Archiv für den Monat: Juni 2018

Fall Susanna: „Ali B. wollte bei Anhörungen keinen Anwalt“

Eine Frage zu dem Fall Susanna hat mich schon seit ein paar Tagen beschäftigt, nämlich: War eigentlich bei der Haftbefehlseröffnung und der anschließenden 6-Stündigen richterlichen Vernehmung ein Verteidiger anwesend? Bei Spon habe ich dann gerade nach dem Hinweis eines Kollegen – besten Dank – gefunden: Ali B. wollte bei Anhörungen keinen Anwalt.

Und in dem Beitrag heißt es.

„Ali B. hat laut Staatsanwaltschaft in seiner polizeilichen Vernehmung und in der Anhörung vor der Haftrichterin auf einen Anwalt verzichtet. Das teilte die Wiesbadener Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. B. sei ausführlich über alle Rechte aufgeklärt worden. Auch über das Recht, einen Anwalt zu nehmen, das er aber abgelehnt habe, sagte Behördensprecher Oliver Kuhn.“

Na ja, ob das alles so richtig ist? Man darf gespannt sein. Denn der neue § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO (vgl. dazu hier) verlangt die „Mitwirkung“ eines (Pflicht)Verteidigers. Ich habe daher erhebliche Zweifel, ob ein Beschuldigter auf die Anwesenheit/Mitwirkung verzichten kann. Und unabhängig davon: Mir wäre die Geschichte als StA viel zu heiß gewesen, um den Beschuldigten so lange ohne Verteidiger zu vernehmen.

Die weitere Passage bei Spon ist m.E. übrigens falsch:

„Tatsächlich schreibt die Strafprozessordnung die Anwesenheit eines Verteidigers zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Erst von Beginn der Untersuchungshaft an muss ein Verdächtiger unverzüglich einen Pflichtverteidiger zugewiesen bekommen. Das sei im Fall Ali B. dann auch geschehen, so die Staatsanwaltschaft.“

§ 141 Abs. 3 Satz 4 lässt grüßen. Wenn das ggf. auch von der StA kommt: Dann aber „au Backe“.

Ich wage die Prognose: Das Verfahren wird an der Stelle verfahrensrechtlich interessant und der BGH wird dann demnächst sicherlich dazu etwas sagen (müssen). Und wenn das Verfahren/Urteil (später) „hoch geht“: Die Volksseele, die ja jetzt schon tobt, wird endgültig platzen.

Wenn der Angeklagte nach Verkündung des Urteils „abhaut“, oder: Nicht so schlimm

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Im ersten Posting des heutigen Tages weise ich auf den BGH, Beschl. v. 06.03.2018 – 5 StR 18/18 – hin. Ich denke, er wird den ein oder anderen überraschen.

Der Angeklagte ist vom LG wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden. Mit der Verfahrensrüge wird geltend gemacht, dass der Angeklagte bei der mündlichen Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden nicht anwesend war, also ein Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO. Der BGH sagt: Nicht so schlimm:

„Dies gilt ebenso für die Rüge betreffend die Abwesenheit des Angeklagten bei der mündlichen Urteilsbegründung (§ 338 Nr. 5, § 230 Abs. 1, § 231 StPO). Die Entscheidung des Landgerichts, die Hauptverhandlung ohne den inhaftierten, nach Verkündung des Urteilstenors in den Vorführbereich geflüchteten Angeklagten, fortzusetzen, also von einer – regelmäßig gebotenen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 – 4 StR 207/93, NStZ 1993, 446 mwN) – zwangsweisen Vorführung abzusehen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat eine am Maßstab der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete fallbezogene Gesamtbetrachtung vorgenommen, bei der es insbesondere dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, dass zum Zeitpunkt der Weigerung des Angeklagten, sich erneut vorführen zu lassen, lediglich die mündliche Urteilsbegründung noch ausstand. Es hat demnach den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 5 StR 630/13, BGHSt 59, 187; MüKo-StPO/Arnoldi, § 231 Rn. 18 f.). Zudem betrifft die mündliche Mitteilung der Urteilsgründe – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend verweist – lediglich einen nicht wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, so dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht vorliegt; auch könnte das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler nicht im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO beruhen.“

Auf den ersten Blick schon überraschend, oder?

Sperrfristabkürzung nein, Aufhebung ja, aber nur im konkreten Einzelfall

Führerschein und Nachschulung

Und als „Nachmittagsposting“ dann zwei Entscheidungen zur vorzeitigen Aufhebung einer nach § 69a StGB festgesetzten Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Festgesetzt war nach einer Trunkenheitsfahrt eine Sperrfrist von zehn Monaten. Der ehemalige Angeklagte beantragt dann nach Teilnahme an einer Nachschulungsmaßnahme die „schnellmögliche Verkürzung“. Zugleich legte er ein Teilnahme-Zertifikat des TÜV-Süd vor, das seine erfolgreiche Teilnahme an einem Kurs „Mainz 77“ (Modell zur Sperrfristverkürzung) bescheinigt. Das AG „kürzt“ die Sperrfrist und hebt sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf. Dagegen die Beschwerde:

Zunächst zur Frage: Kann eine Sperrfrist nach § 69a StGB abgekürzt werden. Dazu sagt das LG Heilbronn im LG Heilbronn, Beschl. v. 27.04.2018 – 3 Qs 17/18: Nein:

Gemäß § 69a Abs. 7 StGB kann das Gericht nach dem Ablauf der Mindestsperrfrist von drei Monaten die Sperre vorzeitig aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht länger ungeeignet ist.

Bereits dem Wortlaut nach, ist eine Aufhebung zeitlich also erst dann möglich, wenn die Voraussetzungen der Norm, namentlich die mutmaßliche Beseitigung der bisherigen Ungeeignetheit nach der Überzeugung des Gerichts bereits eingetreten sind. Eine derartige Prognoseentscheidung kann schon begrifflich nicht auf einen in der Zukunft liegenden Termin projiziert werden.

Die Schwäche der Gegenansicht zeigt sich schon daran, dass auch der Beschluss des Gerichts nach § 69a Abs. 7 StGB der Rechtskraft zugänglich ist und mithin bei einem in der Zukunft liegenden Aufhebungszeitpunkt die Sperre selbst dann in Wegfall geriete, wenn zwischen der Entscheidung und dem Erreichen dieses Zeitpunkts nachteilige Umstände, im schlimmsten Fall weitere relevante Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder ein Rückfall in eine beseitigte Alkoholabhängigkeit bekannt würden.

Auch der Regelungszweck steht einem solchen Verständnis der Norm entgegen. Als eng auszulegende Ausnahmevorschrift gestattet § 69a Abs. 7 StGB aus Rücksicht auf das Übermaßverbot eine einzelfallbezogene Durchbrechung der Rechtskraft einer vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung. Wo nämlich der Zweck einer Maßregel erreicht ist, wäre ihr weiterer Vollzug unverhältnismäßig. Dies aber bedeutet, dass die Maßregel im Falle der Zweckerreichung auch unmittelbar aufzuheben ist.

Eine bloße Verkürzung der Sperrfrist mir der Folge eines in der Zukunft liegenden Endzeitpunkts der Fahrerlaubnissperre lässt § 69a Abs. 7 StGB hingegen gerade nicht zu. Die diesbezügliche Antragspraxis der Vollstreckungsbehörden ist ersichtlich der Handhabung aus Zeiten geschuldet, in denen die Teilnahme an einschlägigen Nachschulungskursen, regelmäßig im Gnadenverfahren mit einer in der Regel dreimonatigen Verkürzung der Sperrfrist honoriert wurde (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Nr. 8 GnO BW; allg. zu den Möglichkeiten des Gnadenverfahrens Fromm, NZV 2011, 329).

