Nochmals Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?

© fotoknips – Fotolia.com

In der Facebook-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ ist gerade gestern in Zusammenhang mit der Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes die Frage der ausreichenden Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO diskutiert worden. Zu dieser Frage hat es vor einiger Zeit das BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15  gegeben (vgl. BGH: Wie wird im Urteil „prozessordnungsgemäß“ auf ein Lichtbild verwiesen?). Das ist zwar im Strafverfahren ergangen, seine Grundsätze gelten aber auch im Bußgeldverfahren. Und das Urteil hat dann kurz darauf das OLG Bamberg aufgegriffen (vgl. den OLG Bamberg, Beschl. v. 14. 11. 2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu: Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg). M.E. ist die Rechtsprechung an dieser Stelle in Bewegung und weicht, was die ordnungsgemäße Bezugnahme angeht, ein wenig auf.

Das folgt dann m.E. auch aus dem OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 -, in dem es zu der Problematik dann heißt:

„b) Hier hat das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. „aufgrund der in Augenschein genommenen Lichtbilder auf Bl. 18 d.A. in Abgleich mit dem in der Hauptverhandlung erschienen Betroffenen“ Damit hat es in noch zureichender und wirksamer Weise, nämlich durch ausdrückliche und genaue Nennung der Fundstellen in den Akten deutlich und zweifelsfrei erklärt, über die Beschreibung des Vorgangs der Beweiserhebung als solchen hinaus auf die am genannten Ort befindlichen Messfotos gemäß § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug zu nehmen und diese so zum Bestandteil der Gründe seines Urteils zu machen. Aufgrund der prozessordnungsgemäßen Bezugnahme kann der Senat deshalb die fraglichen Abbildungen aus eigener Anschauung würdigen und selbst beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind. Da die in Bezug genommenen Lichtbilder zur Identifizierung des Betr. auch nach der Wertung des Senats als uneingeschränkt geeignet anzusehen sind, bedurfte es weiterer Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers, insbesondere einer Auflistung der charakteristischen Merkmale oder Darlegungen zum Maß der Merkmalsübereinstimmungen, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betr. stützt, nicht mehr.

aa) Ob das Tatgericht seinen Willen, zur Erleichterung der Abfassung der Urteilsgründe auf bei den Akten befindliche Abbildungen gemäß 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug zu nehmen, um sie zum Bestandteil seiner Urteilsgründe zu machen, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, kann im Einzelfall nur unter Berücksichtigung der Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Die Einhaltung einer besonderen Form, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, die Verwendung einer verdeutlichenden Floskel oder die ausdrückliche Zitierung der Bestimmung des § 267 I 3 StPO schreibt weder das Gesetz vor (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2006 – 5 Ss [OWi] 199/06 = VM 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43), noch lässt sich diese Notwendigkeit aus übergeordneten Erwägungen, etwa aus dem Gesetzeszweck, herleiten. Entscheidend sind letztlich immer die für das Prinzip, dass die Urteilsgründe aus sich selbst heraus verständlich sein müssen, auch sonst zu wahrenden Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris], m.w.N.).

bb) Nach diesem Maßstab dürfen die keinem Selbstzweck dienenden Anforderungen an die Abfassung der tatrichterlichen Urteilsgründe, die nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise (womöglich lückenlos) zu dokumentieren, sondern lediglich das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st.Rspr.; vgl. neben BGH, Beschl. v. 04.09.1997 – 1 StR 487/97 = NStZ 1998, 51; BGH, Beschl. v. 11.04.2012 – 3 StR 108/12 = StV 2012, 706 = NStZ-RR 2012, 212; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 m.w.N.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 107), nicht grundlos überspannt werden. Hierauf liefe es jedoch gerade im auf verwaltungsrechtliche Pflichtenmahnung angelegten verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren als Massenverfahren hinaus, eine den Anforderungen des § 267 I 3 StPO genügende Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen unter Ausblendung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe unterschiedslos und pauschal mit der Begründung in Frage zu stellen, dass für deren Wirksamkeit die Angabe der Fundstellen in den Akten regelmäßig nicht als ausreichend anzusehen sei, wenn an seinem auch nach außen erkennbaren eindeutigen Willen, die Abbildungen durch Bezugnahme zum Gegenstand der Urteilsgründe zu machen, keine Zweifel bestehen. Bereits nach allgemeiner Anschauung enthält die unter den gegebenen Umständen verfasste – wenn auch knappe – Angabe der Fundstelle in den Akten die über die bloße Berichterstattung über den in der Hauptverhandlung als Teil der dortigen Beweisaufnahme genommenen Augenschein hinaus die unmissverständliche Aufforderung an den Leser, sich bei Gelegenheit durch unmittelbare Betrachtung des Augenscheinobjekts einen eigenen Eindruck zu verschaffen (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 5; OLG Bamberg a.a.O.). Der Verständniszusammenhang der Urteilsgründe wird hierdurch nicht tangiert, da mit der vom AG gewählten Formulierung klar das Wiedererkennen des Betr. zum Ausdruck gebracht wird. Dass das AG auf eine deskriptive Beschreibung einzelner ‚wiedererkannter‘ Merkmale des Physiognomie des Betr. verzichtet oder den Grad der Übereinstimmung mit den auf dem Messfoto erkennbaren Merkmalen nicht eingehender dargelegt hat, ist unschädlich. Dem Postulat einer „inhaltlichen Erörterung“ ist schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Betr. durch den Vergleich des Betr. mit dem Messfoto zum Ausdruck gebracht hat. Mehr bedarf es nicht, zumal die Überprüfung, ob der Betr. mit dem abgebildeten Fahrzeugführer tatsächlich identisch ist, dem Rechtsbeschwerdegericht ohnehin nicht zusteht und ihm auch gar nicht möglich wäre. Die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist vielmehr auf die durch die wirksame Bezugnahme und den hierdurch statthaften ‚Blick in die Akten‘ ermöglichte Überprüfung der generellen Ergiebigkeit der in Bezug genommenen Lichtbilder beschränkt (OLG Bamberg a.a.O.; BGH, Beschl. v. 19.12.1995 – 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89).“

Klingt m.E. ein bisschen anders als in früheren/anderen Entscheidungen.

5 Gedanken zu „Nochmals Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?

  1. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Stimmt – „schreibt fort“ :-). Wenn ich jetzt die Entscheidung allerdings noch einmal lese und auch die beiden OLG Bamberg-Entscheidungen……dann meine ich schon, dass es – zumindest ein wenig “ aufweicht 🙂

  2. Florian

    Es gibt natürlich auch die Variante das Lichtbild einzuscannen, in die Urteilsgründe einzufügen und das Urteil mit Bild auszudrucken… Dann ist das Bild auf jeden Fall Teil des Urteils…

  3. RA Daniel Nowack

    Um es mit Jhering zu sagen: „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit.“

    Da geht sie hin, die Form… Leider nicht nur hier zu beobachten. Schade!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert