Archiv für den Monat: Juni 2018

Entbindung II: Entbindungsantrag – Akteneinsicht – Aussetzung, oder: Fair trial

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Karlsruhe, und zwar ist es der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.01.2018 – 2 Rb 8 Ss 839/17. Eine Kombi-Entscheidung: Entbindung und Akteneinsicht, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

„Das Regierungspräsidium Karlsruhe setzte mit Bußgeldbescheid vom 13.02.2017 gegen den Betroffenen wegen Abstandsunterschreitung im Straßenverkehr ein Bußgeld in Höhe von 180 € fest.

Auf den fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen hin beraumte das Amtsgericht zunächst Termin für die Hauptverhandlung auf den 25.07.2017 an. Mit Beschluss vom 10.07.2017 wurde der Betroffene auf seinen über seine Verteidigerin gestellten Antrag hin von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen „zum Termin am 25.07.2017“ entbunden. Danach wurde der Termin zwei Mal, zuletzt auf den 25.09.2017, 10:00 Uhr, verlegt. In einem am 22.09.2017 eingereichten Schriftsatz äußerte die Verteidigerin die Auffassung, dass die Entbindung von der Verpflichtung des Betroffenen zum persönlichen Erscheinen auch für den neu anberaumten Termin gelte, und bat anderenfalls um erneute Beschlussfassung. Mit weiterem am 25.09.2017 um 07:20 Uhr beim Amtsgericht eingekommenem Schriftsatz beantragte die Verteidigerin, die zuvor mit Schriftsätzen vom 07.07.2017 und vom 22.09.2017 beantragt hatte, ihr Einsicht in die Bedienungsanleitung des verwendeten Messgerätes zu gewähren, die Aussetzung der Hauptverhandlung im Hinblick auf die bis dahin noch nicht gewährte Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung.

Mit Beschluss vom 25.09.2017 verwarf das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG, nachdem zum Termin weder der Betroffene noch seine Verteidigerin erschienen waren.

Das OLG sagt: So nicht:

„2. Nach diesen Maßstäben ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegend dargetan.

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der in der obergerichtlichen Entscheidung umstrittenen Frage, ob die Befreiung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen auch nach Verlegung des Hauptverhandlungstermins fortgilt (bejahend OLG Karlsruhe – Senat – NStZ-RR 2015, 258; OLG Bamberg NStZ-RR 2017, 25; verneinend OLG Jena VRS 117, 342; KG VRS 99, 372), weil dies auf die Entscheidung keinen Einfluss hat.

a) Auf der Grundlage der verneinenden Auffassung liegt das Übergehen erheblichen Vorbringens in der Nichtbescheidung des im Schriftsatz der Verteidigerin vom 22.09.2017 erneut gestellten Entbindungsantrags (OLG Dresden a.a.O.), wobei die für die Stellung des Entbindungsantrags durch den Verteidiger erforderliche besondere Vertretungsmacht vorliegend dargelegt (dazu OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2011 – III-4 RBs 193/11, juris; OLG Köln NStZ 2002, 268) und durch die dem Amtsgericht vorgelegte Vollmacht nachgewiesen wurde.

b) Die auch vom Senat vertretene Auffassung knüpft demgegenüber an die gesetzliche Formulierung in § 73 Abs. 1 und 2 OWiG an, wonach Bezugspunkt der Anwesenheitspflicht des Betroffenen und der Befreiung hiervon nicht ein bestimmter einzelner Termin, sondern die Hauptverhandlung ist. Wegen dieser gesetzlichen Vorgabe ist es nach der Auffassung des Senats zunächst unerheblich, dass die Befreiung durch das Amtsgericht vorliegend terminbezogen erteilt wurde. Danach war der Betroffene durch den Beschluss vom 10.07.2017 auch von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im verlegten Hauptverhandlungstermin entbunden.
Davon ausgehend liegt der Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darin, dass infolge der unter Verstoß gegen § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG erfolgten Einspruchsverwerfung der am Morgen des 25.09.2017 gestellte Aussetzungsantrag des Betroffenen unberücksichtigt geblieben ist, dem ansonsten stattzugeben gewesen wäre. Denn Ausfluss des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) ist es, dass dem Betroffenen auf seinen Antrag hin auch nicht bei den Akten befindliche amtliche Unterlagen, die er für die Prüfung des Tatvorwurfs benötigt, zur Verfügung zu stellen sind. Dazu gehört in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen auch die Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts (OLG Naumburg DAR 2013, 37; KG DAR 2013, 211; Cierniak/Neuhaus DAR 2014, 2, 4 f.; a.A. – nicht tragend – OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 223). Kommt das Gericht dem trotz eines – vorliegend in der Begründungsschrift dargelegten und aus den Akten nachvollziehbaren – rechtzeitig gestellten Antrags nicht nach, rechtfertigt dies den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung (BGH NStZ 1985, 87; Cierniak/Neuhaus a.a.O.).“