Zur Erreichung einer derartig schematischen Verkürzung ist § 69a Abs. 7 StGB aber auch deshalb nicht nutzbar zu machen, weil die Norm nicht das Ziel hat, einen wie auch immer gearteten Einsatz des Verurteilten auf dem Weg zur möglichen Beseitigung der Ungeeignetheit ungeachtet des Erfolgs der Bemühungen zu honorieren. Anders als etwa § 36 Abs. 1 BtMG, bei dem im Zurückstellungsverfahren nach § 35 BtMG eine Anrechnung der in anerkannten Einrichtungen absolvierten Therapie unabhängig von deren nachhaltigem Erfolg stattfindet, führt § 69a Abs. 7 StGB zu einer Begünstigung des Verurteilten nur dann, wenn, freilich auch unter Berücksichtigung der Bemühungen des Verurteilten, durch die Entwicklungen seit der Verurteilung der Grund für die Anordnung der Maßregel, sprich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen tatsächlich entfallen ist.

Eine auf einen in die Zukunft gelegenen Zeitpunkt terminierte Aufhebung ist mithin unzulässig. Diese Auffassung entspricht zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur (vgl. etwa LG Fulda, Beschluss vom 8. November 2017, – 2 Qs 125/17 -, Blutalkohol 2018, 162; OLG Celle, Beschluss vom 27. November 2008 – 2 Ws 362/08 –, juris; LG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 502 Qs 13/08 –, juris, jeweils mwN.; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, 29. Aufl. 2014, StGB § 69a Rn. 29; Fischer, StGB, 64. Auflage, § 69a Rn.41).

Der Antrag auf Aufhebung einer Sperre kann daher nur in Form der sofortigen Aufhebung der Sperre oder durch Ablehnung des Antrags, der dann ggf. zu späterer Zeit mit neuer Begründung erneut gestellt werden kann, beschieden werden.“

In der Sache kommt es dann aber zur Aufhebung der Sperre, u.a. weil der ehemalige Angeklagte an dem Kurs „Mainz 77“ teilgenommen hat und aufgrund „einer konkreten Einzelfallprüfung“ „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden [konnte], dass der Verurteilte nicht länger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.“

Auf der Linie liegt dann auch der LG Görlitz, Beschl. v. 06.06.2018 – 13 Qs 48/18.

Beweisantrag/Beweisermittlungsantrag, oder: „aufs Geratewohl ins Blaue hinein“?

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Nach dem Posting zu dem unsäglichen Beitrag von Rainer Wendt zum „Fall Susanna“ (vgl. Der Vorsitzender der DPolG Rainer Wendt äußert sich zum “Fall Susanna”, oder: Unfassbar) soll es hier dann mit den üblichen Themen weitergehen. Zunächst bringe ich eine verfahrensrechtliche Entscheidung, und zwar den BGH, Beschl. v. 06.04.2018 – 1 Str 88/18.

Es geht um die Ablehnung eines Beweisantrages. Der Angeklagte war im ersten Rechtsgang u.a. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil hatte der BGH auf die Revision des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen teilweise aufgehoben. Die dann zuständige Strafkammer hat die Betrugsstraftaten nach §§ 154, 154a StPO behandelt und den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Untreue in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und davon (insgesamt) sechs Monate als vollstreckt erklärt.

Dagegen richtete sich die Verfahrensrüge des Angeklagten, die – teilweise – Erfolg hatte:

„1. Der Angeklagte beanstandet zutreffend, dass die Strafkammer im Fall III. 1 der Urteilsgründe (Tatkomplex Eheleute H. ) einen Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat.

a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Im Hauptverhandlungstermin vom 19. Oktober 2017 hat der Angeklagte beantragt, O. als Zeugen zu vernehmen. Dieser werde in seiner Eigenschaft als (vormaliger) Aufsichtsratsvorsitzender bestätigen, dass die aus der Versteigerung der Immobilie mit dem vormaligen Restaurant P. erzielten Erlöse vollständig an die Gläubiger der J. AG geflossen seien, somit aus dem Erlös keine Beträge oder Teilbeträge beim Angeklagten persönlich verblieben seien. Weiter werde er bestätigen, dass der Geschädigte H. aus dem vorgenannten Versteigerungserlös eine Teilzahlung in Höhe von 40.000 € erhalten habe.

