem insgesamt durchschnittlichen, Verkehrsordnungswidrigkeiten betreffenden, Verfahren ausgegangen. Demzufolge hat er die jeweils begehrten Gebühren mit Ausnahme der Terminsgebühren auch in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr festgesetzt. Insoweit bedarf es keiner weiteren Ausführungen und kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen des Bezirksrevisors ist nach der Änderung der Kammerrechtsprechung durch den Beschluss vom 26. Juli 2016, 22 Qs 129/16, insoweit nicht beachtlich.

Speziell für die Bemessung der Terminsgebühren kommt es wesentlich auch auf den zeitlichen und inhaltlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt für die Wahrnahme des Termins hatte an (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03. Dezember 2009, 2Ws 270/09 — bei juris; KG Berlin, StraFo 2009, 260 f.), wobei es auch ein gewisser Vor- und Nachbereitungsaufwand zu berücksichtigen ist. Auch davon ist der Rechtspfleger des Amtsgerichts zutreffend ausgegangen. Allerdings hat er bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlungen mit einzuberechnende Wartezeiten außer Acht gelassen. Maßgeblich für den Beginn der Zeitberechnung ist der Zeitpunkt der Ladung, wenn der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt erschienen ist. Nach Lage der Akten ist nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt nicht zu den jeweils anberaumten Terminszeiten erschienen war; mithin sind für den Termin vom 22. September 2017 insgesamt ein Zeitaufwand von 34 Minuten, nämlich 26 Minuten Wartezeit zuzüglich acht Minuten Hauptverhandlung und für den Termin vom 13. Oktober 2017, insgesamt ein Zeitaufwand von 13 Minuten, nämlich sechs Minuten Wartezeit zuzüglich sieben Minuten Hauptverhandlung zu berücksichtigen.

Die hier für die Hauptverhandlung vom 22. September 2017 beanspruchte Zeit von 34 Minuten kann für Hauptverhandlungen in Bußgeldsachen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten noch – allerdings an der unteren Grenze — als durchschnittlich angesehen werden, so dass auch insoweit die Mittelgebühr gerechtfertigt ist.

Dies gilt indes nicht für den in zeitlicher Nähe durchgeführten Fortsetzungstermin vom 13. Oktober 2017. Der dafür wahrgenommene Zeitaufwand von lediglich 13 Minuten ist nur als unterdurchschnittlich einzuschätzen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Vorbereitung für den ersten Hauptverhandlungstermin zeitlich aufwändiger war als für den in zeitlicher Nähe anberaumten Fortsetzungstermin.

Die Kammer erachtet die insoweit festgesetzte Gebühr in Höhe von 53 % der Mittelgebühr als ausreichend und angemessen. Demgegenüber wird die vom Bezirksrevisor begehrte Kürzung auf 31,37 % der Mittelgebühr (80 €) dem Verfahren nicht gerecht.“

Pauschgebühr, oder: Bemessung auf das Doppelte der Wahlanwaltsgebühren?

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Heute ist „Money-Day“. Den eröffne ich mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 10.09.2018 – 1 Str 7/18, den mir der Kollege Breu aus Hamburg vor einiger Zeit geschickt hat. Das OLG hat ihm für seine Tätigkeiten als Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr nach § 51 RVG bewilligt, ja, man ist erstaunt. Das OLG führt u.a. aus:

„Nach den Ausführungen des Pflichtverteidigers, die durch die Stellungnahme der Vorsitzenden der VII. Großen Strafkammer des Landgericht Lübeck dem Grunde nach bestätigt werden, war die Sache besonders umfangreich, so dass insoweit die gesetzlichen Gebühren eines Pflichtverteidigers unzumutbar sind und anstelle der gesetzlichen Grundgebühr Nr. 4100 VV-RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV-RVG und der Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer Nr. 4112 VV-RVG eine Pauschvergütung bewilligt wird.

Hinsichtlich der Höhe der Pauschgebühr normiert § 51 RVG zwar keine gesetzliche Obergrenze. Daher darf diese die gesetzlichen Rahmenhöchstgebühren eines Wahlverteidigers grundsätzlich auch überschreiten. Die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers hat aber in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in der Regel die obere Grenze der Pauschgebühr nach § 51 RVG gebildet (vgl. OLG Hamm NJW 2007, 311; OLG Karlsruhe Rechtspfleger 2005, 694).

Im vorliegenden Fall ist die Tätigkeit des Pflichtverteidigers außerhalb und zur Vorbereitung der Hauptverhandlung aber derart umfangreich, dass deren Vergütung auch mit den Rahmenhöchstgebühren eines Wahlverteidigers grob unangemessen wäre. Daher ist hier von der Regelgrenze abzuweichen, so dass hinsichtlich der Grundgebühr sowie der Verfahrensgebühren Pauschgebühren in Höhe des Doppelten der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers festgesetzt werden. Dabei berücksichtigt der Senat insbesondere den erheblichen Aktenumfang, die schwierige Rechtslage und die lange Verfahrensdauer.

Dagegen ist nicht erkennbar, dass auch die Hautverhandlungstermine selbst Besonderheiten aufwiesen. Die bis fünf Stunden dauernden Hauptverhandlungstermine dauerten mit längstens 3.46 Stunden und sonst immer weniger als 3.00 Stunden, z. T. nur 11 Minuten, unterdurchschnittlich lange, und auch die Hauptverhandlungstermine von über fünf bzw. acht Stunden Dauer zum Teil dauerten überwiegend nur wenige Minuten länger als der Gebührensprung und waren damit verhältnismäßig kurz, so dass die Differenz zwischen den damals und heute geltenden Gebührensätzen für die Terminstage durch deren kurze Dauer ausgeglichen wird.

Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint es deshalb angemessen, anstelle der Sätze für einen Pflichtverteidiger bei den Grund- und den Verfahrensgebühren jeweils das Doppelte der Höchstgebühren für einen Wahlverteidiger zu bewilligen….“

Leider mal wieder keine Verfahrenstatsachen und/oder eine Aufzählung der vom Kollegen erbrachten Tätigkeiten, so dass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die vom OLG bewilligte Pauschgebühr von 1.640 € unter Berücksichtigung der erbrachten Tätigkeiten tatsächlich, wie das OLG meint, angemessen ist.

Im Übrigen: Nicht zutreffend ist es, wenn das OLG davon ausgehen sollte, dass bereits die Bejahung von „besonderem Umfang“ zur „Unzumutbarkeit“ der gesetzlichen Gebühren führt. Zumindest ist unsauber formuliert, wenn das OLG ausführt: „war die Sache besonders umfangreich, so dass insoweit die gesetzlichen Gebühren eines Pflichtverteidigers unzumutbar sind“. Das wäre schön, wenn allein das Vorliegen von „besonderem Umfang“ oder „besonderer Schwierigkeit“ automatisch dazu führen würde, dass die gesetzlichen als unzumutbar anzusehen wären und dann eine Pauschgebühr zu bewilligen wäre. Das ist aber nach h.M. nicht der Fall, sondern es ist danach immer auch noch zu prüfen, ob eben wegen des „besonderen Umfangs“ oder der „besonderen Schwierigkeit“ von „Unzumutbarkeit“ auszugehen ist (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, § 51 RVG Rn 25 ff. m.w.N.).

Und: Auf den ersten Blick meint man, das OLG gehe davon aus, dass das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühren die Grenze (auch) für eine Pauschgebühr des Pflichtverteidigers nach § 51 RVG ist. Das ist aber nicht der Fall. Die für den Wahlanwalt geltende Grenze (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG) ist nämlich auf den Pflichtverteidiger und dessen Pauschgebühr nach § 51 RVG nicht übertragbar (OLG Stuttgart RVGreport 2008, 383 = StRR 2008, 359 = AGS 2008, 390). Das OLG München hat das zwar vor kurzem zwar anders gesehen (vgl. OLG RVGreport 2017, 291). Die Auffassung ist jedoch falsch und mit dem RVG nicht vereinbar. Das OLG Schleswig scheint es aber letztlich so wie das OLG Stuttgart zu sehen. Dafür spricht, dass das OLG zu der streitigen Frage kein Wort verliert, was sonst aber erforderlich und auch zu erwarten gewesen wäre.