Entbindung I: Klassiker abgelehnter Entbindungsantrag, oder: Kennzeichenanzeige

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Heute dann ein Entbindungs-/Verwerfungstag, also §§ 73, 74 OWiG. Und den beginne ich mit dem KG, Beschl. v. 07.11.2017 – 3 Ws (B) 309/17. Hängt schon ein wenig länger bei mir, passt aber heute ganz gut. Es ist der Klassiker: Abgelehnter Entbindungsantrag und dann Verwerfung durch das AG:

„2. Die Rüge ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte den Betroffenen von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung persönlich erscheinen zu müssen, entbinden müssen. Dazu ist es nach § 73 Abs. 2 OWiG verpflichtet, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung nicht im Ermessen des Gerichts; vielmehr ist dem Antrag zu entsprechen (vgl. Senat in std. Rspr., Beschlüsse vom 5. Juni 2014 und vom 8. Juni 2011 jeweils aaO sowie VRS 111, 146; Beschlüsse vom 5. Oktober 2007 – 3 Ws (B) 522/07 – und 2. August 2006 – 3 Ws (B) 395/06 –; OLG Dresden DAR 2005, 460).

Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG lagen hier vor.

Der Betroffene hat beantragt, von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nach §§ 73, 74 OWiG entbunden zu werden. Außerdem hat er unmissverständlich erklärt, in der Hauptverhandlung keine Erklärung abzugeben. Und schließlich verband sich mit der Anwesenheit des – schweigenden – Betroffenen nicht die Erwartung, dass der Sachverhalt aufgeklärt werden konnte. Denn der Betroffene hatte seinen zur Hauptverhandlung geladenen Neffen als – möglichen – Fahrer benannt. Das angefochtene Urteil bezeichnet demgegenüber keine konkreten Umstände, warum die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können. In Betracht käme insoweit, dass der Betroffene durch den Anzeigenerstatter beim Abparken des Fahrzeugs beobachtet wurde oder sich als Fahrer zu erkennen gegeben hat und in der Hauptverhandlung hätte wiedererkannt werden können. Die Rechtsmittelschrift legt aber dar, dass dem Verfahren eine Kennzeichenanzeige zugrunde liegt. Der Senat hat diese Verfahrenstatsache in der Akte bestätigt gefunden und hält es demzufolge für fernliegend, dass der Betroffene in der Verhandlung wiedererkannt worden wäre oder seine Anwesenheit anderweitig zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können.“

Bewährung III: Beharrliche Kontaktverweigerung, oder: Immer wieder vorwerfbar

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Den Abschluss im Bewährungsreigen macht dann das LG Münster mit dem LG Münster, Beschl. v. 21.12.2017 – 9 Qs 40/17, den mir der Kollege H. Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat. Der Verurteilte ist wegen Diebstahls und gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall sowie Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Bewährungszeit war auf 2 Jahre festgesetzt worden. Weil er sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzogen und dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben hatte, dass er erneut Straftaten begehen werde, hat das AG Coesfeld dem Verurteilten aufgegeben, 30 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Diese Auflage hat er fristgerecht erfüllt.
Mit dem angefochtenen Beschluss  hat das AG Coesfeld dann aber die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verurteilte habe keinen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer gehalten und trotz mehrerer schriftlicher Aufforderungen des Gerichts Gesprächstermine mit diesem nicht wahrgenommen. Außerdem sei er Vorladungen zu Anhörungsterminen nicht nachgekommen. Damit habe sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzogen.

Das LG sieht das anders:

„Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Verurteilte sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen werde.