Diesen Antrag hat die Strafkammer mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich nur scheinbar um einen förmlichen Beweisantrag, da die insoweit unter Beweis gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche Grundlage aufs Geratewohl ins Blaue hinein behauptet worden sei. Auch unter Berücksichtigung der Aktenlage und des bisherigen Beweisergebnisses bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Geschädigte H. aus der Versteigerung 40.000 € erhalten haben könnte. Der Geschädigte habe in seiner Zeugenvernehmung vielmehr ausdrücklich und glaubhaft dargelegt, aus der Zwangsversteigerung des Restaurants letztlich faktisch nichts erhalten zu haben. Auch unter Aufklärungsgesichtspunkten sehe die Kammer keine Veranlassung, dem Antrag nachzugehen.

b) Die Verfahrensrüge ist begründet. Bei dem gegenständlichen Beweisbegehren handelt es sich um einen Beweisantrag, nicht nur um einen Beweisermittlungsantrag.

Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Für die Beurteilung, ob ein aufs Geratewohl gestellter Antrag vorliegt, ist die Sichtweise eines verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 504/12 mwN, NStZ 2013, 536, 537).

Nach diesem Maßstab lässt sich die Beweisbehauptung nicht als aufs Geratewohl aufgestellt ansehen. Die Beweisbehauptung hatte einen tatsächlichen Anhaltspunkt, da die Eheleute H. jedenfalls einen nicht konkret bezifferten Betrag aus der Versteigerung des Restaurants erhalten haben („geringfügiger Betrag“, UA S. 44; „letztlich faktisch nichts“, ablehnender Beschluss RB S. 3). Sie konnte deshalb ungeachtet der Gründe, die die Strafkammer in ihrem Beschluss nach Würdigung des gesamten Beweisergebnisses gegen die Zahlung von 40.000 € an die Geschädigten H. aus der Versteigerung des Restaurants angeführt hat, nicht als nicht ernstlich gemeint gewertet werden. Jedenfalls hat das Landgericht mit seiner Erwägung, dass die unter Beweis gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche Grundlage behauptet worden sei, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 504/12 mwN, NStZ 2013, 536, 537).

c) Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags kann der Strafausspruch im Fall III. 1 (Eheleute H. ) beruhen. Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Schaden in Höhe von 40.000 € durch die Abtretung von Forderungen und Übertragung einer Eigentümergrundschuld nachträglich vermindert worden ist. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Strafkammer eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich die Beweisbehauptung, die Geschädigten H. hätten weitere 40.000 € als Schadensausgleich erhalten, bestätigt hätte.“

Der Vorsitzende der DPolG Rainer Wendt äußert sich zum „Fall Susanna“, oder: Unfassbar

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Ich eröffne den Tag mit einem Posting/einer Thematik, bei dem/der ich lange überlegt habe, ob ich dazu etwas bringe bzw. mich äußere. Und wenn ja wie. Ich habe mich dann entschlossen, es zu tun. Mal sehen, was daraus wird.

Es geht um den „Fall Susanna“. Mehr muss man ja inzwischen nicht mehr schreiben, dann weiß nach der aufgeheizten Berichterstattung der letzten Tage – an der Spitze m.E. (natürlich) die „Bild-Zeitung“, die die kochende „Volksseele“ mal wieder vorzüglich bedient – jeder , worum es geht. In dem „Fall“ bin ich durch eine Nachricht/einen Hinweis des Kollegen Carsten R. Hoenig auf das Posting von Rainer Wendt, dem Vorsitzenden der DPolG, vom 07.06.2018 zu der Thematik aufmerksam geworden, das ich hier dann mal zitiere. Herr Wendt schreibt:

„Susanna ist tot. Und was bleibt, ist nicht nur Trauer und Fassungslosigkeit. Da ist auch riesige Wut und Empörung. Und zugleich Ratlosigkeit. Man ist wie gelähmt vor Entsetzen.

Ja, ich weiß, man darf keine solcher Taten instrumentalisieren für irgendeine politische Forderung oder Aussage. Und manchmal gebietet in der Tat der Respekt vor dem Opfer und seinen Angehörigen, innezuhalten und zu schweigen.

Und doch stockt der Atem, denkt man nur eine Sekunde lang an die unbeschreiblichen Qualen, die die junge Susanna, die noch am Beginn ihres Lebens stand, erleiden musste.

