Archiv für den Monat: März 2017

Täteridentifizierung und kein Ende, oder: Das KG zeigt, worauf es ankommt

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Die Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes war erst gestern Gegenstand eines Postings hier im Blog. Da ging es um den OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 -, der die Rechtsprechung des OLG Bamberg aus der letzten Zeit (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 14. 11. 2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu: Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg)  „fortsetzt“ (vgl. zum Beschl. v. 06.02.2017 Nochmals: Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?). Im Anschluss/als Reaktion auf das Posting hat mit der Kollege Fricke vom AG Tiergarten den KG, Beschl. v. 13.02.2017 – 3 Ws (B) 23/17 – 122 Ss 9/17 – übersandt. Denn stelle ich dann heute hier gleich vor. Er behandelt zwar nicht die Frage der ordnungsgemäßen Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, stellt aber noch einmal sehr schön vor/zusammen, worauf es ankommt:

„a) Der bloße Hinweis auf die „Inaugenscheinnahme der Tatfotos“ war vorliegend – weder für sich genommen noch in der Gesamtschau – ausreichend, um die gericht­liche Überzeugungsbildung zu begründen. Im Fall der Identifizierung eines Betroffe­nen als Täter müssen die Urteilsgründe so abgefasst sein, dass dem Rechtsbe­schwerdegericht die Prüfung möglich ist, ob ein im Rahmen einer Geschwindigkeits­messung gefertigtes Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Ausreichend ist es hierfür, dass in den Urteilsgründen auf das sich in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird, wodurch das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe wird und vom Rechtsbeschwerdegericht dann zur Prüfung der Frage, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist, selbst in Augenschein genommen werden kann. Macht der Tatrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch und ist das Foto zur Identifizie­rung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich (vgl. BGHSt 41, 376, juris Rn. 21 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2013 – IV-3 RBs 67/13 –, juris Rn. 3 und VRS 112, 43; OLG Hamm, Beschlüsse vom 21. August 2007 – 3 Ss­OWi 464/07 – und 26. November 2007 – 2 Ss OWi 757/07 –, juris Rn. 5). Die Bezug­nahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein. Alleine der Hinweis, das Lichtbild sei in Augenschein genommen und mit dem Betroffenen verglichen worden, genügt den Anforderungen nicht (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln NJW 2004, 3274; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238). Dadurch wird lediglich der Beweiserhebungsvorgang beschrieben, nicht aber der Wil­le zum Ausdruck gebracht, das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2013 a.a.O.). Sieht der Tatrichter von der erleichternden Verweisung auf das in Augenschein genommene Foto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ab, so müssen die Urteilsgründe durch Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) und durch eine Be­schreibung der abgebildeten Person oder mehrerer charakteristischer Identifizie­rungsmerkmale dem Rechtsmittelgericht in gleicher Weise wie durch das Betrachten des Belegfotos die Prüfung eröffnen, ob das Lichtbild zur Identifizierung des Fahrers geeignet ist (vgl. BGH a.a.O., juris Rn. 26; Senat, VRS 111, 145, VRS 114, 38 und Beschluss vom 13. September 2012 – 3 Ws (B) 512/12 –; OLG Bamberg NZV 2008, 211). Das Erfordernis, die Bildqualität darzulegen, ist aber kein Selbstzweck. Es soll dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung ermöglichen, ob das (seiner Be­trachtung entzogene) Foto zur Identifizierung generell geeignet ist. Diesen Anforde­rungen ist Rechnung getragen, wenn das Urteil darlegt, dass ein hinzugezogener anthropologischer Sachverständiger das Tatfoto für aussagekräftig gehalten hat und das Urteil alle vom Sachverständigen für relevant gehaltenen Besonderheiten dar­stellt, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehen kann, dass das Amtsge­richt das Lichtbild als geeignete Grundlage dafür gesehen hat, den Fahrer zu identifi­zieren (Senat, Beschluss vom 25. November 2016 – 3 Ws (B) 587/16 –).

Vorliegend erfolgt weder eine Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in den Urteilsgründen noch die dann erforderliche ausführli­che Beschreibung der Qualität der Lichtbilder und der abgebildeten Person oder mehrerer ihrer charakteristischen Identifizierungsmerkmale. Ob und inwieweit das vom Amtsgericht zum Vergleich herangezogene Lichtbild bzw. die herangezogenen Lichtbilder zur Identifizierung geeignet sind, kann somit anhand der Urteilsfeststel­lungen durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht geprüft werden.

Soweit das Gericht darauf abstellt, es habe seine Überzeugung von der Fahrerei­genschaft des Betroffenen auf einen visuellen Vergleich des Tatfotos mit dem Be­troffenen in der Hauptverhandlung gestützt, so stellen die diesbezüglichen Ausfüh­rungen, weder für sich genommen noch in der Gesamtschau, eine ausreichende Be­gründung dar. Weil das Gericht in den Urteilsgründen von einer erleichternden Ver­weisung auf das Beweisfoto abgesehen hat, hätte die Beschreibung des Fotos und des Vergleichs der Abbildung mit dem Betroffenen im oben genannten Sinne ent­sprechend ausführlich erfolgen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Ge­richt führt aus, dass insbesondere für eine Übereinstimmung des Fahrers auf dem Tatfoto mit dem Betroffenen spreche, „dass sowohl das linke Ohr des Fahrers als auch das linke Ohr des Betroffenen oben nicht oval verlaufen, sondern jeweils eine deutliche, gleich verlaufende Einkerbung“ aufzeigten. Sowohl der Betroffene als auch der Fahrer auf dem Tatfoto, würden darüber hinaus eine „ähnlich hohe Stirn und ei­nen übereinstimmenden Haaransatz“ aufweisen. Auch sei „der Verlauf der oberen Augenbrauenform beim Betroffenen und beim Fahrer auf dem Fahrerfoto aus Sicht des Gerichts identisch“. Einzig mit der geschilderten Einkerbung am linken Ohr hat das Gericht eine charakteristische Eigenart entsprechend dem oben genannten Maßstab beschrieben. Die ferner vom Gericht erkannten Übereinstimmungen im Be­reich der Stirnpartie, des Haaransatzes und des Verlaufs der Augenbrauen sind zu allgemein ausgeführt, um die visuell erkannte Ähnlichkeit für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar erscheinen zu lassen.“

Auch das, was das KG dann zum anthropologischen Sachverständigengutachten ausführt ist lesenswert.

„Parkkrallenfall“, oder: „Kralle weg nur gegen Kohle“

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Beim LG München I hat es 2015 ein Verfahren gegeben, in dem dem Angeklagten Erpressung in 19 Fällen, versuchte Erpressung in zwölf Fällen und Beleidigung zur Last gelegt worden ist. Nennen wir ihn den „Parkkrallenfall“. Das LG München I hat in dem Verfahren folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte bot mit seiner Firma zwischen 2008 und 2012 Supermarktbetreibern, Krankenhäusern und Hausverwaltungen an, auf deren Grundstücken unberechtigt parkende Kraftfahrzeuge für diese kostenneutral zu entfernen. Im Gegenzug traten die Vertragspartner ihre Ansprüche gegen die Fahrzeugführer auf Schadensersatz an die Firma des Angeklagten ab. Diese Ansprüche sollte der Angeklagte selbst gegenüber den Falschparkern eintreiben.

An den betroffenen Orten befanden sich Schilder, welche die Parkplätze als Privatparkplätze kenntlich machten und darauf hinwiesen, dass widerrechtlich parkende Kraftfahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Der Angeklagte führte nach Feststellung eines Parkverstoßes verschiedene mit den Grundstücksbesitzern vereinbarte Vorbereitungstätigkeiten durch. In 14 Fällen brachte er anschließend eine Parkkralle an den jeweils falsch parkenden Kraftfahrzeugen an und verständigte teilweise schon einen Abschleppwagen. In den übrigen Fällen waren die falsch parkenden Kraftfahrzeuge bereits zu einem den Fahrzeugführern unbekannten Ort abgeschleppt oder der Abschleppvorgang unmittelbar eingeleitet worden.

Der Angeklagte verlangte von den zu ihren Fahrzeugen zurückkommenden Fahrzeugführern vor Ort aufgrund der Abtretung der Schadensersatzansprüche unmittelbar eine Bezahlung derjenigen Beträge, die sich aus den mit seinen Vertragspartnern vereinbarten Preislisten für die bereits erbrachten Leistungen ergaben. Der Angeklagte berief sich jeweils auf ein Zurückbehaltungsrecht und erklärte, er werde die Parkkrallen erst abnehmen, den Abstellort des abgeschleppten PKW erst verraten oder den schon eingeleiteten Abschleppvorgang erst abbrechen, wenn ihm vor Ort die geforderte Summe vollständig gezahlt werde. Die meisten betroffenen Autofahrer zahlten daraufhin die geforderte Summe.

Der Angeklagte vom LG München I frei gesprochen worden. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft. Der BGH hat im BGH, Urt. v. 21.12.2106 – 1 StR 253/16 – diesen Freispruch ganz überwiegend bestätigt. Der BGH ist davon ausgegangen, dass angesichts der damals weitgehend streitigen zivilrechtlichen Rechtslage zur Höhe erstattungsfähiger Abschleppkosten und zur Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten an falsch parkenden Fahrzeugen sowie der umfangreichen Rechtsberatung des Angeklagten, die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach der Angeklagte insgesamt gutgläubig gehandelt hat, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Dazu u.a.:

„……….In diesem Zusammenhang hat die Kammer zu Recht zusätzlich darauf abgestellt, dass der Angeklagte trotz einiger abweichender amtsgerichtlicher Judikate dem Rechtsrat seiner verschiedenen Rechtsberater vertraut hat, die geltend gemachten Ansprüche seien dem Grunde und der Höhe nach gerecht-fertigt und einklagbar. Diese Vorstellung findet einen zusätzlichen Beleg in dem Umstand, dass die Forderungen der P. KG im Einzelfall auch einge-klagt wurden (vgl. UA S. 109).

dd) Rechtsfehlerfrei getroffen ist auch die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei bei den jeweiligen Vorfällen fest davon überzeugt gewesen, rechtmäßig zu handeln. Auf der Grundlage der im Einzelnen dargestellten um-fangreichen rechtlichen Beratung des Angeklagten durfte das Landgericht den Schluss ziehen, der Angeklagte sei trotz Kenntnis einiger abweichender Urteile insgesamt davon ausgegangen, er handele hinsichtlich seines Geschäftsmo-dells – einschließlich des Einsatzes von Parkkrallen – in vollem Umfang recht-mäßig. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich mit dem Umstand beschäftigt, dass die P. KG in Einzelfällen zivilgerichtli-che Rechtsstreitigkeiten im Tatzeitraum auch verloren hat. Den Indizwert dieses Umstandes hat sie dadurch entkräftet gesehen, dass dies zum einen teilweise rein prozessualen Gründen geschuldet war, zum anderen die Rechtsberater des Angeklagten unter Verweis auf die aus Sicht der P. KG positiven Entscheidungen von Amts- und Landgerichten nicht unplausibel darauf hinwei-sen konnten, es handele sich um eine Fehlbeurteilung der damals höchstrichterlich weitgehend ungeklärten Rechtslage. Soweit es um den Einsatz von Parkkrallen ging, war die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls ungeklärt.“

Lediglich in einem Fall, in dem nach den Feststellungen des LG unter Einsatz einer Parkkralle weit überhöhte Kosten geltend gemacht worden sind, hat der BGH die Beweiswürdigung des LG beanstandet und den Freispruch insoweit aufgehoben. Insoweit ist zurückverweisung an das AG München erfolgt.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: „Befriedungsgebühr“ bei Rechtsmittelrücknahme der Staatsanwaltschaft?

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: „Befriedungsgebühr“ bei Rechtsmittelrücknahme der Staatsanwaltschaft?, hatte mal wieder die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG zum Gegenstand, die in der Praxis eine Menge Arbeit macht. Die Frage des Kollegen war aber m.E. dann doch noch recht einfach und daher schnnel und kurz/knapp zu beantworten, nämlich wie folgt:

„Frage vorab:
Sie haben den RVG-Kommentar? Dann schauen Sie mal bitte bei Nr. 4141 VV RVG Rn. 57.
Im Übrigen hilft vielleicht: OLG Braunschweig, Beschl. v. 08.03.2016 – 1 Ws 49/16. Steht auf meiner HP.“

Kurze Frage, kurze Antwort 🙂 mit folgendem Ergebnis: M.E. entsteht in diesem Fall die Gebühr. So auch das OLG Braunschweig in dem Beschl. v. 08.03.2016, der den Leitsatz hat:

„Nimmt der Rechtsanwalt nach Gesprächen mit dem zuständigen Staatsanwalt, in welchen die Möglichkeit einer beiderseitigen Revisionsrücknahme erörtert wurde, die Revision des Angeklagten zurück und nimmt im Hinblick darauf dann auch die Staatsanwaltschaft ihre bereits begründete Revision zurück, entsteht für den Rechtsanwalt die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 3 VV RVG, ohne dass es darauf ankommt, ob das Rechtsmittel bei Rechtsmittelgericht anhängig geworden ist.“

Was für die Revision gilt, gilt für die Berufungsrücknahme entsprechend.