Der Verurteilte leidet unter einer schweren emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ, wodurch er in seiner Lebensführung erheblich eingeschränkt ist. Das ergibt sich aus dem zwischenzeitlich in dem vorgenannten Strafverfahren (4 Ns — 82 Js 7351/16 — 42/16 LG Münster) eingeholten psychiatrisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. T. Aus diesem Grund steht der Verurteilte auch unter umfassender gesetzlicher Betreuung. Die Aufgabenkreise des Betreuers umfassen u.a. die Regelung des Postverkehrs sowie die Vertretung gegenüber Behörden. Ausweislich der in dem Betreuungsverfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahme des Kreismedizinaldirektors Dr. T. führt die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten zu Minderungen seiner sozialen Leistungsfähigkeit und der Selbstversorgung, weswegen er nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Auf dieser Grundlage kann das mangelhafte Kontaktverhalten des Verurteilten jedenfalls nicht als beharrlich eingestuft werden. Die Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB erfordern, dass er immer wieder willentlich und verantwortlich den Einfluss des Bewährungshelfers unmöglich macht. Das kann aufgrund des hier vorliegenden Krankte eitsbildes nicht festgestellt werden.

Zusätzlich kann aufgrund der vorgenannten Diagnose nicht festgestellt werden, dass eine eventuelle negative Sozialprognose darauf beruht, dass der Verurteilte sich der Leitung und Weisung des Bewährungshelfers entzieht. Als Ursache dürfte vielmehr die vorliegende schwere Persönlichkeitsstörung zu Grunde zu legen sein.“

Bewährung II: Zweidrittel vom BGH, oder: Wenn der „Islamische Staat“ als „Räuberbande“ erkannt wird

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Die zweite „Bewährungsentscheidung“ stammt auch vom BGH. Es ist der BGH, Beschl. v. 19.04.2018 – StB 3/18. Es handelt sich um eine sog. 2/3-Entscheidung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB. Die sieht man beim BGH ja eher selten. Der BGH schließt sich hier dem OLG Frankfurt, dass den Verurteilten u.a. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen verurteilt und nun nach Verbütung von zwei Dritteln der Strafe den Rest zur Bewährung ausgesetzt hat, an:

„1. Der Senat teilt die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).

a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Absatzes dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2003 – StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2; vom 4. Oktober 2011 – StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagt, kann auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1990 – StB 39/89, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 1).

b) Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat – sachverständig beraten (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) – die nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB für die Entscheidung zu berücksichtigenden Umstände einer Gesamtwürdigung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine hinreichend günstige Prognose für eine bedingte Entlassung des Verurteilten gestellt werden kann, der sich von den seinen Taten zugrunde liegenden radikalen Einstellungen distanziert hat. Dem schließt sich der Senat an.

aa) Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass einige Umstände – die auch das Oberlandesgericht Frankfurt erkannt hat – durchaus gegen die Annahme einer günstigen Legalprognose sprechen könnten. So beging der Verurteilte die verfahrensgegenständlichen Straftaten unter laufender Bewährung und weist nach dem eingeholten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. Persönlichkeitszüge auf, die seine Einordnung in ein soziales Gefüge erschweren können. Eine begonnene Umschulungsmaßnahme konnte er wegen Fehlzeiten, die allerdings durch seine Erkrankung an Morbus Crohn bedingt waren, nicht abschließen. Auch verlief der Strafvollzug nicht frei von Verstößen gegen Weisungen der Justizvollzugsbediensteten und disziplinarischen Beanstandungen; die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme wegen Verletzung der Arbeitspflicht hat der Verurteilte indes akzeptiert, sich für sein Fehlverhalten entschuldigt und schließlich zunehmend angepasste Verhaltensweisen gezeigt.

bb) Demgegenüber fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sich der Verurteilte glaubhaft von seiner früheren radikalen Einstellung, die für die hier gegenständlichen Straftaten ursächlich war, gelöst und während des Strafvollzuges seit der über vier Jahre zurückliegenden Hauptverhandlung einen positiven Reifungsprozess durchlaufen hat, in dessen Folge er sich intensiv mit seinen Taten auseinandergesetzt und sich von diesen distanziert hat.