Als Vater und Großvater türmt sich wie eine riesige schwarze Wand die Furcht auf, wenn ich daran denke, welche Bestien da noch unterwegs sind, jederzeit bereit, zu töten, zu quälen und ihrer menschenverachtenden Brutalität freien Lauf zu lassen.

Und auch Wut baut sich auf, wenn man an das Strafregister desjenigen denkt, der hier angeblich Schutz gesucht hat und jetzt so einfach abhauen konnte, in ein Flugzeug steigt, wie ein Tourist.

Was wird aus unserem Land, wenn geduldet wird, dass Menschen einreisen, jede Menge Straftaten, sogar schreckliche Verbrechen begehen und trotzdem frei herumlaufen, offensichtlich jederzeit bereit, erneut zuzuschlagen?

Was wird aus unserem Rechtsstaat, wenn er die Menschen nicht mehr schützen kann, wenn er nur noch aus Papier, schnöden juristischen Ausführungen, bürokratischen Verfahren und stillschweigender Hinnahme himmelschreienden Unrechts und lebensbedrohlicher Gefahr zu bestehen scheint?

Was wird aus unserer Demokratie, wenn diejenigen, die gewählt sind, den Willen derjenigen beharrlich ignorieren, die ihnen Macht übertragen haben?

Jetzt wieder die bekannten Rituale, die wiederkehrenden Floskeln, die abgenutzten Worte? Und dann zurück zur Tagesordnung? Wie oft? Wie lange noch? Was wird aus unserem Land?

Susanna ist tot. Und meine Gedanken sind bei ihrer Familie, ihren Freunden, den Menschen, denen sie für immer fehlen wird.
Und meine Gedanken sind auch bei den Tätern. Will ich sie wirklich vor einem unserer Gerichte stehen sehen? Mit höhnischem Grinsen für das Opfer und Verachtung für unser Land im Gesicht? Will ich wirklich erleben, wie Gutachter und Anwälte relativieren, verharmlosen und zu erklären versuchen, was nicht erklärbar ist?

In der Hölle sollen sie schmoren. Das will ich.“

Wie gesagt und nochmals ausdrücklich, ein Zitat: Das Posting wirft für mich dann doch eine ganz Reihe Fragen auf, und zwar u.a.:

  1. Ist das Posting eigentlich strafbar? Man denkt da sofort an § 130 StGB – Volksverhetzung. Aber die Voraussetzungen dafür dürften nicht erfüllt sein. Und: Es dürfte auch noch durch Art. 5 GG gedeckt sein.
  2. Welches Verständnis hat eigentlich der Vorsitzende der DPolG von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Wenn man nur die beiden letzten Absätze seines „Postings“ liest, dann kann man m.E. nur die Antwort geben: Gar keines bzw. ein ganz schlechtes. Aber das überrascht bei den Äußerungen, die Rainer Wendt bisher schon zu „Flüchtlings-“ und sonstigen Fragen/Themen gemacht hat, nicht.
  3. Was macht eigentlich die DPolG mit einem solchen Posting bzw. wie geht man damit um? Ich habe nichts dazu gefunden, dass man sich ggf. distanziert hätte oder dazu Stellung genommen hätte. Auf deren Homepage gibt es (derzeit) Stellungnahmen zum Asylplan von H. Seehofer, den Herr Wendt natürlich lobt, zu den Ankerzentren und einem MusterpolizeiG, das Herr Wendt natürlich auch fordert, und zum Streikurteil des BVerfG. Mehr ist da nicht.

Und das soll an Fragen hier genug sein. Für mich persönlich kann ich nur sagen: Unfassbar. Mehr nicht. Ich hätte auch noch andere Dinge in die Überschrift packen können, aber dann begibt man sich im Grunde genommen auf das Niveau von Rainer Wendt und das will ich nun wirklich nicht.

Was mich ein wenig beruhigt: Unter den über 13.000 Reaktionen auf den Beitrag sind immerhin auch über 2.000 „traurige“ und „wütende“ und unter den über 1.700 Kommentaren dann doch sehr viele, die die Dinge – zum Glück – anders sehen als Rainer Wendt. Darunter auch meiner 🙂 .