 

Unterbringung und Gefährlichkeitsprognose, oder: Sind Angriffe auf Polizeibeamte ggf. weniger „gefährlich“?

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Unterbringungsfragen (§§ 63, 64 StGB) spielen in der Rechsprechung des BGH eine doch recht große Rolle.Das zeigen die vielen Entscheidungen der Strafsenate, die sich mit den damit zusammenhängenden Fragen befassen. Das gehört u.a. auch der BGH, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 StR 565/16.

Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung freigesprochen. Zugleich hat es aber u.a. seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte am 28.08.2014 zuhause Bier getrunken. Gegen 22.00 Uhr fuhr er mit seinem Pkw zu einer Tankstelle, um weiteres Bier zu kaufen. Dabei war ihm bekannt, dass er aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses und des Konsums von Cannabis fahruntüchtig war. Schließlich fuhr er geradeaus über einen Kreisverkehr, wodurch sein Pkw beschädigt wurde und liegen blieb. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits von einer Polizeistreife mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt. Nachdem er einer Aufforderung der Polizeibeamten zum Verlassen seines Fahrzeugs keine Folge geleistet hatte, wurde er aus dem Fahrzeug gezogen und zur Durchführung weiterer Durchsuchungsmaßnahmen an das Auto gelehnt. In der Folge wurde der Angeklagte zunehmend aggressiver und musste deshalb gefesselt werden. Danach unternahm er mehrere Kopfstöße in Richtung eines Polizeibeamten, der diesen jedoch ausweichen konnte. Dabei beleidigte er den Beamten unter anderem mit den Worten „Scheißbulle“ und „Hurensohn“. Nachdem er in den Streifenwagen verbracht worden war, versuchte er erneut, den neben ihm sitzenden Polizeibeamten mit Kopfstößen zu treffen; außerdem wiederholte er ständig die bereits angeführten Beleidigungen. Die Strafkammer hat aufgrund eines Sachverständigengutachten angenommen, dass der Angeklagte bei Tatbegehung aufgrund einer paranoiden Schizophrenie mit aku-ter psychotischer Symptomatik sowie einer Alkohol- und Cannabisintoxikation bei sekundärer Alkoholabhängigkeit und THC-Missbrauch schuldunfähig war.

Der BGH hat die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB aufgehoben, weil die Urteilsgründe des LG nach seiner Auffassung nicht belegen, dass zwischen der psychischen Erkrankung des Angeklagten und den Anlasstaten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. So weit, so gut. Da muss das LG also nacharbeiten.

Und dafür gibt der BGH Folgendes mit auf den Weg:

„Sollte die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf der Grundlage des § 63 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 erneut in Betracht gezogen werden, wird hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen sein, dass Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne weiteres dem Bereich der erheblichen Straftaten zuzurechnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, 32). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, Rn. 19).“

Hatte ich in dem BGH, Beschl. v. 19.01. 2017 – 4 StR 595/16 – überlesen.

Nochmals Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?

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In der Facebook-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ ist gerade gestern in Zusammenhang mit der Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes die Frage der ausreichenden Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO diskutiert worden. Zu dieser Frage hat es vor einiger Zeit das BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15  gegeben (vgl. BGH: Wie wird im Urteil „prozessordnungsgemäß“ auf ein Lichtbild verwiesen?). Das ist zwar im Strafverfahren ergangen, seine Grundsätze gelten aber auch im Bußgeldverfahren. Und das Urteil hat dann kurz darauf das OLG Bamberg aufgegriffen (vgl. den OLG Bamberg, Beschl. v. 14. 11. 2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu: Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg). M.E. ist die Rechtsprechung an dieser Stelle in Bewegung und weicht, was die ordnungsgemäße Bezugnahme angeht, ein wenig auf.

Das folgt dann m.E. auch aus dem OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 -, in dem es zu der Problematik dann heißt:

„b) Hier hat das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. „aufgrund der in Augenschein genommenen Lichtbilder auf Bl. 18 d.A. in Abgleich mit dem in der Hauptverhandlung erschienen Betroffenen“ Damit hat es in noch zureichender und wirksamer Weise, nämlich durch ausdrückliche und genaue Nennung der Fundstellen in den Akten deutlich und zweifelsfrei erklärt, über die Beschreibung des Vorgangs der Beweiserhebung als solchen hinaus auf die am genannten Ort befindlichen Messfotos gemäß § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug zu nehmen und diese so zum Bestandteil der Gründe seines Urteils zu machen. Aufgrund der prozessordnungsgemäßen Bezugnahme kann der Senat deshalb die fraglichen Abbildungen aus eigener Anschauung würdigen und selbst beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind. Da die in Bezug genommenen Lichtbilder zur Identifizierung des Betr. auch nach der Wertung des Senats als uneingeschränkt geeignet anzusehen sind, bedurfte es weiterer Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers, insbesondere einer Auflistung der charakteristischen Merkmale oder Darlegungen zum Maß der Merkmalsübereinstimmungen, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betr. stützt, nicht mehr.