Seine Verurteilung hat er als „richtig“ erkannt, die verhängte Strafe akzeptiert und eine insgesamt günstige Entwicklung genommen. Bereits im Jahre 2013 hat sich der Verurteilte schriftlich mit der Bitte um Unterstützung an das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und nach seiner Aufnahme in das Aussteigerprogramm Islamismus (API) im Jahre 2015 mehr als einhundert Stunden intensive Gespräche mit dessen Mitarbeitern bei regelmäßigen, alle drei bis vier Wochen stattfindenden Besuchen geführt. Zudem hat er sich mit Literatur zum Islam befasst und schließlich erkannt, dass er in der Vergangenheit „den falschen Leuten vertraut“ habe und „Rattenfängern“ gefolgt sei; heute ist er der Ansicht, dass er durch Propagandavideos, Hasspredigten und die Einbindung in die islamistische Szene hin zu einem „Schwarz-Weiß-Denken“ manipuliert worden sei. Die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ sieht er als „Räuberbande“ an, die nicht zum Islam gehöre und die Religion missbrauche……….

Geht doch….

Bewährung I: Günstige Sozialprognose, oder: Überspannte Anforderungen

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So, ab heute bin ich ein paar Tage unterwegs. Will mir mal Riga und Lettland anschauen und Mittsommernacht weit im Osten erleben. Hoffentlich spielt das Wetter mit. Hier im Blog muss es daher ein paar Tage ohne mich laufen. Wird schon gehen. Beiträge sind vorbereitet, allerdings – wie immer – mit deaktivierter Kommentarfunktion. Ich möchte nicht von Lettland aus die Kommentare im Blick haben müssen. So, das vorab.

Und heute mache ich dann einen Bewährungstag 🙂 . In den starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 05.04.2018 – 1 StR 654/17. Die Angeklagten sind vom LG wegen (gemeinschaftlicher) unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. Gegen den Angeklagten hat es hierfür unter Einbeziehung einer Einzelgeldstrafen aus einem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Der BGH meint: Keine Bewährung passt so nicht:

„3. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) hält demgegenüber rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar kommt dem Tatrichter bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11 Rn. 20 [insoweit nicht abgedruckt in StV 2013, 73] und vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367; Mosbacher/Claus in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 56 Rn. 51 mwN). Die Prognoseentscheidung des Landgerichts, aufgrund deren es für den Angeklagten keine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB festzustellen vermochte, erweist sich jedoch nicht in jeder Hinsicht als frei von Rechtsfehlern.

Im Ansatz ist das Landgericht bei seiner Prognoseentscheidung zwar von zutreffenden Maßstäben ausgegangen. Es hat darauf abgestellt, dass sich der Angeklagte durch die bisher gegen ihn ergriffenen strafrechtlichen Maßnahmen nicht von der Begehung neuer Straftaten abhalten ließ. Auch habe er durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, Sanktionen hinzunehmen und Auflagen oder Weisungen nachzukommen (UA S. 19). Dabei hat das Landgericht nicht nur der Frage, welche Wirkung für den Angeklagten von einer etwaigen Strafaussetzung ausginge und ob er sich von dem Druck eines gegebenenfalls zu gewärtigenden Widerrufs der Strafaussetzung in seinem Verhalten beeinflussen ließe (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367), Rechnung getragen. Vielmehr hat es bei der Prognose, ob sich der Angeklagte schon die erneute Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde, auch die sonstigen Lebensumstände des Angeklagten (vgl. zu diesem Aspekt Fischer, StGB, 65. Aufl., § 56 Rn. 10) berücksichtigt.

Bei diesen der Sozialprognose zugrunde gelegten, prognoserelevanten Lebensumständen zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung ist allerdings zu besorgen, dass das Landgericht der festgestellten fehlenden Motivation, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen oder zumindest Sozialleistungen als legale Einkunftsquelle zu beantragen, ein zu starkes prognostisches Gewicht beigemessen und die Anforderungen nach § 56 Abs. 1 StGB überspannt hat. Auch wenn sich derartige Umstände grundsätzlich als prognostisch ungünstig erweisen können, hätte das Landgericht unter gebotener Berücksichtigung der sonstigen Lebensverhältnisse deutlicher in den Blick nehmen müssen, dass dem Angeklagten finanzielle Unterstützung durch seine Familie, insbesondere seinen Vater, zuteil wurde. Dies hätte innerhalb der rechtlich geforderten Gesamtwürdigung hinsichtlich des Gewichts der vom Landgericht als prognostisch ungünstig bewerteten Verhältnisse eingestellt und gewichtet werden müssen, zumal der noch junge Angeklagte bereits eine Bewährung durchgestanden hatte. Daran fehlt es hier.“