<<Werbemodus an>>: Vieles zur Pauschgebühr nach § 51 RVG findet man in „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, 2017“. Bestellen kann man das Werk hier. Und aufgepasst: Von dem Werk gibt es derzeit Mängelexemplare, die nur 89,90 € kosten. Ein Kauf, der sich mit Sicherheit „lohnt“. <<Werbemodus aus>>

Pflichti III: Entpflichtung, oder: „Butter bei die Fische“

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Den Abschluss des heutigen Tages macht dann der BGH, Beschl. v. 14.11.2018 – 4 StR 419/18. Nicht Dolles, sondern letztlich nur ein „Beschlüsslein“ zur Frage der Auswechselung des Pflichtverteidigers (im Revisionsverfahren“, die die Vorsitzende des 4. Strafsenats „kurz und zackig“ abgelehnt hat:

„Hinreichende Gründe für eine Entpflichtung von Rechtsanwalt S., der die Angeklagte bereits in der ersten Instanz vertreten hat, sind nicht dargetan. Eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Angeklagten und Rechtsanwalt S. wird lediglich pauschal behauptet. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der eine Auswechslung des Verteidigers begründen könnte, sind (weiterhin) nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, Rechtsanwalt S., der die Revision der Angeklagten fristgerecht mit der Sachrüge begründet hat, sei für die Angeklagte nicht erreichbar. Rechtsanwalt S. hat mitgeteilt, er stehe schriftlich in Kontakt mit der Angeklagten.“

Wwas lernen wir aus diesen dürren Sätzen? Nun: Wenn Entpflichtung beantragt wird, dann muss der Antrag umfassend begründet sein. Also: Butter bei die Fische“ 🙂 . Und das gilt für alle Verfahrensstadien.

Pflichti II: Wenn der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren zur Pflichtverteidigerbestellung nicht angehört wird, oder: Umbeiordnung?

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Die zweite Entscheidung am heutigen „Pflichtverteidigertag“ kommt vom LG Mannheim. Es ist der LG Mannheim, Beschl. v. 15.11.2018 – 5 Qs 58/18, den mir der Kollege G. Urbanczyk aus Mannheim geschickt hat. Er behandelt die Pflichtverteidigerbestellung im Strafbefehlsverfahren in den Fällen des § 408b StPO.

Die Staatsanwaltschaft hatte Angeklage erhoben. Im Hauptverhandlungstermin ist der Angeklagte dann nicht erschienen. Das AG beschloss auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten gemäß § 408a StPO einen Strafbefehl, in dem eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, festgesetzt wurde, zu erlassen. Gleichzeitig wurde dem Angeklagten gemäß § 408b StPO ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Dem wurde der Strafbefehl zugestellt. Dieser legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Später beantragte der Kollege Urbanczyk für den Angeklagten, die Beiordnung des anderen Rechtsanwalts aufzuheben und stattdessen ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen. Die Bestellung sei unter Verletzung der Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO erfolgt, der auch für die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafbefehlsverfahren gelte.

Die Staatsanwaltschaft und später auch das AG haben das anders gesehen und die Entpflichtung des anderen Rechtsanwalts und die Beiordnung des Kollegen Urbanczyk als Pflichtverteidiger beizuordnen abgelehnt.Das LG hat da anders gesehen:

„Vorliegend wurde Rechtsanwalt pp. für das gesamte gegenständliche Verfahren — ohne vorherige Anhörung – zum Pflichtverteidiger bestellt. Zwar wurde er ausweislich des schriftlich niedergelegten Beschlusses vom 26.03.2018 ausdrücklich nur „für das Strafbefehlsverfahren“ (BI. 54) – anders allerdings als nach dem Protokoll der Sitzung vom 26.03.2018 (BI. 52) – gemäß § 408b StPO bestellt. Jedoch wurde Rechtsanwalt pp. auch nach dem Einspruch durch das Gericht weiter als Verteidiger geführt und mit Verfügung vom 17.07.2018 zur Stellungnahme über die Aufrechterhaltung des Einspruchs unter Ankündigung einer erneuten Terminierung zur Hauptverhandlung aufgefordert. Auch aus der Begründung des angegriffenen Beschlusses ist nichts dafür ersichtlich, dass eine zeitliche Beschränkung der Verteidigung beabsichtigt war. Dies zeigt, dass das Gericht zumindest konkludent davon ausging, dass Rechtsanwalt der Verteidiger des Angeklagten für das gesamte Verfahren sein sollte.