aa) Ob das Tatgericht seinen Willen, zur Erleichterung der Abfassung der Urteilsgründe auf bei den Akten befindliche Abbildungen gemäß 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug zu nehmen, um sie zum Bestandteil seiner Urteilsgründe zu machen, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, kann im Einzelfall nur unter Berücksichtigung der Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Die Einhaltung einer besonderen Form, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, die Verwendung einer verdeutlichenden Floskel oder die ausdrückliche Zitierung der Bestimmung des § 267 I 3 StPO schreibt weder das Gesetz vor (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2006 – 5 Ss [OWi] 199/06 = VM 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43), noch lässt sich diese Notwendigkeit aus übergeordneten Erwägungen, etwa aus dem Gesetzeszweck, herleiten. Entscheidend sind letztlich immer die für das Prinzip, dass die Urteilsgründe aus sich selbst heraus verständlich sein müssen, auch sonst zu wahrenden Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris], m.w.N.).

bb) Nach diesem Maßstab dürfen die keinem Selbstzweck dienenden Anforderungen an die Abfassung der tatrichterlichen Urteilsgründe, die nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise (womöglich lückenlos) zu dokumentieren, sondern lediglich das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st.Rspr.; vgl. neben BGH, Beschl. v. 04.09.1997 – 1 StR 487/97 = NStZ 1998, 51; BGH, Beschl. v. 11.04.2012 – 3 StR 108/12 = StV 2012, 706 = NStZ-RR 2012, 212; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 m.w.N.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 107), nicht grundlos überspannt werden. Hierauf liefe es jedoch gerade im auf verwaltungsrechtliche Pflichtenmahnung angelegten verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren als Massenverfahren hinaus, eine den Anforderungen des § 267 I 3 StPO genügende Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen unter Ausblendung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe unterschiedslos und pauschal mit der Begründung in Frage zu stellen, dass für deren Wirksamkeit die Angabe der Fundstellen in den Akten regelmäßig nicht als ausreichend anzusehen sei, wenn an seinem auch nach außen erkennbaren eindeutigen Willen, die Abbildungen durch Bezugnahme zum Gegenstand der Urteilsgründe zu machen, keine Zweifel bestehen. Bereits nach allgemeiner Anschauung enthält die unter den gegebenen Umständen verfasste – wenn auch knappe – Angabe der Fundstelle in den Akten die über die bloße Berichterstattung über den in der Hauptverhandlung als Teil der dortigen Beweisaufnahme genommenen Augenschein hinaus die unmissverständliche Aufforderung an den Leser, sich bei Gelegenheit durch unmittelbare Betrachtung des Augenscheinobjekts einen eigenen Eindruck zu verschaffen (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 5; OLG Bamberg a.a.O.). Der Verständniszusammenhang der Urteilsgründe wird hierdurch nicht tangiert, da mit der vom AG gewählten Formulierung klar das Wiedererkennen des Betr. zum Ausdruck gebracht wird. Dass das AG auf eine deskriptive Beschreibung einzelner ‚wiedererkannter‘ Merkmale des Physiognomie des Betr. verzichtet oder den Grad der Übereinstimmung mit den auf dem Messfoto erkennbaren Merkmalen nicht eingehender dargelegt hat, ist unschädlich. Dem Postulat einer „inhaltlichen Erörterung“ ist schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Betr. durch den Vergleich des Betr. mit dem Messfoto zum Ausdruck gebracht hat. Mehr bedarf es nicht, zumal die Überprüfung, ob der Betr. mit dem abgebildeten Fahrzeugführer tatsächlich identisch ist, dem Rechtsbeschwerdegericht ohnehin nicht zusteht und ihm auch gar nicht möglich wäre. Die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist vielmehr auf die durch die wirksame Bezugnahme und den hierdurch statthaften ‚Blick in die Akten‘ ermöglichte Überprüfung der generellen Ergiebigkeit der in Bezug genommenen Lichtbilder beschränkt (OLG Bamberg a.a.O.; BGH, Beschl. v. 19.12.1995 – 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89).“

Klingt m.E. ein bisschen anders als in früheren/anderen Entscheidungen.