Von daher kann die umstrittene Frage, ob die Bestellung nach § 408b StPO für das auf den Einspruch folgende weitere Verfahren, namentlich die Hauptverhandlung, gilt (so OLG Köln, Beschluss v. 11.09.2009 – 2 Ws 386/09, NStZ-RR 2010, 30; OLG Celle, Beschluss v. 22.02.2011 – 2 Ws 415/10, StraFo 2011, 291; OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.06.2017 – 1 Ss 96/17, LSK 2017, 119219) oder diese nur für das Strafbefehlsverfahren bis zur Einlegung des Einspruchs wirksam ist (so KG, Beschluss vom 29.05.2012 – 1 Ws 30/12, JurBüro 2013, 381; OLG Saarbrücken Beschluss vom 17.09.2014 – 1 Ws 126/14, BeckRS 2014, 18593; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 408b StPO, Rn 6), offen bleiben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.7.2014, 1 Ws 106/13).

Für das weitere Verfahren ist entsprechend dem Wunsch des Angeklagten jedoch Rechtsanwalt Urbanczyk als Pflichtverteidiger — unter Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt pp. beizuordnen, zumal ein Fall des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vorliegt, da sich der Angeklagte in anderer Sache in Untersuchungshaft befindet.

Es braucht insoweit nicht entschieden zu werden, ob in Fällen des § 408b StPO der Angeklagte vor einer Pflichtverteidigerbestellung anzuhören ist, denn dem Angeklagten ist jedenfalls dann der von ihm gewünschte Verteidiger — ggfs. unter Aufhebung der Beiordnung des bisherigen Verteidigers — als Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn die Beiordnung des Pflichtverteidigers wie vorliegend – zumindest konkludent – nicht nur für das Strafbefehlsverfahren erfolgt ist und der Angeklagte zur Verteidigerbestellung nicht angehört worden war.

Ein Beschuldigter hat grundsätzlich das Recht, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt als gewähltem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Die freie Verteidigerwahl stärkt die Stellung des Beschuldigten als Prozesssubjekt. Durch die Beiordnung eines Verteidigers soll der Beschuldigte nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat; dies gebietet bereits das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) und folgt auch aus Art. 6 Abs. 3 lit.c EMRK. Dem entspricht es, dass dem Beschuldigten der Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3695).

Von daher ist einem Beschuldigten, der — etwa aus Gründen der Eilbedürftigkeit zur Verteidigerbestellung zunächst nicht angehört wurde, im weiteren Verlauf der Verteidiger seiner Wahl zu bestellen, um dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch, sich grundsätzlich auch bei einer Pflichtverteidigung vom Verteidiger seiner Wahl zu verteidigen zu lassen, gerecht zu werden.

Die Kammer hat vorliegend keinen Anlass, an der Richtigkeit der anwaltlichen Versicherung von Rechtsanwalt Urbanczyk zu zweifeln, dass der Angeklagte dessen Beiordnung ausdrücklich wünscht. Seiner Bestellung steht auch kein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 S. 2 StPO entgegen.“

Schade, dass das LG die Frage, ob in den Fällen des § 408b StPO der Angeklagte vor einer Pflichtverteidigerbestellung anzuhören ist,“elegant“ umschifft hat. Denn zu der Problematik gibt es wenig.

Viel gibt es hingegen zu Pflichtverteidigerfragen in <<Werbemodus an>> „Burhoff, Handbuch für das strafechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019“. Die Neuauflage ist gerade am 08.11.2018 erschienen und kann hier bestellt werden. Die Neuauflage der Hauptverhandlung erscheint übrigens Mitte Dezember 2018.

Und: Ich weise dann auch noch einmal auf die Preiskracher hin (vgl. hier bei Sale/Preiskracher/Sonderverkauf, oder: Weihnachten steht vor der Tür). <<Werbemodus aus>>